Warum findet ein Unternehmer, der bereit ist, 7 Euro pro Stunde zu zahlen, keine Leute? Warum sagen 83 % der Deutschen, also vier von fünf, dass es viel zu vielen leicht gemacht wird, sich im Sozialstaat auszuruhen?
Sie müssten dann, wenn es geht, auch gestatten, dass ich noch einmal auf Ihre Rechnung zurückkomme, die Sie offensichtlich für beispielhaft angesehen haben: Wenn man diejenigen aus der Arbeitslosenstatistik herausnimmt, die gar nicht
Wissen Sie, dass diese glorreiche Rechnung eine glorreiche Analogie hat? Die DDR hat am Ende ihrer Zeit diejenigen, die nicht wählen gehen wollten, einfach aus der Statistik der Wählerinnen und Wähler herausgenommen und kam dann auf 100 % Wahlbeteiligung.
Herr Kollege Porsch, die Arbeitsverwaltung ist dazu da, Leute in Arbeit zu vermitteln; sie ist nicht dazu da, eine Hängematte aufzuspannen.
Was wir jedenfalls mitbekommen, ist, dass es in einigen Bereichen eine zu geringe Motivation gibt, eine Arbeit aufzunehmen.
Das ist auch verständlich, das will ich ganz bewusst sagen. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände hat einmal umgerechnet, welchem Stundenlohn Hartz IV eigentlich entspricht. Da wird gesagt: Bei Alleinstehenden würde der Stundenlohn 4,90 Euro und bei jemanden, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, 9,30 Euro betragen. Was heißt das? Das heißt, wenn ich – wenn ich verheiratet bin und zwei Kinder habe – keinen Lohn habe, der deutlich über den 9,30 Euro liegt, macht Arbeiten keinen Sinn.
Dann gibt es noch andere Fälle, zum Beispiel wenn Sie Unterhaltsverpflichtungen haben, wenn Sie Pfändungen haben. Dann werden Sie doch erst recht nicht auf die Idee kommen zu sagen: Ich möchte arbeiten.
Bei mir war jetzt jemand in der Bürgersprechstunde, der Gabelstapler gefahren ist und der damals ein Gehalt von 750 Euro netto hatte. Er sagt: Ich bekomme jetzt Arbeitslosengeld I, ich bekomme jetzt Wohngeld und ich habe eine Versicherung, die dafür aufkommt, dass meine Autoraten als Ausfall von dieser Versicherung gezahlt werden.
Da kann ich denjenigen doch verstehen, ich kann es zumindest nachvollziehen, dass er sagt: Für mich lohnt es sich nicht, dass ich arbeiten gehe, wenn ich das gleiche Geld, 750 Euro, auch so bekomme!
(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Wissen Sie, wie viele Friseurinnen 750 Euro verdienen? Nicht eine!)
Ich nehme ihm auch nicht übel, dass er das sagt. Das würde wahrscheinlich jeder, der in dieser Situation ist, so handhaben, weil die Anreize offensichtlich an einigen Stellen noch falsch gesetzt sind.
Was würde passieren, wenn jetzt der Hartz-IV-Satz erhöht werden würde? Würde dann die Bereitschaft, Arbeit aufzunehmen, steigen oder nicht?
Kommen wir aber zu den Lösungsansätzen, die möglich sind. Ich glaube, dass Werner Sinn vom Ifo-Institut einen ganz guten Ansatz hat. Da ist Punkt 1 der Kombilohn, bei dem es einen Zuschuss zur Arbeit gibt, damit sich Arbeit wieder lohnt. Ich war zu Ostern leider ein bisschen krank und habe das Bett gehütet, was dazu geführt hat, dass ich mir Olsenbande-Filme angeschaut habe, die gerade kamen. Die waren sehenswert.
Was mir dort aufgefallen ist, Herr Kollege Porsch, ist, dass dort überall Pförtner saßen. Das ist etwas, was bei uns eher ausgestorben ist. In den Firmen findet man kaum noch Pförtner – verständlicherweise, weil diese sich im Regelfall nicht lohnen. Denn wer kann denen denn einen Stundenlohn von 8 Euro bezahlen?
Da sagt der Unternehmer: Da verzichte ich drauf. Wenn ich aber Kombilohn habe und sage, der Unternehmer bezahlt 4 Euro und der Staat oder die Sozialversicherung gibt 4 Euro dazu, dann würde wieder ein Job entstehen in einem Bereich, in dem auch Unqualifizierte Arbeit haben.
Ich will aber auch nicht verhehlen, dass Herr Sinn noch einen weiteren Gedanken hat. Er sagt, jeder solle weiterhin so viel Geld bekommen, wie er derzeit über Arbeitslosengeld II bekommt, aber jeder soll ein Angebot haben zu einer Beschäftigung, ob im öffentlichen oder privatwirtschaftlichen Bereich. Jeder, der dieses Angebot nicht annimmt, hat automatisch ein Drittel weniger.
Kommen wir noch einmal zu den Geringqualifizierten. Jeder Zweite ohne Abschluss in Deutschland ist arbeitslos. Gerade diese hätten beim Kombilohnmodell die Chance auf Arbeit.
Ich komme zum Mindestlohn. Gerade der Mindestlohn würde die Geringqualifizierten ausgrenzen, denn sie haben eben nicht die Produktivität, um zum Beispiel einen Stundenlohn von 8 Euro zu erzielen. Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle und Marcel Thun vom Ifo-Institut hatten eine Studie zum Mindestlohn vorgelegt und gesagt, bei 7,50 Euro – also ein bisschen weniger, als Sie vorschlagen – würden in Deutschland 621 000 Arbeitsplätze verloren gehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist denn wichtiger? Dass die Leute aus der Arbeitslosigkeit geholt werden oder dass man das Arbeitslosengeld II erhöht, also dass man an die Leistung geht?
Was ist wichtiger? Was passiert denn mit 100 Euro mehr Arbeitslosengeld? Damit hätten wir keinen Arbeitslosen weniger, sondern das Gegenteil würde eintreten.
(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Das ist doch Spinnerei, was Sie machen! – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)
Unsere Obstbauern hätten noch mehr Probleme und es gäbe noch mehr, die sagen: Holt die Leute aus dem Ausland, um die Felder abzuernten! Das wollen wir eben nicht.
Es geht vielmehr darum, die Arbeitslosen fit zu machen, damit sie auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben.
Kollege Krauß, können Sie mir im Lichte Ihrer Ausführungen erklären, warum dann Ihre Parteifreunde in den Jahren nach der Wende der DDR immer vorgeworfen haben, verdeckte Arbeitslosigkeit produziert zu haben, weil sie Leute in Arbeit brachte und diese Arbeit mit staatlichen Mitteln bezahlte, obwohl sie eigentlich nicht nötig war?
Jeder weiß, dass diese ABM letztlich eine Krücke sind. Weit besser ist es, wenn die Leute auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Chance haben. Das müssen wir schaffen.
Die Frage ist doch: Was passiert mit zusätzlichem Geld? Ideal wäre es, wenn es in Bildung investiert würde, um eine bessere Chance auf Arbeit zu erhalten. Prof. Paul Nolte schreibt in seinem Buch „Generation Reform“: „Mehr Geld jedenfalls führt nicht automatisch zu mehr Bildungskonsum und besserer Ernährung, … sondern wird tendenziell innerhalb der Grenzen der eigenen Klassenkultur investiert.“ Prof. Nolte kritisiert, dass das Geld sozusagen nicht für ein Fachbuch ausgegeben würde, sondern dass vielleicht lieber „Premiere“ abonniert wird.
Herr Kollege Porsch, ich wundere mich, denn die Logik, die ich hier vorgetragen habe, ist die, welche die Linksfraktion immer bei den Kindergärten vertritt. Da sagen Sie: Gebt den Leuten das Geld nicht in die Hand, weil sie es nicht richtig ausgeben. Aber wenn ich das sage, dann kritisieren Sie es.
In Deutschland wurde die Logik, die Sie hier vertreten, in den Siebziger- und Achtzigerjahren gepflegt. Die Gesellschaft hat gesagt: Wir bezahlen die Unterschicht, und die
soll mal schön die Klappe halten. Wir bezahlen sie, deshalb soll sie ruhig sein. Man hat die Leute abgeschrieben und sie nur als Leistungsempfänger hingestellt.
Das kann aber die Logik nicht sein. Wir können doch sagen: Die deutschen Arbeitslosen sollen zu Hause sitzen, und wir holen die Erdbeerpflücker aus Polen.