Aber, meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen: Über diesem Sachsen, das sicher noch besser aussehen würde, wenn unsere politischen Eliten selbstkritischer, mutiger und konsequenter mit eigenem Machtmissbrauch, mit Korruption und Vetternwirtschaft umgehen könnten, liegt heute ein dunkler Schatten – dieser Schatten, der von den Völkern der Welt mit Abscheu und mit Entsetzen registriert wird: Es geht um den widerwärtigen Aufstieg der braunen Brut in diesem Land.
Es geht um die Wiederbelebung des Nationalsozialismus unter dem Schutz und mit den Privilegien des Parteien
gesetzes. Die von der NPD vertretene Weltanschauung und Propaganda ist – davon bekamen wir schon einige abstoßende Kostproben – rassistisch und antisemitisch, nationalistisch und undemokratisch; sie vertreten den Volksgemeinschaftsgedanken, sie sind unzweifelhaft wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus.
Nationalsozialismus aber ist eine menschenverachtende Vernichtungsideologie, ein Verbrechen – keine nur falsche Meinung. Sie stellt kein schutzwürdiges Gedankengut in einer demokratischen Gesellschaft dar. Aber Vorsicht! Die Wurzeln der extremen Rechten liegen nicht am Rande, sondern mitten in der Gesellschaft, wie man aus der Geschichte der Nazidiktatur und den Verbrechen des Nationalsozialismus analysieren kann.
Die getarnte Fortsetzung dieses verbrecherischen Nationalsozialismus durch die NPD muss mit allen verfassungsrechtlichen Mitteln unterbunden werden. Ihr Vergiftungswerk muss gestoppt werden.
Zitat Apfel gefällig? „Wir, der nationale Widerstand, sind die einzige Weltanschauungsbewegung in der bundesrepublikanischen Parteienlandschaft mit der NPD als die organisierte Partei, die das politische System in der BRD, auch die Wurzeln bekämpft, auch die Wurzeln ablehnt. Ja, liebe Freunde, wir, die NPD, sind stolz darauf, dass wir alljährlich in den bundesdeutschen Verfassungsschutzberichten stehen und als vermeintlich verfassungsfeindlich stehen. Jawohl, wir sind verfassungsfeindlich.“
Und noch etwas zum Brechreiz. O-Ton JN-Bundesvorsitzender Rossmüller, meine Damen und Herren, der 1998 die Todesstrafe für Politiker forderte, die das Volk verraten haben: „Keiner von diesen wird uns entkommen, dafür werden wir schon sorgen. Alle Flughäfen und Wege, die aus dem Land führen, werden dicht gemacht. Anschließend wartet der Strang.“
Meine Damen und Herren! Über die Vernichtung von Menschen kann ebenso wenig öffentlich diskutiert werden wie über das Lebensrecht Behinderter, anderer Rassen und Religionen. Die erfolgreiche Verteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde, die erfolgreiche Isolierung dieser Verbrecher gegen die Menschlichkeit –
das sind die Signale aus Sachsen, auf die die Welt wartet, nicht auf Bilder von braunen Nazi-Horden, geführt
Herr Leichsenring, ich habe Ihren Geschäftsordnungsantrag gesehen, aber ich denke, das Thema hat sich jetzt erledigt, denn ich kann den Redner aufgrund eines Geschäftsordnungsantrages nicht unterbrechen.
Meine Damen und Herren, es haben CDU- und SPDFraktion als Einreicher gesprochen. Der Staatsminister bat um das Wort, um an dieser Stelle seine Ausführungen machen zu können. Bitte, Herr Jurk.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es so halten wie gestern. Der Antrag ist eingebracht und er erbittet einen Bericht der Sächsischen Staatsregierung. Diesen will ich jetzt abliefern. Ich will gern feststellen, dass der Kollege Nolle sehr wohl zum Thema gesprochen hat: Zukunft Sachsens. Der Freistaat Sachsen stellt sich gern dem internationalen Wettbewerb und wird seit einigen Jahren auch von vielen Wirtschaftsforschungsinstituten in internationale Bewertungen einbezogen. Wir sind froh darüber, denn wir wollen in Sachsen keine Nabelschau betreiben. Wir wollen vielmehr wissen, wo wir wirklich stehen und wie uns unabhängige Dritte beurteilen. Dies hat Sachsen dazu bewogen, sich an dem dreistufigen Wettbewerb des in London erscheinenden Wirtschaftsmagazins „fDi Foreign Direct Investment“ der Financial-Times-Gruppe zu beteiligen und sich um den Titel „European Region of the Future 2004/2005“, also „Europäische Zukunftsregion 2004/2005“, zu bewerben.
Ich darf Ihnen die Voraussetzungen erläutern, die für diese Auszeichnung ausschlaggebend waren. Der Fragebogen enthielt 33 Kriterien in acht Kategorien. Die acht Kategorien möchte ich kurz nennen: Wirtschaftspotenzial, Kosteneffizienz, Arbeitskräfte, Telekommunikationsund IT-Infrastruktur, Lebensqualität für Ausländer, Transport, Sicherheit, beste Strategie zur Akquise von ausländischen Direktinvestitionen. Den acht Kategorien wurden entsprechende Kriterien, wie zum Beispiel Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, Höhe der Büromieten, Telefonanschlüsse pro 1 000 Einwohner, Förderprogramme für Investoren oder der Anteil der Bevölkerung mit Hochschulabschluss, zugeordnet.
All dies hat die landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft WFS mit Akribie zusammengestellt. In der ersten Stufe, also dem innerdeutschen Wettbewerb, gewann Sachsen den Titel „German Region of the Future 2004/2005“. In der zweiten Wettbewerbsstufe gewann Sachsen den Wettbewerb in Westeuropa und errang damit den Titel „Western European Region of the Future 2004/2005“. Im gesamteuropäischen Maßstab, also der dritten und letzten Stufe, belegte Sachsen den 2. Platz – worauf Herr Rasch bereits hingewiesen hat – nach Schottland und vor Ungarn. Zusätzlich wurden europaweit Preise in den genannten acht Kategorien vergeben. Dabei erreichte unser Land zwei zweite Plätze in den Kategorien „Beste Arbeitskräfte“ und „Beste Telekommunikations- und IT-Infrastruktur“. Ein Sonderpreis wurde schließlich noch für die ausländischen Direktinvestitionen vergeben. Sachsen erhielt dieses Prädikat für Westeuropa. Grund dafür war die erneute AMD-Investition am Standort Dresden.
Die vorgelegten Ergebnisse sind sehr positiv und sprechen für den Standort Sachsen. Ich darf einmal zitieren, wie die Jury bereits bei der ersten Stufe ihrer Bewertung begründete: „Sachsens Kostenvorteile brachten das Land nach oben. Die Juroren waren aber auch beeindruckt von seinen ökonomischen Potenzialen, seiner Infrastruktur und den Investitionen. Das Land registrierte im Jahr 2003 77 Ansiedlungen von deutschen und ausländischen Firmen, die mehr als 3 800 Arbeitsplätze geschaffen haben. Herausragende Investitionen stammen von Hitachi aus Japan, Linama aus Kanada und Magnetto aus Italien.“ Dass es sich hierbei nicht um Zufallsergebnisse handelt, zeigen weitere gute Nachrichten der vergangenen Wochen. Ich erinnere nur daran, dass unter den 100 größten Unternehmen der neuen Länder jedes dritte seinen Sitz in Sachsen hat, oder an die „Wirtschaftswoche“, die Sachsen im Länder-Ranking den ersten Platz zusprach.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, meine sehr verehrten Damen und Herren: Sachsen ist ein Standort, mit dem man international rechnen muss.
Es ist in Mode gekommen, die Probleme der Wirtschaft in Deutschland, gerade im internationalen Vergleich, hervorzuheben und Fehlentwicklungen anzuprangern. Da ist es umso erfreulicher, wenn wir ehrlicherweise sagen können: Wir können stolz sein auf das bisher Erreichte.
Natürlich versperren uns Erfolge nicht den Blick auf die schwierige Arbeitsmarktsituation bei uns im Land. Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel. Dennoch, wir sollten diese Auszeichnungen zum einen als Ansporn und zum anderen als Verpflichtung nehmen, uns nicht auf dem bisher Erreichten auszuruhen. Denn es hat sich als richtig erwiesen, Schwerpunkte zu setzen und sächsische Stärken, wie wirtschaftliche Dynamik und Innovationskraft, hoch qualifizierte Fachkräfte, eine leistungsfähige Verkehrs- und Forschungsinfrastruktur, nachhaltig auszubauen. Wir brauchen die Wirtschaftsdynamik der Industrie, damit wir unser ehrgeiziges Ziel erreichen, bis zum Jahr 2020 eine selbsttragende Wirtschaft in Sachsen zu haben, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Ich will dazu meinen Teil beitragen.
Aber genauso wichtig, meine Damen und Herren, sind die Menschen bei uns im Land, die sich hinter dieser
positiven Entwicklung verbergen. Ihre Leistungen, ihr Fleiß, ihre Erfindungsgabe und Flexibilität haben diese Dynamik in Gang gesetzt. Sie sind es vor allem, die auf diese Auszeichnungen stolz sein können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kennen Sie den? Kennedy und Chruschtschow liefen um die Wette. Tags darauf war in der „Prawda“ zu lesen: „Während Kennedy nur Vorletzter wurde, belegte der Genosse Nikita Sergejewitsch einen hervorragenden 2. Platz.“
Meine Damen und Herren! Ihr Antrag, die Staatsregierung möge über die Ergebnisse eines Wettbewerbs eines in London erscheinenden Wirtschaftsmagazins berichten, endet mit der Zeile, Sie können nachlesen: „bei dem Sachsen einen hervorragenden 2. Platz belegt hat.“ Merken Sie was?
Allerdings, es gibt drei Unterschiede. Im fiktiven Wettlauf in den Sechzigern ging es um die Führung in der Welt. Der Wettbewerb, von dem wir heute reden, drehte sich um die Europameisterschaft der Regionen – und das Wichtigste –: Der erstgenannte Wettbewerb ist vorerst definitiv entschieden, wenn auch anders, als es den damaligen „Prawda“-Korrespondenten lieb gewesen sein mag.
Meine Damen und Herren, bitte sehen Sie mir die Drastik meines Vergleichs nach, aber diese unfreiwillige Situationskomik drängt sich regelrecht auf, bedenkt man die Begleitumstände.
Bei der Preisübergabe einer ähnlich gewichtigen Trophäe, Herr Rasch hat davon bereits gesprochen, berichten undementiert unsere heutigen „Prawda“-Korrespondenten: „Vielleicht gibt es doch einen Zusammenhang zwischen wissenschaftlichen Ergebnissen und Wahlergebnissen.“ Auch das ist mittlerweile entschieden und wiederum anders, als es ihm, dem damals Geehrten, und den meisten Korrespondenten lieb gewesen ist. Die zitierte Aussage des damaligen und heutigen Ministerpräsidenten datiert auf den 9. September 2004. Zehn Tage später war die Wahl, mit deren tatsächlichen Ergebnissen wir uns nun in der Praxis herumärgern.
Meine Damen und Herren! Damit habe ich schon fast den Bogen geschlagen zum Ernst der Sache, doch nur fast, weil ich mir drei weitere spitze Bemerkungen einfach nicht verkneifen kann.
Zweitens. Die Einzigen, die in dem Wettbewerb, der Vorwand der unserer heutigen Selbstlobdebatte ist, immer noch vor uns liegen, wie bereits erwähnt, sind die Schotten. Wenn das nicht Symbolkraft hat.
Letztens: Man kann ja über Prof. Milbradt denken, wie man will, aber wenn ich jemandem Stolz auf das wesentlich von ihm Geprägte zubillige, dann ihm. Oder? Doch der heutige Antrag trägt zwei Unterschriften. Da bin ich
dann schon leicht irritiert, erinnere ich mich doch noch lebhaft einer vor wenigen Monaten hier in diesem Raum durchgeführten heftigen Debatte unter der markigen Überschrift: „Die sächsischen Kommunen im Würgegriff der Staatsregierung“. Herr Jurk, Sie riefen mir damals wutentbrannt zu: „Dann gehen Sie doch gleich in die Regierung!“ – Auch hier hat das Leben anders entschieden.
Meine Damen und Herren! Nun endgültig zum wahren Leben: Was ist ein solcher bestellter Wettbewerb, neudeutsch: Performance-Ranking, wirklich wert? Worin liegen seine spezifischen Eigenschaften?
Einmal ganz abgesehen von diesem unsäglichen Trieb, überhaupt permanent alle möglichen und unmöglichen Dinge vergleichen zu wollen, überall Wettrennen zu veranstalten: Standortwettbewerb, Konkurrenzföderalismus, Wer wird Millionär?, Wer ist der beste Deutsche-Castingshows ohne Ende, ohne jemals zu fragen, welche Nebenwirkungen damit ausgelöst werden, denn dieses Prinzip produziert zwangsläufig neben den Gewinnern auch unzählige Verlierer mit allen bösen mentalen Folgen.
Doch zurück zum heutigen Thema. Verglichen werden bei einem solchen Wettbewerb, den sich so nur neoliberale Ideologen ausgetüftelt haben können, nicht fundamentale Daten der klassischen Ökonomie, wie Bruttoinlandsprodukt, Arbeitsproduktivität, Wohlstand oder so etwas, sondern die Veränderung selbst gewählter Größen, für die es keine vorgegebenen Kriterien gibt in einem ebenfalls selbst definierten Zeitraum.