Protocol of the Session on December 12, 2007

Zweitens. Selbstverständlich liegt es auf der Hand, dass für die Koalitionsfraktionen das derzeit geltende Recht ein Recht ist, das wir auch entsprechend respektieren. Ich mache es an einem Punkt fest: Es kann nicht sein, dass das Quorum, mit dem ein Bürgermeister- oder ein Landratskandidat zum Bürgermeister oder Landrat gewählt wird, weitaus höher ist als die Möglichkeit, die Sie hier im Gesetzentwurf vorsehen, ihn wiederum abzuwählen.

Das ist ein Ansatz, der der verfassungsmäßigen Prüfung nicht standhält. Ich glaube, damit habe ich Ihre Fragen beantwortet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen natürlich, dass sich die Bürgerschaft voll einbringt und auf der kommunalen Ebene engagiert und dies auch mit den Möglichkeiten, die vorliegen, tut.

Die angestrebte Verfassungsänderung im Gesetzentwurf der Linksfraktion, nach der das aktive Wahlrecht für Wahlen und Abstimmungen in Gemeinden und Landkreisen auf 16 Jahre abgesenkt werden soll, lehnen wir ab. Dazu hatten wir bereits im Januar dieses Jahres eine ausführliche Debatte. Ich möchte nochmals deutlich machen, dass die gesetzliche Einordnung Minderjähriger in das Rechtssystem einer Absenkung des Wahlalters widerspricht. So tritt die Volljährigkeit erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Bis zum 18. Lebensjahr gilt Jugendstrafrecht. Jugendliche sind nicht voll deliktsfähig und nicht voll geschäftsfähig. Auch die Pflicht zum Wehr- und Ersatzdienst besteht erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres.

Ich bin der Meinung, dass die Rechte und Pflichten miteinander korrespondieren sollen. Vorliegende Gutachten aus Niedersachsen, die ja bereits diesen Weg beschritten haben, zeigen, dass das Interesse eben nicht so ausreichend ist, wie man es sich zunächst erhofft hat.

Ich möchte hier für meine Fraktion deutlich machen, dass wir das Engagement der jungen Generation natürlich brauchen, zuallererst in den Bereichen, in denen sich Jugendliche selbst engagieren wollen, wie in den Bereichen Sport, Jugendarbeit, Jugendhilfe, in der Feuerwehr, natürlich auch im Bereich der Kirche, bei der Musik, was junge Leute unwahrscheinlich mögen, oder bei der Politik, bei der sozialen Arbeit – soziales Engagement von jungen Leuten ist etwas, was die Gesellschaft braucht –, soziale Hilfe im Bereich der Umweltbewahrung, der Schöpfung, Natur, Ökologie und Heimatpflege – womit wir bei diesen Punkten wären, die Sie erst so massiv kritisiert haben. Jugendliche sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen. Aber viele Jugendliche wollen sich politisch noch nicht mit 16 Jahren binden, weil sie sicherlich in einem anderen Entwicklungsprozess sind, als das dann nach 18 Jahren der Fall ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass in dem Gesetzentwurf eine Vielzahl von rechtlichen und verfassungsrechtlichen Mängeln vorhanden ist. Auch die Frage der Absenkung der Quoren haben wir bereits in den Änderungen zu dem Gesetzgebungsverfahren zur Neugliederung der Landkreise des Freistaates Sachsen mit angesprochen. Dort wollen wir die Quoren für die Einwohneranträge und Bürgerbegehren auf Landkreisebene von 15 auf 10 % absenken. Das ist bereits in der Diskussion des Innenausschusses.

Deshalb möchte ich abschließend darauf verweisen, dass die Linksfraktion eine Antwort zur Problematik des Mehrbelastungsausgleichs bisher schuldig geblieben ist. Das ist auch in der Anhörung kritisiert worden, denn bei

den angestrebten Absenkungen der erforderlichen Quoren wird die Verwaltung zu einem erheblichen Teil auch finanziell mehr belastet. Die Frage der vereinfachten Form der Abwahl von Landräten und Bürgermeistern wird Mehrbelastungen mit sich bringen. Herr Dr. Friedrich ist ja im Innenausschuss immer sehr engagiert; wenn die Staatsregierung Gesetzentwürfe einbringt und den Mehrbelastungsausgleich nicht immer deutlich erklären kann, dann ist Herr Dr. Friedrich da und äußert sich dazu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass die Mängel an diesem Gesetzentwurf so groß sind, dass Sie bitte in diesem Hohen Hause diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen sollten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion, bitte; Frau Abg. Weihnert.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist durchaus wahr, dass die Dinge, die in diesem Gesetzentwurf der Linksfraktion geregelt werden sollen, schon mehrfach in anderen Bereichen besprochen und diskutiert wurden. Bei der Problematik Wahlrecht ab 16 Jahren hat Kollege Schiemann schon darauf hingewiesen, dass wir dazu eine ausführliche Diskussion hatten. Allerdings möchte ich gleichzeitig bemerken, dass wir dazu etwas anderer Meinung sind.

Ich habe mir heute zwei Punkte aus dem Gesetzentwurf herausgegriffen, und zwar Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, weil ich glaube, dass das ein Hauptanliegen Ihres Gesetzes ist. Selbstverständlich sind diese Bürgerbegehren und Bürgerentscheide nicht nur ein Gewinn für unsere Kommunen, sie sind eine große Bereicherung für aktives bürgerschaftliches Engagement.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Auch Leipzig hat heute mit zwei Enthaltungen wieder einer zugestimmt, was wirklich bahnbrechend über die Fraktionen hinweg ist.

Ich bin immer wieder beeindruckt, mit welchem Ernst Bürgerinitiativen für ihr Anliegen streiten und wichtige Denkanstöße in der Kommunalpolitik geben. Instrumente direkter Demokratie sind keine Konkurrenz oder Entmachtung unserer Kommunalparlamente, sondern bereichern deren Arbeit. Diese Form der Demokratie bedeutet eben auch, außerhalb von Wahlen mit entscheiden oder initiativ tätig werden zu können.

Wir als Landesgesetzgeber sind daher in der Pflicht, faire gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Das bedeutet, dass einerseits demokratische Teilhaberechte nicht ins Leere laufen dürfen, sie andererseits aber auch ein bestimmtes Mindestmaß an Unterstützung erhalten müssen. Ich glaube, gerade in diesem Punkt unterscheiden wir uns,

denn diese Balance ist in dem Gesetzentwurf der Linksfraktion deutlich nicht zu erkennen.

Ich möchte noch einmal betonen, dass sich jeder Bürgerentscheid auf ein gewisses Mindestmaß an Zustimmung stützen muss, wenn er demokratisch legitimiert sein soll. Es kann daher nicht sein, dass ein Abstimmungsergebnis nur einen verschwindend kleinen Bruchteil der Wahlberechtigten repräsentiert und trotzdem eine für alle bindende Entscheidung trifft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es auch manchmal für Initiatoren schwer nachvollziehbar ist – auch die Nichtteilnahme an einem Bürgerentscheid ist ein Votum, das es in diesem Sinne demokratisch zu beachten gilt. Deshalb halte ich es für falsch, generell auf ein Zustimmungsquorum zu verzichten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Frau Weihnert, geben Sie mir recht, dass die Nichtteilnahme an Wahlen – Bürgermeisterwahlen, Landratswahlen usw. – auch ein Quorum ist, auch ein Zeichen?

Selbstverständlich. Aber darüber sprechen wir jetzt nicht. Wir sprechen jetzt über Ihren Gesetzentwurf.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Aber es gibt Zusammenhänge!)

Deshalb halte ich es für falsch, generell auf ein Zustimmungsquorum zu verzichten.

Ebenso bedenklich ist der hier gemachte Vorschlag, künftig auch auf die Beibringung von Kostendeckungsvorschlägen verzichten zu wollen. Ich finde, es ist nicht nur wichtig, sondern auch ehrlicher dem gegenüber, den ich um Unterstützung bitte, dass sie oder er weiß, wie viel der konkrete Vorschlag kostet und wie er gegenfinanziert werden könnte. Was manchmal im ersten Moment noch als begrüßenswerter Vorschlag gilt, ist bei näherer Betrachtung leider unfinanzierbar oder bedeutet gravierende Einschnitte an anderer Stelle des kommunalen Haushaltes.

Das ist zu berücksichtigen, auch wenn es zukünftig möglicherweise nur in einem Teil eines Landkreises zutrifft; es hat immer Auswirkungen auf den Gesamthaushalt.

Mit anderen Worten: Bürgerentscheide dürfen eben nicht populistisch sein, sondern müssen einen sehr konkreten Abstimmungsgegenstand benennen, für den der Gesetzgeber Vorsorge zu tragen hat.

Zugegebenermaßen sind die Elemente direkter Demokratie in unseren Kommunalverfassungen noch verbesserungsbedürftig.

(Beifall des Abg. Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion)

Wir müssen uns schon fragen, ob die Umsetzung, das heißt der Vollzug von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden, an der einen oder anderen Stelle nicht zu formalistisch ist. Ohne Not werden zum Teil künstliche Hürden geschaffen, die eines demokratischen Teilhabeinstrumentes nicht würdig sind; auch dazu haben wir in diesem Haus schon Beispiele diskutiert.

Es steht daher auch in dem Koalitionsvertrag auf Seite 68: „Die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger sollen gestärkt werden. Die Koalitionspartner prüfen, wie bei Bürgerbegehren Chancengleichheit zwischen Antragstellern und Verwaltung hergestellt werden kann.“ Genau diese Chancengleichheit ist sicher in dem einen oder anderen Fall ein Problem, und dieser Frage werden wir uns als Koalition noch einmal widmen.

Eine Lösungsmöglichkeit kann schon sein, noch besser über die Modalitäten von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu informieren, damit die Initiatoren eben nicht in die Fallen der Bürokratie laufen.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Dr. Friedrich, bitte.

Kollegin Weihnert, auch ich hatte diesen Passus aus dem Koalitionsvertrag erwähnt. Können Sie bitte dem Hohen Hause verraten, ob die Chance besteht, dass dieser Prüfauftrag noch in dieser Wahlperiode zu einem Erfolg führt – und möglicherweise zu einer Gesetzesnovelle?

Herr Dr. Friedrich, es steht bestimmt noch mehr drin, was sicherlich zum Erfolg führt; aber welche Teile, das kann ich Ihnen leider heute nicht verraten. Das ist im Verlauf und im Fluss der Diskussion und wenn wir gemeinsam im Innenausschuss erst einmal das große Paket Verwaltungs- und Kreisgebietsreform gelöst und behandelt haben, werden wir uns weiteren Themen und Inhalten widmen.

Diese Chancengleichheit ist eben zum Teil ein Problem. Ein deutlicheres Signal des Gesetzgebers, zum Beispiel aktive Hilfestellung bei der Inanspruchnahme demokratischer Rechte, sollte man durchaus geben. Ich könnte mir dazu einen Leitfaden vorstellen, der die Tücken und Klippen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden aufzeigt, damit wir nicht nur online von der einen Seite zur anderen Seite kommen und teilinformiert werden.

In diesem Zusammenhang ein kleiner Hinweis – Herr Schiemann hat es bereits gesagt –: Bei der Diskussion der Verwaltungs- und Kreisgebietsreform haben wir als Koalition einen wichtigen Bestandteil behandelt, einen

ersten Schritt in die richtige Richtung getan, Herr Dr. Friedrich.

Wir haben also einen Anfang gemacht und wir wollen – ganz in der Tradition von Willy Brandt – auch künftig mehr Demokratie wagen und gemeinsam versuchen, unseren Koalitionspartner von Veränderungen zu überzeugen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Dann brauchen Sie einen neuen Partner!)

Leider ist der vorliegende Gesetzentwurf unpraktikabel – auch darauf hat Kollege Schiemann bereits hingewiesen – und in wesentlichen Teilen wirklich undemokratisch.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Deshalb werden wir ihn ablehnen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD, sowie bei der CDU und der Staatsregierung)