Zur Drucksache 4/1835 der Linksfraktion gibt es einen Änderungsantrag. Wir stimmen leider nicht über das Schlusswort ab, Herr Staatsminister, sondern über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Günther-Schmidt hat ihn schon begründet. Ich denke, er braucht nicht noch einmal extra eingebracht zu werden. Es ist der Änderungsantrag in der Drucksache 4/10258. Er ergänzt die Drucksache der Linksfraktion um einen Punkt. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung, bei einer größeren Anzahl von Stimmen dafür ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Linksfraktion, Drucksache 4/1835. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist die Drucksache nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die FDP-Fraktion und danach die gewohnte Reihenfolge. Herr Dr. Schmalfuß, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Dresden auf dem Weg zur Hauptstadt der Stammzellforschung“ – so titelte das „Dresdner Universitätsjournal“ im Juli 2007. Spätestens seit sich Dresden im vergangenen Jahr mit einem Exzellenzcluster und einer Graduiertenschule in diesem Bereich durchgesetzt hat, wagt an dieser These wohl kaum noch einer zu zweifeln. Nicht nur an der Technischen Universität Dresden, auch an den Universitätskliniken in Leipzig und Dresden sowie in einer Reihe von Forschungseinrichtungen im Freistaat Sachsen steht die Stammzellforschung im Mittelpunkt.
Neben der offenkundigen Bedeutung von Stammzellen für die Grundlagenforschung besteht die berechtigte Hoffnung, dass Stammzellen als Basis für Therapien von heute noch nicht behandelbaren Krankheiten dienen können. Auch aktuelle Forschungsprojekte lassen hoffen, dass man mitunter neue Behandlungsmethoden für schwere Krankheiten erschließt. Dazu gehören die Prävention von Diabetes, neue Behandlungsmethoden bei Querschnittslähmung sowie Heilungschancen für Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Alzheimer sowie Parkinson. Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, wollen wir als Fraktion fördern.
Mit unserem Antrag fordern wir die Sächsische Staatsregierung auf, sich weiterhin verstärkt für die Stammzellforschung einzusetzen. Vorhandene Einrichtungen und
Netzwerke sowie deren Forschungsaktivitäten sollen die bestmögliche Unterstützung vonseiten des Freistaates Sachsen erhalten. Vor allem wollen wir, dass die sächsischen Wissenschaftler die gleichen Ausgangsbedingungen wie ihre Kollegen aus Europa und Amerika vorfinden. Die forschungsfeindliche Stichtagsregelung muss deshalb abgeschafft werden.
Sie verwehrt deutschen Wissenschaftlern den Zugang zu jüngeren embryonalen Stammzelllinien. Mittlerweile hat sich die deutsche Forschung deshalb weitgehend aus dem Gebiet der embryonalen Stammzellforschung zurückgezogen. Seit Mitte 2006 wurden bundesweit keine Anträge mehr zur Verwendung von embryonalen Stammzellen beim Robert-Koch-Institut gestellt.
Wozu auch? Die verfügbaren Zelllinien von vor 2002 sind veraltet und verunreinigt. Forschungsergebnisse mit diesen Zelllinien brächten weder belastbare Erkenntnisse noch wären sie international vergleichbar. Auch bei der Förderung der Forschung an und mit humanen embryonalen Stammzellen durch das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm schauen die Deutschen nur zu. Die Notwendigkeit, bestehende Regelungen zu überdenken, ist also offensichtlich.
Bundesweit wird deshalb eine Verschiebung des Stichtages diskutiert. Auch die sächsische Wissenschaftsministerin hat angekündigt, dass eine Verschiebung für sie vorstellbar wäre. Wir aber sagen, dass das keine Lösung ist – zumindest keine nachhaltige für die Wissenschaft. Der Ansatz demonstriert zwar guten Willen, aber er verschiebt die Probleme letztendlich auf später.
Bei einem neuen Stichtag haben unsere Forscher in fünf oder zehn Jahren wieder das Problem, von der internationalen Entwicklung abgeschnitten zu sein. Dann dauert es wieder Jahre, bis der Koloss Politik das Thema erkannt und sich zu einer Änderung durchgerungen hat. Deshalb: Die Stichtagsregelung hat ausgedient und gehört endgültig abgeschafft!
Ebenso muss die Kriminalisierung deutscher Wissenschaftler aufhören. Wir fordern deshalb, dass deutsche Forscher straffrei mit ihren ausländischen Kollegen kooperieren können, selbst wenn diese mit jüngeren Stammzelllinien arbeiten. Das deutsche Stammzellgesetz muss deshalb dringend auf das Inland beschränkt werden. Wenn wir Spitzenforscher nach Sachsen holen und hier halten wollen, dann müssen diese Blockaderegelungen endlich vom Tisch. Sie behindern den Austausch von Ideen und Forschungsergebnissen und beschränken die notwendige internationale Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren! Nicht nur die Forschung, auch die Politik trägt dafür Verantwortung, dass Chancen auf
Heilung und Therapie genutzt werden. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie um Zustimmung zum Antrag der FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn in der Gesellschaft und in den Parlamenten Debatten geführt werden sollen über Themen, die die Grundlage des Menschseins betreffen, ist man gut beraten, sich in solche Debatten sehr überlegt und mit einer gewissen Demut einzubringen.
In diesem Haus führen wir in großer Anzahl und mit Leidenschaft Debatten über viele große und kleine Dinge des gesellschaftlichen Miteinanders. Wir treffen Entscheidungen meist auf der Grundlage unserer Partei- und Fraktionszugehörigkeit. Das Grundgesetz sieht aber vor, dass Abgeordnete nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen sind. In der politischen Praxis hat es sich etabliert, dass bei grundsätzlich reversiblen Entscheidungen die sogenannte Fraktionsbindung zum Tragen kommt.
Gewissensentscheidungen sind meist irreversible Entscheidungen. Zu ihnen gehören insbesondere alle Entscheidungen, die das Leben der Menschen selbst betreffen, weil aller Erfahrung nach einmal getroffene Entscheidungen in diesem Bereich nie wieder rückgängig gemacht werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Stammzellfrage ist ohne Zweifel eine Frage, die das Dasein des Menschen auf das Innerste betrifft. Die öffentliche Debatte läuft seit Ende der Neunzigerjahre, in der Wissenschaft schon viel länger. Der Deutsche Bundestag hat sich 2002 gegen den Einstieg Deutschlands in die verbrauchte Embryonenforschung entschieden. Ein Import menschlicher embryonaler Stammzellen nach Deutschland für öffentliche wie auch privatfinanzierte Zwecke und Vorhaben wurde grundsätzlich verboten. Es geht dabei um die Benutzung von Embryonen in der Forschung, die deren Tod zur Folge hat, und damit zusammenhängend um die Frage, wie wir die grundsätzliche und kulturelle Leitidee von der Würde des Menschen weiterhin verstehen und aufrechterhalten wollen.
Die Forschung mit Stammzellen von erwachsenen Menschen, mit sogenannten adulten Stammzellen, ist allgemein als ethisch und unbedenklich eingestuft. Mit ihr eröffnen sich Möglichkeiten zur Überwindung von schweren Krankheiten wie Parkinson, Multiple Sklerose oder Querschnittslähmung. Die Forschung an adulten Stammzellen wollen wir auch weiterhin fördern.
Die Sächsische Staatsregierung unterstützt international anerkannte Forschungseinrichtungen Sachsens. Immerhin waren wir es, die mit jeweils über 100 Millionen Euro die Biocity Leipzig und das Bioinnovationszentrum Dresden gefördert haben. Den Zuschlag für das Exzellenzcluster
für das Dresdner Forschungszentrum „Center für regenerative Therapien“ im Oktober 2006 aus der Bundesexzellenzinitiative haben wir sehr begrüßt.
Doch bei allen notwendigen Diskussionen muss es Ziel der politischen Auseinandersetzung sein, dass Moral auch weiterhin Richtschnur für wissenschaftliches Handeln bleibt und nicht zum Luxusproblem für Nichtwissenschaftler degradiert wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Nationale Ethikrat hat im Sommer dieses Jahres eine Stellungnahme zum Stammzellgesetz veröffentlicht. Darin empfiehlt eine knappe Mehrheit des Gremiums, die umstrittene Stichtagsregelung des Stammzellgesetzes aufzuheben.
Dieses verbietet bislang die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen, die nach dem 1. Januar 2002 gewonnen worden sind. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages sind nun aufgefordert, über eine Novellierung des Stammzellgesetzes zu debattieren. Dies wird, liebe Kollegen von der FDP, ohne Fraktionszwang stattfinden. Jeder Abgeordnete wird bei diesem ethisch schwerwiegenden Thema nur seinem eigenen Gewissen verpflichtet sein.
Der vorliegende Antrag ist ein untauglicher Versuch, das Thema parteipolitisch zu besetzen und auszunutzen. Wir werden deshalb Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP! Ich war ehrlich gesagt entsetzt, als ich Ihren Antrag gelesen habe. Das Entsetzen begründet sich sowohl inhaltlich als auch in der Art und Weise Ihres Agierens. Sie wollen absolut grundsätzliche ethische und juristische Problemstellungen, Fragen, in denen es um Leben und Tod, Menschenwürde usw. geht, mit einem Antrag, den Sie vor anderthalb Wochen in den parlamentarischen Geschäftsgang gebracht haben, einfach mal so abends um neun durchdrücken.
(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Wir sind leider so spät dran!)
Meine Damen und Herren, das ist an Oberflächlichkeit nicht mehr zu überbieten. Mit dem von Ihnen favorisierten Anliegen, die Stichtagsregelung vollends abzuschaffen, würden die im Embryonenschutzgesetz normierten Grundpositionen aufgekündigt. Dann würden nämlich von Deutschland Impulse zur Vernichtung von Embryonen ausgehen, und ob nun deutsche oder ausländische Embryonen getötet werden, dürfte höchstens der NPD nicht egal sein.
Mag sein, dass für Sie die im Embryonenschutzgesetz fixierte Annahme, Embryonen sind im vollen Umfang schutzwürdiges menschliches Leben und damit durch das Grundgesetz geschützt, nicht zutreffend ist. Aber dann sollte gerade eine Partei wie die FDP, die sich so gern auf den Rechtsstaat und das Grundgesetz beruft, diese weitreichende Entscheidung angemessen diskutieren. Das Mindeste wäre, im Ausschuss eine Anhörung durchzuführen. Wir werden deshalb die Überweisung des Antrages an den Ausschuss beantragen.
Die methodische Frechheit oder Oberflächlichkeit – ich weiß es nicht genau – findet sich aber auch inhaltlich im Antrag wieder. Der Antrag ist einseitig und trägt in seiner forschungs- und innovationsgeprägten Ausschließlichkeit den ethischen und damit gesellschaftlichen Implikationen der Thematik überhaupt nicht Rechnung. Es fehlt jeglicher Verweis auf ethisch oder menschenrechtlich notwendige Erwägungen; und, Herr Martens, das hat mich gerade bei Ihnen verwundert.
Lassen Sie mich trotzdem zunächst auf Ihre eigene Argumentation eingehen. Es sind vor allem Standortargumente, die Sie anführen. Schaut man aber auf die Forschungslandschaft, so hat die Stichtagsregelung in Deutschland eben nicht zum Ende der Stammzellforschung oder zu internationaler Isolation geführt; nein, es wurde der Schwerpunkt auf die adulte Stammzellforschung gelegt und auf die Suche nach Alternativen zur Gewinnung embryonaler Stammzellen, ohne Embryonen zerstören zu müssen – so zum Beispiel aus dem Nabelschnurblut oder aus Fruchtwasser.
Das ist zum einen ein sehr großer Erfolg und zeigt zum anderen, dass es eben sehr wohl möglich ist, sich in ethisch weitgehend unproblematischen Gefilden zu profilieren. So werden jedoch die embryonalen Stammzellen oft als therapeutische Wundermacher dargestellt. Verschiedene Wissenschaftler raten zu Mäßigung und verweisen auf die tatsächlichen bisherigen oder zu erwartenden Ergebnisse der embryonalen Stammzellforschung.