Protocol of the Session on March 15, 2007

(Widerspruch bei der Linksfraktion.PDS)

Davon habe ich nie gesprochen.

(Lachen des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Es sind zahlreiche Versionen für ein Sexualstraftäterverzeichnis möglich. So wäre es zum Beispiel denkbar, dass die Polizei ein Sexualstraftäterverzeichnis führt, in das auch ortsansässige Eltern Einsicht nehmen können, wenn sie ein berechtigtes Interesse haben.

So ganz abwegig scheinen meine Überlegungen nicht zu sein. Pressemeldungen zufolge – eine Woche nach meinem Vorstoß –, sagte der SPD-Vorsitzende des Landtages, dass es möglich sein müsste, dass zum Beispiel Sportvereine in einem geregelten Verfahren eine Informationsmöglichkeit über die Vergangenheit möglicher Betreuer erhalten können. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht und der Resozialisierungsanspruch eines Sexualstraftäters haben natürlich Verfassungsrang. Aber auch die Menschenwürde und das Lebensrecht der potenziellen Opfer haben Verfassungsrang.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sicher!)

Schließlich ist die vom Staat zu gewährende Sicherheit seiner Bevölkerung ein Verfassungswert, der mit anderen Verfassungswerten im gleichen Rang steht. Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Rechtmäßigkeit eines bei berechtigtem Interesse zugänglichen Sexualstraftäterverzeichnisses verfassungsrechtlich zu beurteilen. Nach allgemeiner Erfahrung werden gerade unter den Tätern aus dem Bekanntenkreis nicht wenige sein, die in einem räumlichen Näheverhältnis zum Opfer stehen, zum Beispiel der „nette Nachbar“. Es ist doch wohl nicht ernsthaft zu bestreiten, dass hier die Kenntnis von Sexualstraftätern im näheren Umfeld den Schutz der Kinder verbessern kann.

Das berechtigte Interesse der Eltern liegt aus meiner Sicht auf der Hand. Dem steht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und eine mögliche, aber leider allzu häufig nicht erfolgreiche Resozialisierung des Täters gegenüber. Berücksichtigt man aber auch noch, dass der Täter dadurch, dass er schon mindestens eine Sexualstraftat begangen hat, die Ursache für den Eingriff in seine Rechte selbst gesetzt hat, hat der Schutz der Würde, der Gesundheit und des Lebens potenzieller Opfer Vorrang. Dem Täter ist der Eingriff der Verfassung wegen zuzumuten.

Viertens schlage ich vor, die Daten der kommunalen Melderegister künftig vollautomatisch in das polizeiliche Auskunftssystem einzuarbeiten. Auch dies soll nur verurteilte Straftäter und nicht unbescholtene Bürger betreffen.

Die Polizei benötigt zum Beispiel für die Fahndung nach bekannten Sexualstraftätern den aktuellen Wohnort der Täter.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir haben Meldepflicht!)

Um dies zu erreichen, müssen alle rechtlichen und technischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Dass eine Anbindung der Finanzverwaltung an das Melderegister noch in diesem Jahr realisiert wird, beweist, dass es durchaus rechtlich zulässige Möglichkeiten gibt.

Lassen Sie mich an dieser Stelle, beim polizeilichen Auskunftssystem, noch auf einen Punkt hinweisen: Wir brauchen im polizeilichen Auskunftssystem aktuelle Straftäterfotos. Gegenwärtig gibt es keine Pflicht, dass ehemalige Straftäter angehalten werden, sich in einem bestimmten Rhythmus einer erneuten Fotografie zu stellen. Es gibt zwei Gründe dafür: zum einen eine deutlich verbesserte Fahndung, wenn im PASS tatsächlich das aktuelle Bild enthalten ist; zum anderen weiß der Straftäter, dass er nach wie vor für seine früheren Straftaten als potenzieller möglicher Täter infrage kommt und damit aktuell in dieser Datei gehalten wird.

Fünftens sollte eine klare strafprozessuale Grundlage für die Erhebung von DNA-Daten geschaffen werden. Die Abgabe einer DNA-Probe sollte in der Regel genauso Standard werden wie die Abgabe eines Fingerabdrucks. Voraussetzung ist hierfür selbstverständlich, dass nur Daten erfasst werden, die ausschließlich dazu geeignet sind, den Täter zu identifizieren. Es geht nicht um solche Daten, die Erkenntnisse über Neigungen, Erbanlagen, Gesundheit und Ähnliches über den Täter zulassen. Ein Missbrauch der DNA-Daten muss ausgeschlossen werden, er kann ausgeschlossen werden. Eine solche Regelung, meine Damen und Herren, hätte möglicherweise in Hellerau mindestens einen schweren Kindesmissbrauch verhindern können. Soll man wirklich auf diese Möglichkeit zur Rettung eines Kindes verzichten?

Meine Damen und Herren! Ich appelliere an Sie, den eben beschriebenen Weg mit mir gemeinsam zu gehen. Wir müssen uns darüber klar sein, dass jede angeblich – ich betone: angeblich – rechtsstaatlich gebotene Großzügigkeit bei den Rechten von Sexualstraftätern eine Großzügigkeit auf Kosten anderer ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen gegenüber Sexualstraftätern nicht großzügig sein. Die Kosten tragen die potenziellen Opfer. Das ist moralisch nicht zu rechtfertigen, das ist aber auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

Meine Damen und Herren! Das oberste Prinzip eines jeden Rechtsstaates, dass der Staat für den Menschen da ist und nicht der Mensch für den Staat, gilt. Dieser Satz gebietet, die notwendigen Schritte im Rahmen des von der Verfassung Erlaubten zu unternehmen, um das Maximum an Opferschutz zu erreichen. Wenn es in Zukunft

auch nur einen einzigen Fall Mitja weniger gäbe, wären unsere Anstrengungen bereits gerechtfertigt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur allgemeinen Aussprache nach den Größen der Fraktionen. Es beginnt die CDUFraktion. Herr Bandmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu Beginn gleich die Feststellung, dass der Antrag der Linksfraktion.PDS zur Entlassung des Sächsischen Staatsministers des Innern jeglicher sachlichen oder gar verfassungsrechtlichen Grundlage entbehrt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die freie Meinungsäußerung gehört seit 1990 Gott sei Dank auch auf dem ehemaligen Gebiet der DDR wieder zu den Grundrechten. Die Zeit, in der die Kommunisten bestimmt haben, was andere sagen dürfen, und Menschen, die sich nicht daran gehalten haben, im Knast gelandet sind, haben wir 1989/1990 mit der friedlichen Revolution abgeschüttelt. Ich halte diesen PDS-Antrag für den verzweifelten Versuch, mit einer irren Forderung doch noch in den Medien zu landen.

Der Sächsische Staatsminister des Innern lässt zu Recht nicht locker. Wir können nach den Ereignissen um Stephanie und den kleinen Mitja eben nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und den Dingen ihren Lauf lassen. Die freie Gesellschaft muss jetzt endlich handeln. Die in Gang gekommene Diskussion um den Schutz vor Sexualstraftätern erachten wir als dringend notwendig. Staatsminister Buttolo genießt unser uneingeschränktes Vertrauen und unsere Unterstützung bei der Umsetzung des verfassungsrechtlich Möglichen und Machbaren.

(Beifall bei der CDU)

Dazu gehört, dass Vorschläge für eine Sexualstraftäterdatei unvoreingenommen geprüft werden, insbesondere, inwieweit man unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bei einer solchen Datei gehen kann. Was Ihnen aber am Herzen liegt, ist, dass Sie noch nicht einmal die Diskussion darüber zulassen und damit im Grunde genommen die Verhältnisse so lassen wollen, wie sie sind.

Angesichts eines hohen Rückfallrisikos von Sexualstraftätern begrüße ich die Diskussion über eine Datei, die den Schutz vor weiteren Sexualstraftaten zu verbessern in der Lage ist und damit dazu beiträgt, neue Opfer zu verhindern. Ich möchte Sie fragen: Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre Familienangehörigen, Ihre Liebsten, die Sie haben, betroffen sind? Ich glaube, Sie würden an dieser Stelle anders reden.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Nichts als Stammtischgerede!)

Opfer im Vorfeld hundertprozentig zu schützen erweist sich als relativ schwierig. Unser Augenmerk ist auf den Opferschutz und die Verhinderung neuer Straftaten gerichtet.

(Unruhe im Saal – Glocke des Präsidenten)

Das Netz muss engmaschiger werden. Es ist für mich nach wie vor nicht nachvollziehbar, dass in einer Täterdatei nicht alle Vorstrafen aus Zeiten der ehemaligen DDR erfasst sind. Die Strafverfolgungsbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaften müssen in die Lage versetzt werden, leichter als bisher an qualifizierte Informationen über gefährliche Straftäter solcher Sexualstraftaten zu gelangen. Vor allem müssen sie einen sehr kurzfristigen Zugriff auf die Daten haben, und die Daten müssen in der Tat aktuell sein. Ich meine damit, um es ganz deutlich zu sagen, dass das Melderecht aktuell auch in dieser Datei stimmen muss und aktuelle Lichtbilder der Straftäter vorhanden sein müssen. Damit kann man bessere Verhandlungsergebnisse auch bei Zeugen erzielen.

Die CDU-Fraktion begrüßt einen Dialog von Justiz-, Innen- und Sozialministerium im Bemühen um ressortübergreifende Maßnahmen zur Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter in Sachsen. Es darf nicht sein, dass vorbestrafte Sexualstraftäter an Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen arbeiten dürfen. Fragen, wie man das wirksam verhindert, müssen ausdiskutiert werden. Ganz wichtig ist dabei eine zukünftige bundesweite Vernetzung.

Wer dies – wie die PDS – unterbinden will, muss sich schon die Frage vorlegen lassen, wes Geistes Kind er ist. Würde man es ernst nehmen, wären Prüfungen und eine Debatte um die Weiterentwicklung des Opferschutzes überhaupt nicht mehr möglich. Ein solcher Diskussionsprozess bedarf immer eines Anschubs. Dazu hat ein für die Sicherheit der Bürger zuständiger Staatsminister nicht nur ein Recht, sondern auch die Pflicht.

(Beifall bei der CDU)

Das erwarten die Bürger im Freistaat von der Politik – dessen bin ich mir absolut sicher.

Was ich bei dieser Problematik für wichtig erachte, ist die Videoüberwachung. Nicht zuletzt durch den Einsatz von Videoüberwachung in der Straßenbahn ist die Leipziger Polizei zu einer schnellen Identifizierung des mutmaßlichen Täters gekommen. Sie können sich also sicher sein, dass wir in der weiteren Diskussion neben den angesprochenen Aspekten auch einen erleichterten Zugang zur Videoüberwachung zur konsequenten Aufklärung von Straftaten als Bestandteil zur Ergreifung von Tätern weiter fordern werden.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Videoüberwachung ist schon jetzt geeignet, Täter schneller zu identifizieren und damit die Strafverfolgung zu erleichtern.

Mit Verlaub, ich habe mich über Ihre Entlassungsforderung gegen den sächsischen Innenminister Dr. Buttolo nicht gewundert. Die Linksfraktion.PDS hat in der Vergangenheit mit ihren Initiativen immer wieder belegbar versucht, den Strafverfolgungsbehörden Fahndungsmittel einzuschränken oder gar zu entziehen bzw. deren Einsatz konsequent zu verweigern. Die jetzige Rücktrittsforderung passt aus meiner Sicht konsequent in diese Linie.

Gestatten Sie mir noch eine Klarstellung. Es geht mir in keiner Weise um eine Täterhetze – auch der Innenminister hat dies deutlich unterstrichen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie wollen totale Überwachung, und das ist ein Vorwand dazu!)

Ich respektiere im vollen Umfang Ihre rechtsstaatlichen Rechte und bin mir der Schwierigkeiten der Abgrenzung dieses Themas sicher. Aber hier geht es uns vorrangig um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger und seine Verbesserung vor verurteilten Wiederholungstätern.

Das Augenmerk der CDU-Fraktion ist darauf gerichtet, alle Teile der Gesellschaft im Kampf gegen Wiederholungsstraftäter zu integrieren. Neben der präventiven Aufklärung beispielsweise an Schulen und Ausbildungsstätten und durch das Elternhaus gehören auch die bereits vorhandenen Mittel der Strafprozessordnung zur Sicherheitsverwahrung besonders gefährlicher Täter zum Schutz der Allgemeinheit, insbesondere unserer Kinder, und die Suche nach neuen Möglichkeiten dazu, um effektiv etwas im Opferschutz zu erreichen.

Insoweit sind die Äußerungen des sächsischen Innenministers verständlich und haben eine dringend notwendige Diskussion in Gang gebracht, an der Sie sich, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS, mit sachlichen Argumenten beteiligen sollten, anstatt völlig überzogene Rücktrittsforderungen in die Welt zu setzen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage die SPDFraktion. – Herr Abg. Bräunig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auslöser der Rücktrittsforderungen vonseiten der Opposition sind die Vorschläge des Innenministers,

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Die Handlungen!)