Protocol of the Session on December 20, 2007

Nach dem, was bislang bekannt ist, sollen die endgültigen Verträge zum Verkauf der Landesbank und der Verteilung der Risiken erst in zwei bis drei Monaten vorliegen. Die Staatsregierung verlangte gestern von uns, dass wir quasi die Katze im Sack kaufen. Das war und ist mit uns nicht zu machen, deshalb haben wir gestern mit Nein gestimmt.

(Beifall bei der Linksfraktion) (Beifall bei der Linksfraktion)

Auch der Umstand, dass die Staatsregierung die ohnehin schon extrem hohen Bürgschaftsbefugnisse des Haushaltsausschusses gleich für zwei Haushaltsjahre beschließen ließ, ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Würde man der Logik der Staatsregierung folgen, dann könnte man künftig wie zu DDR-Zeiten einen Fünfjahresplan aufstellen und unter Umgehung des Landtagsplenums im Ausschuss Bürgschaften über 8 Milliarden Euro beschließen. Das wäre mehr als die Hälfte des Landeshaushaltes. Es ist allerhöchste Zeit, dass der Sächsische Verfassungsgerichtshof diesem Treiben entschieden Einhalt gebietet.

Selbst Herr Tillich musste gestern im Ausschuss zugeben, dass die 328 Millionen Euro, die wir für die Sachsen LB erhalten sollen, lediglich ein virtueller Kaufpreis sind.

(Prof. Gunter Bolick, CDU: Das hat keiner gesagt!)

Sie haben dem Parlament den Umstand der 500-Millionen-Euro-Zahlung verschwiegen. Ich bin Herrn Kollegen Rößler sehr dankbar dafür, dass er gestern unmittelbar nach der Sitzung des Haushaltsausschusses wieder die Frage nach der politischen Verantwortlichkeit für das Bankendesaster in den Fokus gerückt hat. (Beifall bei der Linksfraktion)

Bezogen auf die gestern erfolgte Abstimmung im Ausschuss bleibe ich bei meiner Kritik: Auf der Grundlage von ganzen zweieinhalb Seiten Gesprächsnotizen kann man keine verantwortungsvolle Entscheidung über eine Milliardenbürgschaft treffen. Dieser Umstand, insbesondere aber unsere gravierenden rechtlichen Bedenken, waren der Grund dafür, dass die Mitglieder der Linken im Haushalts- und Finanzausschuss gegen den Antrag der Staatsregierung votiert haben.

(Karl Nolle, SPD: Das ist aber gemein!)

Herr Kollege Nolle, ich finde das nicht gemein. Ich finde das einfach richtig.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Suche allerdings ist ja nun wahrlich nicht wirklich aufwendig. Die wesentlichen Fakten sind bekannt. Was bislang fehlt, sind die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Die außerbilanziellen Finanzspekulationen der Sachsen LB, die in keinem Verhältnis zum vorhandenen Eigenkapital standen, waren absolut unverantwortlich. Sie waren aber zugleich mitnichten Eigenmächtigkeiten einiger wildgewordener Bankmanager, sondern sie folgten landespolitischen Vorgaben, deren entscheidender Urheber ohne jeden Zweifel der damalige Finanzminister und jetzige Ministerpräsident Georg Milbradt war. Darüber haben wir in diesem Hause wiederholt gesprochen. Inzwischen gibt es wohl nur noch einen einzigen Abgeordneten, der dies leugnet, und zwar der Betroffene selbst.

Hinzu kommt: Nahezu sämtliche Verfahrensbestimmungen wurden einfach über Bord geworfen. Die bislang gültige Bürgschaftsrichtlinie des Freistaates wurde erst in dieser Woche im Eilverfahren durch die Staatsregierung korrigiert und passgerecht gemacht. Die neue Richtlinie lag im Übrigen den Mitgliedern im Ausschuss gestern nicht einmal vor und wurde auch auf unser ausdrückliches Verlangen hin nicht herausgerückt. Die gewählten Abgeordneten wurden stattdessen auf das Internet verwiesen. Wir haben Mitarbeiter damit beauftragt, das einmal zu prüfen. Meine Damen und Herren, im Internet war die neue Fassung gestern nicht verfügbar. Ein derartiger Umgang mit dem Parlament ist völlig unannehmbar!

Schon beim überstürzten Notverkauf der Landesbank im August war das Parlament übergangen worden. Damals präsentierte sich Georg Milbradt noch als Retter. Er habe den Freistaat vor Schaden, zumindest aber vor weiterem Schaden bewahrt, so Georg Milbradt damals. Das Schiff Landesbank sei im sicheren Hafen. Er als Kapitän habe es gerettet und Retter schicke man doch nicht in die Wüste, reagierte er auf Rücktrittsforderungen seitens der Opposition. Die Rettungsaktion ist spätestens jetzt gescheitert. Das Schiff liegt nicht im sicheren Hafen, sondern ist auf Grund gelaufen. Das ist die Wahrheit, die Herr Milbradt bis heute nicht zur Kenntnis nehmen will.

Zum Kern des vorliegenden Verhandlungsergebnisses, zu dem der Finanzminister noch einmal gesprochen hat, nur

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dass der Ministerpräsident die Regierungserklärung auch heute wieder nicht persönlich abgibt, rundet eigentlich die Sache nur noch ab. Herr Milbradt, ich fordere Sie ausdrücklich auf, in dieser letzten Sitzung des Jahres 2007 persönlich das Wort zu ergreifen. Angesichts dessen, dass es womöglich Ihre letzte Landtagsrede als Regierungschef sein könnte, sollten Sie diese Chance nicht verstreichen lassen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der NPD und des fraktionslosen Abg. Klaus-Jürgen Menzel)

so viel: Eine zu erwartende Last von fast 3 Milliarden Euro für Sachsen ist kein Erfolg, sondern ein Desaster.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Weder wir von der Opposition noch die Menschen im Land werden Ihnen Ihre Argumentation durchgehen lassen, dass alles noch hätte weit schlimmer kommen können. Sie haben die Zahl von 4,3 Milliarden Euro nur aus einem einzigen Grund in die Welt gesetzt: um sich nachher dafür feiern zu lassen, dass Sie angeblich noch größeren Schaden abgewendet haben. Ich bin sicher und wiederhole es: Die sächsischen Bürgerinnen und Bürger werden dieses Spiel letztlich durchschauen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Haben sie schon! – Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Ministerpräsident, es geht hier schon lange nicht mehr um Ihre politische Zukunft. Die ist entschieden. Es geht um die Zukunft Sachsens. Dieses Land braucht einen Neuanfang, dem Sie im Wege stehen. Wenn Sie sich beeilen, Herr Milbradt, finden Sie vielleicht noch einen Platz im Sächsischen Fürstenzug, vielleicht als Georg, der Gescheiterte. Wenn Sie aber weiter an Ihrem Amt kleben, wird Ihnen niemand mehr ein Denkmal setzen, selbst wenn Sie ohne Zweifel in den Anfangsjahren für Sachsen Bleibendes geleistet und sich dabei durchaus Verdienste erworben haben. Doch dieser Bonus ist durch die Pannen der letzten Jahre schon längst aufgebraucht.

Lassen Sie mich an dieser Stelle an einige der schlimmsten Irrtümer des sächsischen Ministerpräsidenten erinnern. Ich spreche dabei nicht von den Irrungen und Wirrungen der Verwaltungs- und Funktionalreform, der gescheiterten Novellierung des Sächsischen Gedenkstättengesetzes, dem Sachsensumpf- bzw. Verfassungsschutzskandal und auch nicht von den Verrenkungen um den Glücksspielstaatsvertrag. Ich will mich heute, gemäß der Tagesordnung, ausschließlich auf die Vorgänge um die Sächsische Landesbank beschränken.

Der Irrtum Nummer eins bestand darin, dass der im Oktober 2000 vom damaligen Finanzminister Milbradt organisierte Sachsenfinanzverband, der die Sparkassen für die damals schon nicht wirklich starke Sachsen LB in Mithaftung genommen hat, im Ergebnis die Landesbank nicht lebensfähiger gemacht, aber die Sparkassenlandschaft in Sachsen bis zum heutigen Tage gespalten hat.

Der Irrtum Nummer zwei – darauf ist schon mehrfach hingewiesen worden – bestand darin, dass die im Jahr 2000 von Georg Milbradt eingefädelte Neuausrichtung der Geschäftspolitik der Sachsen LB – weg vom klassischen inländischen Kreditgeschäft und der Förderung des Mittelstandes hin zum unkalkulierbaren Geschäft auf den internationalen Kapitalmärkten – die Bank nicht neu aus-, sondern letztlich zugrunde gerichtet hat.

Milbradts Irrtum Nummer drei war, dass er den Volksentscheid „Pro kommunale Sparkasse“, den einzigen Volksentscheid in Sachsen nach 1990, einfach ignorierte und sein ursprüngliches Vorhaben mit der Bildung der Sach

sen-Finanzgruppe lediglich unter anderem Namen ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzte.

Irrtum Nummer vier des amtierenden Ministerpräsidenten war der Umstand, dass die von der Linksfraktion erzwungene Regierungserklärung zur Sachsen LB im März 2005 nicht für eine Wende in der bis dato praktizierten Geschäftspolitik genutzt wurde, sondern dass stur die in der Bank bislang angehäuften Risiken geleugnet wurden.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Dreifach!)

Das viel zu lange Festhalten an den Bankvorständen Weiss und Fuchs war zudem mit Sicherheit mehr als ein Irrtum; es war eine unverzeihliche Dummheit.

(Karl Nolle, SPD: Aber kein Zufall!)

Bereits vor zweieinhalb Jahren hatten wir die dubiosen Geschäfte in Dublin thematisiert. Ich wiederhole hier noch einmal, was der Ministerpräsident damals, also 2005, in seiner Regierungserklärung gesagt hat: „In den vergangenen Wochen wurde auch über angeblich unkalkulierbare Risiken im Kredit- und Beteiligungsportfolio der Sachsen LB insbesondere in Dublin spekuliert. Nach allem, was wir wissen, ist … diese Aussage unbegründet und geschäftsschädigend.“ Heute ist klar, dass wir schon damals den Finger in der Wunde hatten, doch der Ministerpräsident hat alle Probleme geleugnet und sich geweigert, die damals noch möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um gegenzusteuern.

Irrtum Nummer fünf war die 2006 beginnende hektische Betriebsamkeit mit der geplanten Umwandlung der Sachsen LB von einer Körperschaft öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft und die damit verbundene Vorstellung von einer geräuschlosen Übernahme durch die West LB.

Der Irrtum Nummer sechs unterlief Georg Milbradt Ende August 2007, als er glaubte, den Notverkauf der Sachsen LB dem Landtag als erfolgreiche Fusion mit der LBBW verkaufen zu können.

Jeder kann Fehler machen, doch wer zu viele begeht, ist in einem wichtigen Amt irgendwann nicht mehr tragbar.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich füge hinzu: Jeder kleine Steuerzahler wird belangt, wenn er ein paar hundert Euro nicht in seiner Steuererklärung angibt. Angesichts dessen aber dürfen Politiker, die für Milliardenschäden verantwortlich sind, nicht straffrei ausgehen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Richtig! – Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

Deshalb bin ich sehr gespannt, wann sich im vorliegenden Fall endlich die Staatsanwaltschaft in die Angelegenheit einschaltet.

In diesem Zusammenhang sei auch noch ein Wort zum Landesbank-Untersuchungsausschuss gestattet. Was der Ministerpräsident in der letzten Landtagssitzung dazu gesagt hat, war an Unverschämtheit kaum noch zu über

bieten, insbesondere als er gerade uns vorwarf, das Thema Dublin und die dortige dubiose Anlagepolitik im Ausschuss nicht thematisiert zu haben. Die Fakten sehen völlig anders aus. Nachdem sämtliche parlamentarischen Aufklärungsversuche der Vorwürfe von Vettern- und Mätressenwirtschaft sowie des fragwürdigen Geschäftsgebarens der Landesbankvorstände gescheitert waren, haben wir als Linksfraktion von unserem Minderheitenrecht der Verfassung Gebrauch gemacht und 2005 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Die Arbeit dieses Gremiums wurde von Anfang an mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln behindert. Angeforderte Akten wurden nur geschwärzt oder gar nicht herausgerückt. Zeugen erhielten nur eingeschränkte Aussagegenehmigungen oder verschwanden gleich ganz im Ausland. Über Monate blockierte die Koalition nahezu jeden Beweisantrag, wollte den Ausschuss auf das Thema „Mitteldeutsche Leasing AG“ reduzieren und verhinderte dadurch auch eine Behandlung der brisanten Vorgänge der Dubliner Tochter der Landesbank, die wir in unserem Einsetzungsauftrag ausdrücklich thematisiert hatten.

Abgesehen davon, dass auch die fragwürdigen MDLVorgänge dem Freistaat letztlich einen zweistelligen Millionenbetrag kosteten, wurden die brisanten Themen im Untersuchungsausschuss bis dato weitgehend ausgeklammert. Weder konnten die Immobiliendeals der Tochterfirma real noch die Anlagestrategie der Sachsen LB Europe untersucht werden. Bis zum heutigen Tag verweigert die Staatskanzlei die Herausgabe von Unterlagen, die zweifelsfrei beweisen könnten, dass der Ministerpräsident im Zusammenhang mit der Ablösung der Bankvorstände Fuchs und Weiss das Parlament und damit auch die Öffentlichkeit belogen hat.

(Karl Nolle, SPD: Das kann aber nicht sein!)

Georg Milbradt scheint nach dem Motto zu handeln: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!“

DIE LINKE fordert deshalb seit Monaten den Rücktritt des sächsischen Ministerpräsidenten. Mit dieser Forderung stehen wir schon längst nicht mehr allein. Dass Sie auf uns nicht hören wollen, kann ich ja vielleicht noch irgendwie nachvollziehen. Dass Sie aber auch die nahezu einhellige Meinung der regionalen und überregionalen Medien ignorieren, wird auf Dauer nicht durchzuhalten sein.

„Die Welt“ beispielsweise, nun wahrlich nicht als linkes Kampfblatt bekannt, schreibt in einem Kommentar unter der Überschrift „Kein Abschied in Würde“: „Nicht zuletzt hat Milbradt in der Vergangenheit alle Kritik an riskanten Operationen der Sachsen LB in geradezu rüder Manier abgebügelt. Jetzt klammert sich der sture Westfale an sein Amt wie ein Ertrinkender an seinen Strohhalm. Nach einem Abschied mit Würde sieht das nicht aus.“ Das urteilt „Die Welt“ am 14. Dezember.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, CDU-nah, nicht linksverdächtig, formuliert in ihrer Tageslosung vom selben Tag: „Milbradt meint, die Frage nach der politi

schen Verantwortung stelle sich erst im kommenden Jahr. Nein, sie stellt sich jetzt. Milbradt fehlen wie auch seinem Parteifreund und Amtskollegen und Landesbankkollegen Oettinger Charisma und Fortune. Für das frühzeitige Erkennen und Abwenden von Krisen hat er kein Sensorium.“

Die „Süddeutsche Zeitung“ konstatiert: „Dahin ist jedenfalls der Ruf des Ministerpräsidenten und promovierten Volkswirts, ein umsichtiger Finanzpolitiker zu sein.“

Der Berliner „Tagesspiegel“ verkennt nicht die Erfolge Georg Milbradts und kommentiert trotzdem: „Jetzt droht dem Mann, der seine Eignung als Ministerpräsident fast ausschließlich seinem strammen finanzpolitischen Kurshalten verdankt, das Aus. Der Freistaat scheint in ein Desaster zu schlittern.“ Auch in Sachsens Medienlandschaft findet der Ministerpräsident kaum noch Rückhalt, Herr Piwarz.

In der „Sächsischen Zeitung“ konnte man Folgendes lesen: „Wer auf diese Weise versagt und zulässt, dass Milliardenrisiken auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, ist politisch schwer beschädigt!“ Ich meine, Herr Saft hat absolut recht.