Binnenmarkt und zunehmender Fremdbestimmung durch die undemokratisch neoliberale Verfassung der Europäischen Union. Strukturen, die von den Völkern nicht akzeptiert werden, verschwinden ohnehin irgendwann im Orkus der Geschichte.
Meine Damen und Herren! Ich stelle den Antrag in der Drucksache 4/7611 zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Stimmen dafür ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Die Fraktion der FDP kann dazu als erste Stellung nehmen, danach folgen CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, GRÜNE und Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile dem Abg. Herrn Zastrow das Wort. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich am 11. Januar 2007 die „Sächsische Zeitung“ aufgeschlagen habe, konnte ich kaum glauben, was dort gestanden hat. Ich habe schwarz auf weiß gelesen, dass sich die Einführung des sogenannten Mammografie-Screenings in Sachsen erneut verzögern werde und das, obwohl wir schon eine halbe Ewigkeit über die Einführung von kostenlosen Untersuchungen zur Brustkrebsfrüherkennung bei Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren sprechen.
Ich glaube, wir alle in diesem Parlament dachten, dass wir mit der Verabschiedung des Gesetzes zum MammografieScreening am 10. Mai 2006, also vor rund neun Monaten, die notwendigen Grundlagen geschaffen hätten und dass jetzt seitens des Sozialministeriums alles getan werde, um das Programm zügig zu starten.
Frau Staatsministerin Orosz ist im Moment leider nicht anwesend, aber sie hatte damals den 1. Januar 2007 als verbindlichen Starttermin für das MammografieScreening-Programm zugesagt. Das hat sie im Sommer sogar noch einmal mit einer Pressemitteilung unterstrichen. Doch jetzt plötzlich, ohne jede Vorankündigung und ohne jede Erläuterung erklärt sie, dass sich der Start voraussichtlich – voraussichtlich! – bis zum IIII. Quartal 2007 verzögern wird. Das, meine Damen und Herren, halten wir für völlig inakzeptabel.
Dabei ist die neue Verzögerung nur die Spitze des Eisberges und der Gipfel eines aus unserer Sicht abenteuerlichen Spieles mit den Sorgen und Hoffnungen vieler Frauen in diesem Land; denn es ist inzwischen bereits 13 Jahre her, dass die Europäische Union Leitlinien für ein qualitätsorientiertes Mammografie-Screening aufgestellt hat. Bis zu ersten Modellprojekten in Deutschland dauerte es schon damals rund sieben Jahre. Erst 2001 gab es in Bremen das erste. Und auch schon damals lief die Selbstverpflichtung der Bundesärztlichen Kassenvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen, die europäischen Leitlinien bis zum Jahr 2003 in Deutschland umzusetzen, ins Leere, weshalb man an dieser Stelle, denke ich, so fair sein muss, dass man, wenn man von Verantwortung für die Verzögerung spricht, nicht allein an die Politik denken darf; denn es gibt noch andere, die aus unserer Sicht ihre Hausaufgaben nicht erfüllt haben.
Am 28. Juni 2002 beschloss der Bundestag einstimmig – ein seltener Fall, aber diesmal war es einstimmig –, dass in Deutschland das Mammografie-Screening flächendeckend eingeführt werden soll. Spätestens seit diesem Zeitpunkt – das ist inzwischen auch schon viereinhalb Jahre her – weiß auch die Sächsische Staatsregierung, dass sie die Rahmenbedingungen für die Brustkrebsfrüherkennung im Freistaat schaffen muss. Ich weiß nicht, wie die Staatsregierung die Zeit seit 2003 konkret genutzt hat.
Fakt ist, dass die Mammografie-Chronologie erst am 22. Februar 2005 wieder eine Auffälligkeit zeigt. Auf einen Berichtsantrag von CDU und SPD – ich verweise dabei auf die Drucksache 4/0680 – erklärt die Staatsregierung, dass bereits ein Präventionsmaßnahmengesetz in Arbeit sei, um die Einladung der Frauen zum Mammografie-Screening in Sachsen zu gewährleisten.
Auch die heute oft als Grund für die Verzögerung herbeibemühten datenschutzrechtlichen Probleme sind längst bekannt. Bereits am 2. Mai 2005 äußerte der Sächsische Datenschutzbeauftragte seine Bedenken. Es war also ausreichend Zeit, um die juristischen Probleme des Programms zu lösen, genauso wie übrigens genug Zeit dafür gewesen wäre, sich Gedanken über Ausschreibungskriterien zu machen oder auch die Bewerbersituation für Screening-Stationen in den Regionen zu untersuchen. Dies kann man durchaus parallel tun.
Da uns dies alles, sehr geehrte Frau Orosz, viel zu lange dauerte, brachten wir als FDP, das wissen Sie, vor genau einem Jahr, am 16. Januar 2006, einen entsprechenden Gesetzentwurf ein, der sehr stark an das erfolgreiche Vorbild Baden-Württembergs angelehnt war. Was danach passierte, wissen Sie noch ganz genau: Sie haben es immerhin geschafft, diesen Gesetzentwurf fünf Monate lang im parlamentarischen Verfahren zu halten. Sie haben taktiert, Sie haben verzögert und eine Entscheidung zu unserem Gesetzentwurf einfach blockiert. Am 15. März 2006 kamen Sie dann mit einem eigenen Gesetzentwurf. Wie gesagt, am 10. Mai 2006 wurde der Gesetzentwurf hier im Sächsischen Landtag – übrigens mit den Stimmen fast aller Fraktionen – beschlossen, Starttermin: 01.01.2007.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, was Sie, Herr Gerlach und Frau Nicolaus, damals in der Beratung gesagt haben. Sie haben uns zum Beispiel Panikmache vorgeworfen. Sie haben damals – noch schlimmer – gesagt, dass wir uns auf dem Rücken der betroffenen Frauen profilieren würden, und Sie haben sogar in einer Pressemitteilung erklärt, dass der von uns verbreitete Zeitdruck völlig unnötig sei, da das Gesetz erst zum 1. Januar 2007 greifen könne. Jetzt lese ich in der „Sächsischen Zeitung“ ganz plötzlich, dass Frau Orosz erklärt, dass der Zeitplan zu eng kalkuliert war. Das, meine Damen und Herren, finde ich zutiefst unanständig.
Einmal abgesehen davon, dass die von uns geforderte zügige Beratung, eine möglichst zügige Entscheidung zu diesem Gesetzentwurf – Frau Nicolaus, Sie hatten mit Ihrem Berichtsantrag im Jahr zuvor den Finger in genau derselben Wunde – angebracht und zwingend gewesen wäre – Frau Orosz, wollen Sie den Menschen wirklich ernsthaft erklären, dass 13 Jahre nach dem EU-Beschluss, viereinhalb Jahre nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages und neun Monate nach dem Landtagsbe
schluss irgendein Zeitplan zu eng kalkuliert gewesen sei? Diese Zeit hat nicht gereicht? Wie viel Zeit hätten Sie denn gern? Wie viel Zeit braucht man in diesem Land, um so wichtige – aus meiner Sicht jedoch gar nicht so komplizierte – Sachverhalte in Entscheidungen umzusetzen? Nein, meine Damen und Herren, hier stimmt aus unserer Sicht etwas ganz gewaltig nicht, und glauben Sie mir eines: Das kapiert kein Mensch in diesem Land!
Ich will es noch einmal ganz klar sagen: Das Einzige, was man bei der Bekämpfung von Krebs nicht hat, ist Zeit. Wenn man den Krebs besiegen will, ist die Devise „ruhig Blut!“ mit Sicherheit die falsche. Nur wenn man sofort handelt und den Krebs möglichst frühzeitig erkennt, haben die Betroffenen bei bestimmten Krebsarten überhaupt eine Chance. Da ist ein halbes Jahr, da sind neun Monate eine verdammt lange Zeit, unter Umständen eine zu lange Zeit – eine Zeit, die wir alle gemeinsam politisch nicht verantworten können.
In jedem Jahr erkranken in Sachsen etwa 2 600 Frauen an Brustkrebs. Laut Statistischem Landesamt starben allein im Jahr 2005 840 Frauen an dieser Krebserkrankung. Experten, wie der Leiter des Institutes für Radiologische Diagnostik am Universitätsklinikum Dresden, Herr Prof. Michael Laniado, schätzen, dass bei einem Mammografie-Screening durch eine frühzeitige Erkennung auch kleiner und kleinster Gewebeveränderungen bis zu einem Drittel dieser Frauen gerettet werden könnten. Ich frage Sie ernsthaft: Sollte diese Perspektive nicht Grund genug sein, mit Hochdruck an einer Lösung zu arbeiten und alles zu tun, um möglichst zeitig und möglichst schnell allen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren das Screening-Verfahren zugute kommen zu lassen? Ich sage Ihnen: Ja, das ist ein Grund. Aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, ist das der beste Grund überhaupt.
Es ist in Sachsen nicht flächendeckend umgesetzt, und ich beziehe mich vor allem auf das Interview von Frau Orosz, das sie der „Sächsischen Zeitung“ gegeben hat. Wenn Sie exklusive Informationen haben, Frau Weihnert, bitte, aber ich habe sie nicht.
Liebe Frau Orosz, Sie haben, ohne Rücksprache zu nehmen – ich glaube, nicht einmal Rücksprache mit dem Ausschuss –, angekündigt, dass es bis zum III. Quartal dauern wird. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich glaube noch nicht einmal daran, dass es bis zum III. Quartal wird; denn Sie haben damals am 10. Mai erklärt, zum 01.01.2007 würde es stehen. Das war vor neun Monaten.
Nein, die Umsetzung steht nicht! Nur das Gesetz steht. So ein Quatsch! Zum 01.01. wollten Sie das Programm starten, ich kann Ihnen den Pressespiegel zeigen. Den zeige ich Ihnen sehr gern. Ich habe ihn dort liegen, dann schauen wir einmal richtig hinein.
Moment! – Sie haben das damals, vor neun Monaten, gesagt. Wir sind neun Monate weiter, und Sie erklären jetzt, im Januar, vielleicht werde es dann in neun Monaten werden. Das glaube ich Ihnen, Frau Orosz, beim besten Willen nicht.
Herr Zastrow, noch einmal: Haben Sie sich erkundigt? Denn umsetzen müssen es die Krankenkassen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen stehen. Haben Sie sich erkundigt, ob es die Kassen umsetzen? Ich weiß von der IKK, dass es dort funktioniert.
Hören Sie zu: Sie sagen, Frau Weihnert, und das veröffentlichen Sie bitte auch so, dass alle Frauen zwischen 50 und 69 in Sachsen – Frau Weihnert, hören Sie mir noch zu? – bereits das kostenlose Mammografie-ScreeningProgramm in Anspruch nehmen können? Ist das so? Bitte beantworten Sie mir die Frage. Sagen Sie Ja oder Nein?
Frau Weihnert kann Ihnen das jetzt leider nicht beantworten, da es nur Zwischenfragen gibt. Vielleicht sagt sie es Ihnen in der Diskussion.
Ich habe Augen im Kopf, sie könnte ja nicken oder mit dem Kopf schütteln. Wenn Sie jetzt nicken, sage ich hier für das Protokoll, dass Sie Ja gesagt haben. Morgen können alle Frauen in Sachsen, so wie es per 01.01.2007 angekündigt war, bereits die Vorteile dieses Programms nutzen. Ist das so?