Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird sich inzwischen herumgesprochen haben, dass unsere Fraktion im Ergebnis der auf unseren Antrag hin am gestrigen Tag stattgefundenen Sondersitzung des Sächsischen Landtags, in der die Bereitschaft der Staatsregierung auf den Prüfstein gestellt wurde, sich zur rückhaltlosen Aufklärung sämtlicher persönlicher Verstrickungen von Politikern, Richtern, Staatsanwälten und sonstigen Bediensteten der sächsischen Justiz und Verwaltung und anderer Behörden in kriminelle Netzwerke und zur politischen Verantwortung des Kabinetts hierfür zu benennen, beschlossen hat, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen.
Wir sehen das sehr anders, als es Herr Kupfer dargestellt hat. Es geht nicht um die Frage, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat beschädigt werden könnte, wenn man jetzt aufklärt, sondern es geht darum, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat durch Aufklärung wiederhergestellt wird.
Was uns zunächst aber prinzipiell von den Einreichern des hier zu behandelnden Antrages zur Drucksache 4/8867 unterscheidet, ist, dass wir das erforderliche Quorum haben, die Einsetzung des Ausschusses auch aus eigener Kraft zustande zu bringen. Das will nicht heißen, dass wir uns nicht freuen würden, in den demokratischen Fraktionen des Hauses Unterstützerinnen und Unterstützer zu finden, die uns gemeinsam helfen,
diesen unsäglichen Komplex mafiöser Kartelle, die Sachsen bundesweit und vielleicht über die Grenzen hinaus ins Gerede gebracht haben, schonungslos aufzuklären, und was uns noch wichtiger als die retrospektive Betrachtung ist: Schlussfolgerungen und Maßnahmen abzuleiten, die derartiges Unterlaufen demokratischer und gesellschaftlicher Kontrolle künftig nicht wieder zulassen werden.
Nun ist jedem in diesem Hause, der sich halbwegs mit den Eigenheiten und Gesetzlichkeiten eines Untersuchungsausschusses auskennt, bekannt, dass man bei dessen Einsetzung als Opposition, als Minderheit, nicht zwei oder drei Versuche hat. Es muss beim ersten Mal ein voller Treffer gelandet werden. Wir haben deshalb schon vor zwei Wochen, als die gesamte Tragweite dieser nahezu Staatsaffäre und des Versagens parlamentarischer rechtsstaatlicher Kontrollmechanismen deutlich wurde, erklärt, dass wir den Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses bei fortdauernder Verweigerungshaltung der Staatsregierung, der Dimension der Geschehnisse angemessen zu handeln, dann einbringen werden, wenn wir aus eigener Erkenntnisdichte in der Lage sind, alle maßgeblichen Komplexe, die sich offenbar in den 100 Aktenordnern des Landesamtes für Verfassungsschutz bzw. in längst bekanntermaßen existierenden Vorverfahrensakten – wir stellen nicht nur auf die Akten des Landesamtes ab – von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz finden, so präzise zu benennen, dass wir nicht nur die Spitze des Eisberges, sondern wenigstens die Mitte desselbigen erreichen.
Gedeckt von der thematischen Bestimmung des Einsatzauftrages ist das Minderheitenrecht nur beim Erstantrag. Das heißt, wenn wir beim Einsetzungsantrag Beweisgegenstände nicht benennen, die von besonderer Bedeutung sein könnten, dann sind wir in Zukunft zwar in der Lage, das hinzuzuholen, aber nur nach Gnade und Barmherzigkeit der Mehrheit, sprich der Koalition in diesem Hause.
Da wir aus angestammten Erfahrungen wissen, dass der Aufklärungswille der regierungstragenden Fraktionen höchst verkümmert ist und proportional zur Dimension des Skandals abnimmt, werden wir uns nicht locken lassen, vorzeitig einen Einsetzungsantrag einzureichen, der sich in der Bezeichnung der zu untersuchenden Gegenstände später als zu knapp erweist. Für uns ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – dessen Gegenstand die Beteiligung an der rückhaltlosen Aufklä
rung dieser persönlichen Verstrickungen von Politikern, von Richtern, von Staatsanwälten, von Polizisten und sonstigen Bediensteten der Justiz, Polizeiverwaltung und anderen Behörden in kriminelle Netzwerke ist – mit parlamentarischen Mitteln und die Aufdeckung der Ursachen und Gründe für das Versagen elementarer rechtsstaatlicher Kontrollmechanismen sowie der Verantwortung der Staatsregierung beschlossene Sache.
Wir sind der Überzeugung: Kein Kriminalist, kein Staatsanwalt und kein Korruptionsermittler, auch wenn er noch so integer ist, wird die politische Verantwortung aufklären können, warum in zehn, zwölf oder 15 Jahren auf verschiedene Signale nicht reagiert wurde und warum im letzten halben Jahr auch durch die Staatsregierung nicht gehandelt, sondern nur gewartet wurde und auch gestern nur wieder abgewiegelt, beruhigt und erklärt wird: Haben Sie Geduld, haben Sie Vertrauen, warten Sie, alles wird gut! – Es wird nichts gut werden! Es wird nichts gut werden, weil die Leute, die das verzapft haben – das hat der Innenminister gestern gesagt –, praktisch als Mafia nach wie vor da sind und nach seinem Bild, was ich heute in der „Freien Presse“ lese, uns buchstäblich jeden Tag an die Gurgel gehen wollen.
Zum Antrag der NPD-Fraktion nur so viel: Selbst in diesem komplexen Fall ist nicht das Landesamt für Verfassungsschutz unser erster Untersuchungsgegenstand, worauf offenkundig die NPD-Fraktion hinaus will, und gleich gar nicht die Verantwortung des Justizministeriums für den Verlauf des Hermanni-Prozesses, der nach allem, was uns bekannt ist, in der Dimension der Verbrechen, um die es hier geht, nicht vergleichbar ist. Da liegen schon eher der Pistolen-Menzel oder Porno-Paul in der Nähe des Trefferbildes, vielleicht auch der Landeschef Winfried Petzold, über den ich immer wieder ausgesprochen erstaunt bin.
Herr Petzold, Sie haben inzwischen ein Dutzend Kleine Anfragen eingebracht mit präzisen Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Chemnitz, mit präzisen Angaben zu Abläufen, bei denen ich die direkte Zuweisung machen könnte, von welcher Abteilung des LKA das Ding durchgestochen werden musste – Sie haben nur falsch investiert. Ich begreife nicht, wenn Sie aufklären wollen, warum Sie sich permanent an den OK-Ermittlern der Staatsanwaltschaft Leipzig abarbeiten. Vielleicht leisten Sie Dienste für die Leute, die maßgeblich mitgewirkt haben, dass es zu diesem Kartell kommen konnte.
Wenn ich lese, was Sie in Ihren Anfragen tun, um die Spur gegen die OK-Ermittler in Leipzig zu legen, denen
dann die Akten am 16.10.2002 praktisch unter dem Hintern weggezogen und deren Vertrauenspersonen dekonspiriert worden sind, dass Sie exakt auf diese draufhalten, dann frage ich mich: Wo kommt dieses Signal, dieser Auftrag, diese Aufgabe her? Auf diesen Leim, meine Damen und Herren von der NPD, gehen wir gewiss nicht.
Summa summarum: Wir haben weder Lust noch die Neigung, noch die Veranlassung, uns an den Erwägungen der NPD-Fraktion zu beteiligen via eines ideologisch definierten Untersuchungsausschusses zur Untersuchung – ich zitiere – „… dass so sich ausgerechnet in Sachsen eine Mafia-Struktur bilden konnte, die in der deutschen Nachkriegsgeschichte einmalig sein dürfte …“. Führen Sie, meine Damen und Herren der NPD-Fraktion, Ihre Kriege getrost ohne uns!
Wird von der SPD-Fraktion das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die FDP-Fraktion. – Herr Dr. Martens, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der NPD-Fraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses findet nicht unsere Zustimmung.
Auch wenn die demokratischen Fraktionen in diesem Haus – auch nach der gestrigen Sondersitzung – zunehmend zu dem Schluss kommen, dass ein Untersuchungsausschuss unvermeidlich sein wird, ist das, was die NPDFraktion vorlegt, schon rein inhaltlich völlig untauglich, um zu der notwendigen und gebotenen Aufklärung zu gelangen.
Meine Damen und Herren! Das Ergebnis der Untersuchung steht nach dem Wunsch der NPD-Fraktion anscheinend schon fest: Die demokratischen Parteien an sich, die Abgeordneten, die Minister sowieso, die Staatssekretäre, die Justiz, sämtliche Beamte und auch alle anderen und das System als solches sind korrupt und haben sich in finstere Machenschaften verstrickt. Wenn Sie alles schon wissen, dann frage ich Sie: Wozu brauchen Sie noch einen Untersuchungsausschuss?
Ich sage es Ihnen: Sie wollen diesen Untersuchungsausschuss nicht zur Aufklärung, sondern Sie wollen ihn als Kampfinstrument. Sie wollen ihn nicht als ein Element der Demokratie, sondern Sie wollen ihn, um eben dieses von Ihnen so verhasste demokratische System zu beschädigen.
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist schlecht gemacht. Er ist offensichtlich zusammengeschustert mit
15 notdürftig zusammengeklebten Fragen – „Frägelchen“ müsste man sie eigentlich nennen. Das geht bei den Formalien los. Kollege Kupfer hat es bereits erwähnt. Ihnen ist offensichtlich entgangen, dass nach § 54 der Geschäftsordnung Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses per se bereits dringlich sind. Diesen Unfug hätten Sie also bleiben lassen können, wenn Sie in die Geschäftsordnung geschaut hätten. Stattdessen beantragen Sie die Dringlichkeit.
In der Substanz sind die Fragen auch nicht viel besser. Hierbei geht es um Halbwissen und um Vorverurteilungen, die Sie offenbaren – um mehr nicht. Es ist von einer nicht nachvollziehbaren Nachlässigkeit bei der Aufklärung die Rede, als ob Sie bereits wüssten, dass es Nachlässigkeiten gebe, die Sie feststellen und benennen könnten. Was Sie nachvollziehen können oder nicht, erschließt sich dem Betrachter weder aus dem Antrag noch aus der Begründung oder sonstigen Äußerungen.
Meine Damen und Herren! Dieser Untersuchungsauftrag ist bereits formal zu unbestimmt, er wird auch inhaltlich nicht weiterhelfen. Es werden Zeitungsmeldungen zitiert, Sie wollen den Inhalt der Akten besichtigen und dann wollen Sie es wieder nicht. In anderen Punkten wollen Sie sich örtlich nur auf Leipzig beschränken und dann wissen Sie wiederum nicht, ob Sie auch darüber hinausgehen wollen. Diese Themen sind zu eng, sie sind zu unzureichend und sie würden, wenn man ihnen nachginge, auch nicht zur Aufklärung führen.
Diesem Untersuchungsausschuss, so wie Sie sich ihn vorstellen, werden wir nicht zustimmen. Sie möchten offensichtlich nur wieder einmal Ihre Verschwörungstheorien bestätigt sehen, die Sie ein um das andere Mal hier ausbreiten. Aber dazu sage ich Ihnen: Wenn Sie Ihre Verschwörungsparanoia behandeln lassen wollen, dann gehen Sie auf die Couch und nicht in den Untersuchungsausschuss!
(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)
Sie wollen in diesem Parlament nicht mit parlamentarischen Mitteln untersuchen, sondern Sie wollen Parlamente abschaffen. Dazu müssen Sie diese Parlamente vorher ihrer Legimitation berauben. Zu nichts anderem soll Ihr Ausschuss dienen. Dabei machen wir nicht mit!
Sie wollen hier nicht mitmachen, Sie wollen zerstören. Das werden wir nicht zulassen. Untersuchungsausschüsse sind viel zu wichtig, um diese Ihnen anzuvertrauen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich für meine Fraktion allen Vorrednern, ausschließlich der NPD, vollumfänglich an. Es ist alles dazu gesagt worden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Widersprüche in der Affäre um ein kriminelles Netzwerk von Juristen, Polizeibeamten, Politikern und Immobilienschiebern sind nur noch mithilfe eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufzuklären. Da hilft auch die Rechtsrabulistik von Herrn Kupfer nicht; wobei ich vorausschicken möchte, dass ich Herrn Kupfer persönlich sein Aufklärungsinteresse in jedem Fall abnehme. Aber auch Herr Kupfer ist leider Gefangener seiner weitgehend aufklärungsunwilligen Staatsregierung.
Zu Herrn Martens nur so viel: Er hat sich wieder einmal als grottenschlechter Demokratietheoretiker versucht, der ernsthaft glaubt, besser zu wissen, was die NPD will, als die NPD-Fraktion selbst. Aber Herr Martens scheint ja über polit-übersinnliche Fähigkeiten zu verfügen, das wissen wir seit zweieinhalb Jahren. Aber auch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass man hier ganz offenkundig an keiner wirklichen Aufklärung des MafiaSumpfes interessiert ist. Schließlich konnte man vor einigen Tagen lesen, dass auch ein FDP-Bundestagsabgeordneter in irgendeiner Form im Sumpf stecken soll. Von daher verwundert auch die Verschleierungsrabulistik von Herrn Martens nicht.
Einige der eben genannten Widersprüche seien kurz erwähnt. Warum muss ein Richter aus dem verschlafenen badischen Waldshut mit bescheidenen Referenzen die sächsische Staatsanwaltschaft unterstützen, wenn es an deren Unabhängigkeit doch angeblich keinen Zweifel gibt? Wie soll ein externer Richter ohne echte Kompetenzen Kontrollfunktion bei der Aufklärung eines ganzen Geflechtes aus kriminellen Machenschaften von Staatsanwälten und Richtern ausüben? Ist das nicht genauso sinnlos wie vor einem Dreivierteljahr die Entsendung einer Handvoll Bundeswehrsoldaten in den Kongo, um dort die Abhaltung demokratischer Wahlen zu garantieren? Warum haben die Personalverantwortlichen des Justizministeriums ihren Minister noch im April dieses Jahres nicht davon abgehalten, einen offenbar belasteten Staatsanwalt zum Präsidenten des Chemnitzer Amtsgerichtes zu befördern? Und einer der wohl eklatantesten Widersprüche, der zu klären wäre: Nach einem Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes vom Juli 2005 ist die Beobachtung von Organisierter Kriminalität nicht die Aufgabe des Verfassungsschutzes, sondern der Polizei. In welcher Form und in welchem Umfang wurden nach dem Verfassungsgerichtsurteil vom Juli 2005 die verschiedenen Beobachtungsobjekte überhaupt daraufhin überprüft,
Falls diese Bestandsaufnahme vorgenommen wurde, warum wurden die schockierenden Ergebnisse nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet? Hätte nicht zumindest die grundsätzliche Kenntnis solcher Vorgänge zu einer verschärften Dienstaufsicht seitens des zuständigen Ministeriums führen müssen, und in welchem Maße ist dies tatsächlich der Fall gewesen? Und vor allem: Was kam dabei heraus? – Fragen über Fragen, die in jedem Fall die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses rechtfertigen.