Protocol of the Session on November 9, 2007

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Auch mir ging es so, Frau Kollegin Lay: Was ist Sinn und Zweck des Antrages? Ich

habe eine Weile gebraucht, um ein wenig dahinterzusteigen.

Der erste Punkt kann es nicht gewesen sein, denn er ist obsolet. Darin wird ein Bericht über die neue Prognose gewünscht. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: www.statistik.sachsen.de.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Darüber gibt es bestimmt bald eine Broschüre und eine CD-ROM, und die Staatsregierung kann sich die Arbeit sparen.

Der zweite Punkt kann es auch nicht gewesen sein, denn zu Auswirkungen auf Planung für Investitionen und Infrastruktur im Freistaat gibt es zehn Kleine Anfragen mit zehn kleinen Antworten mit den Drucksachennummern 4/7060 bis 4/7063 und 4/9396 bis 4/9401. Sie stammen zwar alle von mir, aber die Antworten sind von der Staatsregierung. Das kommt dem Berichtsanliegen ja irgendwie nahe.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Ich gehe allerdings davon aus, dass die neue Prognose die Staatsregierung auch nicht zu konkreteren Aussagen befähigen wird. Also ist auch der zweite Punkt in meinen Augen obsolet.

Sie merken schon, man kann sich maximal zu dem Antrag enthalten; denn Schaden richtet er nicht an, aber einen Zweck hat er auch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der dritte Punkt. Hier wird ein Bericht darüber gefordert, inwiefern mit zusätzlichen Mitteln für den Finanzausgleich zu rechnen ist. Dazu sage ich grob: Zusätzlich kommt überhaupt nichts, denn wir schrumpfen immer noch. Aber das Minus wird ein wenig kleiner sein. Allerdings wird aus einem kleineren Minus noch kein Plus – das nach Adam Ries.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Die Bedarfe werden aufgrund der demografischen Entwicklung steigen, und zwar sehr unterschiedlich. Der Rückbau von Infrastruktur wird teuer. Da muss man im KFAG überlegen, was man macht. Der Umbau mit der im Durchschnitt älter werdenden Bevölkerung wird städtebaulich und anderswo auch teuer. Darin sollte man sich nicht täuschen. Die Kommunen werden dabei noch manche Nuss zu knacken haben.

Die Staatsregierung soll dann erklären, warum sich die Prognose 2003 so stark von der Prognose 2007 unterscheidet. Dazu sage ich einmal trocken: Na ja, es ist halt eine Prognose. Ansonsten: Geht Ihnen vielleicht jetzt ein bisschen Ihr Dramatisierungsinstrument verloren? Das kann schon sein. Denn das Schrumpfen wird ja weniger dramatisch. Ich will deutlich machen, was ich damit meine. Die Expertenkommission der Staatsregierung geht davon aus – ich zitiere –: „Die Bevölkerungszahl wird

von heute 4,3 Millionen Einwohner auf circa 3,8 Millionen Einwohner schrumpfen, also um rund 1,1 Millionen Menschen.“ So etwas steht in einem Satz. Als ob die Differenz zwischen 4,3 Millionen und 3,8 Millionen in der Tat 1,1 Millionen betrüge.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Das lässt verblüffen, und die „Bild“-Zeitung titelt dann natürlich: „Bald eine Million Sachsen weniger“ und, Herr Rößler, der im Artikel lang und breit erwähnt wird, ich frage Sie, wie Sie auf die rund eine Million kommen.

(Zuruf von der CDU)

Sie werden in „Bild“ damit zitiert, dass Sachsen bis 2020 circa eine Million Einwohner verliert. Das können Sie ja noch einmal darstellen; denn einen Satz später kommt dann wieder die veraltete Prognose von 3,8 Millionen. Ich blicke da, ehrlich gesagt, auch nicht mehr durch.

In der jetzt vorliegenden neuen Prognose steht jedenfalls: „Von heute bis 2020 ist ein Bevölkerungsrückgang von circa 250 000 bis maximal 400 000 Personen zu erwarten.“ Bis vor Kurzem waren es noch eine Million Menschen, das heißt, es hat sich um 100 000 Menschen zum Guten geändert. Das ist neu.

Die Infoverdichtung aus der 4. Prognose ist eigentlich: Es gibt keine Trendwende. Es gibt vielleicht eine steigende Geburtenhäufigkeit bei weniger potenziellen Müttern. Da muss man einmal überlegen, was man gegen die Abwanderung junger Frauen tut, und keine Fruchtbarkeitsrituale abspulen.

Das Nächste ist, dass mehr Zuwanderung erwartet wird. Dazu sage ich: Prima, das wollen wir gern. Da müssen wir aber die Arme öffnen, die Leute willkommen heißen und familienpolitisch attraktiv sein. Es wird gesagt, bis 2020 werden circa 10 % der Bevölkerung über 80 Jahre alt sein. Das ist allerdings eine Herausforderung, das hat mit Geburten überhaupt nichts zu tun und dem müssen wir uns auch stellen. Es gibt große regionale Unterschiede zum Beispiel zwischen Städten wie Dresden und Leipzig, die Zuwachs haben, und der Lausitz, die sich partiell entvölkert.

Persönlich, Herr Rößler, würde ich mir wünschen, dass Sie sich in der „Bild“-Zeitung nicht als Sprecher der Demografiekommission des Landtages zitieren lassen würden, weil die Enquete-Kommission Sie nicht dazu gewählt hat – einfach nur so unter Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Vielleicht aktualisieren Sie Ihre CDU-Homepage zu dem Thema, denn dort wird sogar munter von 3,7 Millionen Sachsen für 2020 ausgegangen, nach dem Motto: Wer bietet mehr?

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Herr Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Sachsen werkelten zeitweise gleich zwei Demografiekommissionen parallel nebeneinander her.

(Zuruf von der FDP)

Jetzt ist es nur noch eine, die erste Enquete-Kommission des Sächsischen Landtages, und eigentlich sollten alle hier Versammelten – das sind ja nur noch die, die es unmittelbar interessiert – froh sein, dass sie endlich einmal aus ihrer Arbeit in der Enquete-Kommission berichten können.

(Caren Lay, Linksfraktion: Ach so?)

Wenn wir das erreicht haben – das war schon einmal Thema im Präsidium –, hat dieser Antrag Sinn gehabt.

(Caren Lay, Linksfraktion: Das wollten Sie aber da noch nicht! – Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn die 4. Regionalisierte Bevölkerungsprognose recht hätte – ich meine, das geht etwas durcheinander, der Mathematiker würde sagen: eine Prognose ist eine Extrapolation in die Zukunft –,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Genau, aber die kann sich verändern!)

dann käme es nur weniger schlimm als in der 3. Prognose. Die Bevölkerung sänke dann nicht auf 3,8 oder 3,7, wie wir es schon prognostiziert bekommen haben, sondern vielleicht nur auf vier oder 3,9 Millionen.

Meine Damen und Herren! Jeder, der schon mathematisch gearbeitet hat, weiß, wovon das abhängt, nämlich von den sogenannten Randbedingungen.

(Torsten Herbst, FDP: Ah!)

Die werden angenommen. Man sagt in dieser 4. Prognose: Wir rechnen mal mit einer höheren Lebenserwartung, wir gehen davon aus, dass die wie bisher schon ansteigt. Das hoffen wir auch alle für uns; ja, vor allen Dingen die Männer sollen dann älter werden.

(Gitta Schüßler, NPD: Sogar die!)

Man sagt, wir gehen mal davon aus, dass es eine abgesenkte Wegzugsrate gibt. Hoffen wir, dass es eintritt! Wir gehen davon aus, dass es eine höhere Zahl von Zuzügen gibt, insbesondere durch den Hochschulpakt. Ich meine, dazu hatte in der Kabinettssitzung nicht nur das Finanzministerium gewisse Zweifel angemeldet. Aber wir sind alle Optimisten, wir würden uns freuen, wenn es so wird.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Dann würde diese 4. Prognose so eintreffen. Das vielleicht erst einmal zum Grundsätzlichen. Wir in Sachsen behalten dann zwar die ältesten Bundesbürger überhaupt, aber die sind nicht 50, sondern nur, wenn alles gut läuft, 48,5 Jahre.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der FDP)

Die grundsätzlichen Trends bleiben die gleichen, auf die müssen wir uns – glaube ich – einstellen. Wachstumspole wie zum Beispiel Dresden und Leipzig, die auch dann kaum Bevölkerung verlieren, schwimmen in einem Meer von Bevölkerungsrückgang und älter werdender Bevölkerung. Wir hoffen auch, dass in diesen Wachstumspolen bis 2020 der sogenannte selbsttragende Aufschwung einsetzt; übrigens ganz dezidiert auch in Chemnitz. Er soll ja einsetzen und wird einsetzen, davon bin ich überzeugt. Wenn es eine überkritische Mischung aus Wirtschaft gibt, die auch wirklich Arbeitsplätze und Lebensperspektiven schafft, Frau Lay, kommt es nicht auf wettbewerbsfähige Löhne an, sondern es geht um wettbewerbsfähige Arbeitsplätze.

Dazu hätte ich mir jetzt wenigstens ein bisschen Beifall von der FDP erhofft.

(Caren Lay, Linksfraktion: Tja! – Heiterkeit bei der FDP und den GRÜNEN)

Man muss sich wirklich einmal das Gerede anhören: wettbewerbsfähige Löhne. Gute Löhne entstehen aus wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen.

Wenn es diese überkritische Masse aus Wirtschaft, Wissenschaft und Hochkultur in unserem sächsischen Städtedreieck gibt – wie wir hoffen –, dann kommt es zum selbsttragenden Aufschwung, dann entstehen Arbeitsplätze und Lebensperspektiven. Das muss man mit den ländlichen Regionen, die teilweise hohe Lebensqualität aufweisen, vernünftig vernetzen,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion – Holger Zastrow, FDP: Das ist nötig!)