Protocol of the Session on March 16, 2007

Eigentlich nicht, ich wollte nur einen kurzen Beitrag erbringen, am Schluss dieser Debatte. Sie haben doch schon genug gesprochen. Ich beginne jetzt gerade zu sprechen und werde den Gedanken weiterentwickeln, sonst wird das Ganze immer nur von Ihren ideologischen Vorstellungen geprägt. Ich wollte nun einmal darstellen, wie die Situation wirklich ist.

Diese Kraftwerke, die wir demnächst brauchen, da die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, wollen die GRÜNEN nun auch nicht.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS: Wann und wie werden die Atomkraftwerke abgeschaltet, Herr Hähle? – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Sprechen wir einmal von dem energiepolitischen Schlaraffenland der Zukunft, in dem Milch und Honig fließen, sich die Windmühlen drehen, die Biogase strömen, die Solarkraftwerke unerschöpfliche Stromquellen bilden – außer nachts. Vielleicht haben wir – dies will ich einräumen – in 50 Jahren noch ganz andere Möglichkeiten, von denen wir heute noch nichts wissen.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS)

Es gibt jedenfalls, das ist ganz klar, eine Brücke, die von der Zukunft in die Gegenwart wächst. An dieser sollten und müssen wir bauen und forschen, darin sind wir uns vollkommen einig. Aber sie ist noch nicht tragfähig, da sie das hiesige Ufer noch nicht erreicht hat. Das heißt, wir müssen auch an der Brücke von der Gegenwart in die Zukunft weiterbauen, bis wir eines Tages den anderen Brückenteil erreichen und über das Gesamtbauwerk gehen können. Damit wir nicht abstürzen, müssen wir an den Zeitraum der nächsten Jahrzehnte denken und das nutzen, was uns heute (noch) zur Verfügung steht – so effizient wie möglich. Dazu gehört nun einmal die Braunkohle, die wir noch etliche Jahre brauchen, damit wir unsere Ziele: günstige Energiepreise für die Bevölkerung und die Industrie,

(Heike Werner, Linksfraktion.PDS: Günstige?)

den weiteren Aufbau unserer Industrie, die Schaffung weiterer Arbeitsplätze, die Verhinderung von Armut und was Ihnen gestern noch alles wichtig war, erreichen.

Ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns deshalb an beiden Brückenteilen bauen und legen Sie die Scheuklappen und Aufgeregtheiten ab; denn bei der Ernsthaftigkeit des Problems verbieten sich Scheingefechte mit der ideologischen Keule.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Herr Lichdi, Sie möchten noch einmal darauf reagieren? Sie haben noch eine Minute Redezeit. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Am Ende der Debatte, bevor die Staatsregierung spricht, möchte ich noch einige Richtigstellungen vornehmen.

Erstens. Es ist natürlich nicht so, dass die erneuerbaren Energien, auch die Sonnenenergie, nicht grundlastfähig wären. Dazu gibt es Forschungsbedarf; es ist aber lösbar.

(Heiterkeit bei der CDU)

Zweitens. Der Ministerpräsident hat uns vorgeworfen, wir wollten die Braunkohlenkraftwerke abschalten. Dies ist nicht richtig. Unsere Forderung geht dahin, dass wir nun mit einem neuen sächsischen Energieprogramm die Voraussetzungen schaffen, um, wenn die Braunkohlenkraftwerke abgeschrieben sein werden – dies wird ab dem Jahr 2015 der Fall sein –, auf diese schmutzigste Stromerzeugungsart zu verzichten.

(Dr. Karl Mannsfeld, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Lichdi, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Drittens. Ich würde mir wünschen, dass ein Vertreter der Staatsregierung hier endlich einmal diese falschen Zahlen über die Arbeitsplätze – die offensichtlich gezielt gestreut werden; Frau Dr. Runge sagte es bereits – richtigstellt. Frau Windisch hatte meine Frage nicht zugelassen. Es ist so: Wir haben 2 900 direkte Arbeitsplätze in der Braunkohlenindustrie, und wir haben jetzt 5 200 direkte Arbeitsplätze bei den erneuerbaren Energien. Die Tendenz ist so. Braunkohle: so; erneuerbare Energien: so. Nehmen Sie dies doch wenigstens einmal wirtschaftspolitisch zur Kenntnis!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Lichdi, bitte kommen Sie zum Schluss.

Sie spielen aus ideologischen Gründen mit der Zukunft Sachsens.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister Jurk spricht nun für die Staatsregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Redebeiträge der heutigen Debatte vermitteln bisweilen den Eindruck, als hätten die Zeiten des Klimawandels gerade erst begonnen. Richtig ist hingegen: Wir leben bereits seit Jahrzehnten in Zeiten des Klimawandels, seit mehr als 100 Jahren schon

produzieren die Menschen mehr Klimagase, als von den natürlichen Senken absorbiert werden können. Die Menschen entlassen den seit Jahrzehntausenden und Jahrmillionen in fossilen Rohstoffen gespeicherten Kohlenstoff durch Verbrennung als Kohlendioxid in die Atmosphäre. Zugleich vernichten sie in großem Maßstab die natürlichen CO2-Senken, etwa die tropischen Regenwälder.

Die Ursachen des Klimawandels haben also schon vor Generationen begonnen. Seit mindestens einer Generation gibt es aber bereits wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse darüber, wie der Wandel funktioniert und dass er Realität ist. Neu ist lediglich die weltweite politische Debatte darüber. Ich begrüße sehr, dass sich der Sächsische Landtag daran beteiligt. Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben, wie jüngste Studien zeigen, nicht einmal ein technisches oder ökonomisches Umsetzungsproblem, sondern wir stehen vor einer gewaltigen politischen Gestaltungsaufgabe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hier auf die vielfach zitierte Studie von Nicholas Stern, die Stellungnahme des IPCC sowie auf die energiepolitischen Vereinbarungen des EU-Gipfels in der vergangenen Woche nicht noch einmal näher eingehen. Nur so viel sei gesagt: Die Stern-Studie zeigt, dass wir Klimaschutz ökonomisch und sozial stemmen können. Der IPCCSachstandsbericht zeigt, dass wir nicht nur können, sondern auch müssen. Der EU-Gipfel sagt, dass wir auch wollen. Wir in Sachsen müssen und können, wenn wir es wollen. Ich bin überzeugt: Auch der politische Wille ist eine erneuerbare Energie.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Deshalb schlage ich mit meinem Energieprogramm Strategien und Maßnahmen vor, die Klimaschutz- und Ressourcenschonung, verbunden mit Wertschöpfung und nachhaltiger Beschäftigung für die Menschen im Freistaat Sachsen, mit sich bringen.

Nach umfangreichen Vorarbeiten wurde im Herbst 2006 der neue Programmentwurf vorgestellt. Die Erarbeitung geschah von Anfang an in enger Abstimmung mit dem Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft zum Zwecke der Verzahnung von Klimaschutz und Energiepolitik.

Wenn ich Ihnen im Folgenden beispielhaft Maßnahmen nenne, die wir in den vergangenen Monaten angegangen sind und nun weiter angehen werden, so heißt dies nicht, dass wir ein Energieprogramm als Signal politischen Willens nicht mehr bräuchten.

Das bedeutet lediglich, dass wir schon einige Züge auf dem richtigen Gleis fahren lassen, ohne die Weichen dafür dauerhaft gestellt zu haben. Wir müssen aber programmatisch die Weichen so stellen, dass künftig alle Züge auf das richtige Gleis gelangen. Wir müssen damit all jenen politisch Rückendeckung und Rückenwind geben, die in der Wissenschaft, in der Forschung und Entwicklung und in Industrie und Dienstleistung hart daran arbeiten, dass

wir es am Ende dieses Jahrhunderts schaffen – und in diesem Ziel bin ich mit meinem Kollegen Tillich einig –, den Energiebedarf zu 100 % durch erneuerbare Energien zu decken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung wird zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren ganz konkret mehr Geld in die Hand nehmen. Im Rahmen der neuen EFRE-Periode 2007 bis 2013 werden für die Energieeffizienz in kleinen und mittelständischen Unternehmen voraussichtlich rund 25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Voraussichtlich rund 37 Millionen Euro werden in der kommenden EFRE-Periode für das Förderprogramm Klimaschutz und erneuerbare Energien aufgewendet.

Die Beratung und die fachliche Betreuung der Programme werden neben zahlreichen weiteren Aufgaben der neuen Sächsischen Energieagentur obliegen. Mit der Umwandlung des Energieeffizienzzentrums in ein Energiekompetenzzentrum, das unter dem neuen Namen Sächsische Energieagentur an den Start geht, setzen wir ein wichtiges Projekt des Koalitionsvertrages um. Die Sächsische Energieagentur ist ein hervorragender Beweis für die gute Zusammenarbeit zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium.

Die Staatsregierung wird ihre energetischen Maßnahmen an Liegenschaften des Freistaates verstärken. Dazu wird sie die neue Verwaltungsvorschrift Energieeffizienz umsetzen, die konkrete Regelungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zum Einsatz erneuerbarer Energien enthält. Im Rahmen des „Sonderprogramms Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz in Bestandsgebäuden des Freistaates“ stehen dafür im Doppelhaushalt 2007/2008 pro Jahr zusätzlich 10 Millionen Euro zur Verfügung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie sinnvoll und notwendig meine Vorschläge und Initiativen der vergangenen Monate zur Verbesserung der Transparenz und der Marktaufsicht an Energiebörsen sind, haben die Meldungen dieser Woche eindrucksvoll bestätigt. Mit der Verbundinitiative Renertec wollen wir ein strategisches Netzwerk und damit die Grundlage für eine ausgeprägte Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen schaffen.

Wir unterstützen die Entwicklung von Technologien zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Gegenwärtig wird eine erste Syntheseanlage im großtechnischen Maßstab bei CHOREM in Freiberg errichtet.

Im vergangenen Jahr konnte die Stromerzeugungskapazität von Biogasblockheizkraftwerken von 17 MW auf 34 MW verdoppelt werden. Das ist ein Beispiel für die Verbindung von Klimaschutz und Steigerung der Beschäftigung gerade im ländlichen Raum.

Biomasse wird künftig auch eine stärkere Rolle in KraftWärme-Kopplungs-Anlagen spielen, die zurzeit auf der Basis von Erdgas und in einem Fall von Braunkohle

bereits einen Anteil von 10 % der Kraftwerkskapazität und ebenso von 10 % des gesamten Endenergieverbrauchs bei der Wärmeversorgung erreicht haben.

Nachdem wir in Sachsen bereits die größte Fotovoltaikanlage der Welt mit herkömmlicher Siliziumtechnologie mit einer Leistung von 5 MW haben, ist jetzt die weltgrößte Fotovoltaikanlage überhaupt mit einer Leistung von 40 MW in Vorbereitung. Der Investor Juwi-Solar wird die Anlage am Standort Brandis mit modernsten CadmiumTellurid-Dünnschichtzellen errichten. Die Finanzierung hat die Sachsen LB übernommen, die auf dem Feld der erneuerbaren Energien außerordentlich aktiv und erfolgreich ist.

Doch lassen Sie mich von diesen erfreulichen Tatsachen noch einmal zurückkehren zur Kritik an meinem Energieprogramm, das die Kernenergie als Option nicht nennt und auch noch für Jahrzehnte auf die heimische Braunkohle setzt. Auch wenn ich verstehen kann, dass die Befürworter der Kernenergie die derzeitige Klimaschutzdebatte nutzen, um ihre weitgehend klimagasfreie Technologie wieder hoffähig zu machen, so bin ich doch weiterhin der festen Überzeugung, dass wir uns mit einem Ausbau der Kernenergie auf einen Irrweg begäben.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Ich habe das vor dem Sächsischen Landtag am 5. April des vergangenen Jahres anlässlich des 20. Jahrestags der Tschernobyl-Katastrophe ausführlich begründet. Lassen Sie sich nicht täuschen! Dadurch, dass Kernkraftwerke beim Klimarisiko fast neutral erscheinen, wird ihr Strahlungs- und Abfallrisiko doch nicht geringer. Ein bekanntes hohes Risiko wird schließlich nicht dadurch kleiner, dass ein anderes hohes Risiko erkannt wird. Hinzu kommt: Es gibt in Sachsen kein Kernkraftwerk und niemanden, der ernsthaft eines bauen will.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Herr Lehmann!)

Wir haben nicht einmal einen Fluss, um einen Atommeiler zu kühlen. Zudem haben wir echte Alternativen.

Die Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien sind bereits bei heutigem technologischem Standard so weit gereift, dass sie in vielfacher Hinsicht preiswerter sind als die Kernenergie. Wir sind erst am Anfang einer technologischen Revolution der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien und wir hier in Deutschland und wir hier in Sachsen sitzen im vorderen Teil des gerade erst Fahrt aufnehmenden Zuges. Wir sollten den Platz an der Spitze behaupten.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)