Herr Dr. Hähle, können Sie mir sagen, ob und wie oft die grundsätzliche Geschäftspolitik dieser Bank in der CDU-Fraktion bis 2004 diskutiert wurde?
Ich weiß ja nicht, ob wir uns das jetzt gegenseitig abfragen sollten. Ich könnte auch zurückfragen. Wir sind ja in einer Koalition und hätten uns vertrauensvoll gegenseitig diese Frage stellen können.
Diese kleine Bemerkung musste ich mir einfach einmal gestatten, ohne dass ich das zur Grundsatzfrage ausweiten möchte. Sie sollten nicht ganz so empfindlich reagieren. Wir hatten in der letzten Zeit auch einiges an Aussagen zu schlucken. Ich will das nicht weiter vertiefen.
Ich wollte sagen, es ist keine Kleinigkeit. Natürlich ist das eine schwere Last für Sachsen. Ich will aber heute noch einmal bekräftigen, was ich am 12. Dezember gesagt habe: Es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass unser laufender Doppelhaushalt 2007/2008 in irgendeiner Weise in Mitleidenschaft gezogen wird. Es gibt keine Notwendigkeit für Haushaltssperren, so wie das noch vor nicht allzu langer Zeit nach beinahe jeder Steuerschätzung notwendig war. Alle vom Landtag beschlossenen Ausgaben können im laufenden Haushalt ausgereicht werden. Wir können weiter Schulen und Kindergärten ausbauen. Unsere Sozialausgaben sind wie vorgesehen finanzierbar. Das Geld zur Förderung der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kultur und vieles andere mehr steht ungeschmälert zur Verfügung. Wer ein Untergangsszenario beschwört, handelt verantwortungslos.
Wer meint, er müsse hier ständig schreien und unsere Debatte stören, der sagt, dass er verantwortungslos handeln will.
Warum ist das so, meine Damen und Herren, dass unser Haushalt ungeschmälert bleiben kann? Weil unsere Politik bis zum Jahr 2004 und auch danach noch in der Koalition erfolgreich war, weil wir Vorsorge getroffen haben, weil
wir unsere Förderschwerpunkte richtig gesetzt haben, weil wir die Neuverschuldung ständig gesenkt haben, weil wir begonnen haben, Rücklagen für künftige Belastungen zu bilden.
Es ging gestern im Haushalts- und Finanzausschuss um die Bewilligung von Gewährleistungen zur Risikoabschirmung. Dazu ist zu sagen: Die in Rede stehenden 2,75 Milliarden Euro müssen ja nicht zwangsläufig bis auf den letzten Cent fällig werden. Die mit der LBBW gemeinsam gewählte Konstruktion verhindert, dass die derzeit kaum verkäuflichen Wertpapiere mit unabwendbaren Verlusten verramscht werden müssen. Sie können vielmehr bis zum Ende der jeweiligen Laufzeit gehalten werden, was nichts anderes heißt, als dass Zinsen und auch Tilgung weiterhin eingenommen werden, wenn es sich nicht um massenweise insolvente Kreditnehmer handelt. Nach allen vorhergegangenen Bewertungen sieht das nicht unbedingt so aus.
Ich kann mir vorstellen, dass man an die Gewährleistungsfonds ein Sternchen anfügt mit der Bemerkung, dass nicht in Anspruch genommene Bürgschaftssummen nach und nach wieder in die Vorsorgefonds überführt werden. Man möge mir verzeihen, dass ich eher an die optimistische Variante glaube. Für Pessimismus ist die Opposition zuständig, und da werden wir auch noch einiges zu hören bekommen.
(Widerspruch bei der Linksfraktion und den GRÜNEN – Antje Hermenau, GRÜNE: Was ist das für eine skurrile Rollenzuweisung, Herr Hähle?)
Eines wird Ihnen aber nicht gelingen: dass Sie mit Ihrer Debatte und Ihren Anträgen einen Keil in die Koalition treiben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Sondersitzung geht in Sachsen ein finanzpolitisches Abenteuer zu Ende.
Das Schlimmste ist mit der beschlossenen Vereinbarung verhindert worden, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Deswegen ist die Vereinbarung aus unserer Sicht von den
möglichen schlechten Lösungen die akzeptabelste. Wir tragen sie schweren Herzens mit, um noch größeren Schaden abzuwenden. Wir werden aber weiterhin alles tun, um lückenlos aufzuarbeiten, wer für diese schwere Finanzkrise Verantwortung übernehmen muss. Wir fordern deshalb, dass dem Untersuchungsausschuss wirklich alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.
Ein kurzer Blick in die Geschichte genügt, um bewerten zu können, wie es zu diesem Dilemma gekommen ist. Es gab zwei entscheidende strategische Weichenstellungen.
Als Erstes ist die Entscheidung zur Gründung einer Sächsischen Landesbank im Jahr 1992 zu nennen. Diese Entscheidung war keine Selbstverständlichkeit. Zunächst wurde das Ziel verfolgt, eine ostdeutsche Landesbank für alle neuen Bundesländer zu gründen. Dieser Versuch schlug fehl. Damit waren jedoch die strukturellen Probleme vorgezeichnet. Die Sachsen LB war die kleinste Landesbank mit entsprechenden Nachteilen. Der Freistaat wagte also von Anfang an einen hohen finanziellen Einsatz und ging damit auch ein hohes Risiko ein. Unter diesen Bedingungen hat die Sachsen LB die klassischen Aufgaben einer Landesbank, nämlich als Zentralinstitut die Sparkassenorganisation zu stärken und strukturpolitische Impulse zu setzen, nur bedingt erfüllen können.
Die zweite strategische Weichenstellung wurde vollzogen, nachdem sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Landesbank durch die Einigung der EU-Kommission dramatisch verändert haben. Mit dem Wegfall der Gewährträgerhaftung zum 19. Juli 2005 und der Modifizierung der Anstaltslast fiel der Wettbewerbsvorteil einer günstigen Refinanzierung durch Staatsgarantien schrittweise weg. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde der strukturpolitische Mehrwert als öffentlicher Auftrag endgültig hinfällig. Keiner konnte mehr die Frage beantworten, warum es die Sachsen LB als Landesbank künftig noch geben sollte. Die Sachsen LB war spätestens jetzt zu klein, um sich erfolgreich weiterzuentwickeln.
Mit dem Beschluss im Juli 2005 über die Eigenkapitalerhöhung in Höhe von 300 Millionen Euro hat das Kabinett der Landesbank zwar kurzfristig ein akzeptables Rating ermöglicht, aber das Grundproblem ihrer Daseinsberechtigung und damit ihrer langfristigen Entwicklungsstrategie blieb bestehen. Zu diesem Zeitpunkt wäre es jedoch noch möglich gewesen, die Sackgasse einer eigenständigen sächsischen Landesbank zu verlassen und sich aus einer Position der relativen Stärke einen Partner zu suchen. Stattdessen wurde die neue geschäftspolitische Strategie des damaligen Vorstandes gestützt. Sie setzte notgedrungen noch stärker auf Provisionsprodukte, die nur einen geringen Eigenkapitalbedarf haben.
Während die Risiken im Geschäft mit dem heimischen Mittelstand ausführlich gewürdigt wurden, hat der Vor
stand die Risiken der komplizierten internationalen Finanzprodukte nie in seiner ganzen Dimension in den zuständigen Gremien deutlich gemacht. Statt solider Banktätigkeit im Interesse der sächsischen Wirtschaft wurde mit den Steuergeldern der Bürger buchstäblich gezockt.
Die mit der Gründung der Sächsischen Finanzgruppe angestrebte vertikale Integration der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute hat sich nicht erst seit heute als Versuch bestätigt, den Erhalt der Landesbank zu sichern. Man hat den Eindruck, auch hier hat sich das Mittel zum Selbstzweck gewandelt.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich sehr deutlich an den Volksentscheid „Pro kommunale Sparkasse“ erinnern. Wir Sozialdemokraten haben einen erheblichen Anteil daran, dass dieser Volksentscheid erfolgreich war.
Knapp 85 % waren für den Erhalt kommunaler Sparkassen, der Sparkasse vor Ort. Denn damit wird eben die Daseinsvorsorge, die kommunale Identität bewahrt und gesichert. Das Ergebnis hat uns allen, ich korrigiere, hätte uns allen zeigen müssen, was die Sachsen wollen und was nicht. Sie wollen nicht die Zielvorstellungen des ehemaligen Finanzministers und jetzigen Ministerpräsidenten, die Sparkassen durch den Schulterschluss auch mit der Landesbank im europäischen Bankenwettbewerb konkurrenzfähiger zu machen. Wie weit diese Konkurrenzfähigkeit gereicht hat, sehen wir heute. Heute müssen Probleme gelöst werden, deren ursprünglich schleichende Entwicklung schon vor Jahren begann. Die politische Verantwortung eines damaligen Finanzministers Georg Milbradt könnte sich auch mit in das Amt des Ministerpräsidenten geschlichen haben.
Hätte der Freistaat im Juni 2007 die Landesbank für – sagen wir einmal – 1,5 Milliarden Euro verkauft, dann hätte sich der Ministerpräsident als großartiges Finanzgenie feiern lassen, das diesen Deal im Alleingang eingefädelt hat Den Ruhm hätte er allein eingestrichen. Heute müssen wir mit 2,75 Milliarden Euro die möglichen Ausfälle der Landesbank absichern. Der Ministerpräsident lässt sich als Retter in der Not feiern, der das Schlimmste gerade noch verhindert hat. Die Differenz zwischen diesen beiden Jubilarien lässt sich eindeutig beziffern: 4,25 Milliarden Euro. Damit ist der politische Dispositionskredit des Ministerpräsidenten bis zum Anschlag ausgereizt. Die Verantwortung für das Desaster möchte er gern auf mehrere Schultern verteilen. Der kühl kalkulierende Ökonom hätte den Gewinn im wahrsten Sinne privatisiert und will jetzt die Verantwortung sozialisieren.
An dieser Stelle kann aber auch die Frage nach der Verantwortung der Aufsichtsgremien gestellt werden. Wie wollen aber Mitglieder von Aufsichtsgremien verstehen,
was in einer Bank passiert, wenn sie von den zu kontrollierenden Akteuren an der Nase herumgeführt werden?