Protocol of the Session on March 15, 2007

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Die Handlungen!)

die er am 6. März dem Kabinett unterbreitet und danach der Öffentlichkeit vorgestellt hat; heute hat er sie noch einmal erläutert. Es geht dabei im Kern um mögliche Maßnahmen zum besseren Schutz der Gesellschaft im Umgang mit Sexualstraftätern.

Da dies, wie wir wissen, ein sehr heikles Thema ist – wir haben es heute Vormittag in der Debatte um den Maßregelvollzug erlebt; wir haben es jetzt wieder erlebt –,

besteht im Zusammenhang mit diesem Thema die Gefahr, dass Stammtischparolen oder öffentliche Stimmungen allzu leichtfertig bedient werden.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD, bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

In dieser besonderen Lage haben die Politik und vor allem die zuständigen Vertreter der Staatsregierung eine besondere Verantwortung

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS)

eine Verantwortung dahin gehend, eben nicht aktionistischen Forderungen den Mund zu reden, sondern eher mäßigend auf die Diskussion einzuwirken.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Der erste Eindruck, der bei der SPD-Fraktion nach Bekanntwerden dieser Vorschläge entstand, war, dass der Innenminister einen solchen Weg hier nicht bestritten hat. Aus diesem Grund – und nur aus diesem Grund – haben wir in einer ersten Reaktion auf die Vorschläge des Ministers mit Kritik reagiert.

Ich will dazusagen, dass es zu keiner Zeit Zweifel gab, dass sich der Minister auf keinen Fall außerhalb der Vorgaben unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen wollte.

Unabhängig davon war die Kritik insgesamt sehr stark – auch bundesweit, zum Beispiel aus der CDUBundestagsfraktion. Die Resonanz hat, so glaube ich, Herrn Dr. Buttolo selbst ein Stück weit überrascht. Nachdem sich nun die Aufregung erst einmal gelegt hat – außer bei der Linksfraktion –, bleibt dennoch etwas übrig: weiterhin viele offene Fragen zur Thematik Sexualstraftaten; Fragen, die beantwortet werden wollen. Genau deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir jetzt eine Debatte darüber, welche von der Verfassung des Freistaates Sachsen und vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gedeckten Maßnahmen möglich sind, um tatsächlich einen besseren Schutz der Gesellschaft im Umgang mit Sexualstraftätern zu erreichen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das geht besser ohne Herrn Buttolo!)

Die SPD-Fraktion wird sich aktiv in diesen Diskussionsprozess einbringen.

Was wir nicht brauchen, sind populistische Anträge wie der uns hier vorliegende der Linksfraktion.PDS.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Sie werden es sicher geahnt haben, aber ich sage es trotzdem noch einmal – auch für das Protokoll –: Einer Rücktrittsforderung an den Innenminister werden wir auf keinen Fall zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU und der Staatsregierung)

Jetzt hat die NPDFraktion das Wort; Herr Apfel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie mein Fraktionskollege Dr. Müller schon heute Morgen feststellte, gäbe es für die NPD-Fraktion viele Gründe, die Entlassung des Innenministers zu fordern. Da wäre als Erstes die Herauslösung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz aus der NPD, den der Innenminister damals lauthals feierte. Bei diesem Schlag gegen die Gewaltenteilung handelte es sich um einen klaren Verfassungsbruch. Das wäre ein Grund für den Rücktritt des Ministers gewesen.

Beschämend findet die NPD auch das Schweigen des Innenministers zur Praxis des sogenannten Kirchenasyls, mit dem auch in Sachsen Gesetze aus den Angeln gehoben werden, die eigentlich für alle gleichermaßen gelten – was wir heute bereits thematisiert haben. Wer sich gegen die Regeln des Rechts wendet und dies mit dem höheren Recht der eigenen, vermeintlich moralisch besseren Sache begründet, der beschädigt den Rechtsstaat an einer empfindlichen Stelle. Er beschädigt ihn, weil er sein eigenes subjektives Rechtsempfinden zum entscheidenden Kriterium für seinen eigenen Rechtsgehorsam macht.

Weitere Punkte in dieser Negativliste ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind die massive Missachtung des Parlamentes bei der Verwaltungs- und Funktionalreform oder auch die Untätigkeit des Innenministers bei Problemen der massiv zunehmenden Autodiebstähle im sächsischen Grenzgebiet.

Das alles wären beispielhaft gute Gründe für eine Entlassung.

Überhaupt keinen Grund sehen wir, meine Damen und Herren, in den Forderungen des Innenministers zur Verbesserung des Schutzes unserer Gesellschaft vor Kinderschändern. Nein, hier unterstützt die NPD ausdrücklich Herrn Staatsminister Buttolo – auch wenn wir die Vorschläge in der Tat, Herr Bartl, nicht für ausreichend halten und uns einzelne Punkte unausgereift erscheinen. Sie gehen aber, wie Sie richtig zitieren, in die richtige Richtung.

(Beifall bei der NPD)

Dass die SED-Nachfolgepartei, die sich seit 1989 zur Hüterin von Rechtsstaatlichkeit und Datenschutz aufgeschwungen hat, den Innenminister hierfür entlassen will, verwundert nicht. Schließlich hört die PDS immer weniger auf die Stimmen aus der Mitte des Volkes und pflegt lieber irgendwelche Minderheiteninteressen.

Es ist aber auch beschämend, dass der Innenminister selbst von seiner eigenen Partei, der CDU, keine hundertprozentige Rückendeckung bekommt. Ich traute meinen Augen kaum, als ich am 7. März die Presseerklärung von Herrn Bandmann las, der sich in diesem Haus gern als

sicherheitspolitischer Scharfmacher aufspielt. Da reagierte die CDU – Zitat –:„mit Verständnis“ – auf die Vorschläge ihres eigenen Ministers, anstatt sich voll und ganz hinter den Innenminister zu stellen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das hat er auch heute gemacht!)

„Was dabei geht, müssen wir sehen“, heißt es dort kühl, fast schon distanziert. Was soll das, Herr Bandmann? Sind Sie gekränkt, weil der Vorstoß nicht von Ihnen selbst kam?

Noch stärker setzt sich Justizminister Mackenroth von der Initiative seines Ministerkollegen ab, was uns auch kaum mehr wundert. Statt in der Justiz für Ordnung zu sorgen, wiegelt er ab und lässt keine Konsequenzen erkennen. Erinnert sei an dieser Stelle nur noch einmal an seine peinlichen Auftritte im Fall Stephanie. Das, meine Damen und Herren, wäre in der Tat ein Grund für eine Rücktrittsforderung gewesen.

(Beifall bei der NPD)

Aber im Gegensatz zu Herrn Mackenroth hat der Innenminister nach dem Mord an dem neunjährigen Mitja endlich einmal Schlussfolgerungen gezogen und konkrete Vorschläge zum Schutz vor Sexualstraftätern vorgelegt. Vor allem hat Herr Buttolo dabei die Wiederholungstäter im Auge. Damit liegt er genau richtig; denn die Fälle Stephanie und Mitja haben auf erschreckende Weise deutlich gemacht, welche Gefahr von diesen Wiederholungstätern ausgeht.

Herr Staatsminister Buttolo, lassen Sie sich vom politischen Widerstand nicht beeindrucken! Ich bin mir sicher, dass Sie in dieser Frage die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen hinter sich haben.

Wir Nationaldemokraten werden alle Vorschläge unterstützen, die dem Schutz unserer Kinder dienen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Für meine Kinder verbitte ich mir Ihren Schutz!)

Aus diesem Grund wird die NPD-Fraktion auch die unseriöse Initiative zur Entlassung des Innenministers heute ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei NPD)

Mein Nachbar zur Linken spricht für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion.PDS aus gegebenem Anlass hätte die Möglichkeit geboten, über die Wege zu debattieren, die der Innenminister zur Verfolgung von Wiederholungsstraftätern bzw. zur Verhinderung von Wiederholungsstraftaten einschlagen möchte. Es hätte für den Innenminister die Chance bestanden, unter Umständen etwas richtigzustellen, und zwar deutlich. Er hätte die Chance gehabt, zu sagen, dass

er in dem einen oder anderen Punkt über das Ziel hinausgeschossen ist, und hinzufügen können: Wenn meine Vorschläge nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen sind, dann werde ich mich daran halten. – Das ist in dieser Deutlichkeit nicht sichtbar geworden, was ich bedauere.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Im Gegenteil, Herr Staatsminister, Sie haben ein Verständnis von Grundrechten offenbart, das ich bedenklich finde. Wenn Sie der Ansicht sind, Grundrechte seien eine Großzügigkeit des Staates gegenüber seinen Bürgern, dann ist das im Ansatz zutiefst verkehrt.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Jeder Bürger hat Grundrechte; alle Bürger haben die gleichen. In einem demokratischen Gemeinwesen erhält der Staat erst aus ihnen heraus seine Legitimation, nicht umgekehrt.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Es geht nicht darum, zu tun, was Ihnen technisch und faktisch möglich ist; es geht darum, sich im Rahmen der Verfassung zu bewegen und die Grundrechte aller Bürger zu respektieren. Diese sind nämlich unteilbar.

(Zuruf von der CDU: Auch die der Kinder! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ja, das hat er doch gesagt!)

Stattdessen wird hier gesagt, die Frage, was rechtlich möglich ist, sei falsch gestellt. Die entscheidende Fragestellung sei herauszufinden, was nötig sei. Nein, nicht der Zweck geht vor Recht!