Herr Kollege Morlok, es ist Ihnen klar, dass wir damit die Rohstoffbasis unserer Enkel und Urenkel des nächsten Jahrhunderts regelrecht verheizen?
Es ist ja wohl klar, dass man fossile Energien nicht nur für die Energieerzeugung nutzen kann, sondern auch für die Energieerzeugung nutzen soll. Hier muss eine ausgewogene Entwicklung stattfinden.
Sehr wohl bedeutet dies nämlich, wie ich es schon angesprochen habe, wenn wir diese Ziele erreichen wollen, dass wir bis 2020 ungefähr 30 % weniger Braunkohle verstromen werden als bisher. Angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2011 Boxberg IV ans Netz gehen wird, muss man natürlich schon fragen, wie das dann funktionieren soll. Diesen Konflikt in Ihrem Programm müssen Sie auflösen, weil wir nämlich ansonsten keine Planungssicherheit für die Braunkohle haben, auch wenn Sie das hineinschreiben.
Ich bin vollkommen bei Ihnen, Herr Prof. Weiss, dass wir uns Gedanken über andere Nutzungen machen müssen, wie wir die Braunkohle sinnvoll einsetzen können, als in der energetischen Nutzung. Aber schauen Sie einmal in das Programm hinein. Was steht dazu im Programm: Außer anderweitige Nutzung. Es ist alles ziemlich nebulös, was da steht. Ich bin auch bei Ihnen, wenn wir hier gemeinsam überlegen, wie wir die Ressource sächsische Braunkohle nutzen können. Da muss man das aber nicht nur in einem Halbsatz in dem Programm erwähnen, sondern es muss ein bisschen mehr kommen. Dann müssen wir eben gemeinsam an diesem Programm nacharbeiten.
Herr Morlok, Sie haben jetzt eine These aufgestellt, und zwar, wenn sich die erneuerbaren Energienin Sachsen anteilmäßig auf 15 % erhöhen würden, müsste also die Braunkohlenverstromung abgesenkt werden. Ist Ihnen bekannt, Herr Morlok, dass wir europaweit ein Verbundsystem in der Stromversorgung haben? Ist Ihnen auch bekannt, dass selbstverständlich die modernsten Kraftwerke, selbst wenn härtere Regeln im CO2-Handel gelten, überleben werden?
Es ist mir sehr wohl bekannt, Frau Dr. Runge, aber die Frage ist, ob es der Staatsregierung und dem Minister bekannt ist, weil der Minister ja in seinem Energieprogramm eine Energieautonomie, eine Energieautarkie postuliert. Wenn ich sage, wir produzieren in Sachsen mit unseren sächsischen Ressourcen sächsischen Strom, dann geht nämlich die Rechnung schon auf, wenn ich sage, ich habe weniger an Stromverbrauch und ich habe zusätzlich erneuerbare Energien. Dann habe ich weniger Braunkohlenverstromung. Wenn wir der Auffassung sind, dass wir aus umweltpolitischen Gründen weniger Braunkohle verstromen wollen, dann
wäre es doch ein Treppenwitz zu sagen, wir in Sachsen leben mit dem sauberen CO2-freien Strom, aber gehen her und verkaufen den dreckigen CO2-haltigen Strom ins Ausland. Das kann doch wohl keine sinnvolle Energiepolitik sein. Wir in Sachsen reduzieren und dann soll Vattenfall den dreckigen Strom nach Osteuropa verkaufen. Das ist Ihre Vorstellung. Das ist doch keine zielführende Energiepolitik.
Lieber Herr Kollege, nach der Logik von Frau Runge: Halten Sie es denn für klimaverträglicher, wenn wir Strom importieren, sagen wir aus Kernkraftwerken Osteuropas oder aus polnischen Kohlekraftwerken – im Vergleich zu einer effizienten Energiegewinnung hier in Sachsen?
Frau Dr. Runge und auch vielleicht der Minister haben da etwas verquere Vorstellungen zu dieser Frage. Ich bin sehr wohl der Überzeugung, dass wir die Energiepolitik weltweit und nicht nur beschränkt auf Sachsen sehen müssen. Eine reine Energieautarkie ist vollkommen falsch.
Sehr richtig, Herr Jurk. Wir erzeugen mehr in Sachsen, als wir verbrauchen. Aber Sie beschreiben in Ihrem Programm etwas ganz anderes. Sie wollen die Energieautonomie längerfristig sicherstellen.
Lesen Sie das Programm doch einfach einmal durch. Sie sagen, um Krisen bei fossilen Energieträgern zu vermeiden, ist es verantwortungsvoll, eine Energieautonomie herzustellen. Das steht so in Ihrem Programm. Insoweit kann ich Ihnen auch folgen. Aber selbst wenn man das vor diesem Hintergrund akzeptiert, muss man doch zur Kenntnis nehmen, dass die Erzeugungschancen für Energien weltweit unterschiedlich sind. Es ist doch nun einmal so, dass wir die Windenergie weltweit nicht überall gleich gut nutzen können.
Wir werden auch nicht überall gleich gut die Möglichkeit haben, Wasserenergie zu nutzen. Wir haben auch weltweit nicht überall gleich gut die Möglichkeit, Sonnenenergie zu nutzen. Auch bei der Biomasse ist es nun einmal so, dass die Biomasse in manchen Gebieten auf unserem Planeten besser wächst als in anderen Gebieten. Hier muss man doch einmal die Frage stellen dürfen, ob Energieautonomie unter diesen Gesichtspunkten einfach sinnvoll ist. Selbst wenn es gelingt, weitgehend auf erneuerbare Energien umzustellen, muss doch die Frage erlaubt sein, ob es nicht sinnvoller ist, erneuerbare Energien von woanders nach Sachsen zu importieren, weil sie
woanders besser und günstiger hergestellt werden können. Diese Frage müssen wir uns doch stellen dürfen.
Das heißt, wenn Sie das zur Vermeidung von Konflikten unter dem engen Punkt fossile Energien sehen, dann kann ich Ihnen auch zustimmen, aber nur unter diesem engen Aspekt. Da ist Ihr Programm auch noch nicht ausgereift, weil Sie diese anderen Überlegungen bisher ausgeblendet haben.
Herr Morlok, ich habe den Eindruck, dass Sie über zwei verschiedene Dinge reden. Was ist für Sie Energieautonomie im Vergleich zu dem, was im Entwurf des Wirtschaftsministeriums steht? Was ist es für Sie?
Im Entwurf des Wirtschaftsministeriums steht: Energieautonomie zur Vermeidung von Konflikten. Der Entwurf sagt, wir wollen die Energie, die wir in Sachsen verbrauchen, in Sachsen selbst erzeugen – perspektivisch, nicht in den nächsten paar Jahren. Aber langfristig wollen Sie das. Soweit es dabei um Konflikte bei fossilen Energien geht, gebe ich dem Minister auch recht. Wir sollten längerfristig vermeiden, auf den Import von fossilen Energien angewiesen zu sein. Insoweit kann ich Ihnen sogar folgen.
Aber ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Energieautonomie heißt, dass wir in Sachsen zukünftig nur noch so viel Energie verbrauchen dürfen, wie wir selbst in Sachsen möglichst aus erneuerbaren Energien herstellen. So steht es momentan im Programm. Herr Minister, wenn es von Ihnen anders gemeint ist, dann stellen Sie es bitte im Programm klar. In den Formulierungen, die im Programm enthalten sind, ist das nicht klargestellt. Ich bin gern bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, wie wir hier sinnvolle und klare, prägnante Formulierungen finden können. Es steht nicht nur in der Präambel, sondern auch weiter hinten im Programm. Ich habe leider nur eine relativ kurze Redezeit, die es mir nicht ermöglicht, im Einzelnen aus diesen Programmteilen zu zitieren.
Trotzdem will ich es versuchen. Hier heißt es: „Das Leitbild dieses Energieprogramms verlangt längerfristig eine vollständige Energieautonomie im Sinne einer globalen Verantwortung.“ So steht es auf der Seite 16 des Programms und nicht in der Präambel, Herr Minister. Wenn das missverständlich geschrieben ist, dann müssen wir es korrigieren, wenn Sie es so nicht meinen. Nur so, wie es hier steht, dass wir eine Energieautonomie langfristig postulieren und auch dann unter Umständen keine fossilen Energieträger mehr einsetzen, kann es doch, bitte, nicht gemeint sein.
Ich wiederhole einfach nur meine Frage von vorhin, die aus zwei Teilen bestand. Den ersten Teil haben Sie aus meiner Sicht falsch beantwortet, aber Sie haben sich wenigstens Mühe gegeben.
Ich habe Sie zweitens gefragt: Was ist für Sie, Herr Morlok, Energieautonomie? Das ist eine ganz einfache Frage mit der Bitte um eine Antwort.
Darf ich bitte einmal die Frage auch so beantworten, wie ich es mir vorstelle? Ich verstehe unter Autonomie, dass man Dinge selbstständig ohne Einfluss und Unterstützung von außen regelt und organisiert. Unter Energieautonomie – so verstehe ich das Wort – verstehe ich, dass wir die Energie, die wir in Sachsen verbrauchen, in Sachsen erzeugen. Das ist mein Verständnis. Das Verständnis des Wortes ist vielleicht falsch. Es mag sein, dass ich das falsch verstanden habe, dann müssen wir das korrigieren, und Sie müssen es mir erläutern. Aber das verstehe ich unter Energieautonomie. Unter diesem Gesichtspunkt halte ich diesen Begriff längerfristig für falsch, weil wir wissen, dass wir im Bereich der erneuerbaren Energien in Sachsen nicht unbedingt einen Standortvorteil zur Erzeugung von erneuerbaren Energien haben. Diesen Konflikt im Programm müssen wir doch einfach miteinander diskutieren und auflösen. Ich glaube, dass wir auch gar keinen so großen Konflikt haben, aber wir müssen ihn doch zumindest in der Debatte klarstellen.
Wenn ich vorhin gesagt habe, dass wir uns als FDP zur Verstromung der Braunkohle bekennen, muss man allerdings auch sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir die Interessen der Menschen vor Ort entsprechend berücksichtigen müssen. In Ihrem Programm steht, dass Sie von einer nachhaltigen Nutzung der Braunkohle ausgehen. Ich vermute einmal, dass mit nachhaltig gemeint ist, dass man genau auf diese Belange mit eingeht. Aber auch das ist aus unserer Sicht zu dünn. Hier muss man deutlich klarer sagen, was mit den Menschen passiert, die umgesiedelt werden sollen, die unter Umständen noch gar nicht wissen, ob und wann sie umgesiedelt werden sollen. Hier muss Rechtssicherheit und Planungssicherheit für diese Menschen geschaffen werden. Gegebenenfalls muss ihnen schon im Vorfeld beim Umzug geholfen werden, nicht erst dann, wenn es soweit ist, weil die Menschen ja auch eine vernünftige Lebensplanung machen möchten. Ein Beispiel: Wenn wir neue Bundesstraßen planen, sollte man auch darauf Rücksicht nehmen, wie hier bei der B 160, dass eine solche Bundesstraße
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal den Fokus auf das Thema der heutigen Debatte richten, das heißt: „Sächsische Energiepolitik in Zeiten des Klimawandels“. Wir haben uns jetzt in den letzten Minuten verstärkt um den Entwurf des Energieprogramms, der im Kabinett behandelt worden ist, gestritten bzw. ausgetauscht, der jedoch bisher nicht Beratungsgrundlage des Landtages ist.
Ich möchte voranstellen, dass sächsische Klimapolitik, so wie sie in den letzten Jahren gefahren wird, auf der Grundlage des Koalitionsvertrages erfolgt, der nach Verabschiedung des Energieprogramms von 2004 beschlossen worden ist und in dem genau diese Punkte, die jetzt noch einmal dezidiert eingefordert sind, schon enthalten sind: die Energie-Effizienzsteigerung, faire Wettbewerbschancen für heimische Braunkohle, die für die Stromerzeugung in Sachsen unverzichtbar ist, die Stärkung des Wettbewerbs auf dem Energiemarkt für alle Energieträger und einen Energiemix in Sachsen, der ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich ist. So viel vorangestellt.
Energie bildet die Grundlage wirtschaftlicher Leistungskraft. Das ist allgemein bekannt. Sie ist in den letzten Jahren wesentlich teurer und eine sichere Energieversorgung schwieriger geworden. Der Anstieg der CO2Emissionen hat sich zum größten globalen Umweltproblem entwickelt. Das ist offensichtlich. Eine sichere, bezahlbare und gleichzeitig nachhaltige Energieversorgung ist eine der wichtigsten Zukunftsfragen. Deshalb sind Energieversorgung bzw. Energiesicherheit sowie Klimaschutz zwei Seiten der gleichen Medaille.
Um den zukünftigen Herausforderungen zu begegnen, hat Sachsen bereits 2001 das Klimaschutzprogramm beschlossen, das die Senkung der jährlichen CO2Emissionen bis 2010 um zweieinhalb Millionen Tonnen festschreibt. Erreicht werden soll dies – das ist bekannt – durch die Steigerung der Energieeffizienz und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger.