Protocol of the Session on June 6, 2007

Ja, ich gebe Ihnen das Zeichen, wenn der letzte Satz ansteht. – Damit werden gestalterische Handlungsspielräume für eine ausgewogene Politik, für Arbeits- und Ausbildungsplätze, Bildungschancen, Familien- und

Generationengerechtigkeit sowie soziale Gerechtigkeit bewahrt.

Dieses Gesetzgebungspaket ist das wichtigste Vorhaben der Staatsregierung und der Koalition in dieser Legislaturperiode. Die Gesetzentwürfe zur Verwaltungsneuordnung und zur Kreisneugliederung sind das Ergebnis eines mehr als zweieinhalbjährigen Diskussionsprozesses. Die Gesetzentwürfe wurden mit den beteiligten Ressorts und der kommunalen Ebene diskutiert und die Diskussionsergebnisse wurden eingearbeitet. Vom Dezember 2006 bis zum März 2007 erfolgte eine Anhörung zu den Gesetzentwürfen. Allein für das Verwaltungsneuordnungsgesetz wurden 82 Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange und 85 weitere Schreiben abgegeben. Das Kreisneugliederungsgesetz wurde mit 242 Stellungnahmen begleitet und mit 417 Schreiben wurde auch dazu Stellung genommen. Die Staatsregierung hat diese Stellungnahmen in die umfassende Abwägung einbezogen. Sachgerechte Anregungen wurden berücksichtigt.

Beide Gesetzentwürfe sind ein in sich geschlossenes, ausgewogenes Paket.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie liegen mir nicht vor!)

Weitreichende Kommunalisierung von Aufgaben und die Kreisneugliederung bedingen sich einander. Diese Reform dient den Bürgern und der Wirtschaft, denn sie wollen eine effiziente, transparente und bürgernahe Verwaltung zu bezahlbaren Preisen. Dass dies auch in Zukunft garantiert sein soll, dafür steht diese Reform. – Herr Lichdi, der vorletzte Satz. –

Herr Lichdi, Sie dürfen Ihre Frage stellen.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Als Sie die Frage zur Kreisgebietsneugliederung angesprochen haben, ist mir spontan eingefallen, dass ich Sie an dieser Stelle gern gefragt hätte, ob Sie dem Hohen Haus noch mal die Gründe dafür darlegen können, dass der Kreis Döbeln aus dem Regierungsbezirk Leipzig ausgegliedert und dem neuen Kreis Mittelsachsen oder Freiberg zugeschlagen werden soll.

(Zuruf von der FDP)

Herr Lichdi, es geht nicht um Ausgliederungen aus einem Regierungspräsidium, es geht um die Neugestaltung der Gebietskörperschaft Kreis. Die Diskussion mit der kommunalen Ebene in diesem Gebiet hat mich dazu bewogen, im Entwurf für diese Variante: Döbeln, Freiberg und Mittweida sollen den künftigen Kreis Mittelsachsen bilden, zu plädieren.

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage, Herr Minister?

Na klar!

Dieser Sachstand ist mir natürlich bekannt. Aber Sie wissen auch, dass es gerade aus der Leipziger Region jetzt ein Bündnis gibt, das sehr stark von Wirtschaftskreisen getragen wird, das sich vehement dagegen wendet, dass der Kreis Döbeln in Zukunft nicht mehr zum RP-Bezirk Leipzig oder dann Landesdirektionsbezirk gehören wird. Wie gehen Sie denn auf diese Einwände ein? Welche Sachargumente bringen Sie denen entgegen?

Herr Lichdi, die Abwägung hat stattgefunden. Deren Ergebnisse befinden sich in den Gesetzentwürfen. Ich möchte einfach nur sagen: Wenn man jeder Forderung nachgeben möchte, braucht man keine Reform anzufassen.

Wir müssen sehen, dass wir das Land so strukturieren, wie es sich künftig bewähren wird in Deutschland, wie es auch europaweit eine Chance hat. Deswegen muss man schlichtweg dafür plädieren, dass man einen Vorschlag einreichen darf, der sich über die Interessen Einzelner hinwegsetzt.

Machen wir weiter in dem Spiel?

Ja.

Bitte.

Herr Minister, folgende Frage in diesem Zusammenhang: Sie haben bewusst zur Begründung dieses Reformgesetzes angeführt, dass es in Übereinstimmung mit dem Landesentwicklungsplanungsgesetz von 2003 stehen würde. In diesem Landesentwicklungsplanungsgesetz heißt es – und ich denke, dieses Gesetz gilt noch –, dass man von einer territorial ungefähr gleichgewichtigen Gliederung des Landes Sachsen ausgeht. Das steht in diesem Landesentwicklungsplanungsgesetz.

Mit der Herauslösung des Kreises Döbeln würde genau dieses Faktum, das Prinzip der gleichgewichtigen Strukturiertheit der Regierungsbezirke, doch verletzt?

Frau Dr. Runge, aus meiner Sicht wird das Prinzip nicht verletzt. Denn der Landesentwicklungsplan stellt ursächlich auf die Kreisgebietskörperschaften ab, auf Planungsregionen, aber nicht auf Verwaltungsstrukturen. Regierungspräsidien sind Verwaltungsstrukturen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Jetzt haben wir es!)

Damit kann ich meinen letzten Satz anbringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedanke mich für die Vielzahl von Hinweisen, die auch aus dem Landtag zu diesen Gesetzesvorhaben gekommen sind. Ich freue mich auf die Diskussionen in den Ausschüssen. Sie werden sicherlich sehr interessant sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Danke schön. – Jetzt sprechen die Fraktionen. Die CDU beginnt. Herr Kollege Bandmann, Sie eröffnen die Reihe der Sprecher der Fraktionen.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf an die Ausführungen von Herrn Staatsminister Dr. Buttolo anknüpfen. Wir stehen in Sachsen vor einer großen Herausforderung. Es ist kein Geheimnis, dass zum Glück – ich unterstreiche das ausdrücklich – unsere Bevölkerung immer länger lebt, der Anteil der älteren Bevölkerung aber deutlich die nachwachsende Generation übersteigt und damit die Einwohnerzahl im Freistaat weiter abnimmt. Daneben – der Minister hatte schon darauf hingewiesen, aber ich denke, es ist wichtig, es noch einmal zu unterstreichen – sinken die Einnahmenerwartungen durch den Bevölkerungsrückgang, die Bundeszuweisungen werden geringer, durch Auslaufen des Solidarpaktes und die zurückgehende EUFörderung im Freistaat in den nächsten Jahren stetig. Ich denke, genau deswegen muss unter anderem diese Reform durchgeführt werden.

Besonders drastisch auf die Einnahmen von Land und Kommunen wird sich das Auslaufen des Solidarpaktes auswirken. Zwangsläufig entsteht schon jetzt dadurch Handlungsbedarf. Es ist aber, denke ich, auch eine große Chance für das Land. Unser Ministerpräsident Prof. Milbradt hat das auf den Punkt gebracht, indem er davon sprach, dass wir jetzt die Chance haben, den demografischen Wandel gemeinsam weiter zu gestalten und damit die Grundlagen für eine lebenswerte Zukunft in Sachsen nicht infrage zu stellen. An uns liegt es. Wenn wir diese Chance entschlossen nutzen, werden wir unser Land weiter entscheidend voranbringen.

Der Wettbewerb mit anderen innovativen Regionen lässt uns auch keine andere Wahl. Die vor uns liegende Funktional- und Verwaltungsreform ist ein wichtiger und elementarer Baustein in diesem Prozess.

Die CDU-Fraktion – und ich gehe davon aus, dass der Koalitionspartner entschlossen mitzieht – wird sich den Herausforderungen stellen. Die Reform ist das wichtigste Projekt in diesem Jahr und in dieser Legislaturperiode. Wir werden unser Augenmerk darauf richten, dass es vor allem eine zukunftsorientierte Reform wird.

Verwaltungs- und Funktionalreform ist ein ständiger Prozess. Leitgedanke bleibt immer der in der Sächsischen Verfassung verankerte Grundsatz der Subsidiarität, wonach bei der Zuordnung von Zuständigkeiten streng darauf zu achten ist, dass Aufgaben, wo immer möglich, auf der jeweils untersten Ebene wahrgenommen werden.

Die sächsische Verwaltungslandschaft hat sich seit der friedlichen Revolution der Jahre 1989/90 neu aufgestellt und kontinuierlich entwickelt. Dies gilt es weiter auszubauen. Die Kreisgebietsreform in den Jahren 1994 bis

1996 führte zu einer Reduzierung der Landkreise von ursprünglich 48 auf derzeit 22. Die Zahl der kreisangehörigen Städte und Gemeinden reduzierte sich durch den gesetzlichen Abschluss der Gemeindegebietsreform 1998 drastisch von zunächst 1 623 Gemeinden auf 546. Der Prozess vollzog sich jedoch weiter durch freiwillige Zusammenschlüsse. Ich denke, auch wenn dieses Reformvorhaben abgeschlossen ist, wird dieser Prozess in der nächsten Legislatur weitergehen. Derzeit haben wir noch 498 kreisangehörige Städte und Gemeinden, sieben kreisfreie Städte, 96 Verwaltungsgemeinschaften mit 239 Städten und Gemeinden, zehn Verwaltungsverbände mit 34 Gemeinden.

Die Dienstleistungsqualität für die Bürgerschaft im Lande hat sich dabei stets verbessert. Neben den gebietlichen Veränderungen fanden parallel auch strukturelle und organisatorische Veränderungen in der Verwaltung statt. Auch und gerade die neuen technischen Möglichkeiten müssen voll genutzt werden. Die Kommunen sind dort selbst Schrittmacher. Dies sind zwei Seiten einer Medaille, die einen notwendigen Zusammenhang darstellen.

Doch diese Anstrengungen und Veränderungen reichen noch nicht aus. Die in den Aufbaujahren nach der glücklichen Wiedervereinigung unseres deutschen Vaterlandes entstandenen und den damaligen Anforderungen entsprechenden staatlichen Behörden und Einrichtungen können nicht die künftige Verwaltungslandschaft ausmachen. Die Zukunft Sachsens hängt davon ab, wie wir die Verwaltung strukturieren. Der Freistaat soll bundes- und europaweit ein wettbewerbsfähiger und attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben. Das setzt voraus, dass wir Behörden haben, die schnell und unbürokratisch, aber eben auch rechtsstaatlich und effizient arbeiten. Unsere Kinder und Enkel sollen von uns funktionierende Strukturen übernehmen. Wir dürfen nicht nur die Gegenwart gestalten, wir müssen vorausschauend auch die künftigen Anforderungen einbeziehen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Auf die Idee wäre ich nie gekommen!)

Bei dem gesamten Reformvorhaben stehen für die CDUFraktion die Menschen im Vordergrund; auch wenn Sie, Herr Porsch, nie auf diese Idee gekommen wären. Jeder von uns wird mit den Veränderungen im großen oder kleinen Umfang leben. Ich denke nur daran, dass für bestimmte Aufgaben andere Behörden zuständig sein und die Ansprechpartner wechseln werden.

Emotional wird schon der neue Name künftiger Landkreise diskutiert, dem sich auch bei Neuzulassung des Autos ein neues Kfz-Kennzeichnen anschließen wird. Der Kreissitz wird sich in einigen Fällen ändern und damit auch der Weg zu einem Teil der Behörden. Nicht alle Interessen wird man befriedigen können. Staatsminister Buttolo hat dies auf die Zwischenfragen hin deutlich gemacht. Wichtig ist, dass wir die Menschen bei der Reform mitnehmen und sie sich mitgenommen fühlen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich denke, das, was im Entwurf zum Kündigungsschutz steht, ist auch ein Punkt der Gleichbehandlung derer, die den Prozess in dieser Reform maßgeblich ausfüllen. Wichtigstes Ziel bleibt für uns der Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen. Eine leistungsfähige Verwaltung ist ein entscheidender Vorteil für wirtschaftliches Handeln in unserem Land und eine optimale Voraussetzung für eine weitere gute Entwicklung.

Der Innenminister hat den Regierungsentwurf vorgelegt. Dieser besteht aus zwei Teilen, wie es schon im Antrag zu lesen ist: Funktional- und Gebietsreform. Im Zuge der Funktionalreform sollen wichtige staatliche Aufgaben samt dem dazugehörigen Personal auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen und damit ortsnah gebündelt werden. Aber – das ist in der Diskussion immer wieder zu kurz gekommen – es soll eben auch ganz auf bestimmte Aufgaben verzichtet werden.

Die Umsetzung setzt leistungsstarke Landkreise und kreisfreie Städte voraus. Daher findet parallel dazu die Gebietsreform statt. Die Anzahl der Landkreise soll noch einmal – von derzeit 22 auf zehn neue, leistungsfähige Landkreise – verringert werden. Daneben soll es künftig nur noch drei statt sieben kreisfreie Städte geben.

Die Gesetzgebungskompetenz – das ist insbesondere an die Regionen gerichtet, die sich überlegen, gegen dieses Gesetz zu klagen – ist ausdrücklich in Artikel 88 der Verfassung unseres Freistaates dem Gesetzgeber aufgetragen. Dass wir diesen Gesetzentwurf diskutieren können, liegt nicht zuletzt am Verhandlungsgeschick unseres Staatsministers Dr. Buttolo. Er hat mit viel persönlichem Einsatz zahlreiche Gespräche mit den Betroffenen vor Ort geführt und sich gerade für diese Diskussion im Vorfeld sehr viel Zeit genommen. Albrecht Buttolo, dafür von unserer Seite herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte neben dem Dank an Dr. Buttolo auch seinen Amtsvorgängern danken, die das Projekt in mühevoller Arbeit bereits in die Diskussion gebracht und dafür geworben haben. Dr. Buttolo hat diese schwierige Aufgabe entschlossen angepackt, sodass wir den Entwurf jetzt im Landtag haben. Die Landkreise haben die vorgesehene Freiwilligkeitsphase genutzt und sich zu einem Großteil auf freiwillige Zusammenschlüsse verständigt.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Freiwillig ist gut!)

Diesen Bemühungen ist ausdrücklich Dank zu sagen, denn es war für die einzelnen Betroffenen nicht immer einfach, dies letztlich zu erreichen. Die CDU-Fraktion und – ich denke – auch die Koalition – sie nickt – unterstützt den eingeschlagenen Weg. Viele Landräte haben ihre grundsätzliche Zustimmung signalisiert, die Notwendigkeit der Veränderung erkannt und unterstützen gleichfalls die Reformvorhaben.

Die kommunale Familie wurde also sehr intensiv in die Erarbeitung der Vorschläge einbezogen. Es wurde eigens ein Lenkungsausschuss ins Leben gerufen. Ausgehend von den Leitlinien der Reform gab es darüber hinaus für die Landkreisebene eine sogenannte Findungsphase für die neuen Landkreise. Auf diesen Empfehlungen basiert der vorliegende Gesetzentwurf. Die Einzelheiten hat uns der Minister soeben vorgetragen.

Jetzt ist es für uns alle wichtig, sich mit dem vorliegenden Konzept auseinanderzusetzen. In der Öffentlichkeit findet die Diskussion statt. Das Hohe Haus wird gleichfalls Anhörungen durchführen. Wir werden uns im parlamentarischen Verfahren die Argumente und Hinweise anhören und das Für und Wider zu den einzelnen Vorschlägen sehr sorgsam abwägen.