Protocol of the Session on July 5, 2007

Ich erteile das Wort der Linksfraktion. Frau Falken, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Colditz, das Thema Gemeinschaftsschulen wird für uns immer aktuell sein. Es wird so lange aktuell sein, bis es wirklich eine

Perspektive im Freistaat Sachsen für Gemeinschaftsschulen gibt.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Wir haben das Thema natürlich ganz bewusst gewählt; denn Sie wissen, in der Regel überlegt man sich das Thema gerade bei Aktuellen Debatten ziemlich genau. Für uns ist ersichtlich, dass in dieser Koalition die Perspektive für Gemeinschaftsschulen auf ein Minimum herabgesetzt wird – Herr Colditz hat es klar und deutlich gesagt –, höchstens sechs Schulen; ich gehe davon aus, Sie nehmen Pieschen noch dazu. Es war eine klare Aussage und ich hoffe, dass der Minister diese auch macht, dann steht es wenigstens im Protokoll.

Zu meinem Redebeitrag. Im März 2007 sprach Herr Dulig in seiner Presseerklärung von vier genehmigten Gemeinschaftsschulen für das neue Schuljahr. Zwei Schulen, so steht es in der Presseerklärung – ich habe sie extra noch einmal herausgesucht –, werden bis zum Ende dieses Schuljahres noch ihre Genehmigung erhalten. Es waren Chemnitz, Zwickau, Moritzburg, Dresden-Pieschen, Cunewalde und Oederan. Wir wissen heute, dass es nur drei sind. Acht Anträge lagen vor und drei werden für das kommende Schuljahr genehmigt.

Ich möchte Ihnen ein Zahlenbeispiel nennen und ich hoffe, dass ich Ihnen bewusst mache, dass mit diesen wenigen Zahlen, die ich Ihnen nun nenne, ein Schulversuch überhaupt nicht möglich ist, also schon dieses Etikett „Schulversuch Freistaat Sachsen – Gemeinschaftsschulen“ nicht funktionieren wird. Wir haben zurzeit – hören Sie sich bitte die Zahlen an! – 1 530 Schulen im Freistaat Sachsen, und wir haben zurzeit zwei Gemeinschaftsschulen: Geithain und die Nachbarschaftsschule in Leipzig, die eigentlich einen ganz anderen Status hat. Wir haben, wenn wir davon ausgehen, dass die Gemeinschaftsschulen mit den 5. Klassen beginnen, momentan vier Klassen in der Gemeinschaftsschule. Wir haben im Freistaat Sachsen 14 984 Klassen, das ist also ein Minimum. Zurzeit haben wir 100 Schüler in einer Gemeinschaftsschule, wir haben jedoch im Freistaat 324 406 Schüler, die unterrichtet werden. Ein Schulversuch muss in einer ganz anderen Dimension laufen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Wir wissen jetzt, dass im kommenden Schuljahr noch drei Schulen mit entsprechenden sechs Klassen hinzukommen. Nach vier Jahren Koalition, im Jahr 2008, haben wir die Befürchtung, dass das Modell Gemeinschaftsschulen in der Koalition gescheitert ist. Ich möchte hier klar und deutlich sagen, dass es meine Fraktion so sieht, dass diese Koalition nicht in der Lage ist, Gemeinschaftsschulen im Freistaat Sachsen wirklich als Modellversuch starten zu lassen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Nun möchte ich aber noch etwas in den Inhalt einsteigen. Ich denke, das ist wichtig. Ein wesentliches Merkmal für

Gemeinschaftsschulen ist das längere gemeinsame Lernen. Ich denke, wir sind uns darin einig. Nun hören wir von den Antragstellern – insbesondere von denjenigen, denen der Antrag genehmigt wurde –, dass sie eine Auflage erhalten haben, eine äußere Differenzierung ab Klasse 7 durchzuführen. Der Grund wäre, dass die Kultusministerkonferenzbeschlüsse so seien. Schauen Sie sich das bitte genau an. Dieser Beschluss ist von 1982. Er gilt noch, ja; aber es ist immerhin 25 Jahre her. Dieser Beschluss sagt aus, dass ab der 7. Klasse eine äußere Differenzierung stattzufinden hat. Aber für Schulversuche ist dies nicht explizit vorgesehen. Das heißt, natürlich hätte das Kultusministerium hier die Möglichkeit, über die KMK-Beschlüsse die innere Differenzierung festzulegen – und nicht die äußere Differenzierung. Übrigens: Bereits vor 25 Jahren, 1982, hat die KMK für vier Schulen – vier oder sechs, ich bin mir nicht ganz sicher – einen Sonderstatus ausgesprochen, dass diese Schulen eine innere Differenzierung durchführen können, und alle diese Schulen sind heute noch existent. Wir brauchen und wollen keine Gemeinschaftsschule im Freistaat Sachsen, die die Schüler nach gut, schlecht, mittelgut oder mittelschlecht einteilt.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Das haben wir bereits an den Mittelschulen und an den Gymnasien, Herr Colditz.

(Zuruf des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Seien Sie doch ehrlich, Herr Colditz, Sie wollen doch auf diesem Weg erreichen, dass diese Schulen noch etwas länger nicht zustande kommen.

Ich habe kaum noch Redezeit. Zwei Gedanken noch ganz kurz. Der erste Gedanke ist: Meine Fraktion möchte sich bei den Lehrerinnen und Lehrern, bei den Eltern und bei den vielen, vielen Helfern, die die Konzepte erarbeiten, ganz herzlich dafür bedanken, dass sie sich ohne die Möglichkeit einer zusätzlichen finanziellen Entschädigung diese Mühe gemacht haben. Herzlichen Dank an die Eltern und an die Lehrer.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Einen Gedanken noch ganz zum Schluss.

Nein, jetzt ist Schluss.

Dann müssen wir das nachher noch einbauen.

Sie können dann noch einmal kommen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Rohwer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich noch einmal sagen: Die CDU-Fraktion steht nach wie vor hinter den Koalitionsvereinbarungen.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Wir sind also keinesfalls davon abgekommen, an Mittelschulen den Schulversuch „Gemeinschaftsschule“ einzurichten. Mein Kollege Colditz hat schon darauf hingewiesen, dass ich noch einige Worte zu dem konkreten Fall in Pieschen sagen werde.

Dazu ist Folgendes festzuhalten: Es sind zum Stichtag leider einige im Koalitionsvertrag und im Sächsischen Schulgesetz festgeschriebene Bedingungen noch nicht erfüllt gewesen. So ist es aus meiner Sicht unerlässlich, dass diese Schulversuche, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, „stellenneutral unter Einhaltung der KMKVereinbarungen“ ermöglicht werden. Das heißt zunächst, dass ein solcher Schulversuch nur aus einer bestandssicheren Mittelschule gestartet werden kann.

Die Pieschener Schulgründung ist jedoch eine Initiative der Elternschaft und der Lehrer der 26. Grundschule. Es fehlt also zuallererst an Lehrern für die neue Mittelschule, die ein solches Konzept weiterentwickeln und damit tragen.

Zum Zweiten ist in der Koalitionsvereinbarung davon die Rede, dass Bildungsstandards eingehalten werden müssen und dass eine wissenschaftliche Begleitung möglich sein muss. Anliegen ist es, die Kinder vor einem Risiko, das nicht genügend reflektierte Experimente mit sich bringen können, zu schützen. Das Konzept des Antragstellers weist hier leider noch Lücken auf, vor allem was die differenzierte Hinführung zu den Schulabschlüssen angeht, wie von der Kultusministerkonferenz gefordert. Diese zu schließen bedarf Zeit. So, wie es auch Zeit braucht, für dieses Projekt qualifizierte und motivierte Lehrer zu finden.

Aus diesem Grund verfolgt das Kultusministerium den Plan, den ich für sinnvoll erachte: Es wird zunächst mit Zustimmung des Ministeriums wieder eine Mittelschule im Gebäude der ehemaligen 27. Mittelschule an der Robert-Matzke-Straße eingerichtet. Zu Beginn des Schuljahres 2008/2009 kann dann an dieser bestehenden Mittelschule der Schulversuch starten. Bis dahin ist genügend Zeit für die Detailarbeit am Konzept und für die entsprechende Einarbeitung der Lehrerinnen und Lehrer.

Eines ist jedoch wichtig zu wissen: Der Antragsteller, die Landeshauptstadt Dresden, vertreten durch den Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung Winfried Lehmann, hat dieser Verfahrensweise zugestimmt. Es gibt keinen Dissens, sondern Konsens zwischen Stadt und Land.

Sie, Frau Bonk, haben vorhin darauf hingewiesen, dass die Gefahr bestehen könnte, dass Eltern mit ihren Kindern abspringen. Auch dazu gab es eindeutige Zeitungsmeldungen, die besagen, dass keine Eltern abgesprungen sind, sondern dass sie zusammengeblieben sind. Ich kann Ihnen jetzt nicht den Tag nennen, aber dazu gab es einen Artikel in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ mit einer entsprechenden Überschrift.

Also, es bleibt dabei: Es gibt ein Schulgesetz und es gibt einen Koalitionsvertrag. Das sind die Grundlagen, die

diesen Schulversuch ermöglichen. Deswegen glaube ich, dass wir ihn auch erreichen werden. Es kommt also zu einer kleinen Verzögerung, doch das Engagement der Elterninitiative und der Lehrer der 26. Grundschule war nicht umsonst.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich die Mühe und das Engagement aller an diesem Schulversuch Beteiligten, vor allem der Mitglieder der Initiativgruppe würdigen. Mir ist bewusst, dass ein solches Engagement nicht selbstverständlich ist. Jeder Politiker muss es begrüßen, wenn in Sachen Bildung die Verantwortung nicht einfach an den Staat delegiert wird.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage die SPD-Fraktion. – NPD? – FDP? – GRÜNE? – Linksfraktion? –

(Zuruf der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion)

Gut, Sie wollen jetzt erst einmal aussetzen. Dann bekommt die Staatsregierung das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! An und für sich war diese Debatte nicht sonderlich aktuell.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Die bleibt so lange aktuell, wie Sie stur bleiben!)

Aktuell war sie eigentlich nur, was Pieschen betrifft.

Ich könnte kurz auf die Zahlenspielereien eingehen, die Frau Falken hier vorgetragen hat. Aber ich würde es vorziehen, in dieser Hinsicht Frau Günther-Schmidt zu folgen, die gesagt hat, die eigentlichen Gemeinschaftsschulen in Sachsen seien die Grundschulen. Da hätten wir schon einmal 800. Und wenn jetzt die CDU sagt, als eigentliche Gemeinschaftsschulen könnte man auch die Mittelschulen bezeichnen, weil sie nämlich Hauptschulbildungsgang und Realschulbildungsgang vereinen, hätten wir schon 1 100. Dann könnte man natürlich sagen, mit 1 100 sei der Koalitionsvertrag erfüllt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber Spaß beiseite.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich hatte zwar „Spaß beiseite“ gesagt, aber bitte.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der CDU)