Protocol of the Session on November 7, 2007

(Heinz Lehmann, CDU: Das ist gut so!)

Am 12. April dieses Jahres sagte unser verehrter Ministerpräsident anlässlich der Grundsteinlegung in Boxberg – ich zitiere –: „Sachsen ist ein Land der Braunkohle. Sie ist und bleibt unser wichtigster Energieträger, sicher und preiswert. Deshalb stehen wir zur Braunkohlennutzung.“

(Beifall bei der CDU – Thomas Colditz, CDU: Sehr gut!)

So weit unser Ministerpräsident, den ich deshalb fragen möchte: Wenn die Braunkohle so preiswert ist, warum haben die sächsischen Verbraucher und die sächsische Wirtschaft nichts davon? Diese Frage müsste einmal beantwortet werden.

Über den Artikel im „Spiegel“ dieser Woche, der die kartellähnlichen Machenschaften der vier Oligopolisten auf dem Strommarkt beleuchtet, werden sich nur die Leserinnen und Leser gewundert haben, die den Markt – oder das, was man dafür hält – nicht kennen. Wenn mich etwas wundert, dann, dass es überhaupt noch jemanden wundert, sogar einen Fachjournalisten. Nimm, was du kriegen kannst – E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall, die man in der Szene auch „die vier Besatzungsmächte“ nennt, stopfen sich seit Jahren die Taschen voll und führen die Verbraucher an der Nase herum.

Die Politik ist schon länger in der Rolle eines Mittäters. Man schaue sich nur die Verflechtungen zwischen den großen Stromkonzernen und den großen Parteien an. Nicht erst seit vorgestern wissen wir, dass die Stromkonzerne an den Gesetzen und Verordnungen aus dem Bun

deswirtschaftsministerium mitschreiben. Aber, meine Damen und Herren, diese Mauschelei der Konzerne und das Abzocken der Verbraucher wird jetzt ein jähes Ende finden, nachdem wir diesen „tollen“ Antrag der Koalition vorliegen haben; denn Sie wollen sich berichten lassen, wie sich die Entwicklung der Strompreise – die meinen Sie ja, wenn Sie von Energiepreisen reden – im Jahr 2007 darstellt. Diese Information finden Sie aber jetzt schon im Internet, zum Beispiel auf den Seiten des Wirtschaftsministeriums. Warum man so etwas beantragen muss, entzieht sich meiner Kenntnis.

Viel mehr als der Antrag der Koalition interessiert mich das Gutachten, das Sie, Herr Staatsminister Jurk, bei White & Case zur Transparenz auf dem Strommarkt in Auftrag gegeben hatten, und welche Schlussfolgerungen Sie daraus gezogen haben. Nach wie vor gibt es auf dem Strommarkt nur ein Problem, und das heißt: Es gibt gar keinen Markt.

Meine Damen und Herren! Es hat in diesem Jahr eine gute Gelegenheit gegeben, für mehr Markt bei der Strompreisbildung zu sorgen. Diese Gelegenheit war das Gesetz über die Ausgestaltung des Emissionshandels in Deutschland. Ein einheitlicher Benchmark für alle Energieträger hätte dafür gesorgt, dass wir stärkeren Wettbewerb in der Erzeugung angeregt hätten. Das wurde durch die erneute Privilegierung der Braunkohle verhindert. Zusätzlich wird Braunkohle über die Steuerbelastung von Erdgas bessergestellt.

Meine Damen und Herren! Wenn heute die Koalition über zu hohe Strompreise jammert, dann sind das Krokodilstränen, Herr Lehmann und Herr Gerlach, die Sie da vergießen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der NPD)

CDU und SPD hatten es in diesem Jahr in der Hand, etwas für den Wettbewerb zu tun. Sie haben es nicht getan. Damit tragen Sie eine deutliche Mitverantwortung für die weitere Entwicklung der Strompreise in unserem Land und die Stärkung der Machtbeherrschung durch die „fantastischen Vier“.

Jetzt können wir nur noch hoffen, dass die Europäische Kommission und die Kartellwächter sowie letzten Endes vielleicht die Gerichte dem üblen Treiben der Konzerne ein Ende bereiten. Auf das Bemühen der Sächsischen Staatsregierung setze ich, ehrlich gesagt, keinen Pfifferling mehr. Schon bei nächster Gelegenheit höre ich den Ministerpräsidenten wieder das Lied von der preiswerten Braunkohle singen. Lieber Herr Prof. Milbradt, diese Platte hat einen Sprung. Mit Verlaub, es ist ein Märchen, das Sie da abspielen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hat den vorliegenden Antrag zur Überführung der Übertragungsnetze für Strom und Gas in das Eigentum der öffentlichen Hand eingebracht, weil wir der festen Überzeugung sind, dass das Abzock-Kartell der großen Energiekonzerne nur so wirksam in seine Schranken gewiesen werden kann. Wir wollen den Konzernen die Basis für ihren systematischen Marktmissbrauch nehmen, nämlich die Verfügungsgewalt über die Übertragungsnetze.

Die Netze zur Übertragung von Energie – seien es Strom oder Gas – haben aufgrund ihrer Funktionsweise und ihres enormen Investitionsvolumens einen quasi natürlichen Monopolcharakter.

Die Energiepreise steigen ständig, weil das Oligopol der großen Stromproduzenten auch die Verfügungsgewalt über das Monopol der Netze hat. Der Ausweg kann nur eine Trennung der Netze von den Stromproduzenten sein, um weiteren Marktmissbrauch und das Abzocken der Verbraucher zu verhindern.

Änderungsbedarf sieht mittlerweile auch die EU-Kommission. Herr Gerlach, wenn die EU-Kommission ausnahmsweise auch mal eine Position vertritt, die sich mit der unseren deckt, dann unterstützen wir die Kommission ausnahmsweise auch. Das ändert aber nichts an unserer Grundsatzablehnung.

Wenn nun selbst die EU-Kommission zu der Einschätzung kommt, dass auf dem deutschen Energiemarkt Schindluder getrieben wird, und wenn selbst die EUKommission Änderungsbedarf sieht, dann werden wir das in diesem Fall unterstützen. Aber die EU-Kommission hebt ja nur auf eine eigentumsrechtliche Entflechtung ab. Da aber nicht nur der Netzbetrieb, sondern auch die Energieerzeugung zu über 80 % in der Hand der vier großen Energiekonzerne liegt, reicht die Entflechtung allein nicht aus. Bei einer bloßen Entflechtung würden die Konzerne den Missbrauch ihrer Marktmacht einfach auf die Ebene der Energieproduktion verlagern. Eine wirksame Begrenzung gemeinwohlschädlicher Marktmacht und einen gerechten Marktzugang für alle Energieunternehmen kann es nur geben, wenn die Netze unter staatliche Kontrolle gestellt werden. Dazu bedarf es geeigneter Regelungen für den Zugang zu den Netzen. Es müssen endlich Vorrangsregelungen für kleinere, dezentrale Energieerzeugungsanlagen und erneuerbare Energien geschaffen werden. Es muss sichergestellt sein, dass die Viererbande der Stromkonzerne – bestehend aus E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall – den Energiepreis nicht weiter hochhalten kann, indem sie durch illegale Preisabsprachen und künstliche Angebotsverknappung den Marktpreis manipuliert.

Das Magazin „Spiegel“ hat unlängst berichtet, dass es zahlreiche Indizien dafür gebe, dass sich führende Manager, ja, sogar die Vorstandschefs der großen Versorger zwischen 2003 und 2006 zu geheimen Gesprächsrunden trafen, um eine profitträchtige Preispolitik abzustimmen.

Auch der Präsident des Bundeskartellamtes Bernhard Heitzer spricht von „starken Indizien“ dafür, dass die Marktführer die Preise künstlich hochgetrieben haben. Erst gestern Abend berichtete das Fernsehmagazin „Frontal 21“, dass sich die Spitzen von E.ON und RWE regelmäßig getroffen haben, um Handelsstrategien zur Preistreiberei abzustimmen.

Herr Gerlach, vor diesem Hintergrund muss einfach festgestellt werden, dass die Debatte um Strompreiswucher nie so aktuell war wie heute. Davon, dass die NPDFraktion mit ihrem Antrag zu spät kommt, kann nun wirklich nicht die Rede sein. Das Problem liegt vielmehr darin, dass die rot-schwarzen Energie- und Wirtschaftspolitiker in Bonn seit Langem nicht willens oder in der Lage sind, ordnungspolitisch gegen den Preiswucher auf dem Strommarkt einzuschreiten.

Nach Angaben des ZDF-Berichtes von gestern Abend stieg der Strompreis von 2002 bis heute um unglaubliche 125 % und die etablierte Politik lässt die Geldmacher im Energiebereich unkontrolliert schalten und walten.

Der bisher von der CDU- und SPD-Koalition – sei es in Berlin oder in Dresden – beschrittene Weg, den Energiemarkt weiter zu liberalisieren, ist zulasten der Verbraucher grandios gescheitert. Zaghafte Versuche der etablierten Politik, die Konzerne zu einer verbraucherfreundlicheren Preispolitik zu bewegen, ließen diese einfach ins Leere laufen. Stattdessen haben sie die Preisspirale weiter gedreht, um regelrechte Monopolprofite einstreichen zu können.

Am Strommarkt lässt sich festmachen, wie lebensfremd mittlerweile die Glaubenslehre vom freien Wettbewerb ist, der über Angebot und Nachfrage angeblich das Allgemeinwohl fördere und eine preiswerte Güterversorgung sicherstelle.

(Zuruf von der Linksfraktion)

Nein, der staatlich ungehegte Wettbewerb führt in letzter Konsequenz zu einer Selbstaufhebung des Wettbewerbs in Gestalt allmächtiger Kartelle. Um das festzustellen, muss man wahrlich kein Marxist sein.

Den jetzigen Energiemarkt, wenn man von einem solchen noch sprechen will, haben sich die Stromriesen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall regelrecht untereinander aufgeteilt. Angesichts ihrer Marktmacht unterlaufen sie selbst höchstrichterliche Anordnungen, die Netznutzungsentgelte zu senken, indem sie alle gleichzeitig die Preise auf der Produktionsebene angehoben haben.

Da alle bisherigen politischen Initiativen zur Preiskontrolle des Energiekartells scheiterten, sieht die NPD in der Überführung der Übertragungsnetze in die öffentliche Hand die einzige Möglichkeit, dem Strompreiswucher entgegenzutreten.

Selbst der hessische CDU-Wirtschaftsminister Alois Riehl schlägt inzwischen vor, die Konzerne zum Verkauf von Kraftwerken zu zwingen und damit zu zerschlagen.

Herr Lehmann, man kommt wohl nicht um die Feststellung herum, dass die hessische CDU ein wesentlich größeres sozialpolitisches Bewusstsein und vor allem auch konturiertere ordnungspolitische Vorstellungen hat als die sächsische CDU; denn der eben genannte Vorschlag kommt von einem Parteifreund von Ihnen aus Hessen, der im Notfall die Zerschlagung der Konzerne anstrebt.

Da eine funktionierende und preiswerte Energieversorgung von gesamtdeutschem Interesse ist, sehen wir den Bund in der Pflicht, die Übertragungsnetze in Gemeineigentum zu überführen, um eine maßvolle und sozial vertretbare Strompreispolitik durchzusetzen. Aus diesem Grund halten wir eine entsprechende Bundesratsinitiative des Freistaates Sachsen für sinnvoll, mit der die Staatsregierung eine bundesweite Vorreiterrolle im Kampf gegen die Preistreiberei auf dem Energiemarkt einnehmen könnte.

Für die NPD hat das Kapital der Wirtschaft und die Wirtschaft hat dem Volk zu dienen und nicht umgekehrt. In diesem Sinne bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der NPD)

Das Wort hat Herr Staatsminister Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Tatsache ist, unter den hohen Energiepreisen stöhnen die Verbraucher. Das sind die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft. Der Eindruck verstärkt sich immer mehr: Es ist etwas faul auf dem Energiemarkt in Deutschland.

Wenn nämlich wirklich zutrifft, was diese Woche im „Spiegel“ zu lesen ist, dass sich die Verdachtsmomente auf gezielte Preisabsprachen verdichten, dann ist die Empörung auf Verbraucherseite sowohl verständlich als auch völlig berechtigt.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Dann sollte auch Herr Porsch zuhören. Herr Porsch, wissen Sie, ich schätze Sie vielleicht als Professor, aber diese Art, hier im Parlament ständig hineinzurufen, das sind keine intelligenten Zwischenrufe mehr.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Dann sollte es die vier großen Stromproduzenten auch nicht überraschen, dass die Politiker eine Verschärfung des Wettbewerbsrechtes vorsehen.

Der schon angesprochene hessische Wirtschaftsminister Riehl spricht mit der ihm eigenen Wortgewalt von einem parallelen Ausbeutungsverhalten der vier Monopolisten auf Kosten der Verbraucher. Die Sprache erinnert mich ein bisschen an den früheren Stamokap. Hessen will daher

in Kürze einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Wettbewerbsrechtes vorstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mir auch diese hessische Initiative genau ansehen, denn es stimmt ja, dass die Landeskartellbehörden derzeit keine Möglichkeit haben, vergleichbare Überprüfungen bei den großen vier Energieproduzenten vorzunehmen, wie es das Bundeskartellamt kann.

Andererseits will ich gern darauf hinweisen, dass Herr Kollege Riehl momentan im Wahlkampf steht. Ich erinnere mich auch noch gut daran, als uns Herr Riehl 2005 im Kreise der Länderwirtschaftsminister zum Jahresende überraschte, als er nämlich überhaupt keine Strompreiserhöhung genehmigte. Da hieß es ganz groß in der „Bild“ – die Leute waren hocherfreut –, so wie Kollege Lehmann gerade vom „Drachentöter Glos“ sprach, er sei der „Robin Hood der Stromverbraucher“. Was wollte er 2006 machen? Er musste all diese Strompreiserhöhungen nach der Rechtslage unterzeichnen und genehmigen.

Frau Dr. Runge, Herr Riehl hat seinerzeit auch maßgeblich, und zwar über den Bundesrat, an der Energiegesetznovelle 2005 mitgearbeitet.

Lieber Herr Kollege Weichert, wir müssen jetzt auch ganz fair sein: Rot-Grün hat die Urheberschaft durchaus zugelassen. Es war aber auch die Union, die diese Energiegesetznovelle im Bundesrat mit geprägt und gestrickt hatte. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich etwas vorsichtig, was manche Äußerung meines Kollegen aus Hessen betrifft. Aber eines steht fest, meine sehr verehrten Damen und Herren: Für die in letzter Zeit von großen deutschen Energiekonzernen angekündigten Strompreiserhöhungen fehlt auch mir bislang jeder Nachweis einer sachlichen Berechtigung. Ich sehe mich übrigens einig mit der Bundeskanzlerin und dem schon zitierten Bundeswirtschaftsminister. Herr Glos hat darauf hingewiesen, dass erst die um 25 % gestiegenen Beschaffungskosten einen 10 % höheren Endpreis rechtfertigen. Eine solche Kostensteigerung kann ich aber weiß Gott nicht erkennen.

Die NPD-Fraktion will nun diese komplexe Problemlage mit der schlichten Keule der – wie sie es nennen – Verstaatlichung lösen. Unser Grundgesetz kennt aber nur den Begriff der Vergesellschaftung und geht daher aus guten Gründen sehr behutsam vor. Frau Dr. Runge, Sie haben völlig recht: Enteignung heißt im Rechtsstaat Entschädigung, welche der Steuerzahler bezahlen soll. Ich bin gespannt, wie die NDP-Fraktion so etwas finanzieren würde. Die NPD-Fraktion verlangt, das Eigentum an den Übertragungsnetzen für Strom und Fernleitungsnetzen für Gas zu verstaatlichen. Vielleicht ist den Antragstellern entgangen, dass mit dem seit Juli 2005 geltenden Energiewirtschaftsgesetz in Deutschland bereits wirksame – wenn auch vielleicht nicht hinreichende – Entflechtungsregelungen eingeführt worden sind, nach denen der Netzbetrieb von Erzeugung und Betrieb rechtlich und organisatorisch getrennt werden musste.

Netzanschluss, Netzzugang und Netzbetrieb werden in Deutschland seither staatlich durch die Bundesnetzagentur und die Landesregulierungsbehörden überwacht. Die sächsische Landesregulierungsbehörde hat festgestellt, dass es damit immerhin schon gelungen ist, den diskriminierungsfreien Netzzugang in Deutschland zu etablieren. Die Netzdurchleitungsentgelte konnten zudem erheblich gesenkt bzw. ein weiterer Anstieg gedämpft werden. Ich verweise auf die heutige Pressemitteilung des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, der deutlich gemacht hat, dass mit der Genehmigung eine Senkung des Anteils der Netzdurchleitungskosten von 38,6 % auf 31,5 % erreicht werden konnte.

Ferner ist der NDP-Fraktion anscheinend entgangen – und darauf wies Kollege Gerlach bereits hin –, dass nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz bereits ein Vorrang für den Zugang und die Einspeisung dieser Energien in die Netze besteht. Zudem sollen mit einem neuen GasnetzZugangsmodell der Bundesnetzagentur auch beim Gashandel deutliche Fortschritte erzielt werden.