Protocol of the Session on September 28, 2007

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sie müssen auch mehr zahlen! – Zuruf des Staatsministers Thomas Jurk)

Herr Jurk, Sie haben gestern die Bahn über den grünen Klee gelobt – ich habe darauf aufmerksam zu machen versucht, dass man noch Verbesserungsbedarf hat. Wir können gern im Protokoll nachschauen, aber es klang zumindest so, als ob alles gut wäre. Und 28 Minuten mehr Fahrzeit, Herr Jurk, ist kein technischer Fortschritt. Nur zum Verständnis: Fortschritt ist, wenn es schneller geht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Fortschritt ist, wenn er zu Fuß geht!)

Mit dem Ausbau auf 200 Kilometer pro Stunde Geschwindigkeit der 125 Kilometer von Böhla bis zum Berliner Außenring wäre eine Fahrtreduzierung um 20 Minuten möglich, und wenn wir die Probleme des fehlenden Baurechts in Lichtenrade noch in den Griff bekommen würden, wären weitere 10 Minuten Fahrzeitverkürzung möglich.

Das wäre eine echte Alternative zum Auto, die auch von den Autofahrern sicher gern angenommen würde. Es freut mich, dass wir als FDP Verbündete in diesem Bereich bei dieser Forderung haben. Es gibt ein Positionspapier „Schneller nach Dresden“ aus dem Juni 2007 von der IHK Dresden, von der Handwerkskammer Dresden, vom Tourismusverein Dresden, aber auch von der TU Dresden und vom VVO. Weitere haben sich daran beteiligt und unterschrieben – uns hier im Hause gut bekannt: Andreas Lämmel von der CDU, ehemaliger Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, und Lars Rohwer, der Kreisvorsitzende der CDU und unser Abgeordnetenkollege hier im Landtag. Sie wollen sogar den Ausbau bis 2011, also ein Jahr früher, als wir es Ihnen in unserem Antrag vorschlagen. Herr Lämmel geht noch weiter: Er posiert in schicker Warnweste öffentlich und sagt: Dresden droht verkehrstechnisch das Absinken in die Bedeutungslosigkeit. Das sind schöne Gesten und schöne Worte, aber es kommt nichts dabei heraus, nur heiße Luft.

(Beifall bei der FDP)

Ich hoffe, Lars Rohwer bleibt seiner Linie treu und steht zu seiner Position und sorgt dafür, dass die CDU heute unserem Antrag zustimmt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Es gibt noch einen Änderungsantrag!)

Auf den Änderungsantrag werden wir noch zu sprechen kommen.

Denn derzeit passiert – –

Sind Sie einverstanden, dass der angesprochene Herr Rohwer eine Zwischenfrage stellt?

Herr Rohwer, eine Zwischenfrage, selbstverständlich.

Bitte, Herr Rohwer.

Herr Morlok, weil Sie mich gerade konkret angesprochen haben: Können Sie mir erklären, warum der Kreisverband der FDP hier in Dresden das Papier noch nicht mitgezeichnet hat, obwohl er es seit Juni vorliegen hat? Wenn Sie das hier vertreten, kann er es doch mitzeichnen?

Lieber Kollege Rohwer, ich bin Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Leipzig. Genauso wie ich erwarte, dass mir mein Vorsitzendenkollege aus Dresden keine Ratschläge erteilt, erteile ich ihm auch keine. Ich denke, das praktizieren Sie in Ihrer Partei genauso.

(Beifall bei der FDP – Staatsminister Thomas Jurk: Wie sind Sie denn zu Ihrem Antrag gekommen?)

Wir haben momentan die Situation, dass Dresden, wie es Herr Lämmel bereits sagte, total abgehängt ist. Dresden ist das Tal der Ahnungslosen gewesen; heute ist Dresden das Tal der Abgehängten.

Und die Bahn? Sie macht nichts mehr. Sie sagt sich nämlich – das kann ich nachvollziehen –: Solange dieses Ausbauprojekt in der Planung ist, lohnt es sich nicht, mit Eigen- bzw. Bestandsmitteln Reparaturmaßnahmen zu ergreifen. Deswegen ist die Politik gefordert, dazu beizutragen, dass der Entscheidungsstau endlich aufgelöst wird.

Wie dringend das notwendig ist, zeigt eine Stellungnahme aus dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. Dort heißt es:

„Allein im Abschnitt zwischen Elsterwerda und dem Berliner Außenring müssen die Züge an 18 Stellen auf Geringgeschwindigkeit abbremsen. Im Bereich Hohenleipisch–Elsterwerda fahren die Züge auf einer Länge von mehreren Kilometern sogar nur 60 Kilometer pro Stunde. Insgesamt können die Züge auf einem Drittel der Gesamtstrecke nicht die volle Geschwindigkeit fahren. Regionalexpresszüge sind zehn Minuten länger als auf mängelfreier Strecke unterwegs.“

Vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg heißt es weiter – das ist sehr bedenklich –: „In der Zählung der DB Netz AG ist keine einzige dieser Stellen enthalten, da die Einschränkungen bereits über viele Jahre bestehen und somit DB-intern nicht als Langsamfahrstellen gelten.“

Hier zeigt sich einmal mehr Problemlösung à la Bahn. Die Langsamfahrstrecken werden nicht beseitigt, sondern einfach wegdefiniert. Die Folge ist, dass die Fahrzeit immer länger wird, und das auf einer Strecke, die zu den

paneuropäischen Korridoren gehört, das heißt zu der europäischen Schienenverbindung von Berlin bis nach Budapest.

Lieber Herr Minister Jurk, ich möchte Sie an dieser Stelle an das Thema Vorfinanzierung erinnern. Das wäre hier eine echte Alternative. Sie können sich nicht mit dem Hinweis darauf herausreden, so etwas ginge wegen der Verfassung nicht. Es ist wohl unstrittig, dass im Bahnbereich die Vorfinanzierung möglich ist. Die Kollegen aus Baden-Württemberg haben mit „Stuttgart 21“ gerade vorgemacht, wie Stadt und Bundesland ein wichtiges Eisenbahnstrukturprojekt vorfinanzieren können.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aber Schwachsinn!)

Was macht die Staatsregierung? In der „LVZ“ vom 15. März dieses Jahres konnte man eine Aussage von Minister Jurk zu den Investitionsausgaben der Bahn nachlesen. Er sagte damals: „Ich hoffe, dass die Bahn sich in gleicher Weise für den Ausbau der Strecke Dresden– Berlin einsetzt.“

Lieber Herr Minister Jurk, hoffen und beten können Sie in der Kirche; in der Staatsregierung müssen Sie handeln!

(Beifall bei der FDP und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Das war die einreichende Fraktion. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion Herr Heidan das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zunächst einmal verlockend, von schnellen Verbindungen zwischen Städten – hier zwischen der Landeshauptstadt Dresden und der Bundeshauptstadt Berlin – zu reden und diese zu fordern. Auch wir wollen schnelle Verbindungen. Wenn ich Sie aber mit einem Koch vergleichen darf, dann muss ich Ihnen sagen: Sie sind ein schlechter Koch, weil Sie uns mit Ihren vollblumigen Ankündigungen etwas verkaufen wollen, das, verkehrspolitisch gesehen, mit einem schlechten Dessert vergleichbar ist. Oben ist als Schlagsahne die Streckenertüchtigung Dresden–Berlin. Unter der Schlagsahne sollte aber nach meinem Dafürhalten genauso ausgewogen Süßes vorkommen. Aber weit gefehlt! Mit Ihrer Politik kommt eher Sauerkraut zum Vorschein. So können Sie doch nicht allen Ernstes Verkehrspolitik gestalten!

Ich will es Ihnen erklären. Wenn Sie schon meine Dresdner CDU-Kollegen zitieren und sich die Initiative von Andreas Lämmel und meinem Kollegen Lars Rohwer zu eigen machen wollen, dann schreiben Sie doch wenigstens richtig und in Gänze ab. Die Dresdner CDUKollegen haben nicht nur die Strecke Dresden–Berlin, sondern auch weiterführende Initiativen gefordert. Das müssten Sie einmal nachlesen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Grundlage aller Überlegungen dürfen nur ganzheitliche Betrachtungen und Lösungen sein, sonst ist Verkehrspoli

tik Stückwerk. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren. Für Sie als FDP ist es sicherlich nicht neu, mit großen Anzeigen – Sie haben es bewiesen – Stückwerk zu verkaufen. Unsere Politik ist das nicht.

Ich wiederhole: Vernünftig ist es, solche ganzheitlichen Lösungen vom Bund zu fordern und umzusetzen, die für Sachsen spürbare Verbesserungen auch im europäischen Kontext bringen. Es ist ein Gebot der Stunde, genau diese Dinge zu tun. Die Deutsche Bahn AG muss insgesamt noch viel tun, um im europäischen Wettbewerb mithalten, aber auch ihrer Verantwortung gegenüber den Regionen im Freistaat gerecht werden zu können. Der Ausbau des Schienennetzes ist dabei besonders im Auge zu behalten.

Herr Heidan, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Prof. Porsch, bitte.

Herr Kollege und Herr Präsident, zuvor ein Satz, um die Frage zu erklären. Ich schließe mich Ihnen vollständig an, wenn es darum geht, eine Gesamtlösung zu finden. Wie aber kommen Sie auf die Idee, man dürfe angesichts der Tatsache, dass man von Athen mit dem Zug noch nicht schnell genug nach Dresden kommt, nicht auch schnell von Dresden nach Berlin kommen? Denn das ist der Tenor Ihrer Rede.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Lieber Herr Porsch, wir müssen sächsische Lösungen fordern. Wir haben die Probleme in Sachsen zu klären.

(Lachen bei der FDP)

Wir sind sächsische Politiker und haben uns für die Lösung sächsischer Probleme einzusetzen.

Priorität können dabei sicherlich nicht, wie im Antrag formuliert, Strecken mit Ertüchtigung zum schnellen Befahren sein. Ich darf Sie, verehrte Mitglieder der FDPFraktion, noch auf die Aussage von Bundesverkehrsminister Tiefensee vom März dieses Jahres aufmerksam machen. Ich zitiere wörtlich: „Wir haben die Trendwende geschafft. Der Schienengüterverkehr boomt wie nie zuvor.“

Und weiter: „Der Güterverkehr wächst überproportional.“

Das, meine Damen und Herren, ist genau der Punkt, über den wir hier beraten müssen. Herr Porsch, hören Sie doch einmal zu!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ich höre immer zu! Ich habe bloß keine Zwischenfrage mehr!)

Wir müssen nicht nur Schnelligkeit im Personenzugverkehr erreichen, sondern auch die wachsenden Verkehrs

ströme auf der Schiene in den Griff bekommen. Das Stichwort heißt „Transeuropäische Netze“.

Meine Damen und Herren von der FDP, Ihnen muss ich sagen, dass sich die CDU-Fraktion dafür einsetzt, dass die transeuropäischen Netze unter dem besonderen Augenmerk der Entwicklung einer osteuropäischen bzw. skandinavischen Wirtschaftsregion ausgebaut werden müssen. Wir dürfen nicht in Klein-Klein-Kategorien einer einzelnen schnellen Zugverbindung verfallen – diese ist ohne Frage wichtig –, dabei aber das Wichtigste völlig außer Acht lassen.