Protocol of the Session on August 31, 2007

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Das ist richtig!)

Natürlich kann man heute behaupten, der Kreditausschuss und der Verwaltungsrat hätten das wissen und sehen müssen. Das kann man leicht sagen, wenn man in den Gremien selbst nicht drin ist. Ich sage dazu ganz deutlich: Dann muss man auch den Finanzausschuss hinzunehmen, denn das Geschäftsmodell wurde 2005 von Raubach und Holtmann im Finanzausschuss vorgestellt. Jeder, der jetzt sagt, dass man hätte fragen müssen, hätte dort nachfragen können, was in Dublin passiert.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Müller, NPDFraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die meisten von Ihnen dürften den Film „Die Ritter der Kokosnuss“ kennen. In diesem Film gibt es eine Szene mit einem wahrlich beeindruckend optimistischen Ritter, der in einem Gefecht schon Arme und Beine verloren hat und trotz seines Zustandes potenziellen Kombattanten auf dem Schlachtfeld zuruft: „Na los, komm schon, trau dich!“

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Man muss aber auch den Untersuchungsausschuss fragen. Er hat nämlich Unterlagen aus dieser Zeit und hätte fragen können. Man muss auch den Sächsischen Rechnungshof in die Pflicht nehmen. Er hat nämlich das Prüfungsrecht über diese Bank und hätte das wahrnehmen können.

In den vergangenen Tagen musste ich immer wieder an diese Szene denken, wenn die Rede auf die Sachsen LB, ihre Verantwortlichen und die mit ihr verbundenen Landespolitiker kam. Wir wissen ja, dass Politiker und Banker von ihrer Grundlage her Berufsoptimisten sind. Aber das, was wir in Bezug auf unsere Landesbank derzeit erleben, ist ein schwerer Fall von Realitätsverlust.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Die Vorstellung, dass man diese Papiere eventuell am Markt nicht mehr unterbringen könnte und sie selbst halten und abfinanzieren müsse, war in keinem Risikobericht enthalten. Die Mechanismen und die Funktionsweise der Vehikel und mögliche Folgen daraus – das möchte ich auch als Mitglied des Kreditausschusses ganz deutlich sagen – wurden zu keinem Zeitpunkt erläutert.

(Beifall bei der NPD)

Ich könnte an dieser Stelle eine ganze Reihe von völlig grotesken Zitaten insbesondere des Sachsen-LB-Vorstandes, des Finanzministers und des Finanzpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion präsentieren, mit denen die Lage bei der Landesbank schöngeredet wurde und wird. Ich möchte mich dabei aber auf zwei beschränken.

Man muss einfach konstatieren: So wie in der Krise vom vergangenen Wochenende anfangs nur Finanzministerium und Sachsen-Finanzgruppe mit dem Vorstand der Bank kommunizierten und agierten, so war auch der gesamte Geschäftsablauf davor. Dort wurden die Entscheidungen getroffen. Das Finanzministerium, das im Haushalt aller sächsischen Ministerien jeden Euro kennt, überall mitredet – manche sagen auch: hineinredet –, das mit dem Verweis auf Zukunftslasten und Staatsschulden finanzpolitisch extrem restriktiv agiert, hat bei der Bank mit dem geringsten Eigenkapital riesige Kreditrisiken nicht gekannt, nicht gesehen und nicht gewusst.

So gab die Landesbank am Tag ihres Verschwindens über ihren Pressesprecher Frank Steinmeier bekannt – ich zitiere –: „Die Träger der Landesbank Baden-Württemberg und die Anteilseigner der Landesbank Sachsen Girozentrale haben am Wochenende ihre bestehende Zusammenarbeit durch die Einbringung der Sachsen LB in die LBBW weiter vertieft.“ Da muss man sich schon festhalten, wenn man so etwas liest.

Auch Finanzminister Horst Metz redet allen Ernstes von einer „Fusion“, nur um den in einer Nacht-und-Nebel

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Aktion durchgezogenen Notverkauf unserer Landesbank nicht beim Namen nennen zu müssen.

Ein anderer Spezialist ist der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Matthias Rößler. Er behauptete, nachdem die Landesbank schon am 17. August 2007 durch einen Notkredit der DekaBank und der Sparkassenorganisation mit der astronomischen Höhe von 17,3 Milliarden Euro gerettet werden konnte, dass – ich zitiere – „ein schlimmes Marktproblem solidarisch erfolgreich abgewendet“ werden konnte. So viel kreditwirtschaftlicher Unverstand in nur einem einzigen Satz – Respekt, Herr Rößler! Für diese Presseerklärung haben Sie sich bald einen Preis verdient und mit der haben Sie sich, ironisch gesagt, fast für das Milbradt-Kabinett qualifiziert.

Dieser ganze unglaubliche Vorgang, dieses unglaubliche Maß an Schönrederei erweckt bei mir und sicherlich bei vielen anderen nur noch einen Eindruck, nämlich den, dass es auch jetzt nur noch schlimmer kommen kann. Ist Ihnen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, eigentlich noch nicht aufgefallen, dass die Landesbank in Wirklichkeit niemand auch nur geschenkt haben will? Auch der am vergangenen Wochenende durchgepeitschte Notverkauf der Sachsen LB an die LBBW spricht nicht gegen diesen Eindruck, denn als Kaufpreis werden gerade einmal 300 Millionen Euro genannt. Diese 300 Millionen Euro sind ein schlechter Witz, wenn man sich vergegenwärtigt, dass noch zum Zeitpunkt unserer letzten turnusmäßigen Sitzung im Juli, auf der eigentlich noch die Umwandlung der Landesbank in eine AG beschlossen wurde, der Wert der Sachsen LB auf über 800 Millionen Euro taxiert wurde, sodass die jetzt im Raum stehenden 300 Millionen Euro gerade einmal dem Betrag der Kapitalerhöhung entsprechen, der vor nur zwei Jahren aus sächsischen Steuermitteln aufgebracht werden musste.

Aber auch das könnte am Ende vielleicht gar nichts bringen. Das von der LBBW ausgehandelte Rücktrittsrecht und eine Kaufpreisbandbreite in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages signalisieren ein Risiko, das offenbar selbst die größte deutsche Landesbank nicht abzuschätzen vermag.

Inhalt und Bedingungen, an die das Rücktrittsrecht der LBBW geknüpft sind, bleiben auch nach dem heutigen Auftritt des Finanzministers völlig im Dunkeln. Herr Metz hat heute ausgeführt, dass im Falle des Absinkens der Kernkapitalquote unter 4 % zum Stichtag 31.12.2007 die Vertragspartner eine einvernehmliche Lösung zur Abwendung dieser Krise finden wollen. Das kann alles Mögliche bedeuten. Es bedeutet aber vor allem, dass der Blindflug unserer Landesbank weitergeht und die Sachsen nur beten können, dass sich die Kredit- und Finanzmärkte in den nächsten drei Monaten beruhigen werden – was von den meisten Experten nicht erwartet wird.

Sollte es wie erwartet die starken Verluste am Wertpapiermarkt für strukturierte Anleihen geben, dann wird dieses Massaker an den ABS- und MBS-Märkten voll auf die Bilanz durchschlagen und die Kernkapitalquote

unserer Landesbank auf unter 4 % drücken. Der Rest des Jahres wird für uns also eine Zitterpartie und jeden Morgen wird unser erster banger Blick den Finanznachrichten gelten.

Herr Metz, es bleibt festzuhalten, dass Ihr heutiger heiß erwarteter Auftritt nicht die lang ersehnte Klarheit gebracht hat. Werden weitere Leichen im Keller der Landesbank gefunden oder führt die Liquiditätskrise an den Kreditmärkten zu einem Kurssturz an den Märkten, dann könnte – man mag gar nicht daran denken – die Sachsen LB bei einer weiter sinkenden Kernkapitalquote am Ende ganz ohne Partner dastehen. Dies wäre – das wissen trotz aller Schönrederei im Innersten wahrscheinlich auch alle Minister auf der Regierungsbank – der finanzpolitische Super-GAU für unseren Freistaat.

Gestern erreichten uns erneut Nachrichten, dass parallel zu den irischen Fonds im Jahre 2003 in Leipzig unter dem Code „Dublin II“ weitere Engagements vom Vorstand initiiert wurden. Nach dem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ hat das Gesamtvolumen der mittlerweile festgestellten 13 außerbilanziellen Zweckgesellschaften von Dublin II bis zu 46 Milliarden Euro betragen und damit den Löwenanteil des Engagements von insgesamt 65 Milliarden Euro an außerbilanziellem Geschäft ausgemacht. Bei dieser Größenordnung ist klar: Wenn hier etwas anbrennt, dann sehen wir eine haushalterische Kernschmelze und haben zukünftig einen Freistaat auf Hartz-IV-Niveau.

Da bisher in Bezug auf die Landesbank von allen Verantwortlichen gelogen wurde, dass sich die Balken biegen, habe ich insgesamt ein sehr schlechtes Gefühl, was die Abwendung dieses über uns schwebenden Damoklesschwertes betrifft. Wir werden aber, schon bevor dieses auf den Freistaat niedersausen sollte, den Verantwortlichen für die Katastrophe klar benennen. Dieser Hauptverantwortliche ist nicht Finanzminister Horst Metz, der heute für einen ganz anderen den Kopf hingehalten hat, sondern der Hauptverantwortliche ist der Ministerpräsident.

(Beifall bei der NPD)

Dieser versucht nun, das Sachsen-LB-Debakel als unvorhersehbaren Flügelschlag der Weltfinanzmärkte darzustellen. Dabei versteht wegen seines fachlichen und beruflichen Vorlaufs in Sachsen wohl kaum einer mehr von den hochspekulativen Geschäften mit den US-Ramschhypotheken als Georg Milbradt selbst. Der Ministerpräsident selbst war es, der zu Beginn des Jahrtausends mit den beiden Bankhasadeuren Michael Weiss und Rainer Fuchs den verhängnisvollen Strategieschwenk hin zum internationalen Kapitalmarktgeschäft und weg vom Förder- und Mittelstandsgeschäft durchdrückte, welche unserer Landesbank die Existenz kostete.

Mit diesem Schwenk wurden die Satzung und der Gründungsauftrag der Landesbank zugunsten von waghalsigen Kapitalanlagen verraten, die mit sächsischen oder mit

deutschen Belangen nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun haben. Das wussten die damals Handelnden auch.

Herr Milbradt, es ist unsagbar peinlich, wenn ausgerechnet Sie mit Ihrer akademischen und wissenschaftlichen Biografie in einem Interview gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 29. August 2007 allen Ernstes behaupten, dass kein Finanzexperte vorhergesehen habe, dass der gesamte Markt durch die Hypothekenkrise in den Vereinigten Staaten zum Erliegen kommt. Das Gegenteil ist richtig. Nicht nur in der Fachpresse, sondern auch im „Handelsblatt“ oder im Wirtschaftsteil der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wird die Überhitzung des USHypothekenmarktes infolge der Niedrigzinspolitik der amerikanischen Notenbank schon seit Jahren breit diskutiert. Es ist eines sächsischen Ministerpräsidenten nicht würdig, hier nach solchen Ausflüchten zu suchen. Sie hätten deshalb schon am Montag zurücktreten sollen.

(Beifall bei der NPD)

Dass Sie jetzt so tun, als seien Sie der Retter Sachsens in letzter Sekunde, erinnert an einen Pyromanen in den Diensten der Feuerwehr, der sich dann als großer Held der Löscharbeiten feiern lassen will.

Aber nicht nur die Staatsregierung hat sich nicht mit Ruhm bekleckert, nein, auch aus der Opposition und hier insbesondere aus der Linksfraktion waren zum SachsenLB-Debakel merkwürdige Töne zu vernehmen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Vielleicht sollten Sie, Kollegen Porsch und Hahn, das nächste Mal genauer überlegen,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

wen Sie in ein solch wichtiges Kontrollgremium schicken.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Hören Sie bitte zu, Herr Porsch! – Der Auftritt des Finanzpolitikers Weckesser am Dienstag in den „Tagesthemen“ war einfach peinlich.

(Jürgen Gansel, NPD: Ein denkwürdiger Auftritt!)

Herr Weckesser, Sie haben dem Fernsehpublikum etwas von roten, gelben und grünen Lämpchen in den Berichten der Bank erzählt. Da fast alles schön grün leuchtete, war für Sie alles in Ordnung. Wir schlagen der Staatsregierung vor, im nächsten Haushaltsentwurf auch überall grüne Lämpchen anzubringen, dann muss die Linksfraktion künftig keine Alternativvorschläge mehr erarbeiten.

(Caren Lay, Linksfraktion: Mein Gott! Das ist witzig!)

Spaß beiseite! – Der Vertreter der Linksfraktion hat genauso versagt wie die übrigen Mitglieder des Verwaltungsrates. Mit Ihrer unkritischen Haltung gegenüber den Verlautbarungen des Vorstandes haben Sie den ganzen

öffentlichen Finanzsektor in Verruf gebracht. Völlig zu Recht diskutiert die Öffentlichkeit jetzt über die ungeeignete Besetzung der Kontrollgremien der landeseigenen Unternehmen.

Eines muss aber immer wieder gegenüber denjenigen festgehalten werden, die sich nun aus der Verantwortung flüchten: Die Aktivitäten der Sachsen LB Europe in Dublin waren kein Staatsgeheimnis. Sie waren mehrfach Thema im Untersuchungsausschuss und im HFA und sind darüber hinaus auch öffentlich thematisiert worden.

Wie der „Welt“ heute zu entnehmen ist, soll in einer Strafanzeige bereits in den Jahren 2003/2004 über die unhaltbaren Zustände in Dublin in den Gremien der Bank diskutiert worden sein. Ich bin auf das Ergebnis der Ermittlungen der Leipziger Staatsanwaltschaft sehr gespannt.

Über eine andere Rechtsfrage, nämlich eine verfassungsrechtliche, werden wir uns allerdings noch unterhalten müssen. Entweder findet dieses Plenum mindestens eine Woche zu spät statt oder aber der Verkauf der Landesbank erfolgte mindestens eine Woche zu früh. Die Folge ist in jedem Fall, dass der Verkauf der Sächsischen Landesbank an die Landesbank Baden-Württemberg ohne Einwilligung des Sächsischen Landtages erfolgte. Das bedeutet eine Einschränkung des Budgetrechts des Parlamentes, also eines fundamentalen konstitutionellen Rechts.

Zwar ist diese Einschränkung nach § 65 Abs. 5 der Haushaltsordnung zulässig und es ist unstrittig, dass es denkbare Fälle gibt, in denen sie auch unvermeidbar sein dürfte; unabdingbare Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es zwingende Gründe für die Umgehung des Parlamentes gibt. Diese liegen nach unserer Auffassung jedoch eindeutig nicht vor, und dies gleich aus zwei Gründen:

Erstens, der Präsident hätte auf Bitte der Staatsregierung den Landtag in der vergangenen Woche einberufen können. Das wäre sehr wohl möglich gewesen, denn der Finanzminister hat selbst eingeräumt, dass für ihn bereits am Dienstag, dem 21. August 2007, definitiv feststand, dass die Sachsen LB an eine andere Landesbank verkauft werden muss; denn an diesem Tag erhielt er von der Bank den neuen Risikobericht, in dem nicht nur die bereits vorher bekannten Liquiditätsverluste im Zusammenhang mit der Revolvierung kurzfristiger Darlehen, sondern auch empfindliche Wertverluste bei den langfristigen amerikanischen Wertpapieren aufgeführt waren.