Protocol of the Session on June 5, 2007

Von Anfang an haben wir davor gewarnt, dass eine solche Regelung nicht zu mehr Transparenz und entschiedener Strafverfolgung führen wird, sondern diese im Gegenteil massiv erschweren würde. Die jüngsten Ereignisse haben uns recht gegeben.

Um solche Vorgänge, wie wir sie jetzt erleben, möglichst zu verhindern, hatte die damalige PDS-Fraktion eine Normenkontrollklage beim Verfassungsgericht eingereicht, die schließlich auch Erfolg hatte. Im Juli 2005 entschieden die Leipziger Richter, dass die von der CDU durchgedrückte Zuordnung der OK zum Verfassungsschutz die Landesverfassung verletzt. Für den Übergangszeitraum bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes wurden für eine Fortsetzung der Beobachtung der OK sehr enge Grenzen gesetzt. Diese war danach nur dann zulässig, wenn durch die Aktivitäten der jeweiligen Gruppierung eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu befürchten war. Spätestens ab diesem Zeitpunkt musste sowohl dem Innenministerium als auch dem Verfassungsschutz klar sein, dass die Beobachtungsbefugnis für die OK ausläuft. Es hätten zwingend Vorkehrungen getroffen werden müssen, dass die bis dato gesammelten Daten rechtzeitig zusammengefasst, Vorgänge abgeschlossen und zutage getretene Straftaten den zuständigen Ermittlungsbehörden übergeben werden. All dies ist jedoch nicht erfolgt.

Mitte 2006 lief die vom Gericht gewährte Gnadenfrist ab und der Landtag beschloss die geforderte Gesetzesnovelle. Doch weder die Staatsregierung noch die CDU-/SPDKoalition trafen dafür irgendwelche Übergangsregelungen, die eine ordnungsgemäße Abwicklung des beim Verfassungsschutz bestehenden OK-Referates ermöglichten, und es wurden auch keine Aussagen zum Verbleib der dort angelegten Akten gemacht. Das wurde jetzt zum Verhängnis, als der Datenschutzbeauftragte seine Prüfung vornahm.

Angesichts auch öffentlicher Kritik am Agieren von Herrn Schurig sei hier noch einmal betont: Ohne die Aktivitäten des Datenschutzbeauftragten hätte sowohl die Öffentlichkeit als auch die PKK vermutlich nie von den brisanten Akten erfahren. Gerade ihm jetzt Vertuschung vorzuwerfen halten wir für falsch.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Fakt ist: Wenn es unsere Klage beim Verfassungsgericht und die darauf basierende Kontrolle des Datenschützers

nicht gegeben hätte, wären die Unterlagen über kurz oder lang in der Versenkung verschwunden. Wir als Linksfraktion sind sehr froh darüber, dass dies nicht geschehen ist. Insofern ist es geradezu absurd, wenn der Ministerpräsident angesichts der nun eingetretenen Situation öffentlich darüber nachdenkt, das Verfassungsschutzgesetz erneut zu ändern und den Geheimdienst – entgegen dem Urteil der Leipziger Richter – doch wieder mit der Beobachtung der OK zu beauftragen.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat Georg Milbradt wirklich nicht begriffen, wo die Ursachen für den aktuellen Skandal liegen, oder aber er nimmt bewusst in Kauf, dass der Verfassungsschutz unter dem Vorwand der Bekämpfung der OK weiter Aktenberge sammelt, wodurch zwar die Strafverfolgung be- oder gar verhindert wird, aber vielleicht Material zusammenkommt, das man später womöglich zu anderen Zwecken einsetzen kann. Beides wäre völlig inakzeptabel. Herr Ministerpräsident, mit Ihren Beschimpfungen gegen die Linksfraktion und Ihren abwegigen Behauptungen, unsere Klage sei schuld am eingetretenen Zustand, werden Sie in der Bevölkerung mit Sicherheit keinen Blumentopf gewinnen!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Im Übrigen wird zunehmend klarer, warum die CDU vor mehr als zehn Jahren mit allen Mitteln zu verhindern versuchte, dass die PDS einen Sitz in dieser PKK erhält.

(Volker Bandmann, CDU: Sie wollten die PKK auflösen und abschaffen!)

Diesen Platz mussten wir uns erst beim Verfassungsgericht einklagen, Herr Bandmann. Die CDU wollte sich nicht in die Karten schauen lassen und hatte ganz offensichtlich etwas zu verbergen. Heute zeigt sich, wie wichtig es ist, dass wir nun sogar mit zwei Abgeordneten im Kontrollgremium sitzen; denn mit uns wird es definitiv keine Vertuschung von Skandalen geben!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die PKK hat auf ausdrücklichen Wunsch des Innenministers die vom Datenschützer gerügten Vorgänge intensiv geprüft – das Ergebnis liegt nunmehr vor –, und es war nicht zuletzt der öffentliche Druck, der dazu beigetragen hat, dass inzwischen eine, wie wir meinen, ebenso richtige wie überfällige Entscheidung getroffen worden ist: gegen eine Vernichtung der Akten und für die Ermöglichung der Strafverfolgung. Die Vertreter der Linksfraktion nehmen für sich in Anspruch, dazu maßgeblich beigetragen zu haben. Die Beschlüsse der PKK tragen deutlich unsere Handschrift; wir haben uns in den zentralen Punkten durchsetzen können.

(Gottfried Teubner, CDU: Eure Leute haben keine Termine gefunden!)

Dies, Herr Kollege Teubner, war natürlich nur möglich, weil sich auch die Vertreter der Koalition spürbar bewegt haben – wofür wir durchaus dankbar sind.

Bei allen Differenzen im Detail will ich hier eines öffentlich klarstellen: Am Ende waren wir uns in der wirklich entscheidenden Frage in der PKK fraktionsübergreifend einig: Wir wollen alles rechtlich Mögliche tun, damit nichts unter den Teppich gekehrt wird.

(Heinz Lehmann, CDU: Das ist normal!)

Ich füge allerdings hinzu: Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte die Übergabe der Akten zur Strafverfolgung bereits vor Monaten erfolgen können.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Lachen bei der CDU und der SPD – Zurufe)

Hören Sie erst einmal zu – ich verstehe ja Ihre Aufregung!

Insofern bin ich überrascht – da meine ich ausdrücklich nicht Sie, Herr Kupfer, wenn Sie sich jetzt angesprochen fühlen sollten –, wer sich so in den letzten Tagen alles für eine rückhaltlose Aufklärung der Angelegenheit ausgesprochen hat;

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Was glauben Sie denn?!)

denn insbesondere im Innenministerium – da meine ich jetzt auch nicht den Minister – haben offenbar hochrangige Beamte bis zuletzt vehement gegen eine Weitergabe der Akten gekämpft und wollten diese mit 60 Jahren Sperrfrist ins Staatsarchiv versenken. Dass wir das nicht mitgemacht haben, war richtig, und das war eine wichtige Entscheidung der Parlamentarischen Kontrollkommission.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Klar ist aber auch: Die jetzt beschlossene Weitergabe der Unterlagen macht nur Sinn, wenn wirklich ohne Ansehen der Person und ohne Rücksicht auf politische Konstellationen ermittelt wird. Wir haben erhebliche Zweifel, dass dies in Sachsen sichergestellt werden kann.

Aufgrund der Erfahrungen in mehreren parlamentarischen Untersuchungsausschüssen bleiben wir bei unserer Position: Der derzeitige sächsische Generalstaatsanwalt ist das personifizierte Gegenteil von parteipolitisch unabhängigen Ermittlungen und deshalb völlig ungeeignet, die jetzt erforderlichen Untersuchungen zu leiten bzw. zu beaufsichtigen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Karl Nolle, SPD: Sehr richtig!)

Herr Justizminister, wenn Sie uns nicht glauben, dann hören Sie wenigstens auf den renommierten Verfassungsrechtler Paeffgen, dessen Urteil vernichtend ist.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Es kann doch niemand ernsthaft wollen, dass die Akten am Ende bei Ermittlungsbehörden landen, die womöglich selbst von den Vorwürfen betroffen sind.

Wir haben ja mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass der Justizminister öffentlich erklärt hat, er wolle eine Handvoll ausgesuchte und integre Beamte mit der Untersuchung beauftragen. Ich frage aber: Wenn bislang

überhaupt nur ein verschwindend geringer Bruchteil der Akten weitergegeben wurde, wie kann dann Herr Mackenroth sicherstellen, dass keine belasteten Personen an den Ermittlungen beteiligt werden? Wir haben aus diesem Grund gefordert, dass die brisanten Akten der Generalbundesanwaltschaft und dem Bundeskriminalamt übergeben werden, weil dort eine Involvierung von potenziell Beschuldigten und eine politische Einflussnahme durch die Staatsregierung weitgehend ausgeschlossen sind. Wir sind froh darüber, dass die PKK dieser Forderung gefolgt ist, und dies steht auch in unserem Antrag. Die Koalition kann heute beweisen, dass sie das auch will; in ihrem Antrag habe ich davon allerdings nichts gefunden.

Wir haben kein Verständnis dafür, dass sich der Generalstaatsanwalt in Sachsen hartnäckig weigert, die Führung der Ermittlungen an das Bundeskriminalamt abzugeben. Im PKK-Gesetz ist im § 4 ausdrücklich geregelt, dass das BKA die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahrnimmt, sofern eine zuständige Landesbehörde darum ersucht. Das ist bis zum heutigen Tag nicht geschehen.

Deshalb fordern wir in unserem Antrag, diese Möglichkeit endlich zu nutzen. Wenn der Justizminister wirklich für unabhängige Ermittlungen ist und den Verdacht von Mauscheleien ausschließen will – wie er ständig beteuert –, dann muss er dafür sorgen, dass das BKA die Fälle übernimmt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Mackenroth: Der als großer Coup verkaufte Rückgriff auf einen vermeintlich völlig unabhängigen Richter aus Baden-Württemberg ist mit Sicherheit keine Lösung. Zum einen gibt es für dessen Tätigwerden keine Rechtsgrundlage und er hat keinerlei Befugnisse, und zum anderen ist es geradezu abenteuerlich, einen Mann aus jenem Land heranzuziehen, aus dem ein erheblicher Teil heutiger sächsischer Richter und Staatsanwälte stammt. Man kennt sich halt schon aus Studienzeiten – ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

(Zurufe von der CDU und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Starke Unruhe)

Auch das Innenministerium hat versagt. Viel zu lange hat man die Verfassungsschützer schalten und walten lassen, wie sie wollten, und über die Frage,

(Anhaltende starke Unruhe)

über welche Vorgänge gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission berichtet wird, entscheidet in letzter Konsequenz der Innenminister.

Auch was die Übergabe der Akten an die Strafverfolgungsbehörden angeht, hat sich Herr Buttolo nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Es ist nicht nachvollziehbar, warum über Jahre hinweg relevante Straftatbestände ohne erkennbare Hinderungsgründe nicht an die zuständigen Behörden übergeben wurden. Viele Dinge hätten längst bei der Strafverfolgung, bei der Staatsanwaltschaft liegen

können – nicht zuletzt, um in dem einen oder anderen Fall den Eintritt von Verjährung zu verhindern.

Wir wollen Klarheit schaffen. Deshalb fordern wir Auskunft über folgende Fragen:

Wer trägt die politische und juristische Verantwortung dafür, dass offenkundig bereits Mitte der Neunzigerjahre ernsthafte Bestrebungen, den kriminellen Netzwerken im Justiz- und Polizeibereich das Handwerk zu legen, letztlich gescheitert sind und stattdessen jene gemaßregelt und verfolgt wurden, die sich für eine derartige Aufklärung einsetzten?

Welche Vorgaben und welche Richtlinien bezüglich der Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz gab es seitens der früheren Innenminister Horst Rasch und Thomas de Maizière?

Warum wurde die Parlamentarische Kontrollkommission durch das Innenministerium und den Verfassungsschutz über Jahre hinweg entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht unterrichtet, obwohl es sich doch offenkundig um Vorgänge von besonderer Bedeutung handelt? Herr de Maizière hat Ende vergangener Woche zugegeben, dass er Kenntnis von den Akten hatte, die PKK aber wegen angeblich unzureichender Erkenntnisdichte nicht informiert wurde. Ich frage hier: Ist es wirklich zutreffend, dass er seinem Nachfolger, Herrn Buttolo, von diesen Leichen im Keller des Ministeriums nichts gesagt hat,

(Zuruf von der CDU: Da müssen Sie in die Tiefgarage gehen!)

ihn in keiner Weise in Kenntnis gesetzt hat; denn Herr Buttolo beteuerte ja öffentlich, erst jetzt davon erfahren zu haben?

(Jürgen Gansel, NPD: Schlechter Informationsfluss!)

Warum wurde nach dem Urteil der Verfassungsrichter keine geordnete Übergabe vorbereitet?

Weshalb wurden Erkenntnisse über schwere und schwerste Straftaten nicht an die zuständigen Behörden weitergeleitet?