Umstellung auf die neue Förderrichtlinie geschuldet ist. So waren bis zum 15.12.2006 die Anträge für das Jahr 2007 einzureichen. Bis auf die Aussage „Stellt die Anträge nach den neuen Förderrichtlinien!“ gab es für die Träger kaum Orientierung. Doch die meisten Träger kannten die Richtlinie noch gar nicht. Da war es schwer für die Träger, die eben nicht über die notwendigen Informationen verfügten.
Doch auch weitere Probleme zeichnen sich ab. In den kommenden drei Monaten will das Landesjugendamt mit jedem einzelnen überörtlichen Träger eine Zielvereinbarung abschließen, was wir im Grunde begrüßen. Aber die Träger hatten erst sehr spät von dem Abschluss einer solchen Zielvereinbarung erfahren. Es wird deshalb sicher Forderungen auf Nachbesserung im Bereich der Antragstellung geben, was zu einem neuen Aufwand führen, aber auch Zeitverzögerung mit sich bringen wird.
Wir werden, so denke ich, in absehbarer Zeit erneut über aktuelle Förderstrategien diskutieren, denn dann werden weitere Fragen im Raum stehen, die einer Antwort bedürfen. Wir müssen bei den aufgeworfenen Fragen aber auch deutlich zwischen der politischen Verantwortung von Entscheidern und der Umsetzungsverantwortung differenzieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frage, die sich mir beim Lesen Ihres Antrages und auch beim Zuhören zu Ihren Vorträgen, Herr Dulig und Herr Rohwer – denn Reden kann man das nicht nennen –, aufgedrängt hat, war die folgende: Was hat Sie geritten – ich will es mal vorsichtig formulieren –, diesen wirklich nachrangigen Berichtsantrag heute hier zu debattieren?
Zum Zeitpunkt der Antragstellung im Juni 2006 mag die Fragestellung nach den neuen Förderstrategien der Kinder- und Jugendhilfe noch einen gewissen Sinn gemacht haben, denn damals war das Beratungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Man hätte das Thema damals hier im Landtag debattieren und es dadurch aufwerten können. Aber das ist natürlich nur sinnvoll, bevor es einen Beschluss gibt.
Der Bericht der con_sens Consulting GmbH mit dem Titel „Evaluation der Förderstrategie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales auf dem Gebiet der
Jugendhilfe“ wurde dem Landesjugendhilfeausschuss am 28.01.2005 vorgelegt. Nun gibt es – wohlgemerkt zwei Jahre später – die Debatte zu diesem Antrag im Januar 2007. Da muss ich mich schon fragen: Warum tun wir das eigentlich? – Die neuen Förderrichtlinien sind durch das Staatsministerium für Soziales bereits erlassen worden, die Mittel im Doppelhaushalt 2007/2008 sind beschlossen.
Von welcher – ich zitiere aus dem Antrag – „zukünftigen Förderstrategie für den Zeitraum der Legislaturperiode“ sprechen Sie denn eigentlich? Aus heutiger Sicht wäre es sinnvoller gewesen, über die Förderpraxis zu sprechen oder – noch besser – über das, was eigentlich wirklich in Sachsen strategisch für die Kinder- und Jugendhilfe notwendig wäre. Einige der strategisch notwendigen Dinge haben wir Ihnen bereits vorgestern vorgeschlagen.
Herr Rohwer, Sie haben gesagt: Der Freistaat kann es sich nicht leisten, die Jugendhilfe – ich nenne es mal übermäßig – zu fördern. – Aber er kann es sich eben auch nicht leisten, Jugendliche vom politischen Diskurs auszuschließen.
Wenn Sie denn schon alles wissen, wie Sie es in Ihrem Vortrag ja dargeboten haben, dann frage ich mich wirklich, warum dieser Antrag heute behandelt werden muss. Vielleicht fällt es den beiden Koalitionsparteien so schwer, sich auf gemeinsame Anträge zu einigen, dass man einen Antrag, der sich eigentlich erledigt hat, nicht einfach zu den Akten legen kann. Aber vielleicht wollen Sie damit auch zeigen, dass Sie eben doch etwas für Jugendliche übrig haben – oder eben auch nicht. Geld ist es nicht, was Sie übrig haben, denn das eigentliche Problem der Förderung der Jugendhilfe wurde auch wieder zur Haushaltsberatung deutlich: Dieser Bereich muss grundsätzlich in jeder Haushaltsberatung, in jedem Haushalt für Einsparungen herhalten.
Ich wiederhole gern noch einmal die Zahlen aus dem Sächsischen Kinder- und Jugendbericht, obwohl sie hier schon mehrfach genannt wurden: 1996 60 Millionen Euro, 2001 dann 27 Millionen Euro und heute 20 Millionen Euro.
60, 27, 20! – Frau Abg. Orosz, wenn Sie eine Frage haben, dann begeben Sie sich bitte zum Mikrofon. –
60 Millionen, 27 Millionen und 20 Millionen, das ist und bleibt eine Reduktion auf ein Drittel innerhalb von zehn Jahren.
Begründet wurde dies – das ist von Herrn Rohwer mehrfach angeführt worden – mit dem demografischen Wandel, mit der demografischen Entwicklung. Aber erstens – auch das muss hier wahrscheinlich immer wieder gesagt werden – ist diese demografische Entwicklung so dramatisch doch nicht, als dass sie eine Reduzierung auf ein Drittel gerechtfertigt hätte.
Zweitens hat die mit der Evaluation der Förderstrategie beauftragte Gesellschaft in ihrem Abschlussbericht 2005 völlig richtig festgestellt – Zitat –: „Die Fördersystematik sollte keinen Automatismus dahin gehend vorsehen, dass weniger Mittel ausgegeben werden, wenn es weniger junge Menschen gibt.“ – Meine Damen und Herren! Bevölkerungsrückgang impliziert nicht automatisch weniger Jugendhilfe.
In der Evaluation wird darauf hingewiesen, dass der Sinn der Pauschale pro junger Mensch eben nicht gerade dazu dienen kann, die Förderung jährlich zurückzuschrauben, sondern dass der Zweck dieses einfachen Instruments darin liegt, eine gleichmäßige Verteilung von Mitteln im Land zu erreichen. Immerhin haben Sie dort reagiert, das muss ich Ihnen lassen. Die Pauschale wurde erhöht.
Nach § 80 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist der Grundbedarf für die Jugendlichen orts- und bürgernah zu erbringen. Jetzt können Sie sagen – und das ist hier teilweise geschehen –, dass das die Aufgabe der Kommunen ist. Aber das ist sie eben nicht allein. Der Freistaat muss dort unterstützend wirken, wo es die Kommunen zum Teil nicht mehr können. Gerade in ländlichen Gebieten gibt es eben einen höheren Bedarf an öffentlich organisierten Angeboten für Kinder und Jugendliche, da kommerzielle Angebote entweder nicht erschwinglich oder gar nicht vorhanden sind.
Bei der sogenannten Ausgleichsrichtlinie, der ehemaligen Richtlinie II, haben die Evaluatoren darauf hingewiesen, dass diese nur dann sinnvoll ist, wenn sie vernünftig gestaltet und ausreichend ausgestattet wird. Weder die Ausgestaltung noch die vernünftige oder ausreichende Untersetzung konnten umgesetzt werden. Insofern ist es nur folgerichtig, dass nunmehr ganz auf diese Richtlinie II verzichtet wird. Es stellt eine Vereinfachung der Mangelverwaltung dar; der Begriff Förderstrategie trifft es wohl kaum.
Strategie war es wohl schon eher, die Dachverbände der Jugendhilfe durch die Reduzierung der Personalkostenförderung zu strangulieren und so wieder ein Stück Jugendhilfelandschaft in Sachsen abzubauen.
Frau Orosz, ich möchte noch eine Frage an Sie und an die Damen und Herren der Koalitionsparteien richten. Es gibt die Frage, wie die Zielstellungen der Jugendhilfe – es gibt ja zum Beispiel eine Jugendhilfeplanung – erfüllt werden können. Dabei geht es um die Kontinuität der Arbeit, um die finanzielle Planungssicherheit und nicht zuletzt um die politische Unterstützung. Auch Sie, Herr Rohwer,
haben davon gesprochen. Aber Sie haben nicht gesagt, wie diese denn tatsächlich umgesetzt werden soll. Stattdessen reden Sie von Katastrophenschutz und Feuerwehr.
Ich weiß nicht, warum diese Fragen nicht angesprochen werden. In Ihrem Antrag fragen Sie, wie es die Staatsregierung ermöglichen kann, dass die Arbeits-, Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit durch die Jugendhilfe unterstützt wird. Ich finde dazu in der Stellungnahme aber keine Antwort. Auch von Ihnen habe ich dazu bisher nichts gehört.
Vielleicht können Sie darauf eingehen und schaffen es damit, in dieser Debatte zu einem Erkenntnisgewinn für uns beizutragen. Mit diesem Antrag tun Sie es jedenfalls nicht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Begründung zum vorliegenden Berichtsantrag heißt es – ich zitiere –: „Die Antragsteller interessiert, welche Möglichkeiten die Staatsregierung sieht, wie die Jugendhilfe die Erhöhung der Arbeits-, Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen unterstützen kann.“ Das hätte uns allerdings auch interessiert. In der Stellungnahme der Staatsregierung wird darauf jedenfalls nicht eingegangen. Dort stellt man kurz die geänderten Förderrichtlinien vor und verweist auf den Praxisbezug.
Natürlich freuen auch wir uns über die Erhöhung der Jugendpauschale. Da damit aber eine – Zitat – „Ausweitung der Fördergegenstände“ verbunden ist, relativiert sich diese Erhöhung ganz schnell. Weiterhin kann man über die Richtlinie „Überörtlicher Bedarf“ nun auch die Wandertage und Auslandsreisen der Fachkräfte der Jugendhilfe finanzieren. Das ist sehr schön. Aber was hat das alles mit der Fragestellung des Antrages zu tun?
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. In der Stellungnahme des Landesjugendhilfeausschusses zum jetzigen Doppelhaushalt gibt es folgenden schönen Satz: „Der Rückzug der Jugendarbeit auf kommunale Ebene, besonders in ländlichen Regionen, bietet Freiräume für die Entfaltung extremistischer Angebotsformen.“ Ich nehme an, Extremsport ist damit nicht gemeint.
Damit komme ich auf einen zentralen Punkt der sogenannten geförderten Projekte, den Kampf gegen Rechts. Das ist natürlich für den Verbleib und die Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen in Sachsen enorm wichtig.
Im Abschlussbericht von con_sens heißt es – ich zitiere –: „... kann eine geringere Anzahl junger Menschen nicht automatisch mit weniger Geld gleichgesetzt werden.“ So richtig dies ist, wird jedoch gleich eine völlig falsche Begründung geliefert. Dort heißt es: Vielfach erhöhe sich im Gegenteil der Bedarf an Jugendhilfemaßnahmen, da weniger mobile und geringer qualifizierte Jugendliche mit einem potenziell höheren Betreuungsaufwand vor Ort bleiben.
Meine Damen und Herren! Im Umkehrschluss kann man das nur so verstehen, dass bis jetzt nur die leichten Fälle betreut und die gering qualifizierten Jugendlichen vernachlässigt wurden und nun zur Absicherung der Daseinsberechtigung gewisser Leute die schweren Fälle in den Mittelpunkt rücken.
Gleich noch ein Wort zu den Evaluationen allgemein. Hier hat wirklich eine inflationäre Entwicklung eingesetzt, die Zweifel an der Kompetenz der Staatsregierung und ihres Mitarbeiterstabes aufkommen lässt.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Bericht der Staatsregierung lässt noch einige Fragen offen. Wir hätten uns gerade in dem oben angesprochenen Bereich, der immerhin die Zukunft des gesamten Freistaates und nicht nur die einiger Sozialpädagogen betrifft, konkretere Aussagen gewünscht.
Abschließend möchte ich auf die Befürchtungen des Herrn Neubert zurückkommen, die vor Kurzem veröffentlicht wurden.
Es ist bekannt, dass die Nationaldemokraten die Verwaltungs- und Funktionalreform in ihrer Gesamtheit ablehnen.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Soziokulturelle Gemeinschaft! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)