Protocol of the Session on December 13, 2007

„Mir gäbbet nix!“ So haben Sie, Frau Abg. Hermenau, Ihre Jahre im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages betitelt. Sie haben hier mit einem Augenzwinkern beschrieben, wie schwer es ist, zwischen dem politisch Machbaren und dem politisch Gewünschten zu entscheiden. Nicht alles, was wir uns wünschen, können wir mit ruhigem Gewissen finanzieren. Wir haben eine Verantwortung für das Allgemeinwohl, und dieser werden wir nur gerecht, wenn wir jeden Euro zwei Mal umdrehen, bevor wir ihn ausgeben.

Wir teilen Ihre Sorge um die Perspektive unserer Kinder. Wir teilen Ihre Sorge, dass Kinder einkommensschwacher Familien benachteiligt werden. Und wir haben das gleiche Ziel: Wir wollen die Perspektiven dieser Kinder und Jugendlichen verbessern.

Wir als Sächsische Staatsregierung tun dies bereits.

Wir geben allen Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, die Chance auf die Verwirklichung eigener Vorstellungen.

Wir geben allen Kindern eine gute Bildung mit, wir unterstützen die Eltern dabei, Familie und Beruf zu vereinbaren und ihre Kinder gesund aufwachsen zu lassen.

Wer weiß, vielleicht kommen wir ja damit unserem Ziel ein wenig näher: einem weiteren sächsischen Nobelpreisträger.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt „Deutsche Kriegsgefangene und Zwangsdeportierte angemessen entschädigen“ auf.

(Die Abg. Andrea Roth, Linksfraktion, und Dr. Johannes Müller, NPD, stehen am Mikrofon.)

Meine Herrschaften, ich bitte um freundlichen Beifall für mich. Wenn bei mir steht, der Tagesordnungspunkt ist abgesetzt, dann gehe ich davon aus, dass das auch so richtig ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Absetzung dieses Tagesordnungspunktes wurde dann wohl wieder zurückgezogen. Das ist nicht bei mir angekommen.

Reden wir nicht lange drum herum. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Gewährleistung der freien Ausübung des kommunalpolitischen Ermessens der sächsischen Städte und Gemeinden bei der Erhebung von Straßenbaubeiträgen – OVG-Urteil vom 31. Januar 2007 sofort umsetzen!

Drucksache 4/8413, Antrag der Linksfraktion, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Frau Roth, bitte.

Herr Präsident! Bevor ich zum Thema spreche, möchte ich erklären: Dieser Tagesordnungspunkt wurde nie abgesetzt. Dass er abgesetzt werden würde, war mehr ein Wunsch. Von wem, sage ich jetzt nicht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir scheint, der Bürgermeisterwahlkampf wirft seine Schatten voraus. Oder, besser gesagt, er zeigt seine sonnigen Seiten: „Bürgerinnen und Bürger erhalten ihre Straßenbaubeiträge zurück“, melden die Agenturen. Kommunen zahlen Gelder zurück, die sie – meist auf Druck des Innenministeriums – bisher für den Ausbau von Straßen von deren Anwohnern kassierten, und heben ihre Satzungen auf.

Angesichts dieser für die Bürgerinnen und Bürger selten schönen Botschaft will ich in meinem Redebeitrag nur drei Punkte ansprechen.

Erstens zum Urteil. Erneut musste ein Gericht, das Oberverwaltungsgericht Bautzen, die Staatsregierung korrigieren.

(Zuruf von der SPD)

Mit dem Urteil vom 31. Januar 2007 hält das Oberverwaltungsgericht den Regierenden den Spiegel in puncto unsozialer und die kommunale Selbstverwaltung missachtender Politik vor.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich bin geduldig, denn ich bin eine Lehrerin. Ich kenne das, ich warte immer, bis Ruhe ist.

(Zuruf von der SPD: Gleich kommt der Schlüssel geflogen!)

Also noch einmal – –

Es ist jetzt schwierig, nicht wahr?

Es ist sehr schwierig, vor allen Dingen – –

Vielleicht wäre es besser gewesen mit der Absetzung.

(Heiterkeit und Beifall)

Frau Präsidentin, dass Sie mir jetzt auch noch in den Rücken fallen, finde ich gar nicht schön.

Das ist so, weil ich hinter Ihnen sitze.

(Heiterkeit)

Über Straßenbaubeiträge zu sprechen ist notwendig, weil jetzt in den Kommunen die Haushalte diskutiert und beschlossen werden. Deshalb können wir uns als Landtag nicht zurückziehen, Weihnachten feiern und die Kommunen sozusagen ohne unser Votum im Regen stehen lassen. Das geht nicht.

Wir waren beim 31. Januar. An diesem Tag hat das Oberverwaltungsgericht geurteilt. Mit dem Urteil hat das Oberverwaltungsgericht den Regierenden den Spiegel vorgehalten – das sagte ich bereits – in puncto unsozialer und die kommunale Selbstverwaltung missachtender Politik.

Die Entscheidung des Gerichtes beendete den in Sachsen ständig gärenden Streit, ob für die Kommunen eine Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen besteht. Sie stellt rechtlich klar, dass die Kommunen sowohl das Ob der Beitragserhebung als auch das Wie frei entscheiden können. Das heißt, nicht nur, ob überhaupt

eine Straßenbaubeitragssatzung beschlossen wird, sondern auch das Bestimmen der Höhe der Gemeindeanteile bzw. der Anteile der Anlieger an den Ausbaukosten liegt im Ermessen der Städte und Gemeinden.

Zweitens zur Reaktion der Staatsregierung auf das Urteil. Mit den erst seit Oktober, also acht Monate nach der Urteilsverkündung, vorliegenden „Ergänzende Hinweise zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen infolge des Urteils des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen vom 31.01.2007“ erkennt die Staatsregierung mit Unwillen und zähneknirschend dieses Urteil an. Sie kann aber nicht über ihren Schatten springen. Sie windet und wendet sich und versucht, die Kommunen zum Eintreiben von Beiträgen zur Mitfinanzierung des Ausbaues von Straßen durch die Bürgerinnen und Bürger zu bewegen.

Dafür findet sie solche Sätze wie: „Den sächsischen Städten wird nahegelegt, weiterhin ihre Möglichkeiten zur Erhebung spezieller Entgelte auszuschöpfen und für den Ausbau von Verkehrsanlagen Beiträge zu erheben.“ – Das ist für uns eine bewusste Missinterpretation des Urteils.

(Beifall des Abg. Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion)

Nach den „Ergänzenden Anwendungshinweisen“ der Staatsregierung

sollen Straßenbaubeiträge auch weiterhin erhoben werden, insbesondere wenn Haushaltssicherheitskonzepte vorliegen

sind Rückzahlungen nicht verpflichtend vorgeschrieben

werden bei der Förderung weiterhin fiktive Straßenbaubeiträge von den zuwendungsfähigen Kosten abgesetzt.

Aussagen zu den Fällen, in welchen die Rechtsaufsichtsbehörde die Gemeinde gezwungen hat, die Beitragssatzung zu erlassen, bzw. die Satzung durch Ersatzvornahme selbst erlassen hat, fehlen völlig.

Damit beweist die Staatsregierung, dass sie nicht ablassen will, die Kommunen zu bevormunden und zu erpressen. Sie macht keinen Hehl daraus, dass Städte und Gemeinden die Bürgerinnen und Bürger dafür zur Kasse bitten sollen, wofür sie nicht zahlen müssen. Es bleibt also dabei: Die Politik der Regierung ist gegen die Bürgerinnen und Bürger und ihre Kommunen gerichtet.

Sie ignoriert das Gebot der Sächsischen Gemeindeordnung in § 73 Abs. 3, der fordert, auf die wirtschaftlichen Kräfte der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen.

Drittens, zu den Aktivitäten der Linksfraktion. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes vom Januar 2007 ist ein Sieg, für uns ein triumphaler Sieg der kommunalen Selbstverwaltung.

(Zuruf des Abg. Enrico Bräunig, SPD)

Mit unserem schon am 2. April dieses Jahres eingereichten Antrag drängen wir die Staatsregierung, die rechtswidrige Verwaltungspraxis des Drucks zum Erlass von Beitragssatzungen einzustellen, das freie und uneinge

schränkte Ermessen der Kommunen zur Beitragserhebung oder eben Nichterhebung zu gewährleisten und die Städte und Gemeinden bei der Aufhebung von Satzungen und gegebenenfalls bei den Rückzahlungsmodalitäten zu beraten.