Die Frage, ob Sie in Berlin schon rund um die Uhr Ihr Bier trinken oder einkaufen dürfen, hat nichts damit zu tun, dass wir uns hier damit auseinandersetzen müssen, dass wir uns traditionell vielleicht aus der gleichen Sichtweise dem Thema nähern, aber wir hier in Sachsen unter erschwerten Bedingungen eine wesentlich bessere Regelung der unterschiedlichen Interessenlagen gebracht haben als in Berlin. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Natürlich kann man über Zilles Milieu philosophieren, aber letztendlich muss man zur Kenntnis nehmen – das sagen auch andere in der Republik –, dass das, was wir versucht haben, ein viel stärkerer Ausgleich der Interessenlagen ist als das, was Berlin und andere gemacht haben – unter unterschiedlichen Bedingungen.
Zusammengefasst ist es so – zumindest, was die erste Runde anbelangt; man weiß ja nie, was die Debatte noch bringt –: Wir werden eine Situation erleben – mit und ohne Ladenöffnungszeiten, das sage ich an dieser Stelle bewusst dazu –, dass ein starker Konkurrenzkampf gerade im Bereich der Discounter dazu führen wird, dass Arbeitsplätze vernichtet werden. Die Preisschlachten, die dort stattfinden, laufen im Wesentlichen über die Personalkosten. Das ist ein Anteil, der nicht zu unterschätzen ist. Wir haben jetzt schon die Situation, dass ein großer Teil von Einzelhandelsunternehmen für ihre Beschäftigten aus den Tarifverträgen aussteigen will. Das ist eine ungute Entwicklung, die auf uns zukommt, und insofern sollten wir ein Auge darauf haben.
Deshalb noch einmal der Hinweis darauf, dass wir eine Befristung vorgenommen haben. Wenn wir das Thema Ladenschluss ernst meinen und nicht nur als Politikum vor uns hertragen wollen, dann sollten wir uns auf der Grundlage verlässlichen Datenmaterials immer wieder damit auseinandersetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem die FDP-Fraktion bereits vor einiger Zeit versuchte, die Ladenöffnungszeiten zu liberalisieren, hat sich nun die Staatsregierung – kaum kompetenter – an diesem Sachverhalt versucht. Dies zeigt sich anhand mehrerer Punkte.
Ich erinnere beispielsweise an die Pressemeldung der „SZ“ vom 30.11. vergangenen Jahres, in der mit Bezugnahme auf den Juristischen Dienst des Landtages bereits der handwerkliche Pfusch des Gesetzentwurfes kritisiert wurde. Was hätte dies besser belegen können als das Einbringen eines Änderungsantrages von CDU und SPD in den Fachausschuss, der einen viereinhalbseitigen Entwurf der Staatsregierung durch sechs Seiten Änderungsvorschläge der Koalition „würdigt“.
Aber auch die Sachverständigenanhörung, meine Damen und Herren, macht mehr als deutlich, dass diesem Gesetzentwurf – unabhängig von nachträglichen Reparaturversuchen – allein aufgrund seiner Intention der längeren Ladenöffnungszeiten unmöglich zugestimmt werden kann. Die neoliberalen Protagonisten in diesem Haus tönen gern lautstark, dass nur, wenn die Läden länger geöffnet seien, mehr Umsatz gemacht werden könne. Doch, meine Damen und Herren, nicht nur die geöffnete Ladentür bringt Umsatz – das wäre wirklich zu schön –; dazu bedarf es noch einer entsprechenden Kaufkraft der potenziellen Kundschaft. Wenn diese nicht gegeben ist, kann die offene Ladentür anstelle des Umsatzes plötzlich sogar Kosten verursachen.
Nehmen Sie doch nur die Erfahrungen der vergangenen Fußball-WM zur Kenntnis: Es war kein Bedarf nach längeren Öffnungszeiten feststellbar, und die Gewinne wurden bestenfalls auf dem Spielfeld und nicht in den Läden nach 20:00 Uhr eingefahren.
Die Expertenanhörung hat ebenso deutlich gemacht, dass gerade auch im Freistaat Sachsen die Verlängerung der Arbeitszeit bisher zum Abbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse und zu Teilzeitarbeit im Einzelhandel führten. Scheinbar ist die Staatsregierung bestrebt, diesen Negativtrend weiter zu beschleunigen.
Darüber hinaus trägt das Anliegen einer Ausweitung der Öffnungszeiten bis 22:00 Uhr plus der Nacharbeit, nachdem der letzte Kunde das Geschäft verlassen hat, dem Takt der öffentlichen Verkehrsmittel nicht im Geringsten
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf büßt die Staatsregierung zudem jegliche Glaubwürdigkeit in Sachen Förderung des bürgerlichen Engagements ein. Eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten geht eindeutig zulasten des Engagements in Vereinen und/oder gemeinnützigen Einrichtungen. Wie sollen Beschäftigte im Einzelhandel unter den durch dieses Gesetz geschaffenen Rahmenbedingungen noch Feuerwehrübungen, Fußballtrainingseinheiten oder Ähnliches organisieren?
Meine Damen und Herren, wenn dieses Haus eine Wertschätzung für Familie und Ehrenamt besitzt, dann können wir gar nicht anders als diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Doch selbst aus der Wirtschaft gibt es bemerkenswerte Stimmen gegen die Ausweitung der Öffnungszeiten. Lesen Sie im Protokoll der Sachverständigenanhörung beispielsweise die Ausführungen des Vorsitzenden des Werberings Annaberg nach. Gerade die Einzelhändler, die kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Innenstadtbereich sprechen sich gegen eine Erweiterung der Öffnungszeiten aus, weil sie eine Wettbewerbssituation fürchten, die ihnen die Kaufkraft abzieht.
Darüber hinaus kann meine Fraktion auch kein besonders drängendes Bedürfnis vonseiten der Verbraucher erkennen, das hier einer zwingenden Befriedigung harrt. Wenn selbst die Vertreterin der Verbraucherzentrale ausführt, dass sich – Zitat – „spätes Einkaufen erst langsam durchsetzen wird und die Verbraucher die neue Dienstleistungsfreiheit nur langfristig annehmen werden“, dann kann ich beim besten Willen keinen Handlungsbedarf feststellen.
Auf die besondere Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes möchte ich aus Zeitgründen nicht eingehen. Dieser ist aber für die NPD-Fraktion eine Selbstverständlichkeit.
Zur PDS möchte ich zum Schluss noch eines sagen: Mir scheint, wenn Sie in Regierungsverantwortung sind, zeigen Sie Ihr neoliberales Gesicht, siehe Berlin; wenn Sie in der Opposition sind, wie hier in Sachsen, spielen Sie den pseudoarbeitnehmerfreundlichen Part aus.
Meine Damen und Herren! Aus vielen Gründen ist eine vernünftige Begrenzung der Ladenöffnungszeiten zu begrüßen und sollte nicht nach und nach auf dem Altar des Neoliberalismus geopfert werden. Ich bitte Sie deshalb, den vorliegenden Gesetzentwurf im Sinne der Familien und der Beschäftigten in Sachsen abzulehnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wenn man der FDP gefolgt wäre, hätte das Gesetz längst in Kraft sein können.
Am 7. Juli 2006 wurde im Bundesrat die Zuständigkeit für diese Materie endgültig auf die Landesebene übertragen. Wir als FDP-Fraktion haben daraufhin bereits Anfang September einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht.
Das war kein verfassungswidriger Gesetzentwurf. Wenn Sie nach dem stümperhaften Entwurf der Staatsregierung anfangen rechtliche Bedenken zu äußern, dann sollten Sie sich schämen.
Teile der CDU-Fraktion haben sich immerhin der Materie angenommen, indem sie im Oktober versucht haben, einen Gruppenantrag einzubringen. Erst 14 Tage später lag der Gesetzentwurf der Staatsregierung vor.
Vom Zeitablauf her wurde dabei völlig außer Acht gelassen, dass wir bereits im Jahr 2005 in diesem Hohen Hause einen Beschluss hinsichtlich der Sonntagsöffnung in den erzgebirgischen Traditionsorten gefasst hatten. Das war ein klarer Handlungsauftrag. Mit Ihrem Gesetzentwurf, Herr Staatsminister, haben Sie diesen Handlungsauftrag vollkommen verfehlt. Sie waren gar nicht in der Lage, diesen Beschluss des Landtages umzusetzen. Ich halte es für einen Skandal, wie Sie mit Beschlüssen dieses Parlaments umgehen.
Es bedurfte nämlich eines Vorschaltgesetzes aus den Reihen des Hauses, um den Beschluss des Landtags umzusetzen; selbst hätten Sie das nicht hinbekommen. Ein Vorschaltgesetz – mein Kollege Martens hat es in der letzten Debatte zu diesem Thema schon ausgeführt – ist eigentlich eine Notstandsmaßnahme. Es sagt etwas über das Verständnis dieser Regierung, wenn die Fraktionen, die sie tragen, zu Notstandsmaßnahmen greifen müssen, damit die Regierung Beschlüsse des Parlaments einhalten kann. Das ist ein ernstes Problem. Sie haben für einen stümperhaften Gesetzentwurf vier Monate gebraucht. Es ist schon angesprochen worden: Der Entwurf war viereinhalb Seiten lang, und Sie mussten ihn durch die Koalitionsfraktionen mit sechs Seiten Änderungsanträgen ergänzen lassen. Das ist keine Änderung mehr, Herr Minister Jurk, das ist ein neues Gesetz.
Hinzu kamen zwei mündliche Änderungen, die die Koalitionsfraktionen noch ganz schnell im Ausschuss nachgeschoben haben, weil Sie wieder einmal etwas vergessen hatten. Es wurde hauptsächlich kritisiert, dass
Sie bei den Bestimmungen zu Arbeitsschutz und Ordnungswidrigkeiten auf das Bundesrecht verweisen wollen, was so nicht geht. Der Juristische Dienst hat Ihnen sehr deutlich gesagt, dass das nicht zulässig ist.
Viel, viel schlimmer ist die „Denke“, die Sie haben. Mit diesem Verweis haben Sie nämlich ein bürgerfeindliches Gesetz geschaffen. Sie muten den Bürgerinnen und Bürgern zu, in unzähligen Gesetzen herumzublättern, um mühsam herauszufinden, was nun eigentlich Gesetzeslage ist. So macht man keine bürgerfreundlichen Gesetze, Herr Jurk.
In die Regelung für die Ausflugs- und Wallfahrtsorte haben Sie quasi eine Selbstermächtigung der Kommunen hineinformuliert. In den Punkten, die es den Gemeinden ermöglichen, etwas zu regeln, haben Sie vollkommen vergessen zu sagen, wie sie das machen sollen – durch Satzung oder durch Rechtsverordnung.
Die FDP hat all diese Punkte in ihrem Gesetzentwurf klar und sauber geregelt. Auch wenn Sie einige politische Punkte unseres Gesetzentwurfs nicht hätten mittragen wollen, hätten Sie einfach nur von der FDP abschreiben müssen. Dann wäre Ihnen in der Gesetzessystematik auf jeden Fall diese Blamage erspart geblieben.
Das alles reicht nicht aus. Selbst heute, am Tag der Debatte in diesem Hause, müssen Sie noch einen Änderungsantrag nachschieben, weil Sie wieder etwas verpennt haben. Das ist Regierungshandeln hier im Freistaat Sachsen – eine Bankrotterklärung.
Hier zeigt sich die miserable Arbeit des Ministeriums. Noch viel schlimmer: Es zeigt sich die miserable Arbeit der gesamten Staatsregierung. Ich frage mich: Was passiert eigentlich am Kabinettstisch? Reden Sie dort überhaupt miteinander?
Herr Minister Mackenroth, warum haben Sie als Justizminister diesen Gesetzentwurf, der doch offensichtlich so überhaupt nicht machbar war, nicht gestoppt? Haben Sie nicht erkannt, dass dieser Gesetzentwurf so nicht geht? Wollten Sie Ihren Kollegen Jurk ganz bewusst öffentlich auflaufen lassen, wie es auch schon in anderen Fällen vonseiten der Staatsregierung passiert ist? Die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzentwurfs ist eine Aneinanderreihung von Pleiten, Pech und Pannen.