Protocol of the Session on June 6, 2007

für mehr Ausbildungsplätze mit den Schülern durchzuführen und damit – von deren Willen ausgehend –, mehr Druck auf die Wirtschaft auszuüben.

Zuletzt, Herr Minister: Es ist vieles vorbereitet. Das wissen wir. Es wird das Sachsenmetallforum geben, auf dem wir über die Fachkräfte und die Auszubildenden reden werden. Durch Herrn Dirschka wird eine Pressekonferenz anberaumt, damit das Handwerk etwas tut. All diese Aktivitäten loben wir. Wir stehen hinter ihnen und unterstützen sie, weil gerade im Handwerk viele ihren Ausbildungsplatz finden. Das ist heute nicht unser Kritikpunkt.

Unsere Kritik bezieht sich darauf, dass in der Presse wirklich nicht rüberkommt, wie die Lehrstellensituation ist, dass es in Sachsen nicht wirklich eine qualitative Veränderung gegeben hat, sondern dass immer nur über Meldungen versucht wird, das Problem kleinzureden. Wir messen Sie daran – und das wird im Herbst sein –, dass es 38 000, wie Herr Fuß gesagt hat, und nicht 35 000, Herr Morlok, sind, die hier einen Ausbildungsplatz wollen und dass außerdem 21 000 Altbewerber eine Lehrstelle bekommen, weil sie ein Recht auf Ausbildung haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Wird in der Debatte weiter das Wort gewünscht? – Dann bitte ich Sie, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ausdrücklich für die sehr konstruktiv geführte Debatte bedanken. Es ist auch mir ein sehr wichtiges Anliegen und ich möchte in meine Rede einsteigen mit einem Dankeschön insbesondere an die Unternehmen, die ausbilden und die damit jungen Menschen eine Perspektive geben. Das, finde ich, sollte an dieser Stelle ausdrücklich gewürdigt werden, weil es immer wieder Betriebe gibt, die über den eigenen Bedarf ausbilden und damit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Leider – auch das müssen wir immer wieder betonen – kommen nicht alle Unternehmen dieser Verpflichtung in demselben Maße nach.

Damit verbunden möchte ich meinen Dank auch an das Kollegium „Lehrstellen und Fachkräfte für Sachsen“ richten, weil es, wie ich glaube, wichtig ist, dass wir uns in Sachsen diesem gesamtgesellschaftlichen Thema zuwenden. Das heißt auch, dass wir uns nicht nur in der Politik über Konzepte verständigen, sondern unter Teilnahme der entsprechenden Fachleute – ob aus Verbänden, ob aus Gewerkschaften – gemeinsam beraten, wie wir die Situation noch besser meistern können. Auch dafür meinen herzlichen Dank.

Meine Damen und Herren! Ich habe die Situation nie schöngeredet und werde das auch heute nicht tun. Tatsache ist, dass auch in diesem Jahr nicht alle Jugendlichen, die sich um eine betriebliche Lehrstelle bemühen, Erfolg

haben werden. Es wird wieder Jugendliche geben, die ein schulisches Angebot in Anspruch nehmen oder eine außerbetriebliche Ausbildung beginnen. Viele von diesen Jugendlichen machen das nicht aus Überzeugung oder Neigung, sondern einzig und allein deshalb, weil sie keinen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen.

Die betriebliche Berufsausbildung ist und bleibt der Königsweg für die Ausbildung von Fachkräften für die Wirtschaft. Die betriebliche Berufsausbildung ist nicht nur die am stärksten von den Jugendlichen nachgefragte, sondern sie ist auch für die meisten Unternehmen das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Fachkräfte für ihren spezifischen Bedarf zu gewinnen und diese auch langfristig an ihre Unternehmen zu binden.

Die spannendste Frage lautet: Wenn die betriebliche Berufsausbildung für Jugendliche und für Unternehmen so vorteilhaft ist, warum decken sich dann Angebot und Nachfrage nicht? – Viele sagen, es liege daran, dass immer mehr Jugendliche nicht ausbildungsreif seien und es für Unternehmen nicht zumutbar sei, diese Jugendlichen auszubilden. Andere meinen, die Unternehmen würden sich ihrer sozialen Verantwortung entziehen und immer weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Beide Antworten sind erfolgreich und unausrottbar, weil sie so unendlich schlicht sind und jeweils einen Schuldigen benennen. Leider bringen diese Schuldzuweisungen keinen einzigen Ausbildungsplatz.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion.PDS)

Ich behaupte: Diese schlichten Argumentationsfiguren verhindern sogar die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze. Umgekehrt wird doch ein Schuh daraus.

Bei meinen Unternehmensbesuchen habe ich eine ganze Reihe von Unternehmen kennengelernt, die sich bei der Ausbildung von Jugendlichen vorbildlich engagieren. Es gibt mehr Betriebe, als viele sich vorstellen können, die über ihren eigenen Bedarf ausbilden und die Ausbildung als Teil ihrer gesamtgesellschaftlichen und politischen Verantwortung begreifen.

Ich habe viele Jugendliche kennengelernt, die mit 16 Jahren ihre Heimat verlassen haben, nur um einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu bekommen, und die fast ihre gesamte Ausbildungsvergütung für die Fahrkosten von zu Hause zum Ausbildungsplatz aufwenden müssen.

Schließlich möchte ich an das Engagement der Elternhäuser erinnern. Wer Kinder hat, die nach der Schule einen Ausbildungsplatz suchen, weiß, wie viel Zeit, Geld und Nerven man unter Umständen lässt, bevor das Kind einen Ausbildungsplatz gefunden hat. Wir sprechen oft von Berufsorientierung, Berufsberatung und Fallmanagement. Ich möchte einmal darauf aufmerksam machen, dass die meisten Elternhäuser während der Ausbildungssuche ihrer Kinder so etwas wie ehrenamtliche – verzeihen Sie den Begriff, den ich auch nicht sehr mag – Fallmanager sind.

Natürlich gibt es Unternehmen, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten und sollten, natürlich gibt es Jugendliche, die sich nicht genügend um einen Ausbildungsplatz bemühen oder denen es an den notwendigen intellektuellen und sozialen Voraussetzungen für eine Ausbildung mangelt, und natürlich gibt es Elternhäuser, die ihre Kinder zu wenig unterstützen.

Ich will Sie nicht mit Zahlen und Details langweilen. Trotzdem will ich Ihnen die Situation in Sachsen etwas differenzierter darstellen:

Im Jahr 2004 hatten wir in Sachsen rund 40 Lehrstellenbewerber pro 1 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das waren deutlich mehr Lehrstellenbewerber als im Durchschnitt Westdeutschlands, wo etwas mehr als 24 Bewerber auf 1 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte kamen. Diese zahlenmäßig ungünstige Quote ging mit einer ungünstigen konjunkturellen Entwicklung einher. Eine schlechte Konjunktur – das wissen wir aus Erfahrung – dämpft die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen. Beide Entwicklungen zusammengenommen haben dazu geführt, dass die Kluft zwischen der Nachfrage nach und dem Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen in den vergangenen Jahren außerordentlich groß war.

Wir wissen alle, dass diese Situation dazu geführt hat, dass sich ein großer Teil der Lehrstellenbewerber für außerbetriebliche, berufsvorbereitende und vollzeitschulische Ausbildung entschieden hat oder entscheiden musste. Viele Jugendliche, vor allem aus berufsvorbereitenden Angeboten, haben sich nach Abschluss der Ausweichmaßnahme wieder um eine betriebliche Ausbildung bemüht. Das ist zunächst einmal außerordentlich positiv, weil es zeigt, dass die meisten Jugendlichen keineswegs resignieren, sondern weiterhin engagiert nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz suchen. Das Problem besteht allerdings darin, dass wir mit den außerbetrieblichen Angeboten erst einmal nur Zeit gewinnen. Der Rückgang der Zahl von Schulabgängern hat sich aufgrund der hinzukommenden sogenannten Altbewerber in den vergangenen Jahren kaum niedergeschlagen.

Bevor ich zur Situation im bevorstehenden Ausbildungsjahr und zum Ausblick komme, möchte ich noch kurz auf die Maßnahmen eingehen, die die Sächsische Staatsregierung ergriffen hat, um die berufliche Perspektive von Jugendlichen zu verbessern:

Besonders geht es mir um die berufsvorbereitenden, schulischen und außerbetrieblichen Angebote, die häufig leider als minderwertige Angebote abqualifiziert werden. Das ist nicht nur deshalb unfair, weil sich sowohl die Lehrkräfte als auch die meisten Jugendlichen bei diesen Angeboten außerordentlich bemühen, die berufliche Perspektive zu verbessern. Es ist auch deshalb unfair, weil dort, wo die Angebote in einen anerkannten Berufsabschluss münden, überwiegend erstklassige Qualifikationen erreicht werden. Die Absolventen im Bereich der GISA sind beispielsweise bei den Kammerprüfungen im

Durchschnitt sogar etwas erfolgreicher als die betrieblich ausgebildeten Absolventen.

Hinsichtlich der berufsvorbereitenden Maßnahmen müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass diese auch bei einer ausgeglichenen Situation auf dem Ausbildungsmarkt notwendig wären. Hier geht es darum, dass Jugendliche, die entweder keinen Schulabschluss haben oder die trotz Schulabschlusses noch nicht ausbildungsfähig sind, auf eine Berufsausbildung vorbereitet werden. Derzeit befinden sich viele Jugendliche in berufsvorbereitenden Maßnahmen, die bei besserer Ausbildungsplatzsituation keine Berufsvorbereitung brauchten, sondern gleich mit der Ausbildung beginnen könnten.

In den vergangenen Jahren war es so, dass ausbildende Betriebe aufgrund der hohen Bewerberzahl davon abgesehen haben, Jugendlichen, die soziale oder kommunikative Defizite haben, eine Chance zu geben. Gerade bei diesen Jugendlichen müssen wir uns davor hüten, sie vorschnell abzustempeln. Ich bin überzeugt, dass gerade für diese Jugendlichen berufliche Perspektiven besonders wichtig für die weitere gesellschaftliche Integration sind. Oder weniger vornehm und vielleicht politisch etwas unkorrekt ausgedrückt: Jugendliche, die etwas aus der Spur laufen, profitieren besonders davon, wenn der Lehrmeister ihnen zeigt, wo es langgeht. Umgekehrt ist es für manche Betriebe von Vorteil, wenn sie nicht dem Abiturienten die Lehrstelle geben, sondern dem bodenständigen, praktisch begabten Jugendlichen mit Hauptschulabschluss.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion.PDS)

Im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass viele unserer Abiturienten, die im bundesweiten Vergleich über ein sehr gutes Bildungsniveau verfügen, an den sächsischen Fachhochschulen und Universitäten besser aufgehoben wären.

Viele Arbeitsmarktexpertinnen und -experten gehen davon aus, dass wir im Ausbildungsmarkt vor einer Trendwende stehen. Schon in wenigen Jahren könnte das Ausbildungsplatzangebot die Nachfrage übersteigen. Bereits im bevorstehenden Ausbildungsjahr wird sich die Situation erkennbar entspannen. Einerseits sinkt die Zahl der Ausbildungsplatzbewerber, andererseits gibt es Anzeichen, dass die Zahl der angebotenen betrieblichen Ausbildungsplätze steigt. Nach uns derzeit vorliegenden Daten für den Monat Mai kann man etwa ein Angebot von 15 bis 20 % mehr Ausbildungsplätzen konstatieren. Ich weiß, dass das noch nicht ausreicht, aber es ist eine Tendenz, die ich durchaus würdigen möchte.

Dennoch bleibt die Situation unbefriedigend. Wir befinden uns in diesem Ausbildungsjahr nicht mehr fünf Meter unter Wasser, sondern nur noch drei Meter. Die Richtung stimmt, aber wir brauchen zum Atmen immer noch die Sauerstoffflasche. Es gibt nach wie vor zu wenige betriebliche Berufsausbildungsstellen. Bis zum Beginn des Ausbildungsjahres im September müssen deshalb alle

Beteiligten ihre Anstrengungen verstärken. Die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern müssen weiterhin in ihren Betrieben intensiv darum werben, zusätzliche betriebliche Ausbildungsstellen zu schaffen. Viele Unternehmensleitungen wissen, dass man sich heute und in Zukunft nicht über einen Fachkräftemangel beschweren darf, wenn man selbst nichts für die Ausbildung junger Leute getan hat.

Es mangelt den Unternehmen auch nicht an Unterstützung. Die Kammern bieten ausbildungswilligen Unternehmen fachliche Hilfe an. Bürokratische und formelle Hürden sind so gering wie selten zuvor. Zusätzliche Ausbildung wird unter bestimmten Bedingungen mit Programmen des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit finanziell unterstützt.

Die Arbeitsagenturen bieten ausbildungswilligen Unternehmen hochwertige Beratung und Vermittlung an. Es gibt für Unternehmen, die nicht ausbilden, keine Ausreden mehr, Berufsausbildung nicht oder nur auf Sparflamme zu betreiben.

Die Landesverwaltung geht übrigens mit gutem Beispiel voran. Trotz des mit der Verwaltungsreform bevorstehenden Stellenabbaus und trotz Einstellungsstopps hat die Staatsregierung die Berufsausbildung in den Kammerberufen aufgenommen und wird deutlich über Bedarf ausbilden. Ich kann nur an die anderen öffentlichen Arbeitgeber im Freistaat Sachsen appellieren, ähnlich zu verfahren.

Ich bitte die Tarifparteien, die Ausbildung in den Tarifverhandlungen angemessen zu berücksichtigen. Es gibt eine Reihe von Beispielen, dass es gelingen kann, durch tarifliche Vereinbarungen die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze für bestimmte Branchen deutlich zu erhöhen.

Einen Hinweis auf eine weiter entfernt liegende Möglichkeit, die Zahl betrieblicher Ausbildungsplätze zu erhöhen, möchte ich am Schluss meiner Ausführungen nicht versäumen. Auf der Grundlage des Altenpflegegesetzes hat meine Kollegin Frau Orosz eine Vorlage zur Ausbildungsumlage in der Altenpflege erarbeitet, die im Kabinett Zustimmung gefunden hat.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und Regina Schulz, Linksfraktion.PDS)

Die Ausbildungsumlage hat dazu geführt, dass die Zahl der Ausbildungsplätze zugenommen hat und ein drohender Fachkräftemangel abgewendet werden konnte. Mittlerweile brauchen wir die Ausbildungsumlage in der Altenpflege nicht mehr. Ich könnte mir vorstellen, dass eine branchenbezogene Ausbildungsumlage für andere von Fachkräftemangel bedrohte Branchen eine Zukunftsoption ist.

Wir werden nicht darum herumkommen, die fehlenden betrieblichen Ausbildungsplätze auch in diesem Jahr mit anderen Angeboten zu kompensieren. Im Jahre 2007 wird das konkrete Angebot, das vom Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit verantwortet wird, aus insgesamt

3 837 Plätzen einschließlich der 1 000 Plätze im kooperativen Landesergänzungsprogramm bestehen, in dem die Teilnehmer Schülerstatus haben.

Das sind weniger Plätze als in den Vorjahren, was ausschließlich auf die Reduzierung des Bundesanteils im Ausbildungsplatzprogramm Ost zurückzuführen ist. Zusammen mit den Instrumenten der Agenturen für Arbeit, den schulischen Angeboten und den Maßnahmen des Nationalen Paktes für Ausbildung wird es auch 2007 gelingen, allen Bewerbern zumindest ein Angebot zu unterbreiten.

Das ist eine gute Nachricht. Die andere ist, dass in diesem und in den Folgejahren zunehmend mehr Jugendliche als in den vergangenen Jahren ihren Berufswunsch werden verwirklichen können. Dennoch gestatte ich mir darauf hinzuweisen: Unser gemeinsames Ziel muss – so habe ich auch die heutige Debatte verstanden – Vorrang für die Ausbildung im dualen System sein, damit sich die Lücke weiter schließt und wir uns nicht über Fachkräftemangel

unterhalten müssen, weil nämlich die Ursache für Fachkräftemangel eben auch in der Wirtschaft selbst liegt. Wenn sie nicht ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird, dann können wir nachher nicht mit staatlichen Programmen das heilen, was im Vorfeld versäumt wurde.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet, und wir gehen jetzt in eine Mittagspause bis 13:45 Uhr.

(Unterbrechung von 12:43 bis 13:45 Uhr)

Meine Damen und Herren! Die Mittagspause ist beendet. Ich schlage vor, dass wir in der Tagesordnung fortfahren.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

2. und 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Neufassung des Sächsischen Fischereigesetzes