Protocol of the Session on July 6, 2007

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn Sie gegen öffentliche Beschäftigung sind, Frau Orosz, dann kommt das ganze Dilemma dieser Koalition zum Ausdruck.

(Staatsministerin Helma Orosz: Das stimmt nicht, habe ich nicht gesagt!)

Doch, Sie haben gesagt, das wären ABM-Maßnahmen und diese würden abgelehnt. Bürgerarbeit ist ein Versuch, den ich zwar nicht unterstütze, aber als Möglichkeit sehe, damit diese Personen von dieser Abhängigkeit, vom Staat Wohngeld beziehen zu müssen, wegkommen. Sie müssen in Arbeit kommen, damit sie wieder das Gefühl haben, von der Gesellschaft wieder aufgenommen worden zu sein. Das ist das, was Sie ablehnen.

Auf der anderen Seite, Herr Jurk, ist das, was Frau Orosz gerade ausführte, ein Beweis dafür, was in Berlin möglich, in Sachsen aber nicht möglich ist. Bürgerarbeit wird nicht mit ESF-Mitteln kofinanziert. Als Arbeitsminister sind Sie tot gestellt. Ich bleibe bei meiner Behauptung: Sachsen hat keinen Arbeitsminister mehr.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Die Sozialministerin muss diese von Hartz IV Betroffenen aufnehmen. Sie verteidigt es, dass diese weiterhin von Almosen leben müssen. Für wen machen Sie das alles, Frau Orosz? Für die Betroffenen? – Sie machen es für die Staatskasse.

Herr Brangs, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Man kann zwar in der Regionalagentur oder in der Bundesagentur Geld übrig haben, aber man hat schließlich über Herrn Müntefering in den letzten Jahren 3 Milliarden Euro eingespart. Macht man das für die Wirtschaft, Frau Orosz, wenn die Kaufkraft sinkt? – Macht man es für die Kommunen, die die gestiegenen Betriebskosten für die HartzIV-Empfänger übernehmen müssen? – Ich sage: nein. Man betreibt betriebswirtschaftliches Rechnen bei der Staatsregierung, beim Bund und in der Kommune und muss am Ende volkswirtschaftlich draufzahlen. Das wissen wir alle.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Jurk! Frau Orosz ist nicht Ihr Partner, das musste ich heute feststellen, sondern sie ist Ihr Kontrahent und passt auf, dass die Modelle der öffentlichen Arbeit in Sachsen nicht Fuß fassen. Es ist die Ideologie der CDU, alles zu belassen, wie es ist. Das klagen wir an. Fast alle Feststellungen in unserem Entschließungsantrag wurden in der Diskussion bestätigt. Deshalb unsere Vorschläge, wobei ich einen Vorschlag herausgreifen möchte.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich erhalte Briefe – Herr Gerlach ist gerade nicht anwesend –, in denen mir betroffene Hartz-IV-Empfänger mitteilen, dass sie umziehen müssen, weil zum Beispiel ihre Wohnfläche zwei Quadratmeter übersteigt oder die Betriebskosten zu hoch seien.

(Zuruf der Abg. Christine Clauß, CDU)

Es wird den Hartz-IV-Empfängern angeboten, sie sollen sich doch um eine Wohnung mit Ofenheizung kümmern.

Herr Zais, kommen Sie bitte zum Schluss.

Frau Orosz, diese Schreiben kommen von den Sozialämtern unseres Landes. Sie sollten sich darum kümmern. Es gruselt mich, weil diese Leute für die kommunalen Wohnungsunternehmen das Geld bringen müssen, damit der Wohnraum gewinn

bringend vermietet werden kann. Es macht einfach keinen Sinn.

Herr Zais, Sie müssen Ihre Rede bitte beenden.

Deshalb bitte ich alle, die eine Veränderung der Hartz-IV-Gesetze in Sachsen wollen, den Feststellungen und Maßnahmen an die Staatsregierung und somit dem Entschließungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wünscht jemand aus den Fraktionen dazu Stellung zu nehmen? – Herr Abg. Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden den Antrag ablehnen, da die Intention des Antrages völlig gegensätzlich zu den Vorstellungen der Arbeitsmarktpolitik ist, die wir haben.

(Caren Lay, Linksfraktion: So ist es! – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Darauf sind wir stolz!)

Herr Morlok für die FDP-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir werden diesen Antrag ablehnen, wenn auch im Einzelfall Punkte enthalten sind, die wir unterstützen, wie zum Beispiel die Nichtanrechenbarkeit von Geldleistungen. Aber die Grunddiktion dieses Antrages, die einen starken öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und einen Mindestlohn fordert, ist von uns nicht mittragbar. Deshalb werden wir den Antrag insgesamt ablehnen.

Ich kann nun keine weiteren Wortmeldungen entdecken, deshalb kommen wir zur Abstimmung. Ich rufe den Entschließungsantrag zur Drucksache 4/8249 auf. Er trägt die Drucksachennummer 4/9345, eingebracht von der Fraktion DIE LINKE. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Einige Stimmenthaltungen und eine größere Anzahl von Stimmen dafür; damit ist dieser Entschließungsantrag dennoch mehrheitlich nicht bestätigt worden. – Damit ist die Behandlung der Großen Anfrage beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Offensive zur Verpflegungsqualität an Schulen und Kindertagesstätten

Drucksache 4/5261, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Leitlinien für eine gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen in Kindertageseinrichtungen und Schulen

Drucksache 4/7757, Antrag der Linksfraktion

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Ich erteile den Fraktionen von CDU und SPD als Einreicherinnen das Wort. Wer tritt an? – Frau Schöne-Firmenich, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von Ludwig Feuerbach stammt der Ausspruch, dass der Mensch ist, was er isst. Die menschliche Kost sei demnach die Grundlage für Bildung und Gesittung und er meint damit die Esskultur als Teil unserer Alltagskultur.

Die Esskultur der Familie prägt das Essverhalten der Kinder bereits in frühester Kindheit. Schon im Alter von zwei bis drei Jahren eignet sich der Mensch seine Essgewohnheiten an. Was Kinder gern essen, wogegen sie Abneigungen empfinden sowie bestimmte Rituale rund um das Essen verbinden Kinder mit Emotionen, mit positiven oder negativen Erinnerungen. Kinder bekommen bereits in dieser Phase vermittelt, welche Bedeutung Essen und Trinken haben. Im Wesentlichen hängt dies davon ab, welche Lebensmittel und Speisen ausgewählt werden, wie viel Zeit für die Zubereitung und den Verzehr eingeräumt wird, welche Sinne angeregt werden, ob es eine bestimmte Tischkultur oder feste Rituale gibt und ob es gemeinsame Mahlzeiten im Kreis der Familie gibt, die Raum für genussvolles Essen und gemeinsame Gespräche schaffen.

Doch wie ist es darum bestellt? Gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie werden immer seltener. Oft findet das Essen nebenbei statt, während der Fernseher läuft oder am Computer gespielt wird. Viele Kinder und Jugendliche gehen ohne Frühstück aus dem Haus. Die berufstätige Hausfrau und Mutter muss ein flexibles Zeitmanagement beherrschen, und so landen häufig Fertigprodukte statt eines frisch zubereiteten Essens auf dem Tisch der Familie. Nicht selten wird das Essen auch ganz praktisch beim Einkaufen mit erledigt. Dann gibt es Fastfood in allen Varianten – paniert, frittiert oder gratiniert. Kurz: Wir haben uns eine Pipapo-Esskultur zugelegt: Pizza, Pasta, Pommes. Zu all dem bewegen wir uns viel zu wenig.

Welches sind die Konsequenzen? Mehr als die Hälfte der Deutschen haben ein paar Pfunde zu viel auf den Hüften. Die Zahl der übergewichtigen Kinder hat sich seit Mitte der Achtzigerjahre verdoppelt. Das Risiko, später an sogenannten Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, HerzKreislauf- oder Gelenkerkrankungen zu erkranken, nimmt zu. Bereits im Kindesalter sind falsche Ernährung und

mangelnde Esskultur die Ursache für zahlreiche Gesundheitsbeeinträchtigungen, die das Befinden, die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigen können.

Was ist zu tun? Damit unsere Kinder gesund aufwachsen, müssen wir uns diesem Thema in seiner gesamten Komplexität mit ganzer Aufmerksamkeit zuwenden. Wir müssen so früh wie möglich damit anfangen, da bereits im frühen Kindesalter der Grundstein für die Gesundheit im späteren Leben gelegt wird. Gesunde Ernährung und Esskultur beginnen im Kopf. Essen ist Lebensfreude und Genuss – auch gesundes Essen. Lehren wir unsere Kinder, sich genussvoll und gesund zu ernähren! Der Weg dahin beginnt mit der Änderung eigener falscher Essgewohnheiten. Er setzt sich fort über die Vermittlung von Wissen und geht bis zur Formulierung klarer Normen für die Beschaffenheit und Qualität der Speisenversorgung in Kindertagesstätten und Schulen.

Gefordert sind diejenigen, die Verantwortung tragen. Das sind natürlich in erster Linie die Eltern. Das sind die Erzieherinnen in Kindertageseinrichtungen, die Lehrerinnen in den Schulen. Das sind aber auch die Verantwortlichen bei den Trägern der Kindertagesstätten und Schulen, also in den meisten Fällen die Bürgermeister und die Stadt- und Gemeinderäte. Gefordert sind Cateringfirmen, die Speisen für Kinder zubereiten, die Erzeuger bzw. Hersteller von Lebensmitteln, der Handel und nicht zuletzt die Werbe- und Medienbranche. Sie alle haben auf ihre Weise Einfluss auf das Essverhalten von Kindern – und damit eben auch Mitverantwortung. Aufklärung und Ernährungserziehung sind deshalb in Kindertagesstätten und Schulen sehr wichtige Bildungsaufgaben.

Im Sächsischen Bildungsplan ist die Vermittlung von Kenntnissen zur gesunden Ernährung und zur Esskultur verbindlicher Bestandteil der frühkindlichen Bildung und Erziehung in Kindertagesstätten. Die neue Broschüre des sächsischen Sozialministeriums „Gesund aufwachsen“ ist ganz hervorragend gelungen und bietet alles an Informationen, was Kinder, Eltern und Erzieher wissen müssen. Dafür würde ich der Staatsministerin Frau Orosz gern danken. Ich denke, sie hört es. Frau Orosz, herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD – Staatsministerin Helma Orosz unterhält sich mit einer Mitarbeiterin.)

Sie ist beschäftigt. Schade!

Ideen und Projekte, wie Kindern der Bezug zu Lebensmitteln und deren Wert vermittelt werden kann, gibt es eine ganze Fülle. Meine vierjährige Tochter zum Beispiel besucht die christliche Kindertagesstätte „Pusteblume“ in Frankenberg – übrigens eine der elf sächsischen Konsultations-Kitas. Dort gibt es eine eigene Kinderküche. Die Kinder frühstücken dort gemeinsam am schön gedeckten Tisch. Um 10:00 Uhr gibt es für alle Kinder ein gemeinsames zweites Obstfrühstück und nachmittags eine Vesper. Das Mittagessen wird in der Regel angeliefert. Oft kochen die Kinder auch selbst ihr eigenes Mittagessen. Im Kindergarten – das ist wirklich ein Garten im wörtlichen Sinne – wachsen Kartoffeln, Bohnen und Kräuter, die von den Kindern selbst gepflegt, später dann auch geerntet, zubereitet und gegessen werden, zum Beispiel zum Kartoffelfest, das in jedem Jahr gemeinsam mit den Eltern gefeiert wird.

Es ist zu wünschen, dass alle Kindertagesstätten solche Möglichkeiten erhalten. Aber das kostet Geld, und dies bedarf der entsprechenden Prioritätensetzung bei den Verantwortungsträgern, in erster Linie bei den Trägern der Einrichtungen.

Gleiches trifft auf die Mittagsversorgung der Kindergarten- und Schulkinder zu. Bei der Ausschreibung der Speisenversorgung sind die Qualitätsanforderungen für ein ausgewogenes und kindgerechtes Essen deutlich zu formulieren. Die „Bremer Checkliste“ bietet dafür einen Anhaltspunkt, ist meiner Meinung nach aber nicht ausreichend.

Für zweite Rettungswege oder Brandschutztüren, für Hygienemaßnahmen oder die Qualifikation des Personals gibt es zwingende Vorschriften, nicht aber für das Essen, das die Kinder täglich zu sich nehmen. Für die Beschaffenheit und den entsprechenden Nährstoffgehalt von Speisen für die Essenversorgung der Kinder sind klare Qualitätskriterien notwendig. Gleiches gilt für Cafeterien oder Kantinen an Schulen. Unabhängig davon können die Schulen in Eigeninitiative bereits jetzt eine ganze Reihe von Dingen tun, die der Gesundheit der Kinder zuträglich sind. Ich denke dabei zum Beispiel an die Chance, die Ganztagsangebote an Schulen für theoretische und praktische Ernährungserziehung bieten. Mit gutem Willen lässt sich auch in Schulen organisieren, dass Kinder gemeinsam mit ihrem Lehrer oder ihrer Lehrerin zu Tisch gehen, dass zusätzlich zum Mittagessen Obst und reichlich Tee oder Mineralwasser angeboten werden. Und: Warum sollten in Automaten, die in manchen Schulen aufgestellt sind, statt Süßigkeiten und Cola oder Fanta nicht besser Obst und Tee oder Mineralwasser angeboten werden?

(Beifall bei der CDU)

Als Mutter erlebe ich beim Einkaufen oft, wie empfänglich Kinder für Werbung sind. Dabei sind die als besonders gesund angepriesenen Lebensmittel meist nur fettig und süß. England hat gegen diese irreführende Werbung eine Ampelkennzeichnung auf Lebensmitteln eingeführt.

Ich halte dies für ein gutes Vorbild in Sachen Verbraucherschutz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Anträge, die zum Teil Berichtsanträge sind, zeigen, dass die Wichtigkeit des Themas erkannt ist. Wir sind uns klar über die Maßnahmen, die eingeleitet werden müssen. Trotzdem ist es Aufgabe nicht der Politik allein, sondern unsere Aufgabe ist es, dieses Thema weiter in das Bewusstsein all derer zu hämmern, die dafür Mitverantwortung tragen. Die hatte ich vorhin alle schon genannt, und ich bitte Sie alle ganz herzlich, dabei mitzuhelfen, dass das in die Köpfe geht und dass wir unseren Kindern ein gutes Vorbild sind.