Die Ausnahmetatbestände haben sich nicht bewährt. Mit dieser GA-Richtlinie ist eine differenzierte Strukturpolitik nicht zu betreiben. Allerdings, Herr Jurk, da sind Sie gefordert. Sie müssen uns Alternativen nennen, wie wir dann eine Wirtschaftsförderung in den strukturschwachen Regionen betreiben wollen.
Sie haben das Förderprogramm Regionales Wachstum aufgelegt und indiziert. Wenn man sich dazu die Zahlen anschaut, sind auch im Jahr 2005 von 5 Millionen Euro gerade einmal 851 000 Euro abgerufen worden. Im Jahr 2006 waren es von 15 Millionen Euro gerade einmal 5,4 Millionen Euro. Das ist kein Erfolgsmodell. Deswegen müssen Sie uns heute die Antwort darauf geben, was Sie stattdessen betreiben wollen, wenn Sie auf die Differenzierung in der GA-Richtlinie verzichten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit seinem Vorhaben, die Fördersätze in Sachsen auf ein Niveau zu bringen, hat uns Herr Staatsminister Jurk eine schöne Debatte beschert. Schön deshalb, Herr Staatsminister, weil Sie die gängigen politischen Lager endlich einmal richtig durcheinandergewirbelt haben. Ihre Initiative wird von der Linksfraktion ebenso abgelehnt wie von Ihren Ministerkollegen Tillich und Flath. Als ob diese neue politische Interessengemeinschaft von Linksfraktion und Ministern noch nicht Grund genug ist, hat sich auch noch mein Leipziger Kollege, Herr Morlok von der FDP, dazugesellt.
Zur angeblichen Wahrung der Interessen des ländlichen Raumes hat sich damit eine bunte Schar zusammengefunden und aus dieser bunten Schar heraus wird ziemlich scharf geschossen. Da fiel unter anderem der Satz: „Unser Wirtschaftsminister befindet sich auf einer wirtschaftspolitischen Geisterfahrt.“ Da wurden also ganz dicke Geschütze aufgefahren und am Ende weit vorbeigeschossen, und zwar in der Sache und im Ton.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion war und ist der Auffassung, dass eine Ausdifferenzierung von regionalen Fördersätzen nichts bringt. Allenfalls laufen wir mit der Spreizung Gefahr, im Wettbewerb mit unseren Nachbarn zu verlieren oder Fehlallokationen zu verursachen. Investitionsentscheidungen hängen nämlich von einer Reihe von Faktoren ab. Die Höhe des Fördersatzes ist nur ein Faktor neben anderen.
Egal, wie wir die Fördersätze differenzieren, wir werden es nicht schaffen, in der Lausitz oder im Erzgebirge eine ähnliche Wirtschaftskraft wie in den Zentren zu initiieren. Ganz im Gegenteil! Ziel unserer Wirtschaftspolitik muss es doch sein, Investoren nach Sachsen zu locken. Ob sie dann nach Dresden oder in die Lausitz gehen, das ist doch zweitrangig. Im Unterschied dazu ist es aber für mich als Sachse und als Leipziger schon wichtig, ob ein Unternehmen nach Halle oder nach Leipzig geht, und da habe ich ein großes Interesse, dass meine sächsische Heimatstadt im Vergleich mit der Konkurrenz nicht schlechter dasteht, wenn es um die Bedingungen der Ansiedlung geht. In diesem Sinne bin ich über manche Verlautbarung doppelt verwundert. Wirtschaftspolitisch halte ich sie nicht für sachgerecht.
Ich könnte den Argumenten der Gegner von einheitlichen Fördersätzen einiges abgewinnen, wenn die Spreizung das alleinige Instrument zur Förderung des ländlichen Raumes wäre. Aber wir wissen ja alle, dass das nicht der Fall ist. Gemessen an der Einwohnerzahl sind überdurchschnittlich hohe Zuschüsse für die gesamte Infrastruktur in den ländlichen Raum geflossen. Wir haben zum Beispiel mit dem ELER ein eigenes Programm zur Entwicklung des ländlichen Raumes, und über die Investitionszulage werden weiterhin im ländlichen Raum höhere För
Ein zweiter Aspekt, meine Damen und Herren: Viel verheerender als einheimische Fördersätze wirkt sich für den ländlichen Raum die Schulpolitik unserer Staatsregierung aus. Welches Unternehmen siedelt sich denn in einem Ort an, in dem die Kinder jeden Morgen und jeden Nachmittag eine Stunde oder mehr im Bus sitzen müssen, um eine weiterführende Schule zu besuchen? Die Erreichbarkeit von Bildungseinrichtungen ist ein weicher, aber wichtiger Standortfaktor. Mit den Schulschließungen hat die Staatsregierung den ländlichen Standorten mehr geschadet als mit der Vereinheitlichung von Fördersätzen.
An dieser Stelle, Herr Staatsminister Tillich, hätte ich mir Ihre mahnende Stimme zugunsten des ländlichen Raumes in Sachsen sehr gewünscht.
Meine Damen und Herren! Ich wage die Prognose, dass sich an dem Verhältnis der Investitionen zwischen Stadt und Land auch nach der Richtlinie nichts ändern wird. Die Vergangenheit hat doch gezeigt, dass der Anreiz der höheren Förderung die Unterschiede zwischen Stadt und Land nicht einebnen konnte. Auch die Effekte von Sonderprogrammen – ich erinnere zum Beispiel an die „Perlenkette an der Neiße“ – sind mehr oder weniger verpufft. Nicht zuletzt hat die Realität in Sachsen noch nie mit der Richtlinie in Übereinstimmung gestanden.
Ich hätte gern einmal vom Wirtschaftsminister gewusst, wie viele Ausnahmegenehmigungen Sie und Ihre Vorgänger erteilt haben. In der Wirklichkeit hat die Spreizung der Fördersätze doch nicht zu einer Besserstellung des ländlichen Raumes geführt, sondern nur dazu, dass Großunternehmen, die sich in den Städten ansiedeln wollten, bessere Bedingungen aushandeln konnten und dass kleine und mittlere Unternehmen das eben nicht konnten. Das, meine Damen und Herren, kann doch nicht der Sinn einer Richtlinie sein: dass sie die Großunternehmen in die Städte lenkt und die kleinen auf das Land.
Die Realität hat die Abstufung der Fördersätze längst überholt. Die Differenzierung der Fördersätze unterstellt, dass die ländlichen Räume mit den Ballungszentren in Sachsen in einem Wettbewerb stehen. Die Spreizung soll der Versuch sein, die Nachteile der ländlichen Regionen auszugleichen. Eine solche Betrachtungsweise halte ich für wirtschaftspolitischen Unfug. Dresden konkurriert nicht mit der Lausitz oder dem Erzgebirge. Dresden konkurriert mit München in der Biotechnologie und als Standort für die IT-Technologie. Leipzig konkurriert mit Halle oder Düsseldorf. Für diese Konkurrenz muss sich das Land rüsten, nicht für einen Wettbewerb zwischen Hoyerswerda und der Landeshauptstadt. – Weitere Aspekte in der zweiten Runde.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Bolick, ich habe auch Verständnis dafür, dass Sie als ehemaliger Geschäftsführer von Unternehmen der Elektroindustrie der DDR sicherlich Experte in der Wirtschaftspolitik der DDR sind. Das ist Ihnen unbenommen. Nichtsdestoweniger erstaunen mich Ihre markigen Worte, die Sie heute zu diesem Thema gefunden haben, denn schließlich haben Sie im Ausschuss zu diesem Thema nicht einmal die Zähne auseinanderbekommen.
Frau Lay, Ihnen ist wohl nicht bekannt, dass es in der DDR keine Geschäftsführer gab? Damals hießen die Leiter von Betrieben Betriebsdirektoren.
Ich muss ehrlich zugeben, verehrter Herr Kollege Bolick, dass in den Gerüchten dieser Begriff verwendet wurde. Ich habe aber einfach die Bezeichnung aus dem Interneteintrag des Volkshandbuchs zitiert. Da findet sich eben genau die Bezeichnung „Geschäftsführer“, die ich gerade auch hier verwendet habe. Vielleicht sollten Sie dort einmal den Eintrag im Volkshandbuch des Sächsischen Landtages ändern lassen.
Ja, da kann ich einfach meine Empfehlung noch einmal wiederholen: Ich zitierte aus dem Volkshandbuch. Ich kann aber bei meiner Einschätzung bleiben, dass Sie sich in der Wirtschaft der DDR offensichtlich sehr gut auskennen und vielleicht
Meine Damen und Herren, zur Sache. Auch in der Wirtschaftsförderung gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In der Theorie, auf dem Papier der GA-Richtlinie, wurden die strukturschwachen Regionen durch höhere Förderansätze bevorteilt. In der Praxis schnitten Dresden und Leipzig auch bis jetzt bereits deutlich besser ab. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Im Jahre 2005 erhielt Dresden 243 Euro pro Person aus dem Fördertopf. Hoyerswerda bekam demgegenüber nur 4 Euro pro Einwohner, das Muldental 23 Euro, NOL gerade mal 46 Euro.
Auch die anderen Beispiele meiner Kleinen Anfrage belegen, dass die bisherige Förderpraxis gerade nicht zum Nachteil der Metropolen geworden ist. Im Übrigen gerät sie auch nicht zum Nachteil von Großinvestitionen. Denn wenn die „Sächsische Zeitung“ mit den dort präsentierten Zahlen recht hat, dann sind eben rund 80 % der Mittel in Großinvestitionen geflossen. Wenn dieses andere bunte Bündnis von GRÜNEN, SPD, Teilen der CDU und Wirtschaftsverbänden jetzt aufheult und sagt, dass dieser Kompromiss Dresden und Leipzig schaden würde, dann halte ich das einfach für Panikmache, dann halte ich es für Augenwischerei, und jede empirische Grundlage fehlt.
Meine Damen und Herren! Sie müssen sich auch entscheiden, welches Argument zieht. Entweder gibt es Förderanreize, dann wollen wir sie für diejenigen, die sie auch tatsächlich nötig haben. Oder sie wirken nicht – was Sie ja gleichzeitig auch behaupten –, aber dann wird das auch in Zukunft wie beim bisherigen Konzept niemanden davon abhalten, in Leipzig zu investieren statt in Halle.
Meine Damen und Herren! Entscheidend ist aber, dass dahinter eine Theorie steht, die wir grundsätzlich für falsch halten. Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass mir die Apologeten der Leuchtturmtheorie bislang jeden Beweis schuldig geblieben sind, warum eigentlich eine Investition in die Zentren quasi automatisch zum Motor für die Entwicklung in den strukturschwachen Regionen werden soll. Es weiß doch jeder, der die deindustrialisierten Regionen in Sachsen kennt, ob die Oberlausitz oder das Erzgebirge. dass das nicht automatisch so ist
Wer nur die Stärken stärken will, der macht lediglich das, was der Markt ohnehin schon tut, und verabschiedet sich damit vom Primat der Politik. Deswegen bekennt sich die Linke ganz klar zu Strukturanreizen für den ländlichen Raum.
Richtig ist, dass die bisherigen Strukturanreize nicht in ausreichendem Maße funktioniert haben. Das ist an sich schon schlimm genug. Aber das jetzt zu verschlimmbessern, das ist doch der eigentliche politische Skandal. Das wäre so, als wenn man einem chronisch kranken Patienten
die Medikamente komplett entzieht, weil die bisherigen noch nicht im ausreichenden Maße gewirkt haben. Das ist doch ein Zynismus, den wir den ländlichen Regionen nicht im Ernst zumuten können.
Deshalb war es im Ansatz auch richtig von Herrn Flath und von Herrn Tillich, den Entwurf der Förderrichtlinie abzulehnen. Darin habe ich Sie ja auch bestärkt. Immerhin konnten Sie einen Kompromiss erzielen. Ich sage aber auch: Es war gut gemeint, nicht mehr und nicht weniger. Es ist und bleibt symbolische Politik.
Wenn der Ministerpräsident recht hat – auch Sie, Herr Pecher –, dass Psychologie in der Wirtschaft entscheidend ist, dann sage ich: im Zweifel schon. Dann möchte ich diese Psychologie aber zugunsten der strukturschwachen Regionen einsetzen und nicht dort, wo die Wirtschaft ohnehin schon boomt.
Aber die Linke gibt sich mit symbolischer Politik nicht zufrieden. Wir wollen andere Medikamente verabreichen. Deswegen sagen wir und haben das auch in der Haushaltsdebatte ganz deutlich gemacht: Wir möchten, dass die gesamte Förderpolitik auf den Prüfstand kommt. Genau deswegen haben wir auch Regionalbudgets eingefordert, die einfach einem komplett anderen Prinzip der Förderung gehorchen. Nach unseren Vorstellungen sollen die Regionen pauschalierte Zuweisungen bekommen, über deren Einsatz sie baldmöglichst selbst entscheiden können. Denn nur so ist sichergestellt, dass das Geld auch tatsächlich in der Region landet.