Protocol of the Session on January 21, 2005

Ich bleibe dabei: Mein Thema bei der Einsatzproblematik in der Loschwitzer Straße sind nicht die handelnden SEK-Beamten, nicht die – ich sage es einmal so hemdsärmlig –, die den Hintern hinhalten. Mein Problem ist: Mit welcher Konsequenz wird von denjenigen, die die politische Verantwortung in diesem Fall haben, dafür gesorgt – das beginnt beim Staatsminister, geht über das LKA und geht meinetwegen auch über den den Einsatz anfordernden Leiter der Kriminalpolizeiinspektion Dresden –, dass bei jedem dieser Einsätze im Grundsatz nach Recht und Gesetz verfahren wird? Darin eingeschlossen die entsprechenden Bestimmungen zur Durchsuchung zur Nachtzeit, zur Beiziehung unbeteiligter Zeugen, zur Problematik der Sicherung der entsprechenden Beweise etc. pp.

Da gibt es zunächst einmal nirgendwo eine Abweichung von dem, was Standard ist. Herr Bandmann, das Problem ist nicht, dass wir in der Regel beim SEK damit rechnen können, dass ein ermittlungsrichterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegt. In vielen Handlungen wird das SEK der Natur der Sache nach wirklich wegen Gefahr im Verzug zum Einsatz kommen. Wo es denn allein darauf ankommt, dass der Leiter des Ermittlungsverfahrens, wenn es den gäbe, der Staatsanwalt oder meinetwegen der kommandierende Polizeieinsatzführer exakt dafür sorgt, dass sich nach Recht und Gesetz bewegt wird; dort liegt letzten Endes – auf den Punkt gebracht – unser Problem.

Die Geheimhaltungstuerei ist ja keinesfalls für alle Länder der Bundesrepublik Deutschland in gleicher Weise

so. Ich konnte leider nicht an der entsprechenden Anhörung im Innenausschuss teilnehmen. Sie hätte mich sehr interessiert. Dort soll der Herr Staatsminister gesagt haben, dass es ein Abkommen oder eine Absprache zwischen den Innenministern gebe, dass man über die Problematik von Strukturen bzw. Einzelheiten das SEK betreffend Stillschweigen bewahrt und demzufolge auch den Abgeordneten nichts sagt. Abgesehen davon, dass das an allen Verfassungsgerichtsrechtsprechungen vorbeigeht, müsste man wenigstens in geschlossener Sitzung und der entsprechenden Geheimhaltungsstufe die Abgeordneten informieren.

Wenn wir so weit sind, dass nicht einmal die Abgeordneten Auskunft darüber bekommen – du lieber Himmel! Aber das sei einmal dahingestellt. In Baden-Württemberg kann es jeder in einem gewissermaßen jährlich dargestellten Modell nachlesen. Das ist für jeden ohne weiteres aus dem Internet herunterzuladen. Das ist die vertikale und horizontale Bewertung der Unterlagen der Polizei in Baden-Württemberg, Stand März 2003. Dort wird en détail geschildert, was der Bürger zum Spezialeinsatzkommando Baden-Württemberg wissen will und wissen darf.

Bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, ich trage dann noch einmal vor. Noch einmal auf den Punkt gebracht: Bevor ich mit Sachkunde über Pannen und Nebenwirkungen etc. pp. debattieren kann – insofern geht es eben nicht nur um das konkrete materielle Beispiel, von dem Sie sprechen, Herr Bandmann –, gilt es vor dem Landtag offen zu legen: Was ist denn eigentlich das SEK? Wozu wird es eingesetzt? Und wer kontrolliert es?

Danke schön.

(Beifall bei der PDS, der FDP und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Ich erteile der SPD-Fraktion das Wort. Herr Bräunig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir heute in dieser Debatte nichts anderes tun, als die Debatte von vorgestern fortzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sehe hier keine neue Sachlage.

(Dr. André Hahn, PDS: Aber wir!)

Das ist sicherlich auch im Sinne der Antragsteller. Man will das Thema breittreten, soweit es nur irgend geht.

Wir haben im Laufe dieser Debatte – und ich springe einmal zu vorgestern zurück – eine Reihe von teilweise sehr ausführlichen rechtlichen Würdigungen vernehmen können, gespickt mit allerlei juristischen Spitzfindigkeiten.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, PDS)

Meine Herren Rechtsanwälte,

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, PDS)

für Nichtjuristen und für Personen, die vom Strafverfahrensrecht an und für sich keine nähere Kenntnis haben – ich nehme mich da einmal aus –, war das schon hart an der Schmerzgrenze. Ich für meinen Teil fand die Ausführungen sehr interessant, zumal die Herren in ihrer rechtlichen Würdigung der Ereignisse von Loschwitz durchaus zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind.

Ich will das nicht weiter thematisieren. Ich möchte ein Thema ansprechen und in der Kürze der Zeit ein paar Worte darüber sagen: Was ist denn das Spezialeinsatzkommando? Was macht das Spezialeinsatzkommando? Das kam hier in der Diskussion ein bisschen zu kurz.

Ich würde die Älteren unter Ihnen einmal bitten, sich rund 32 Jahre zurück zu erinnern. Wir schreiben den 5. September 1972. In München finden gerade die Olympischen Sommerspiele statt. An diesem Tag überfallen Terroristen das Olympische Dorf, töten zwei Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft und nehmen neun weitere als Geiseln.

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Das ist dieser Punkt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Sie missbrauchen diese Tragödie!)

Nein, nein, ich komme noch darauf.

Weiter zur Geschichte des SEK. Beim Versuch, die Geiseln zu befreien, kommen diese ums Leben, weil einer der Täter es geschafft hatte, vor dem Zugriff der Polizei eine Handgranate zu zünden. Die Polizei war mit dieser Einsatzsituation damals eindeutig überfordert, weil man bis dato auf solche Einsatzlagen überhaupt nicht vorbereitet war.

Das ist anerkanntermaßen eines der entscheidenden Ereignisse gewesen, die dazu geführt haben, dass 1974 die Innenministerkonferenz einen Beschluss für die Aufstellung von Spezialeinheiten der Länder und des Bundes zur Bekämpfung von Terrorismus gefasst hat. Das war die Geburtsstunde der Spezialeinsatzkommandos, meine Damen und Herren.

(Heinz Eggert, CDU: Bis zum finalen Rettungsschuss!)

Mittlerweile – 30 Jahre später – hat jede Polizei in Deutschland ein Spezialeinsatzkommando. Bei der Bundespolizei, wo ich herkomme, sind das meine Kollegen von der Grenzschutzgruppe 9 – GSG 9 –; dürfte auch bekannt sein.

Die Kriminalität hat sich natürlich in den letzten 30 Jahren gewandelt, weiterentwickelt, und im Gegenzug haben sich auch die Spezialeinsatzkommandos diesem Trend angepasst. Im heutigen polizeilichen Tagesgeschäft, meine Damen und Herren, unterstützt das Spezialeinsatzkommando den polizeilichen Einzeldienst in besonderen Einsatzlagen. Festnahmen, Durchsuchungen – Herr Bandmann hat es angesprochen – im Bereich

der organisierten Kriminalität seien hier beispielhaft aufgeführt. Die Bandbreite geht aber weiter: Personenschutz, Objektsicherung, Observation gehören auch zum Aufgabenspektrum. Das SEK moderner Prägung ist eine vielseitig verwendbare Serviceeinheit für den polizeilichen Alltag. So kann man das eigentlich zusammenfassen.

Aufgrund der Bandbreite und der Vielseitigkeit der Aufgaben wird auch deutlich, dass das Bild, das große Teile der Presse, aber auch einige Landtagsabgeordnete verbreiten – Herr Bartl, auch wenn Sie heute ausgeführt haben, Sie machen dem SEK keinen Vorwurf, sagen Sie im gleichen Atemzug aber: Das ist eine Horde von martialischen Rambos, die nichts anderes beherrschen als Reinhauen, Umhauen und dann wieder Abhauen –, völliger Blödsinn ist.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wenn Sie es dennoch nicht glauben, dann empfehle ich Ihnen, einfach einmal ein Eignungsauswahlverfahren beim SEK mitzumachen oder – vielleicht besser – sich darüber zu informieren, weil das möglicherweise gesünder ist. Denn ohne überdurchschnittliche Fitness, körperliche Fitness, physische und psychische Belastbarkeit, Stressresistenz, hohe soziale Kompetenz, uneingeschränkte Teamfähigkeit, ohne diese Eigenschaften hat man dort keine Chance, angenommen zu werden, geschweige denn, die Spezialausbildung zu überstehen, die sich anschließt, falls man die umfangreichen Einstellungstests bestanden hat.

Bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Ich wollte eigentlich nur noch einmal klarstellen, dass das schiefe Bild, das die mediale Öffentlichkeit im Moment von den Spezialeinsatzkommandos vermittelt, einfach nicht der Realität entspricht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Habe ich ein schiefes Bild von der Welt?)

Ich habe hier noch eine Zahl auf meinem Zettel stehen: 140. Das will ich noch loswerden. 140 Einsätze ist so der Durchschnitt, den das Spezialeinsatzkommando im Jahr durchführt. Die meisten dieser Einsätze gehen unspektakulär zu Ende.

Zum Vergleich: Wir bringen es in fünf Jahren wahrscheinlich auf 110 Landtagssitzungen und wir schaffen es, bei jeder einzelnen Sitzung den einen oder anderen Skandal zu produzieren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten uns bereits bei

der Drucksache 4/0405 ausführlich zum Thema „SEK“ geäußert, deshalb möchte ich mich hier kurz fassen. Ich gebe zu, dass ich keinen allumfassenden Überblick über alle Einsätze habe und auch nicht haben kann, das ist ganz normal. Wenn hier die Fälle „Schmökel“ oder „Kofferbomber“ erwähnt werden, dann ist der Einsatz sicher gerechtfertigt, das ist keine Frage. Wir möchten uns aber noch einmal eindeutig gegen den Missbrauch des SEK aussprechen, der sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht. Wer gestern „Kontraste“ gesehen hat, wird nach dem Beitrag über Dresden auch den Beitrag über Brandenburg gesehen haben, – –

(Zurufe von der PDS: Der war gut!)

Ja, der war gut; das gefällt Ihnen. – Keine Party ohne SEK – wenn das der Rechtsstaat sein soll, ohne dass vorher eine Straftat stattgefunden hat, dann gute Nacht, Rechtsstaat! Wenn also schon politische Missliebigkeit für einen SEK-Einsatz ausreicht, dann sind wir weit gekommen.

Ich habe schon zahlreiche Polizeieinsätze erlebt. Einmal durfte ich auch das SEK live bewundern. Wenn man dann sieht, wie auf Schwangere eingeschlagen wird, wie Kinder niedergetreten werden und die Bemerkung gemacht wird: „Dann gibt es einen weniger von euch!“, dann hört der Spaß auf. Wenn dann noch soziale Kompetenz erwähnt wird, tut es mir Leid. Die zwei gescheiterten – und der vielleicht bald strauchelnde – Innenminister können das vielleicht bestätigen. Auf alle Fälle: Sehen Sie nach, was das SEK bereits politisch angerichtet hat. Ich glaube, Sie waren damals verantwortlich, Herr Eggert.

(Heinz Eggert, CDU: Wo sind denn Kinder niedergetreten worden?)

Ja, in Schildau. Das wissen Sie nicht mehr!

Ich bitte Sie, ans Mikrofon zu kommen, wenn Sie eine Frage stellen wollen.