Protocol of the Session on June 6, 2007

Zweitens. Bisherige Erfahrungen und unsere bündnisgrüne Mannschaftsaufstellung: Im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit wurde schon 1992 bundesweit festgeschrieben, wie die Mannschaft für diese Auseinandersetzung aufgestellt sein muss, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie braucht – das dürfte nach meinen bisherigen Ausführungen deutlich geworden sein – ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Prävention und Repression, zwischen Offensive und Abwehr.

Das Spiel wird eben nicht allein in der Abwehr entschieden, sondern im Zusammenspiel aller Beteiligten. Um dieses Zusammenspiel strukturell abzusichern, wurde im NKSS die Finanzierung der präventiven Fansozialarbeit festgeschrieben, und zwar mit dem Modell der Drittelfinanzierung, einem Modell, dem sich der Freistaat seit Jahren hartnäckig verweigert. Dieses Finanzierungsmodell war und ist aber wichtig, weil den Fanprojekten in

dem Spiel eine Schlüsselrolle zukommt. Nur sie können den Hooligans den Nachwuchs abgraben. Durch ihre Arbeit ebben die Angriffe allmählich ab und die Abwehr wird langfristig entlastet.

Wir haben in unserem Antrag „Gewalt im sächsischen Fußball wirksam verhindern“ dieses 15 Jahre alte Konzept aufgegriffen und mit Blick auf die sächsischen Besonderheiten verfeinert. Wir wollen das Zusammenspiel und die Kommunikation zwischen den Fanprojekten, den Kommunen, der Polizei und den Vereinen verbessern.

Wir wollen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Prävention und Repression, und wir wollen eine Expertise, die hilft, die Eigendynamiken, die Rekrutierungsmuster der Gewalttätigen besser zu verstehen. Und nicht zuletzt wollen wir endlich die direkte im NKSS vorgeschriebene Landesfinanzierung Fanprojekte.

Wie schon erwähnt, wurde unser Antrag erneut abgelehnt. Erstens gäbe es ein eigenes Konzept und zweitens wäre die Finanzierung gesichert.

Damit bin ich bei drittens. Was tut die Staatsregierung? Beim ersten Blick auf Ihr Konzept „Fußball im Team für mehr Sicherheit“ dachte ich wirklich, es handelt sich um das kommentierte Inhaltsverzeichnis. Gerade einmal vier Seiten dünn ist das Konzept. Nichts daran erinnert im Entferntesten an einen neuen Ansatz.

Die allermeisten Maßnahmen sind seit 1992 im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit festgeschrieben. Dass sie jetzt in diesem Konzept der Staatsregierung auftauchen, lässt eigentlich nur einen Schluss zu: In Sachsen ist das NKSS offenbar 15 Jahre unbemerkt geblieben. Es ist auch nicht Praxis gewesen. Im Gegenteil. Das jetzt vorgelegte Papier fällt weit hinter die bundesweiten Standards zurück. Der Freistaat hat entschieden, fast ausschließlich auf Repression zu setzen und sich mit allerlei Sicherheitsvorkehrungen in der eigenen Spielhälfte einzumauern. Dieses Team hat faktisch neun Abwehrspieler, die aus Polizei, Sicherheitsdiensten und Sportstaatsanwälten bestehen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Diese Abwehrspieler sind durch die dauernden Angriffe der Gegner zunehmend überlastet, und der lediglich eine Stürmer, nämlich die Fanprojekte oder Fanarbeit der Vereine, ist zudem angeschlagen und verunsichert.

Wie, liebe Kolleginnen und Kollegen, soll solch ein Team gewinnen? Die Fanprojekte bekommen seit Jahren kein oder nur punktuell im Rahmen begrenzter Modellprojekte Geld vom Land Sachsen. Sie wissen nicht, ob sie am nächsten Spieltag überhaupt noch aufgestellt werden.

Das Zwickauer Fanprojekt feierte beispielsweise vor einigen Wochen sein zehnjähriges Bestehen. Niemals in diesen zehn Jahren, selbst als der FSV Zwickau in der 2. Bundesliga spielte, gab es einen hauptamtlichen Sozialpädagogen, allenfalls arbeiteten dort ABM-Kräfte. Der DFB überwies sein kleines Gelddrittel auch nur deswegen

nach Zwickau, weil er mit viel Fantasie die Mittel des Arbeitsamtes für die ABM als Landesmittel wertete.

Das Fanprojekt Dresden hat als Modellprojekt in den letzten drei Jahren bundesweit Maßstäbe gesetzt. Ende des Jahres läuft die Landesfinanzierung aus und mindestens eine Stelle wird wegfallen. Mit ihr sind so wichtige Arbeitsfelder wie die U-16-Fahrten und die Präventionsarbeit an den Schulen akut gefährdet.

Die Stadt Chemnitz schließlich übernimmt das Landesdrittel für das neue Fanprojekt des Chemnitzer FC nur unter Vorbehalt, bis der Freistaat Sachsen seine Bringschuld endlich erfüllt. Wie soll so ein Team also gewinnen, wenn nicht einmal das Zusammenspiel untereinander funktioniert?

Ich möchte es an einem Beispiel illustrieren. Nach dem sehr aufgeheizten Spiel des FC Sachsen Leipzig gegen die Amateure von Energie Cottbus probierten nach Spielende aufgebrachte Sachsen-Fans, zur Stadionausfahrt zu gelangen. Die Situation zwischen Fans und Polizei drohte zu eskalieren. Daraufhin versuchten die beiden ehrenamtlichen Fanbeauftragten des FC Sachsen Leipzig, die Fans zu beruhigen. Sie zeigten den Polizisten ihren Fanbetreuerausweis und standen mit dem Rücken zur Polizei. Trotzdem wurden sie mit Pfefferspray attackiert und noch am Boden liegend von Polizeibeamten getreten.

In einer entsprechenden Kleinen Anfrage antwortete darauf der Innenminister: Durch die handelnden Beamten wurden an der Hauptzufahrt des Zentralstadions weder sich ausweisende ehrenamtliche Fanbeauftragte noch sonstige Personen, die deeskalierend tätig waren, festgestellt.

Wie sollen, bitte schön, diese Teil Ihres Teams sein, wenn die eingesetzten Polizisten die Mitspieler nicht von den Gegnern unterscheiden können? Wie kann es sein, dass die Fanbeauftragten den Polizisten unbekannt sind, wenn es doch regelmäßige Sicherheitsberatungen gibt?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie soll so ein Team gewinnen, wenn letztendlich auch die Trainerbank zerstritten ist? Der für Sport zuständige Kultusminister Steffen Flath schweigt beharrlich. Der Chef der Staatskanzlei Hermann Winkler macht sich über die eigenen Mitspieler lustig, wenn er die Arbeit der Fanprojekte im Fernsehen als wirkungslose Yogakurse verhöhnt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Und Innenminister Buttolo wälzt die Verantwortung für die Finanzierung der Fanprojekte allein auf Sozialministerin Orosz ab. Diese delegiert das Problem über die Jugendpauschale an die Kommunen.

Wie soll so ein Team die Auseinandersetzung gewinnen? Selbst als Fußballlaien fällt mir dazu nur eines ein: In Sachsen haben wir eine Gewaltprävention auf Kreisklassenniveau.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ausbaden müssen es die Polizisten, weil sie alleingelassen in der Abwehr verheizt werden, und ausbaden müssen es die normalen, die friedlichen Fans, weil sich auf diese Art und Weise dauerhaft in Sachsen nichts ändern wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine alte Fußballweisheit besagt: Der Ball ist rund, damit das Spiel die Richtung ändern kann. Diese Eigenschaft würde ich mir auch bei der Staatsregierung und bei der Koalition wünschen. Ändern Sie Ihren eingeschlagenen Weg!

Frau Herrmann.

Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt. Im Juni findet in Leipzig – ich bin gleich am Ende – der erste bundesweite Fankongress von DFB und DFL statt. Die sächsische Situation wird dort gewiss ein Thema sein.

(Alexander Delle, NPD: Schwatzbude!)

Ich möchte Sie deshalb bitten, abweichend von der Beschlussempfehlung unserem Antrag hier doch zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren, gibt es daraufhin von den anderen Fraktionen Redebedarf? – Jawohl, Herr Kupfer für die CDUFraktion. Sie haben das Wort im Rahmen der Redezeit von 10 Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben über das Thema Krawalle rund um Fußballspiele schon des Öfteren gesprochen, hier im Plenum, in verschiedenen Ausschüssen. Wir haben diesen Antrag, der hier noch einmal aufgerufen wurde, auch in den entsprechenden Ausschüssen diskutiert und dort die Argumente ausgetauscht.

Ich darf sagen: Wir nehmen das Thema sehr ernst. Alles, was um die Fußballspiele herum an Krawallen passiert, ist nicht hinnehmbar. Wir nehmen das auch nicht hin.

Wir wissen, dass wir nicht untätig waren und dass auch die Staatsregierung nicht untätig war. Der Landessportbund und der Sächsische Fußballverband haben sich zusammengesetzt und ein Maßnahmenpaket geschnürt. Auf diesem Maßnahmenpaket ist aufzubauen.

Dass wir noch nicht am Ende der Diskussion sind, stellt niemand in Frage. Wir sind in der Diskussion und werden sie auch zielsicher weiterführen.

Das sächsische Konzept “Fußball im Team für mehr Sicherheit“, der aktuelle Arbeitsstand vom 3. Mai dieses Jahres, ist den Mitgliedern des Innenausschusses zugegangen. Dort können Sie ersehen, wie der aktuelle Stand ist.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, der Beschlussempfehlung, so wie vom Ausschuss empfohlen, zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Danke schön. – Von der Linksfraktion.PDS hat sich Herr Dr. Hahn noch gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir schon gewünscht, dass Kollege Kupfer vielleicht sagt, warum er den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnt. Dazu habe ich jedenfalls keine wirklichen Argumente gehört.

(Heinz Lehmann, CDU: Im Ausschuss lang und breit diskutiert!)

Herr Lehmann, wir sind jetzt im Plenum. Da gibt es die Möglichkeit, dazu zu sprechen.

Herr Kupfer, wenn Sie eben ausgeführt haben, Sie nehmen das Thema sehr ernst, dann sage ich Ihnen auch: Ernst nehmen reicht nicht, Sie müssen konkret etwas tun.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Das sogenannte Maßnahmenpaket, von dem Sie gesprochen haben, ist und bleibt eben unzureichend. Wenn Sie nicht bereit sind, Geld in die Hand zu nehmen, werden Sie in der Angelegenheit nicht vorwärtskommen.

Ich will aber auch dem Eindruck entgegentreten – das möchte ich schon gern sagen –, dass sich allein die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Thema hier befasst. Wir haben die Fanprojekte bereits unterstützt, da waren die GRÜNEN über Jahre hinweg gar nicht im Landtag.

(Widerspruch bei und Zurufe von den GRÜNEN)

Ich will das nur einmal festhalten.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)