Protocol of the Session on November 8, 2007

Die CDUFraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die von der Bundesregierung fortgesetzten Reformen am Arbeitsmarkt zeigen inzwischen erste Erfolge. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Oktober 2007 im Vergleich zum Vorjahresmonat um

101 000 auf 3,434 Millionen gesunken. Besonders erfreulich ist, dass die Zahl der Erwerbstätigen mit über 40,18 Millionen sogar das Rekordniveau vom November 2000, dem bisher höchsten Stand seit der Wiedervereinigung, erreicht hat.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, die auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende angewiesen sind, ist bundesweit im letzten Jahr um knapp 240 000 auf 3,65 Millionen gesunken. Diese erfreuliche Trendwende lässt sich auch in Sachsen feststellen. Dort fiel der Rückgang um 21 400 auf 299 000 prozentual sogar noch etwas stärker aus als im Bundesdurchschnitt.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Zahl der offenen Stellen nimmt rasant zu. Sie sind im letzten Jahr um 260 000 – davon war allein die Hälfte in Ostdeutschland – auf 1,4 Millionen Stellen gestiegen.

Gerade vor dem Hintergrund dieser Entwicklung sind die Anstrengungen, Langzeitarbeitslose in Arbeit zu vermitteln, zu intensivieren. Um dies zu erreichen, ist es vor allem notwendig, dass die Arbeitsfähigkeit der regionalen Arbeitsgemeinschaften optimiert und verbessert wird. Gerade im Bereich der Arbeitsvermittlung gibt es immer wieder von Betroffenen die Forderung nach schnelleren Entscheidungsprozessen. Nicht nur die Instrumente der Vermittlung stehen im Mittelpunkt, sondern auch die schnellere Handhabung. Dazu ist es erforderlich, dezentrale Handlungsspielräume zu erweitern und zu stärken, um so den individuellen und regionalen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Notwendig ist es auch, unser Augenmerk auf die zügigere Besetzung offener Stellen auf dem Arbeitsmarkt zu lenken. Mit einer stärkeren arbeitsplatzbezogenen Qualifizierung durch Flexibilisierung und Straffung der Eingliederungshilfe, aber auch durch die Bildung stärkerer Anreize zur Schaffung von Vollbeschäftigung werden solide Grundlagen geschaffen, um diesen Schwerpunkt umzusetzen. Das ist die eine Seite der Maßnahmen für mehr Beschäftigung.

Die andere Seite ist die Überprüfung der Grundpfeiler unserer sozialen Sicherungssysteme. Die staatlichen Leistungen, die Arbeitslose erhalten, gliedern sich – das weiß jeder – in zwei Grundpfeiler: das Arbeitslosengeld I und das Arbeitslosengeld II. Derzeit erhalten 949 000 Menschen in Deutschland ALG I von der Bundesagentur für Arbeit. Davon sind 70 % arbeitslos. Die anderen Bezieher sind im Vorruhestand, arbeitsunfähig, erkrankt oder absolvieren eine Trainingsmaßnahme. Die Bezugsdauer beträgt grundsätzlich zwölf Monate. Erwerbslose über 55 Jahre erhalten bis 18 Monate ALG I. Das war das Herzstück der Arbeitsmarktreform Hartz IV, die von der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde.

Wer sich noch an die damaligen Diskussionen erinnern kann, wird an einen nach meiner Meinung sehr umstritte

nen Aspekt erinnert: Diese Maßnahme diene der Gleichbehandlung und vor allem verleihe sie dem Grundsatz des Forderns neben dem Fördern mehr Nachdruck. Der Argumentation, doch eine gestaffelte Zahlung nach der Länge der Arbeitsbiografie vorzunehmen, wurde damals nicht gefolgt. Auf den ersten Blick kann man beiden Argumenten durchaus folgen.

Was bei diesen Regelungen allerdings völlig außer Acht gelassen wurde, ist, dass die rasche Wirksamkeit aller festgelegten Maßnahmen zur Förderung der Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht die vorgesehene Wirkung zeigte. Neben der verstärkten Integration von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt muss es entscheidend sein, dass die Grundsicherung der Arbeitssuchenden zuverlässig gewährleistet sowie schnell und unbürokratisch zur Verfügung gestellt wird. Dabei spielt vor allen Dingen die aktuelle Entwicklung eine entscheidende Rolle. Die in jüngster Zeit stattgefundenen Preiserhöhungen, insbesondere bei Grundnahrungsmitteln, oder die bereits angekündigten weiteren Preiserhöhungen bei der Energie machen es notwendig, dass gerade solche Entwicklungen bei der Überprüfung und Anpassung der Leistungen nach Hartz IV verstärkt berücksichtigt werden und eventuell in einer Erhöhung der Grundsicherung ihren Ausdruck finden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die geforderte Verlängerung des Bezugs der Leistungen nach ALG I ist bei den von mir genannten Problemen allein nicht zielführend genug. Deshalb hat die Koalition einen umfassenden Antrag in den Geschäftsgang gebracht und wird daher Ihren Antrag ablehnen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das von NRW vorgelegte Modell zur Finanzierung des Arbeitslosengeldes für langjährige Beitragszahler verweisen. Darin hat man festgestellt: Wenn man allein die Fristen von 24, 20 bzw. 16 Beitragsmonaten auf 30, 24 bzw. 18 Beitragsmonate verlängert und von jeweils einer hälftigen Bezugsdauer ausgeht, ergeben sich Einsparungen von circa 1,36 Milliarden Euro im Vergleich zu heute. Diese Einsparungen bildeten die Grundlage des von Ihnen in Ihrem Antrag angeführten CDU-Parteitagsbeschlusses. Danach sollen für 15 Beitragsjahre 15 Monate, für 25 Jahre 18 Monate und für über 40 Beitragsjahre 24 Monate ALG I gezahlt werden.

Lassen Sie mich zum Schluss die Kernpunkte unserer Vorschläge zusammenfassen, über die in nächster Zeit zu diskutieren ist:

Erstens. Der Beitrag der Arbeitslosenversicherung muss mindestens auf 3,5 % gesenkt werden. Das bedeutet mehr Netto für die Menschen und zusätzliche Arbeitsplätze.

Zweitens. Die CDU tritt für eine massive Straffung der Arbeitsmarktinstrumente ein. Statt eines Wustes von 80 unwirksamen, teuren Maßnahmen wollen wir die Zahl der Arbeitsmarktinstrumente mindestens halbieren.

Drittens. Wir treten für die kostenneutrale Kopplung der Beitragsdauer des ALG I an die Beschäftigungszeit ein;

denn wer länger einzahlt, muss auch länger Leistungen bekommen.

Viertens. Die Überprüfung und Anpassung der Hartz-IVLeistungen, die bisher im Fünfjahresrhythmus vorgesehen ist, muss in kürzeren Abständen erfolgen, um insbesondere Härten, wie steigende Lebenshaltungskosten, ausreichend berücksichtigen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind ein paar Kernpunkte, die unser Antrag, den wir kürzlich eingebracht haben, beinhaltet und der meiner Meinung nach dieses Thema erweitert und die schwierigen, wichtigen Probleme, die wir derzeit diskutieren, treffender beschreibt. Ich bin gespannt, was die Verhandlung am 10. November 2007 bringt – soweit ich weiß, soll darüber im Bund diskutiert werden – und wie die vorgeschlagenen Punkte einer Lösung zugeführt werden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die SPD, bitte; Herr Abg. Brangs.

Bevor Sie mit Ihrer Rede beginnen, möchte ich darauf hinweisen, dass die Saalmikrofone jetzt nicht funktionieren. Wir haben zwei neue aufgestellt; ich bitte, an diese Mikrofone zu gehen. Wir werden den Fehler noch suchen.

Bitte Herr Brangs.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war für mich und auch für die SPDFraktion vollkommen klar, dass DIE LINKE sich diesen Populismus nicht entgegen lassen konnte. Es war klar, dass natürlich, sobald wir in Hamburg wegweisende Beschlüsse für die Republik fassen,

(Zuruf der Abg. Kerstin Köditz, Linksfraktion)

hier in Sachsen DIE LINKE die Nachschlagpolitik machen muss, weil sie keine eigenen Ideen mehr hat.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD)

Dieser Antrag ist der Offenbarungseid der Fraktion DIE LINKE.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben kein anderes Interesse, als weiterhin Populismus zu betreiben, das Thema, gerade was ALG I anbelangt, in Ihrem Sinne zu nutzen. Ich glaube, genau das Gegenteil wird eintreten. Die Öffentlichkeit erkennt zunehmend, dass das ein Offenbarungseid ist für Ihre Handlungsunfähigkeit.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Frau Abg. Lay, Sie müssen bitte an das nächste Mikrofon gehen.

Verehrter Herr Kollege Brangs, wie meinen Sie es denn jetzt? Sie haben uns vorhin vorgeworfen, DIE LINKE würde immer argumentieren: Wir waren die Ersten, wir haben die Forderungen zuerst gestellt. Das sei die Standardargumentation der Linken. In der Tat, einen Antrag auf Verlängerung des Arbeitslosengeldes I haben wir auch schon öfters in diesem Landtag gestellt.

(Stefan Brangs, SPD: Was ist die Frage?)

Sie haben regelmäßig abgelehnt.

(Stefan Brangs, SPD: Was ist die Frage?)

Bitte die Frage stellen!

Was meinen Sie denn jetzt? Machen wir Ihrer Ansicht nach eine Politik, in der wir als Erste die Anträge stellen, die Sie ablehnen und wir uns natürlich dann damit großtun, oder werfen Sie uns jetzt vor, dass wir Ihnen hinterherhinken? Nur ein Vorwurf von beiden kann stimmen. Das würde mich auch für den weiteren Verlauf der Debatte interessieren.

Auf Oder-Fragen mit Ja oder Nein zu antworten ist schwierig. Ich habe nicht so genau verstanden, wohin es gehen soll.

(Caren Lay, Linksfraktion: Komplexe Antwort!)

Das eine oder das andere? Ich glaube, auf jeden Fall festzuhalten ist die Tatsache, dass Sie zunehmend nichts anderes mehr im Sinn haben, als sich das Parteiprogramm der SPD oder die Beschlüsse der Parteigremien der SPD anzuschauen, um hieraus Anträge zu machen. Wenn das alles ist, was Sie machen können, ist das für mich die Offenbarung Ihrer Politik. Wenn Sie glauben, damit erfolgreich zu sein, würde ich denken, das wird sich noch zeigen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wichtig ist doch – das ist genau die Linie, die Sie seit vielen Jahren hier verfolgen –: Sie weisen immer nur auf Probleme hin. Aber wenn es um die Lösung geht, nämlich um die Frage, wie man das umsetzt, dann ist das, was gerade an Umsetzung schon vollzogen wird, immer nicht ausreichend. Sie finden immer irgendwo noch einen Makel, dass das alles nicht ausreichend sei. Wenn Sie glauben, dass Sie damit die Wähler erreichen können, ist das Ihr gutes Recht. Ich habe gerade lesen können, dass Kollege Hahn jetzt der neue Ministerpräsident-Kandidat der Linken ist. Wenn er glaubt, mit dieser Politik Ministerpräsident werden zu können, glaube ich, da bin ich eher Bundeskanzler oder Aue ist Deutscher Fußballmeister.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Man möge mir verzeihen, dass ich Bundeskanzleramt und Aue in einem Satz genannt habe. Ich wünsche mir natür

lich, dass Aue Deutscher Fußballmeister wird. Ob ich Bundeskanzler bin, ist nicht so wichtig an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Allgemeine Heiterkeit im Saal – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion )

Möchten Sie eine Frage stellen, Herr Kollege Porsch? Wir haben jetzt neue Saalmikrofone, damit das auch für das Protokoll nachvollziehbar ist.