Protocol of the Session on July 5, 2007

Die Forderung nach individueller Förderung ist gerade das Eingeständnis dieser unterschiedlichen Fähigkeiten. Das räumte am 15. Juli 2006 sogar Frau Bonk ein, als sie feststellte: „Kinder und junge Menschen sind einfach unterschiedlich und genau in dieser Unterschiedlichkeit müssen sie gefördert werden.“

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Richtig!)

Dennoch klagt die PDS in dieser Debatte über vermeintlich fehlende Perspektiven für Gemeinschaftsschulen in Sachsen. Was heißt hier aber fehlende Perspektiven?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Was wissen Sie von der Gemeinschaftsschule? Nichts!)

Sowohl im rot-schwarzen Koalitionsvertrag als auch in den ministeriellen Leitlinien sind verlässliche Rahmenbedingungen für die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen gegeben. Nach § 15 des Schulgesetzes soll diese Schulform modellhaft und mit wissenschaftlicher Begleitung entwickelt werden, wenn entsprechende Anmeldezahlen von Schülerinnen und Schülern vorliegen. Darüber hinaus – das ist alles schriftlich fixiert – wird vom Schulträger ein pädagogisches Konzept einschließlich der Lehrpläne und Stundentafeln verlangt und eine Erklärung darüber, in welchen Punkten vom Schulgesetz abgewichen werden soll. Darüber hinaus sind Stellungnahmen der Lehrerkonferenz und der Schulkonferenz vorzulegen.

Damit haben unserer Auffassung nach Gemeinschaftsschulen in Sachsen sehr wohl Perspektiven. Anders können das nur linke Bildungsideologen sehen, die Gemeinschaftsschulen regelrecht von oben verordnen wollen und die flächendeckende Ersetzung des geglieder

ten Schulsystems durch den Typus einer Einheitsschule anstreben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Der erzählt einen Müll!)

Dabei ist es schon fast mitleiderregend zu sehen, welche schulpolitischen Verrenkungen die koalitionsgebeutelte CDU machen muss, weil sie immer den heißen Atem des Gemeinschaftsschulfanatikers Martin Dulig im Nacken spürt. Der Begriff „Gemeinschaftsschulfanatiker“ stammt übrigens nicht von der NPD, sondern vom schulpolitischen Sprecher der Dresdner Stadtratsfraktion der CDU. In einer ziemlich aktuellen Presseerklärung geht CDUStadtrat Lars Kluger auf die Anmeldezahlen für das Modellprojekt der Gemeinschaftsschule Pieschen ein und spricht von einem „unsanften Erwachen“. Er stellt fest: „Einige Hoffnungen der politischen Befürworter dieser Schulart haben sich nicht erfüllt, dafür werden die schulpolitischen Probleme im Stadtteil eher größer.“

Eine Anfrage an die Dresdner Stadtverwaltung ergab, dass von den 59 angemeldeten Kindern nur 18 Kinder die Bildungsempfehlung für das Gymnasium haben, womit sich die Hoffnung der Gemeinschaftsschulbefürworter auf einen gesunden Mix aus potenziellen Mittelschülern und Gymnasiasten zerschlagen hat. Außerdem ergab die Anfrage, dass die allermeisten neuen Schüler aus Pieschen selbst oder aus nächster Umgebung stammen. Von einer Ausstrahlungskraft des Modellprojektes auf das gesamte Stadtgebiet kann also keine Rede sein. Dafür bekommen aber die beiden bestehenden Mittelschulen im Stadtteil aufgrund der neuen Anmeldezahlen unnötige Schwierigkeiten.

Kurz und gut: Wenn die Gemeinschaftsschulen im Freistaat keine Perspektiven haben, wie die PDS meint, dann liegt das augenscheinlich an der fehlenden Strahlkraft der Einheitsschule. Die Stunde des gegliederten Schulsystems hat in Sachsen noch nicht geschlagen, und das ist nach Auffassung der NPD auch gut so.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile das Wort der Fraktion der FDP, Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe Herrn Colditz in einem Punkt recht: Über Gemeinschaftsschulen haben wir in diesem Haus schon zigmal gesprochen. Mir erschließt sich auch nicht, worin der Erkenntnisgewinn in dieser von der Linksfraktion beantragten Debatte liegt.

(Thomas Colditz, CDU: So ist es!)

Die Lage ist doch völlig klar: Die Mehrheit der demokratischen Fraktionen, auch die Mehrheit der Bevölkerung in Sachsen will ein längeres gemeinsames Lernen, und die CDU will es nicht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sie sehen, das muss man immer wieder unterstreichen!)

Die SPD – trotz aller schönen Reden – ist der CDU klassisch auf den Leim gegangen. Sie dachte, mit der Aufnahme des Modellversuchs in den Koalitionsvertrag sei der Durchbruch erreicht. Schon das Wort „Modellversuch“ klingt nicht nach Enthusiasmus, nicht nach einem klaren Bekenntnis zur Gemeinschaftsschule.

Aber viel schwerer wiegt, dass die SPD eines völlig verkannt hat: Nicht der Koalitionsvertrag entscheidet über die Zulassung von Gemeinschaftsschulen, sondern der Kultusminister. Darauf ist die SPD hereingefallen und sie hat das entsprechende Lehrgeld bezahlt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Leider stimmt das!)

Uns allen ist doch klar – auch die Rede von Herrn Colditz hat es deutlich gemacht –, dass die CDU und das Kultusministerium bei der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen doch eher den Bremshebel ziehen als irgendwo aufs Gas zu drücken. Das Kultusministerium verfolgt die nicht ganz unclevere Strategie von Altbundeskanzler Kohl: Wir sitzen das mal aus. – Sie wissen, irgendwann geht auch diese Legislaturperiode – vielleicht auch diese ungeliebte Koalition – zu Ende.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Nach hinten kommt nichts raus! Da ist die FDP wieder raus!)

Für die Schulen, die sich mit Engagement für den Modellversuch bewerben, ist die Hinhaltetaktik des Ministeriums frustrierend. Das können wir gut nachvollziehen. Dass jedoch die CDU und die SPD ihren koalitionsinternen Streit über längeres gemeinsames Lernen vor allem auf dem Rücken der Schulen austragen, können wir nicht nachvollziehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion – Beifall der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Ich weiß nicht, ob Sie sich jemals auf eine gemeinsame Linie in der Regierung einigen werden, doch dann sollten Sie wenigstens den Mut besitzen und in dieser Frage ehrlich sein. Entweder die Koalition sagt: Dieses Projekt hat keine Zukunft. Oder CDU und Kultusministerium ringen sich durch und unterstützen ernsthaft die Bewerbung von Gemeinschaftsschulen. Treffen Sie endlich eine Entscheidung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir sehen keine andere Lösung in diesem Dauerkonflikt.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN, Frau Abg. Günther-Schmidt, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte das Thema der Aktuellen Debatte so, wie es gesetzt ist, eigentlich für verfehlt. Viel lieber würde ich über die Perspektiven für längeres gemeinsames Lernen sprechen als über die fehlenden Perspektiven.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wir auch!)

Dann sagen Sie es doch!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Mit Herrn Colditz!)

Ob wir mit Herrn Colditz darüber sprechen müssen oder nicht – Herrn Colditz werden wir nicht überzeugen können; aber die Mehrheiten im Land sind ja andere.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Fehlende Perspektiven haben in diesem Land ja wohl nur noch wenige: Kultusminister Flath, die bildungspolitischen Betonköpfe – ich schaue Herrn Colditz jetzt einmal ganz scharf an, bitte schön – in der Verwaltung und auch in der CDU-Fraktion mancher Hinterbänkler. Die Mehrheit in diesem Parlament und erst recht in der Gesellschaft, die Mehrheit von Eltern, Lehrern und Schülern ist für längeres gemeinsames Lernen.

Ich möchte gleich zu Beginn noch einmal klarstellen: Der Anlass für diese Aktuelle Debatte ist zwar DresdenPieschen und der gescheiterte Antrag zum Beginn des neuen Schuljahres, dennoch ist es keine Dresdner Debatte. Der Vorgang in Pieschen verweist aber auf ein sehr grundsätzliches Problem: dass das Kultusministerium um jeden Preis am Prinzip der äußeren Differenzierung festhalten möchte und deshalb den Weg des längeren gemeinsamen Lernens im Grunde scheut wie der Teufel das Weihwasser. Dies haben die verschiedenen Debatten, die wir hier bereits zum Thema geführt haben, deutlich gemacht. Ich kann das auch sehr gut verstehen. Wenn Sie nämlich das Prinzip der äußeren Differenzierung aufgeben, wird sich ziemlich schnell herausstellen, dass dieser Weg der richtige ist. Dies belegen alle Beispiele aus der Bildungsforschung und der Bildungspraxis.

Der Kultusminister ist sich, so denke ich, schon im Klaren darüber, dass erfolgreiche Beispiele von längerem gemeinsamem Lernen im Grunde genommen das Ende des gegliederten Schulsystems bedeuten. Deshalb halte ich es auch nicht für ideologisch verblendet, sich hier so massiv gegen Gemeinschaftsschulen zu wenden, sondern Herr Kultusminister Flath ist, da er ja jeden mitnehmen möchte, durchaus lernfähig. Allerdings verlässt er sich auf die falschen Berater in seinem Hause, im Kultusministerium. Dort werden die letzten Grabenkämpfe für das gegliederte Schulsystem geführt.

Ich denke auch, dass Kultusminister Flath die KMKRichtlinien kennt, die ausdrücklich sagen, dass bei Modellversuchen sehr wohl auf die äußere Fachleistungsdifferenzierung verzichtet werden kann. Herr Colditz, das wollte ich vorhin von Ihnen wissen. Sie wissen sehr wohl, dass der Ablehnungsgrund für Pieschen war, dass es eine

unzureichende Fachleistungsdifferenzierung gab, und die KMK-Richtlinien lassen für Modellversuche ausdrücklich ein Abweichen von diesen Prinzipien zu, sonst wäre es kein Modellversuch. Das wäre ja sinnlos. Also ist doch die Begründung für die Ablehnung außerordentlich bemüht und zeigt, dass Sie eigentlich nur weiterhin Mittelschule spielen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Im Schulausschuss zum Thema befragt, äußerte sich der Kultusminister dahin gehend: Wenn er in Pieschen eine Gemeinschaftsschule errichten möchte, brauchte er dort erst einmal eine Mittelschule, und er hätte keine Lehrer. Ich denke, dies war der Offenbarungseid der sächsischen Bildungspolitik.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Entweder haben Sie nicht begriffen, was das Prinzip des längeren gemeinsamen Lernens bedeutet, oder Sie sind nicht in der Lage, diesen Modellversuch voranzubringen. Sie wollen es einfach nicht. Sie wollen das Scheitern quasi mit den Anträgen belegen. Ich erinnere Sie auch gern noch einmal an den Koalitionsvertrag; Martin Dulig hat vorhin sehr blumig darauf Bezug genommen. Schulen mit besonderem pädagogischem Profil, Gemeinschaftsschulen, sollen stellenneutral errichtet werden können. Das heißt, Sie haben sich darauf verständigt, Sie erhalten das bestehende Schulsystem und machen Modellversuche. Aber was Sie machen, ist eigentlich eine Verhinderungstaktik. Ihre ständigen Begründungen, warum Sie gegen Gemeinschaftsschulen sind, sind auch wissenschaftlich überholt. Sie beschränken sich in Ihrer Rechtfertigung ständig nur auf nationale Vergleiche, weil Sie international gescheitert sind.

(Thomas Colditz, CDU: Das ist doch einfach nicht wahr!)

Sie bemühen ständig das Wort von der Gleichmacherei. Es geht nicht um Gleichmacherei, es geht darum, Kinder bestmöglich zu fördern. Sie schauen wirklich absolut eindimensional, und vor allem schauen Sie nicht auf die Kinder. Erklären Sie mir bitte doch einmal: Warum soll ab Klasse 5 das gemeinsame Lernen nicht mehr möglich sein, wenn es doch bis zur Klasse 4 so wunderbar funktioniert hat? Letztendlich sind die Grundschulen Gemeinschaftsschulen, und davon haben wir in Sachsen mehrere hundert.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)