Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der hier zur Diskussion stehende Gesetzentwurf der Linksfraktion zielt auf ein gesetzgeberisches Unterfangen, das inzwischen über ein Jahr lang sein Dasein im Geschäftsgang des Sächsischen Landtags fristet und gerade mit der gegenwärtig vorangetriebenen Verwaltungsreform zusammentrifft.
Die entsprechenden Beschlussempfehlungen aus dem Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss sowie dem Innenausschuss legen eine Ablehnung des Gesetzentwurfes nahe. Auch für die NPD-Fraktion ist die von der Linksfraktion hier für sich reklamierte „Förderung der unmittelbaren bürgerschaftlichen Selbstverwaltung in den sächsischen Kommunen“ ein politisches Kernanliegen. Nur so können in einem Raum, der von Geburtenschwund, Wegzug und Zusammenkürzung bei den Infrastruktureinrichtungen geprägt ist, in den kommenden Jahrzehnten Restbestände einer kommunalen Lebensfähigkeit erhalten werden.
Allerdings möchte die NPD-Fraktion bezweifeln, dass es dazu ausgerechnet basisdemokratischer Vorschläge der Linken bedarf, wie etwa die Herabsetzung des Unterschriftenquorums für Bürgerbegehren generell auf 5 vom Hundert. Das hört sich zwar zunächst nach mehr Bürgerfreundlichkeit an, kann aber in der Praxis dazu führen, dass besonders engagierte, sattsam bekannte Minderheiten ihren Kommunen künftig alle möglichen, vor allem aber unmöglichen Anliegen im Wege des Bürgerbegehrens aufzunötigen versuchen.
Die NPD-Fraktion will das aus allgemeinpolitischen Gründen nicht – auch deshalb, weil wir die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen bei der kommuna
Nur was die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre angeht, sind wir anderer Meinung. Aber in diesem Punkt werden Sie, Herr Porsch, sicher gut verstehen, dass wir hier aus wohlverstandenem politischem Eigeninteresse dafür sind. Die NPD hätte in Sachsen überhaupt kein Problem damit, wenn künftig schon mit 16 Jahren gewählt werden könnte. Es geht schließlich massiv auch um die Zukunfts- und Lebensperspektiven der jüngeren Generation.
In allen anderen zur Diskussion stehenden Fragen möchte ich nur auf das Urteil der Sachverständigen in der Anhörung am 26. November verweisen. Herr Groneberg vom Sächsischen Landkreistag hat dazu eigentlich alles Wesentliche gesagt, indem er seine Ablehnung des Gesetzentwurfes mit der Feststellung begründete – ich darf zitieren –: „Unser derzeitiges Kommunalverwaltungssystem hat sich nach Auffassung der Landkreise in den letzten 14 Jahren bewährt. Eine grundlegende Änderung ist nicht notwendig.“
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Grundanliegen des Gesetzentwurfes der Linksfraktion beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit der Stärkung der Elemente bürgerschaftlicher Mitbestimmung. Plebiszitäre Elemente der Stärkung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden haben uns in dieser Legislatur bereits beschäftigt, ebenso die Frage der Senkung des Wahlalters.
Die FDP hat ja selbst den Gesetzentwurf eingebracht, das aktive Wahlalter auf kommunaler Ebene auf 16 Jahre zu senken. Was auch immer gegen die Senkung von Quoren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Sachsen eingewandt wird, man muss zunächst zur Kenntnis nehmen, dass Sachsen eines der Länder mit den restriktivsten Regelungen ist, was diese Formen der bürgerschaftlichen Mitbestimmung anbelangt.
Das derzeitige Quorum für Bürgerbegehren von 15 % in Sachsen ist das höchste in der gesamten Bundesrepublik; sämtliche anderen Bundesländer liegen darunter. Das sollte uns zu denken geben, vielleicht sogar zum Handeln anregen, um es einmal so zu formulieren.
Im Übrigen ist mitnichten ein Chaos zu befürchten, sollte das Quorum bei Bürgerbegehren etwa auf 5 % gesenkt werden. Das ist in Bayern bereits üblich.
In Bayern herrschen nach wie vor – das werden mir auch die Vertreter der Union zugestehen – halbwegs geordnete Verhältnisse.
Nun komme ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Ich habe es bereits im Innenausschuss gesagt: Wir haben einige Punkte, bei denen wir aus unserer Sicht sagen, dass der Gesetzentwurf zu weit geht. Das sind die Einräumung des passiven Wahlrechts für Bürger ab 16 Jahre – das erscheint uns rechtlich problematisch – oder auch die Einberufung einer Einwohnerversammlung mit einem Quorum von 5 % unter Beteiligung sämtlicher über 14-Jähriger.
Die Bindefrist von zwei Jahren für Bürgerentscheide halten wir für zu kurz gegriffen. Wir sehen ein paar hundert Meter elbaufwärts, wie lange es tatsächlich dauern kann, bis Bürgerentscheide umgesetzt werden. Wenn Sie alle zwei Jahre einen neuen veranstalten, dann kommen Sie zu gar nichts; aber Sie kommen alle zwei Jahre zu einem neuen Bürgerentscheid und die Katze beißt sich in den Schwanz.
Schließlich halten wir es für formal überzogen, bei Bürgerentscheiden grundsätzlich zwingend Abstimmungsbücher vorzusehen. Nach meiner Auffassung gibt es Fragen, die auch ohne ein solches Buch bewertet und vom Bürger entschieden werden können. Lassen Sie mich schließlich eines anfügen: Die Abwahl von Bürgermeistern mit einem Quorum von lediglich 25 % der Stimmberechtigten widerspricht unseren Vorstellungen von der Legitimation eines solchen Amtes und dem notwendigen Abwahlquorum, das nach unserer Auffassung bei 50 % liegen sollte.
Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf insgesamt nicht zustimmen, sondern wir werden uns dazu enthalten. Aber diese Gründe sind nachvollziehbar und verständlich im Gegensatz zu manchen anderen Begründungen, die nur dafür hergenommen werden, tatsächlich nichts zu tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linksfraktion möchte die unmittelbare bürgerschaftliche Mitwirkung in den Gemeinden und Kreisen stärken. Wir begrüßen das, denn sie verfolgt damit dasselbe Ziel wie wir Bündnisgrünen in unseren Gesetzentwürfen zur Erleichterung kommunaler Bürgerentscheide und zur
Die Damen und Herren von der Koalition haben unseren Gesetzentwurf zu kommunalen Bürgerentscheiden bereits vor der Sommerpause abgelehnt, genauso, wie sie auch heute den Gesetzentwurf der Linksfraktion ablehnen werden. Obwohl sich in der Koalitionsvereinbarung eine Stärkung der bürgerschaftlichen Mitwirkung findet, konnten wir von Ihnen bisher keinen Gesetzentwurf, geschweige denn überhaupt einen ernsthaften positiven Diskussionsbeitrag vernehmen. Der Erfolg des Einsatzes der Koalitionsfraktionen für mehr Demokratie ist die Erhöhung der Anzahl der Kreistagsmitglieder in den neuen Kreisen nach der Kreisgebietsreform.
Dies haben wir, so meine ich, nicht der besseren Einsicht der CDU- und SPD-Koalition zu verdanken, sondern dem Einfluss des sorbischen Volkes, das um seine Repräsentation im Kreistag Bautzen fürchtete.
Wir haben zwar in dem einen oder anderen Punkt nach unserer Auffassung bessere Regelungen in unserem Gesetzentwurf, aber das ist nicht wichtig. Im Vordergrund steht heute der gemeinsame Wille, die Gemeinde- und die Landkreisordnung im Sinne einer besseren, unmittelbaren Mitwirkung und Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger zu reformieren.
Wir sind überzeugt, dass es die Pflicht der politischen Entscheidungsträger ist, den Bürgerinnen und Bürgern die Instrumente in die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, sich wirksam in die Entscheidungen der Gemeinden und Kreise einzubringen. Dafür müssen die Bürgerinnen und Bürger mehr durchsetzbare Rechte erhalten. Dazu trägt dieser Gesetzentwurf bei.
Ich möchte zu einigen Detailregelungen des Gesetzentwurfes Stellung nehmen. Erstens begrüßen wir die Einführung des kommunalen Wahlrechts ab 16 Jahren und des kommunalen Ausländerwahlrechts. Wer Jugendliche und Ausländer integrieren will, der muss ihnen auch das Recht einräumen, politisch mitzuentscheiden.
Zweitens beabsichtigt die Linksfraktion, die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, die Einwohnerversammlungen neu zu regeln und das Instrument der Einwohnerbefragung einzufügen. Im Grunde ist es zu begrüßen, wenn Beteiligungsrechte neben dem Bürgerentscheid erweitert werden sollen. Die vorgeschlagenen Regelungen erscheinen uns aber noch nicht ausgereift. Solange es keine Konzepte für eine fair moderierte Einwohnerversammlung gibt und eine Vorstellung, auf welche Weise Ergebnisse in die Entscheidungsfindung der
Gemeinde einfließen, geraten Einwohnerversammlungen sehr leicht in die Nähe öffentlicher Beruhigungspillen und Scheinbeteiligungen. Jedenfalls wird damit das Problem der Bürgerbeteiligung außerhalb des aufwendigen Verfahrens eines Begehrens nicht gelöst.
Drittens ist die Einführung einer Einwohnerbefragung nach § 23a ein interessanter Gedanke, aber auch hier bestehen dieselben Probleme. Ich frage mich, weshalb nur der Gemeinderat eine Einwohnerbefragung auslösen soll. Weiterhin besteht die Gefahr einer Entwertung des Bürgerentscheids, der rechtlich bindend ist. Schon jetzt ist festzustellen, dass bei Bürgerentscheiden oft von einer Bürgerbefragung gesprochen wird. Das zentrale Problem einer Einbeziehung der Befragung in die kommunale Entscheidungsfindung bleibt ungelöst.
Bei der Frage des Bürgerentscheids sieht der Gesetzentwurf eine Abschaffung des Zustimmungsquorums vor. Wir waren weniger mutig und sahen noch ein Erfolgsquorum von 10 % vor. Die Anhörung zu unseren Gesetzentwürfen hat auch für mich erbracht, dass wir ganz auf ein Erfolgsquorum verzichten können. Daher begrüße ich diesen Vorschlag der Linksfraktion ausdrücklich. Wir haben in unserem Gesetzentwurf ein Zulassungsquorum von 5 % vorgesehen. Sie schlagen das auch vor, wollen aber die nötige Unterschriftenanzahl auf 10 000 begrenzen. In Großstädten wie Dresden wären das wohl weit weniger als 5 %. Hier scheinen Sie uns zu großzügig zu sein.
Ein guter Gedanke ist die Hemmung der Vollziehung einer Entscheidung, die mit dem Bürgerentscheid verhindert werden soll, wenn die Hälfte der Unterschriften vorliegt. Dies wären in großen Städten allerdings schon 5 000 Unterschriften. Vielleicht ist dies zu großzügig, gebe ich zu bedenken. Letztlich bemühen Sie sich – das ist sehr wichtig –, auch die sogenannten „kleinen Schweinereien“ am Rande, die das Bürgerengagement abtöten sollen, zu verhindern. So regeln Sie, wie wir auch, dass die Unterschriftenlisten in den Rathäusern ausgelegt werden können. Die Vertreter des Bürgerbegehrens sollen auch das Recht erhalten, ihr Anliegen in den Veröffentlichungen und Räumen der Kommunen darstellen zu können. Ich freue mich sehr – im Gegensatz zu meinem Vorredner –, dass die Linksfraktion im Landtag den Gedanken eines Abstimmungsbüchleins für jeden Haushalt aufgenommen hat. Darin erhalten die Abstimmungsparteien die Gelegenheit, den Bürgerinnen und Bürgern ihre Position darzustellen. Sie unterscheiden sich damit wohltuend von den Vertretern der abgespaltenen Fraktion im Dresdner Stadtrat, oft Rechtsfraktion PDS genannt, die sich unserem Vorschlag nicht nähern konnten. Wir halten unsere Regelungsvorschläge im Gesetzentwurf für genauer.
Insgesamt ist es ein wichtiger und diskutabler Vorschlag, der in die richtige Richtung geht. Wir werden ihm trotz der dargelegten kleineren Bedenken im Einzelnen gern unsere Zustimmung geben. Ich bin mir im Übrigen sicher, dass die CDU-Fraktion zwar heute wieder einmal ihre
Zustimmung verweigern kann; insgesamt werden Sie die Revitalisierung der kommunalen Demokratie nicht aufhalten können.