Protocol of the Session on May 10, 2007

(Holger Zastrow, FDP: Quatsch! – Alexander Delle, NPD: Das hat doch Ihre Partei mitgemacht! – Weitere Zurufe von der NPD)

Bei Ihnen hat es die ganze Partei mitgemacht, bei uns hat es möglicherweise ein Teil der Fraktion mitgemacht. Das ist bekannt und damit haben wir uns auch kritisch auseinandergesetzt. Das werden wir auch künftig tun. Das enthebt mich noch lange nicht des Rechts, hier kritisch zu etwas Stellung zu nehmen, was für uns Folgen haben wird, über die Sie sich noch wundern werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Die vierte Position. Ja, wir brauchen neue Möglichkeiten der Mitwirkung älterer Menschen. Ich will das nur kurz streifen. Wir werden Ihnen aber demnächst ein Seniorenmitwirkungsgesetz für den Freistaat Sachsen präsentieren. Das ist dringend nötig.

Ich bin sehr dankbar für das große bürgerschaftliche Engagement gerade auch bei den Älteren. Aber die Rahmenbedingungen dafür müssen verbessert werden.

Die fünfte Position. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen einen solidarischen Umgang innerhalb der Generationen, zwischen den Generationen. Ich sage ganz bewusst an dieser Stelle: Es muss Schluss damit sein – insbesondere aus den Reihen Ihrer Partei, damit wir wieder die Satisfaktion hergestellt haben –,

(Zuruf der Abg. Rita Henke, CDU)

dass insbesondere jüngere Leute einen Generationenkonflikt heraufbeschwören und meinen, dass es nicht sein dürfe, dass ältere Menschen auf Kosten der jüngeren leben. Das muss beendet werden. Wir werden nur weiterkommen, wenn wir solidarisch zwischen den Generationen miteinander umgehen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Bitte kommen Sie zum Schluss!

Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich noch Folgendes sagen: Die Aktuelle Debatte hat sicher viele Meinungen hervorgebracht und wir haben viele Argumente ausgetauscht. Aber ansonsten sind wir, glaube ich, keinen Schritt weitergekommen. Es geht jetzt darum, weniger zu debattieren, sondern vielmehr Nägel mit Köpfen zu machen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte Frau Staatsministerin Orosz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vorweg einen Satz an Herrn Dr. Pellmann und Frau Herrmann. Ich bin schon verwundert, dass Sie die Notwendigkeit dieser Aktuellen Debatte

infrage stellen, ist doch dieses Thema – ich glaube, dass das inzwischen bei allen angekommen ist – eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Ich denke, dass eine Debatte zu diesem wichtigen Thema nicht nur zu bestimmten Anlässen zu führen ist, sondern dass es Pflicht und Schuldigkeit der sächsischen Parlamentarier ist, die Möglichkeit zu nutzen, öfter über dieses Thema zu sprechen, um tatsächlich voranzukommen und Nägel mit Köpfen zu machen, wie das heute schon angesprochen worden ist.

Meine Damen und Herren! In ganz Deutschland und sogar in der Europäischen Union wird dieses Thema derzeit auf vielfältigen Tagungen und Kongressen behandelt. Auch in Sachsen haben in der Vergangenheit dazu vielfältige Veranstaltungen stattgefunden, die uns zeigen, dass das Interesse an einer Diskussion zu diesem Thema sehr groß ist.

Sie wissen, dass die Sächsische Staatsregierung im vorigen Jahr mit einer Serie von Kongressen begonnen hat.

Der eine oder andere von Ihnen hat dankenswerterweise daran teilgenommen. Sie konnten feststellen, dass es Hunderte von Fachleuten und Interessierten gibt, die sich diesem Thema widmen und in der Tat Interesse für eine umfangreiche Diskussion zeigen.

Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich der Koalition sehr dankbar, dass sie dieses Thema für eine Aktuelle Debatte heute auf die Tagesordnung genommen hat. Ich darf Ihnen auch die Fragen beantworten. Frau Herrmann, wenn ich mich richtig erinnere, waren Sie beim Altenhilfekongress in diesem Jahr mit dabei, auf dem ich sehr deutlich gesagt habe, dass der Altenhilferahmenplan, nachdem er gemeinsam mit den Kommunen erarbeitet worden ist, in den nächsten Tagen in den Druck geht. Das Gleiche gilt für die Hospizkonzeption. Ich hoffe und wünsche, dass wir dann mit diesen Unterlagen weiter diskutieren. Der Einstieg heute ist aus meiner Sicht in jedem Fall notwendig; denn es hat sich gezeigt, dass sich der eine oder andere Redner mit diesem Thema noch nicht umfangreich befasst hat. Deshalb, meine Damen und Herren, freue ich mich auf die weiteren Diskussionen.

Nun zum Thema der Aktuellen Debatte. Wir hören dazu neben den fachlichen Auseinandersetzungen leider immer wieder Begrifflichkeiten wie Überalterung, Methusalemkomplex, Vergreisung, Generationenkonflikt und Alterslast. Diese Begriffe, meine Damen und Herren, sind in der Tat einer demografischen Entwicklung geschuldet. An den Begriffen stören mich die Vorsilben „über“ und „ver“. Beide suggerieren nämlich, dass es zu viel des Guten bzw. des Alten ist, und sie befördern teilweise die Meinung, dass die Alten das Problem sind. Diese Meinung, meine Damen und Herren, ist falsch, weil sie davon ausgeht, dass Alter automatisch mit Krankheit und Pflege verbunden ist. Das hat die Kollegin der PDS aus meiner Sicht nicht korrekt vorgetragen, indem sie sagte: Ich teile die Gruppen in drei und nenne die Mitte, sage die Hochaltrigen, die Pflegebedürftigen. Auch dort haben Sie diesen

falschen Kontext vorgetragen. Das zeigt, dass wir noch viel zu diskutieren haben.

(Zuruf der Abg. Rita Henke, CDU)

Die Realität zeigt uns etwas ganz anderes. Wir sehen eine große Gruppe in der Bevölkerung, die zwar aus Altersgründen nicht mehr erwerbstätig ist, aber keineswegs krank und pflegebedürftig, sondern in hohem Maße selbstständig, fit und bereit ist, sich in unsere Gemeinschaft weiter aktiv einzubringen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Durch die gestiegene Lebenserwartung, Herr Prof. Porsch, liegt heute für die meisten zwischen dem Ende der Erwerbstätigkeit und dem Beginn des hohen Alters eine äußerst aktive Zeitspanne, in der man kaum vom Ruhestand sprechen kann.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Dieses sogenannte dritte Lebensalter reicht in etwa vom 55. oder 60. Lebensjahr bis zum 75. bzw. 80. Lebensjahr. Die meisten dieser Älteren sind, wie wir nicht nur von uns, sondern auch von unseren Eltern wissen – Herr Zastrow hat es angesprochen –, noch sehr aktiv und vital. Sie erheben mit Recht Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe und Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft.

Bisher wurde die demografische Entwicklung meist so interpretiert, dass es zu wenige junge Menschen geben wird, die zu viele alte versorgen müssen. Aber auch diese Interpretation, meine Damen und Herren, geht von einem völlig unbestimmten und negativen Altersbegriff aus. Wer sagt denn, dass die 60- und 70-Jährigen nichts mehr beitragen können?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir nicht!)

Im Gegenteil – viele leisten wesentliche, oft von uns und der Gesellschaft unbemerkte Arbeit, ohne die unsere Gesellschaft an vielen Stellen nicht funktionieren könnte. Das reicht von Beispielen – kurz angesprochen – wie den Großeltern, die bei der Kinderbetreuung einspringen, bis hin zu den vielen zivilgesellschaftlich Engagierten, ob in Vereinen, bei den Grünen Damen oder auch in der Hospizbewegung.

Dieses Potenzial ist für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ganz wesentlich und es wird immer wichtiger werden. Wir werden es uns nicht leisten können, dies ungenutzt zu lassen. Wir müssen das Alter in der Tat neu denken: realistischer, differenzierter und ressourcenorientierter. Alle älteren und alten Menschen haben ein Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe in unserer Gesellschaft – gleich ob im dritten oder hohen, dem sogenannten vierten Lebensalter, gleich ob krank oder gesund und gleich ob leistungsfähig oder pflegebedürftig. Es ist unsere Aufgabe, differenzierte Wege und Möglichkeiten

zu finden, ihnen diese Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen.

Dieses Denken – davon bin ich überzeugt – ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die Altenhilfe auch in Sachsen neu auszurichten. Die Sächsische Staatsregierung sieht, davon ausgehend, folgende Veranlassung für die Altenhilfe in Sachsen:

Erstens. Die offensive Altenarbeit in den Kommunen muss, ausgehend von der veränderten Vitalität der älteren und alten Menschen, ein deutlich größeres Gewicht bekommen. Offene Altenarbeit soll die Potenziale dieser Generation im Interesse des Einzelnen und der Gesellschaft weiter fördern. Dazu gehören Angebote rund um das gesunde Altern oder zum lebenslangen Lernen sowie Angebote zur Integration älterer Menschen in unserer Gesellschaft. Das bürgerschaftliche Engagement ist dabei eine wesentliche Schnittstelle. Es ermöglicht sinnvolle Teilhabe und Mitbestimmung für die fitten Älteren unter uns.

Zweitens. Wir brauchen die neuen gemeinschaftlichen, auch generationsübergreifenden Wohnformen im Alter. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Kollege Albrecht Buttolo als Innenminister im Rahmen seiner Stadtumbauprogramme diese Notwendigkeit ebenfalls erkannt hat und für das Mehrgenerationenwohnen und das altersgerechte Wohnen zinsverbilligte Darlehen für Umbaumaßnahmen bereitstellen wird. Parallel dazu arbeiten wir auch in meinem Haus an einer neu ausgerichteten Fördermöglichkeit. Diese selbst gewählten Wohnformen, meine Damen und Herren, erfüllen zum einen den Anspruch auf Selbstbestimmung im Alter und zum anderen auf Leben in Gemeinschaft – nämlich dann, wenn familiäre Netzwerke nicht mehr tragen können. Sie beruhen auf gegenseitigem Nehmen und Geben und auf der Verbindung von Selbsthilfe und Solidarität.

Auf lange Sicht funktionieren aber auch diese Wohnformen nur, wenn wir gleichzeitig – das ist mein dritter Schwerpunkt – unseren Grundsatz „Ambulant vor stationär“ noch konsequenter umsetzen und die ambulante Pflege stärken und qualitativ weiterentwickeln. Die Hilfenetze müssen wohnquartiernah angesiedelt sein, damit Pflegebedürftige dauerhaft zufrieden und in hoher Lebensqualität in ihrer Wohnung leben können. Die Hilfenetze müssen Pflegearrangements bieten, bei denen alle medizinischen, pflegerischen und sozialen Dienste gut vernetzt und abgestimmt ihre jeweiligen Aufgaben leisten können.

Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte braucht ein Verständnis für alle Mitglieder in der Gesellschaft, für das Neudenken in der Altenhilfe und in den entsprechenden Strukturen zur Lebensweise der Menschen im Alter. Ich denke, Sie sehen es mir nach, dass meine Ausführungen nur ein Ausschnitt dessen sein können, was in unserem vorbereiteten Sächsischen Altenhilferahmenplan ausführlich dargestellt wird. Ich habe es bereits angekündigt: Dieser Plan wird in den nächsten Tagen in den Druck gehen und wir werden Ihnen diesen selbstverständlich schnell zuleiten. Ich freue mich schon heute auf die weitere Debatte zu diesem wichtigen Thema und gebe hiermit der Hoffnung Ausdruck, dass wir relativ schnell gemeinsam und überzeugend Nägel mit Köpfen machen können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von den Fraktionen der CDU und der SPD zum Thema „Altenhilfe in Sachsen – Herausforderungen und Perspektiven“, beendet.

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Den Orwell-Staat stoppen – Nein zu Online-Überwachung und Rundum-Kontrolle

Antrag der Fraktion der NPD

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der NPD das Wort. Die weitere Reihenfolge lautet: CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Herr Gansel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner 1946/1947 verfassten und 1949 veröffentlichten Negativutopie „1984“ entwirft der englische Schriftsteller, der sich das Pseudonym George Orwell gegeben hat, das Schreckensszenario eines totalitären Überwachungsstaates, der als Big Brother – als großer Bruder – alles und jeden immerzu ausspioniert und damit seiner Herrschaftskontrolle unterwirft.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Der hatte Ihre Vorfahren zum Vorbild!)

Luft holen, Herr Porsch! – Bei keiner Kritik an überwachungsstaatlichen Methoden – dazu könnten Stasispitzel wie Sie einiges sagen – fehlt seitdem der Bezug auf den Roman „1984“.

Der Name Orwell ist zu einem Alarmbegriff geworden, um vor den Gefahren staatlicher Rundum-Kontrolle mittels moderner Überwachungstechniken zu warnen. Erst am 30. April dieses Jahres fragte die Zeitung „Das Parlament“: „Im Schweinsgalopp zu Orwell?“. Das Fragezeichen hinter dieser Schlagzeile hätte sich die

Hofberichtpostille des etablierten Politikbetriebes aber getrost sparen können. Wir galoppieren nämlich längst in den Orwell-Staat, dessen oberster Architekt auf ziemlich kaltschnäuzige Art und Weise Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ist.