Protocol of the Session on November 8, 2007

Wie wir im Landesbeirat mehrfach beraten haben, gibt es für die am 1. Januar 2008 in Kraft tretende Verordnung zum Auswahlverfahren eine entsprechende Handreichung des Innenministeriums, die auch im Internet abrufbar ist. Daraus kann man schon ablesen, welche Anforderungen an den Leistungserbringer gestellt werden und welche Angebote man erwartet. Dabei kommt es insbesondere auf die Einhaltung der Kriterien an, die von uns gefordert werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Dr. Martens.

Sie sprachen soeben vom Auswahlverfahren nach § 31. Ist nach Ihrer Kenntnis vorgesehen, dass diese Vergaben ausgeschrieben werden sollen?

Halten Sie das für gesetzeskonform?

Diese Frage können wir vielleicht einmal in einem Einzelgespräch klären, Herr Dr. Martens. Das Ganze ist sehr kompliziert. Ich würde eine Stunde brauchen, um das näher auszuführen.

(Heiterkeit)

Sie können mir glauben, dass ich in dieser Frage seit Monaten im Lande unterwegs bin. Das ist wirklich ein sehr schwieriges Verfahren. Auf die Leistungserbringer, die wir im Lande haben, sind wir stolz, denn man muss anerkennen, dass sie in den letzten 17 Jahren verantwortungsvoll ihren Beitrag zur Absicherung der Notfallrettung im Freistaat geleistet haben.

Damit ist nach Ansicht des Fachbereichs und der Arbeitsgemeinschaft Auswahlverfahren sichergestellt, dass die Notfallrettung in Sachsen nicht nur besser wird, sondern dass auch die notwendigen Qualitätsmerkmale eingehalten werden.

Dennoch tauchen immer wieder Fragen auf, die sich mit den Auswirkungen der gerade diskutierten Funktionalreform befassen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass Änderungen auf der administrativen Ebene Veränderungen an den Kriterien zur Errichtung von Rettungswachen zur Folge haben. Wie ich in meinen Erläuterungen dargestellt habe, sind gerade diese Fragen der Zweckverbandszuständigkeit im Bereich der Kontrolle sowie der Berichts- und Trägerzuständigkeit wichtig. Sie gehören zum System der Notfallrettung in Sachsen, sind aber im Hinblick auf die diskutierte Einhaltung der Hilfsfrist eher struktureller Natur. Die bisherigen Träger werden sich in den neuen Strukturen finden und ihrem Auftrag gerecht werden.

Mit unserem Änderungsantrag möchten wir dafür sorgen, dass eine sachgerechte Berichterstattung möglich wird.

Da die Auswertung der Halbjahresstatistik erst nach dem Eingang der Daten im März/April 2008 möglich sein wird, haben wir den 30. Juni als Termin vorgeschlagen. Wichtig finden wir auch die Bewertung unseres Notfallrettungssystems im Bundesvergleich sowie die Darstellung des Anteils und des Einflusses privater Leistungserbringer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir sicher, dass es mit den ergriffenen Maßnahmen eine weitere Verbesserung der Notfallrettung in Sachsen geben wird. Ob es mehr Standorte oder mehr Fahrzeuge sein werden, kann man jetzt nicht sagen. Mein Appell geht daher an die Träger, ihren Verantwortungsbereich nicht nur unter Wirtschaftlichkeitsaspekten zu organisieren, sondern danach auszurichten, dass zu jeder Zeit effektiv Hilfe geleistet werden kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort. Herr Gebhardt, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen: Die Fraktion DIE LINKE wird dem Antrag der FDP zur Verbesserung der Notfallrettung in Sachsen und auch dem Änderungsantrag der Koalition zustimmen.

Wir stimmen zu, weil die flächendeckende Sicherstellung der gesetzlichen Hilfefrist, das heißt also, der zwölf zur Verfügung stehenden Minuten von der Meldung des Notfalles bis zur Hilfeleistung am Unfallort, in Sachsen nicht erreicht wird und wir von der Staatsregierung die Gründe dafür erfahren wollen.

§ 26 des Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz – Herr Martens und Herr Pietzsch haben darauf aufmerksam gemacht – schreibt vor, wie schnell die Hilfe zur Stelle sein muss. 10 Minuten Fahrt plus eine Minute Aufsitzen der Hilfsmannschaft sowie eine Minute Orientierung, so schreibt es das Gesetz vor. Dies gilt für jeden möglichen Unfallort in Sachsen. Unzweifelhaft ist, dass in Ausnahmesituationen durch Verkehrslage und Witterung 10 Minuten Fahrt zum Ort des Geschehens nicht ausreichen können. Gerade daher gelten 95 % als Erfüllung.

Leider gibt es aber eine zu große Kluft zwischen dem „Plan“ und der Realität. Vor allem gibt es derzeit zu große Unterschiede zwischen den einzelnen Kreisen. – Wenn wir in dieser Frage über Durchschnittswerte diskutieren, sprechen wir bei den Fällen, welche außerhalb der Normalverteilung liegen, von Menschen, die als Unfallopfer unnötigen Schaden davontragen, zumal jeder, der schon einmal in einer Situation war, auf notwendige Hilfen zu warten, weiß, wie lange einem in dieser Situation eine Minute vorkommen kann. Die Ursachen für die genannte Kluft sind zu beleuchten. Diese sind in der am 24. Oktober dieses Jahres veröffentlichten Unterrichtung der Staatsregierung, des Staatsministers des Innern, mit

dem Titel „Evaluierung der Kosten des Rettungsdienstes“ aus unserer Sicht nicht hinreichend erhellt worden.

Lassen Sie dazusagen, dass die vorhandenen Probleme bei der Notfallrettung eben nicht nur anhand der Kostenfrage zu analysieren sind. Zu fragen ist auch nach der Organisationsstruktur, also dem regionalen Zusammenwirken von Leitstellen und Rettungswacht, im gesamtsächsischen Kontext. Ich fordere deshalb die Staatsregierung auf, im Rahmen der Struktur- und Verwaltungsreform den Zuschnitt der neuen Landkreise als Maßstab für die Struktur der Rettungsleitstellen zu nehmen, auch wenn mir klar ist, dass sich die kommunalen Zweckverbände auf freiwilliger Basis zusammengefunden haben. Wie man Freiwilligkeit erreicht, haben wir gerade bei der „Hochzeitsprämie“ von 10 Millionen Euro im Rahmen der freiwilligen Phase der Kreisgebietsreform erlebt.

Zurzeit ist immer noch mehr oder weniger ungeklärt, wo die Rettungsleitstellen eigentlich angesiedelt werden sollen. Von fünf bis sieben Leitstellen in Sachsen ist die Rede. Wenn Sie schon aus Kostengründen Leitstellen zusammenfassen, ist aber unbedingt die Frage der Stationierung der Rettungswachen im Sinne einer gesetzmäßigen Absicherung der Notfallrettung zu beantworten, denn ich halte den für die Einhaltung der Hilfsfristen offensichtlich notwendigen Erfindungsreichtum, wie in der „Sächsischen Zeitung“ vom 17. September 2007 dokumentiert, für einen schlechten Witz. Dort heißt es:

„Vor dem Sitz der ehemaligen Poliklinik im Wohngebiet Dresdner Straße in Coswig steht jetzt ein nagelneuer Rettungswagen des Arbeiter-Samariter-Bundes. Die Räume für die vier Rettungsassistenten und die drei Sanitäter, die hier im Schichtdienst Wache halten, stellt die Coswiger Wohnbau- und Verwaltungsgesellschaft zur Verfügung und ließ sie auch noch auf eigene Kosten renovieren.“

Wenn in Sachsen erst Rettungswachen mit Fördermitteln gebaut und deren Unterhaltungskosten durch die Verbindungsfristen über viele Jahre hinweg sowieso anfallen, dürften im Zuge der Neuordnung bei den Rettungsleitstellen solche Schildbürgerstreiche aus meiner Sicht nicht notwendig werden.

Nach Aussage vieler Fachleute ist die Sicherung der Hilfsfrist wesentliche Voraussetzung einer effektiven Notfallrettung und dies wiederum von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Einsatzwagen, deren Ausstattung und hoch qualifizierten Besatzungen abhängig. Denn nicht zuletzt das Eintreten mehrerer Unfälle in einem Einsatzgebiet schwächt in diesem Augenblick die Absicherung weiterer Regionen. Die Häufigkeit und die Schwerpunkte solcher Duplizitätsfälle müssen ermittelt und ausgewertet werden. Dies ist auch eine Frage der Unfallvorbeugung.

Zusammengefasst: Obwohl die Träger des Rettungsdienstes die Einhaltung der Hilfsfristen absichern müssen, steht die Staatsregierung in der Verantwortung, eine wirksame Notfallrettung innerhalb der gesetzlichen Fristen zu gewährleisten. Die Ausführung des Sächsischen Gesetzes

über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz sowie die Planung für die Rettungsleitstellen müssen dem gerecht werden, gerade jetzt, da die Träger der Rettungsdienste erstmals die Notfallrettung und den Krankentransport ausschreiben müssen.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Bräunig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder, der schon einmal selbst in einer Notlage auf schnelle Hilfe angewiesen war oder diese Hilfe für andere dringend benötigte, weiß, dass es Situationen im Leben gibt, in denen Minuten zu Stunden werden. Eine schnelle Notfallhilfe ist bei Gefahren für Leib und Leben unverzichtbar.

Aus diesem Grund sieht das Gesetz auch eine Hilfsfrist vor: 10 Minuten; das haben wir schon von den Vorrednern gehört. Auch wenn andere Bundesländer teilweise eine Hilfsfrist von bis zu 15 Minuten zulassen, sind doch die erheblichen Defizite in Sachsen, wie es die Zahlen erkennen lassen, nicht akzeptabel. Sicherlich macht die Geografie Sachsens als Flächenland die Erreichung der Hilfsfrist nicht gerade einfacher und hindert uns daran, die guten Zahlen der Stadtstaaten oder auch von dicht besiedelten Ballungsräumen zu erreichen. Gleichwohl sollten die gesetzlichen Vorgaben auch im Freistaat Sachsen nicht nur Zielmarke, sondern Pflicht sein.

Aus diesem Grund unterstützt meine Fraktion das Anliegen des Antrages, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die eine Einhaltung der Hilfsfrist dauerhaft gewährleisten. Das Berichtsanliegen der FDP-Fraktion ist allerdings aus unserer Sicht ergänzungsbedürftig. Der Kollege von der CDU-Fraktion hat schon darauf hingewiesen.

(Thomas Pietzsch, CDU: Pietzsch!)

Kollege Pietzsch. – Um ein vollständiges Bild über die Situation der Notfallrettung zu erhalten, müssen wir auch die Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes und deren eingeleitete oder geplante Maßnahmen bzw. Vorschläge in die Betrachtung einfließen lassen. Die Verantwortung für das Erreichen der Hilfsfrist trifft jedenfalls nicht allein den Freistaat, sondern vorrangig die Träger der Rettungsdienste. Sie müssen daher gerade wegen möglicher regional verschiedener Ursachen in örtliche und überörtliche Konzepte eingebunden werden.

Für meine Fraktion ist es auch wichtig zu erfahren, ob die Leistungserbringung durch private Dritte Einfluss auf die Hilfsfrist genommen hat, denn wir bewegen uns hier in der Tat in einem besonderen Spannungsverhältnis. Die Ausgestaltung der Notfallrettung ist eben nicht in erster Linie an Wirtschaftlichkeitsmaßstäben zu messen, sondern an der Qualität der Hilfeleistung. Dazu gehört die Erreichung der Hilfsfristen. Ich weiß, dass es das Credo der FDP ist, private Leistungserbringer seien immer

besser als öffentliche. Aber diese Meinung teilt meine Fraktion nicht.

Wir möchten darüber hinaus mögliche Auswirkungen auf die Notfallrettung aus Anlass der Verwaltungs- und Funktionalreform erörtern. Das ist, glaube ich, auch sehr wichtig. Insoweit erklärt sich auch die Ziffer 6 unseres Änderungsantrages.

Meine Damen und Herren, die Qualität der Notfallrettung ist ein hohes Gut, das wir gewährleisten müssen. Deshalb begrüße ich es, dass wir zu dieser Frage in einen Dialog eintreten.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein populäres Thema, das die FDPFraktion hier auf die Tagesordnung gesetzt hat. Das Problem ist nur, dass Sie die letzten Zahlen, die Ihnen zur Verfügung stehen, als Maßstab nehmen. Das sind die Zahlen von 2005 und 2006.

Wir haben in diesem Zusammenhang mit allen Rettungszweckverbänden in den Regierungsbezirken und mit der AOK telefoniert und von dort erfahren, dass die Einhaltung der Fristen derzeit nicht mehr das Problem ist. Das liegt daran, dass Ende letzten Jahres in der Landesrettungsdienstplanverordnung festgelegt wurde, dass nicht nur bei Überschreitung der Hilfsfrist der Vorgang dokumentiert werden muss und dass aus diesen Dokumentationen mittlerweile schon die entsprechenden Schlüsse gezogen worden sind. Eine Überschreitung dieser Fristen lag zum Beispiel häufig daran, dass das entsprechende Rettungsfahrzeug schon unterwegs war. In diesem Fall wurde die Anzahl der Wagen schon aufgestockt – das war zum Beispiel in Westsachsen und in der Westlausitz der Fall – oder die Auslastungszeiten wurden von 12 auf 24 Stunden erhöht, was bedeutet, dass mehr Personal gebraucht wird.

Also, Punkt 1 in Ihrem Berichtsantrag schadet zwar nicht, aber wenn Sie einmal hineingeschaut hätten, was in dieser Rettungsdienstplanverordnung steht, dann hätten Sie gesehen, dass die Dokumentation jetzt verpflichtend ist und dass daraus natürlich Schlüsse gezogen werden können.

Deshalb können wir uns bei Ihrem Antrag nur der Stimme enthalten. Wir finden allerdings die Punkte, die die Koalition hinzugefügt hat, interessanter als Ihren ursprünglichen Antrag – vor allem deshalb, weil sie genau darauf eingeht, was nächstes Jahr eine Tatsache wird: die Auswahlverfahren, die durchzuführen sind. Es ist schon interessant zu erfahren, was das Ergebnis dieser Auswahlverfahren, die transparent sein sollen, sein wird. Interessant ist für uns auch, wie andere Bundesländer die Notfallrettung organisieren und ob sie unter Umständen ein besseres Konzept haben, als es in Sachsen der Fall ist, ob

sie andere Maßstäbe ansetzen und die Fristen besser einhalten können.

Das eigentliche strittige Problem, auf das der Kollege der Linken hingewiesen und das vielleicht unterschwellig bei ihm eine Rolle gespielt hat, sind die Rettungsleitstellen. Die fünf Rettungsleitstellen stehen jetzt schon fest. Sie wurden Ende letzten Jahres bestimmt und auf Empfehlung des Landesbeirates beschlossen. Es ist nur noch strittig, ob es Görlitz oder Hoyerswerda wird. Es sind, wie gesagt, fünf Rettungsleitstellen. Alle Befragten haben nicht zu erkennen gegeben, dass die Anzahl der Rettungsleitstellen sehr wesentlichen Einfluss auf die Einhaltung der Fristen hätte. Einfluss haben die Rettungswachen und die Wege, wie ich bereits sagte.

Deshalb können wir dem Antrag der Koalition zustimmen.