Protocol of the Session on January 24, 2007

So viel zur ersten Runde. Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag auf Aussetzung der Unterzeichnung des Staatsvertrages.

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Dr. Hahn, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Innerhalb des letzten Jahres befasst sich der Sächsische Landtag nun bereits zum dritten Mal mit der Thematik Sportwetten bzw. Glücksspielstaatsvertrag. Wenn ich mir die bisherige Haltung der Staatsregierung und der Koalitionsfraktionen ansehe, dann befürchte ich, es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass wir uns damit beschäftigen müssen.

Im Juni 2006 hatten wir das Thema erstmals auf der Tagesordnung des Landtages. Einige Wochen später ging es dann vor allem um die Verbotsverfügung des Sportwettenanbieters bwin im ostsächsischen Neugersdorf. Wir haben das für unverständlich, unnötig und auch rechtlich äußerst fragwürdig gehalten. Auf drohende Schadenersatzforderungen ist eben bereits hingewiesen worden. Wir haben deshalb von Anfang an das Anliegen der FDPFraktion unterstützt, endlich Rechtssicherheit für die existierenden und auch für künftige Veranstalter von Sportwetten zu schaffen. An dieser Haltung hat sich natürlich nichts geändert.

Wir alle kennen das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. März 2006. Die Entscheidung der Karlsruher Richter betrifft eben nicht nur Sportwetten, sondern letztlich den gesamten Lotto- und Totobereich. Sie kann auch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Länder haben. Nach dem Entscheid von Karlsruhe muss bis zum 31. Dezember dieses Jahres Klarheit hergestellt sein, sei es über eine gesetzliche Regelung durch den Deutschen Bundestag oder eben über einen Staatsvertrag der Länder. Von daher haben wir im Zuge der Selbstbestimmung nicht grundsätzlich etwas gegen einen Staatsvertrag. Entscheidend ist aber natürlich, wie dieser ausgestaltet ist und was die Bestimmungen konkret beinhalten.

Mit den im vorliegenden Fall beabsichtigten Regelungen haben wir erhebliche Probleme; zum Teil sicherlich andere als die FDP. Im Ziel, den jetzt vorliegenden Entwurf für den Staatsvertrag zu verhindern und das förmliche Ratifizierungsverfahren zu stoppen, sind wir uns mit den Liberalen aber einig.

Anders als die FDP-Fraktion wollen wir allerdings das staatliche Monopol für das Wettspiel nicht grundsätzlich zu Fall bringen und die potenziellen Kunden den diversen privaten Anbietern zuführen, sondern wir wollen bei Erhalt des staatlichen Monopols Ausnahmeregelungen und Öffnungsklauseln zulassen, die nicht zuletzt den Erhalt derjenigen privaten Anbieter ermöglichen, die aufgrund fortbestehender Lizenzen aus DDR-Zeiten Sportwetten in Deutschland anbieten dürfen. Dazu gehört eben auch die bereits mehrfach erwähnte Firma bwin.

Wir können derzeit nicht erkennen, dass durch die im Entwurf des Staatsvertrages enthaltenen Bestimmungen die uneingeschränkte Fortexistenz von bwin und damit der Erhalt der rund 60 Arbeitsplätze in Neugersdorf gesichert werden kann. Das Gegenteil ist der Fall. Deswegen lehnen wir den Staatsvertrag in der gegenwärtigen Fassung eindeutig ab.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Es geht auch nicht allein um Arbeitsplätze in Sachsen. Denn bundesweit gibt es derzeit etwa immerhin 25 000 Lottoannahmestellen mit den entsprechenden Arbeitsplätzen. Bereits vor einem halben Jahr habe ich darauf hingewiesen, dass bei Aufgabe des staatlichen Monopols – wie es die FDP fordert – nahezu jede zweite dieser Annahmestellen von Schließung

bedroht wäre. Auch deshalb halten wir die Forderung der FDP nach einer generellen Liberalisierung des Wettspielbetriebes für absolut kontraproduktiv. Gefährdet werden dadurch nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze, sondern auch erhebliche Einnahmen der Länder.

Lassen Sie mich auch hier die entsprechenden Zahlen noch einmal wiederholen. Die 16 Bundesländer haben derzeit Einnahmen aus Steuern, Abgaben und Gewinnausschüttungen bei Lotto, Sportwetten und anderen Glücksspielen von jährlich etwa 5 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Teil dieser Gelder wurde bislang zur Finanzierung von Aufgaben in den Bereichen Kultur, Jugend, Sportförderung und Wohlfahrtspflege verwendet, die bei Wegfall der Zuschüsse in vielen Fällen nicht mehr sichergestellt werden könnten.

Von daher sind die Einnahmen aus dem Wettspielbetrieb für die Länderhaushalte unverzichtbar und ein weitgehender Erhalt des staatlichen Monopols ist deshalb aus unserer Sicht geboten. Allerdings – diesen Punkt will ich noch einmal betonen – sollte es für jene Unternehmen, die auf der Grundlage von DDR-Lizenzen aus der Wendezeit bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes existiert haben, einen dauerhaften Bestandsschutz geben.

Dies gilt umso mehr, als auch diese Anbieter in den zurückliegenden Jahren durchaus ihren Beitrag für das Gemeinwohl geleistet haben. Allein bwin gab im Jahr 2005 rund 25 Millionen Euro für Werbung und Sponsoring aus. Der Etatansatz für 2006 lag bei 56 Millionen Euro. Durch die Verbotsverfügung des Freistaates war dann allerdings die tatsächlich ausgeschüttete Summe deutlich geringer. Leidtragende waren Hunderte Amateursportvereine, die eingeplante und dringend benötigte Zuwendungen dadurch nicht erhalten haben. Auch deshalb muss das Verbot schnellstmöglich zurückgenommen und darf nicht noch via Staatsvertrag nachträglich sanktioniert werden.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion.PDS)

Die Linksfraktion.PDS, meine Damen und Herren, hatte – Herr Martens hat darauf hingewiesen – bereits im Dezember in einem Dringlichen Antrag gefordert, die Beschlussfassung über den Staatsvertrag auszusetzen und Neuverhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, die nicht nur von Schleswig-Holstein geäußerten schwerwiegenden, auch verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Dieser Antrag kam durch Mehrheitsentscheid der Koalition unter Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Landtages leider nicht auf die Tagesordnung, sodass es keine Möglichkeit mehr gab, die Abstimmung zum Vertragstext in der Ministerpräsidentenkonferenz am 13. Dezember noch zu verhindern.

Unser Antrag ist gleichwohl nach wie vor ebenso aktuell wie jener der FDP.

Eine förmliche Unterzeichnung des Glücksspielstaatsvertrages muss verhindert werden, und zwar nicht nur wegen inhaltlicher Differenzen, sondern auch aus grundsätzlichen politischen Erwägungen. Der Vertragsentwurf sieht

offenkundig immer noch vor, dass der Staatsvertrag mit Bindungswirkung für alle Vertragsparteien zum 1. Januar 2008 auch dann in Kraft treten soll, wenn bis dahin nach entsprechender Beschlusslage in den Landtagen lediglich 13 Ratifizierungsurkunden hinterlegt sind. Das bislang übliche Einstimmigkeitsprinzip soll hierbei offenbar ausgehöhlt werden. Dies lehnen wir entschieden ab. Wir wollen auch keinen Präzedenzfall zulassen, der letztlich den Einfluss aller Landtage in Deutschland schwächen würde. Wir als Linksfraktion wollen dies nicht, und eigentlich dürfte dem auch keine andere demokratische Fraktion zustimmen.

Ich fasse zusammen: Der vorliegende Glücksspielstaatsvertrag ist sowohl aus inhaltlichen als auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht beschlussreif. Er muss grundlegend überarbeitet und darf demzufolge nicht durch den Ministerpräsidenten unterzeichnet werden. Der Verfassungsauftrag von Georg Milbradt ist, Schaden vom Freistaat Sachsen abzuwenden, und nicht, neuen Schaden zu verursachen. Deshalb werden wir dem Antrag der FDP-Fraktion zustimmen.

Zugleich werbe ich für die Annahme unseres Antrages, der in seinen Grundzügen unverändert aktuell ist und in den Punkten 2 und 3 zudem deutlich über die Forderungen der Liberalen hinausgeht. Beide Anträge ergänzen sich und es sollten daher auch beide angenommen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Rohwer, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Dresden im Juni 1788: Dem Landesfürsten reicht es – –

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Da ist die CDU, ja!)

Manchmal ist es gut, in die Geschichte zu schauen, Herr Dr. Hahn. Hören Sie doch erst einmal zu.

Dem Landesfürsten reicht es; schon mehrmals hat er das Würfeln und Kartenspielen in den Wirtshäusern seiner Residenz verboten. Geändert hat sich nichts. Die Landeskinder würfeln munter weiter und spielen sich teilweise um Haus und Hof. Das ist schlecht für das Land und daher schlecht für den sächsischen Landesherrn. Die Landesherrschaft scheint gegen Windmühlen zu kämpfen und versucht am 18. Juni 1788 mit der Veröffentlichung neuer Strafen und der Ausschreibung von Belohnungen für das Anzeigen von Glücksspielen einen neuen Anlauf. Viel gebracht hat das dann auch nicht.

Auch 300 Jahre später muss sich der sächsische Landesvater mit dem Glücksspiel auseinandersetzen. Im März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht erklärt: Rien ne va plus – nichts geht mehr.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Stimmt ja nicht!)

Es hat die bundesdeutschen Landesfürsten aufgefordert, den Staatsvertrag zum Glücksspiel neu zu fassen. Das Gericht erklärt: „Der Gesetzgeber ist gehalten, den Bereich der Sportwetten bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln. Ein verfassungsgemäßer Zustand kann sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die sicherstellt, dass es wirklich der Suchtbekämpfung dient, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltungen durch private Wettunternehmen.“ Die Ministerpräsidenten von 15 Ländern haben diesen Auftrag angenommen und einen neuen Staatsvertrag entworfen. Inhalt des Vertrages: Das Monopol bleibt.

Die Wettlobby sieht das natürlich anders: Das Monopol muss weg. Private Wettanbieter mobilisieren alle Ressourcen, um den Staatsvertrag doch noch zu kippen. Von der FDP und ihrem Vorsitzenden, Guido Westerwelle, bekommen sie dabei politische Schützenhilfe. Für Westerwelle ist es klar: Die Sportwettendiskussion ist eine Frage der Weltanschauung. Auf einem FDP-Forum in Berlin erklärt er: „Sollen bloß, weil einige Probleme mit dem Wetten haben, gleich alle darauf verzichten?“ Ich denke, die Frage ist berechtigt. Sie ist auch Kern des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes. Die Frage des Wettmarktes ist demnach eine Frage zwischen persönlicher Freiheit und dem Schutz vor Spielsucht.

Sie, verehrte Kollegen von der FDP, haben die Antwort wahrscheinlich bereits gefunden und lesen jetzt munter in Ihren Zeitungen. Nicht, Herr Dr. Martens? Das zeigt auch Ihr Antrag. Ihnen geht es um die Wirtschaft und daher fordern Sie den Ministerpräsidenten auf, den Staatsvertrag zum Glücksspiel nicht zu unterzeichnen. Negative Folgen des Wettens? Kennen Sie nicht. Spielsucht? Laut Ihrem Parteichef ist das nur ein Problem von Wenigen – vernachlässigbar, unbedeutend.

Ist es wirklich so einfach? Nein, natürlich ist es nicht so einfach. Vor 300 Jahren war das Glücksspiel in Sachsen wegen der negativen Folgen verboten. Heute ist es wegen der negativen Folgen begrenzt erlaubt. Aber im Gegensatz zum kurfürstlichen Sachsen erkennt der Freistaat Sachsen an, dass er den Menschen nicht vorschreiben kann und will, was die Menschen mit ihrem Geld – abgesehen von Steuern und Abgaben – tun. Auch er fühlt sich wie der sächsische König verpflichtet, die negativen Folgen zu begrenzen. Allerdings wird diese Pflicht des Landesvaters dadurch versüßt, dass das Glücksspiel den Staatssäckel füllt.

Heute zählen also drei Punkte: erstens die Freiheit des Einzelnen, zweitens der Schutz des Einzelnen vor den Folgen des Glücksspiels und drittens die Steuereinnahmen des Staates. Eines dieser Elemente finde ich in Ihrem Antrag nicht, liebe Kollegen von der FDP: die Verantwortung des Staates für den Schutz des Einzelnen. Kein Wort dazu.

Ist es wirklich so einfach? Nein, wie für Ihren Parteivorsitzenden ist die Frage der Sportwetten auch für uns eine Frage der Weltanschauung. Aber im Gegensatz dazu betrachten wir alle drei politischen Elemente des Glücksspiels: Schutz der Freiheit des Einzelnen, Schutz des Einzelnen und die wirtschaftlichen Folgen. Es mag sein, dass eine Liberalisierung des Wettmarktes Arbeitsplätze schafft und Steuern bringt. Studien wie die des IfoInstitutes behaupten das. Aber auf welcher Grundlage und aus welchem Blickwinkel kommen Studien zu diesem Ergebnis? Aussagen über die volkswirtschaftlichen Folgen der Spielsucht sucht man hier vergebens. Daten zur Spielsucht werden erst gar nicht in die Analyse der volkswirtschaftlichen Kennzahlen einbezogen; dabei liegen sie vor.

In einer Umfrage unter Wettspielern fand beispielsweise das Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung heraus, dass 16 % der Spieler für circa ein Drittel der getätigten Einsätze verantwortlich sind. Genau dieser Anteil besaß die Merkmale, die nach geltenden Standards Spielsucht definieren. Wie gehen wir damit um? Welche Folgen hat das für die Neugestaltung des Wettmarktes? Das alles sind Fragen, die in der Anhörung im März geklärt werden können; Fragen, die neben den positiven Effekten auch die negativen Folgen des Wettmarktes berücksichtigen; Fragen einer Anhörung, die nach Meinung von FDP und PDS ein totgeborenes Kind ist.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Ein totgeborenes Kind: Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages, würde der Ministerpräsident vollendete Tatsachen schaffen – so der Tenor des FDP-Antrages.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Wo ist das Problem? Erstens. Staatsverträge werden von Regierungen ausgehandelt und den Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt. So funktioniert Demokratie und so funktioniert es auch in Sachsen, Herr Dr. Martens.

Zweitens. Die Regierung hat die Pflicht, bei der Vorbereitung eines solchen Vertrages diesen umfassend zu prüfen. Das ist auch erfolgt. Gerade wegen der laufenden Rechtsverfahren und der sich ändernden technischen Wirklichkeit ist die Befristung des Staatsvertrages auf vier Jahre aufgenommen worden.

Drittens. Dass Sie von der FDP mit dem Inhalt des Staatsvertragsentwurfes ein politisches Problem haben, ist uns allen bekannt. Aber unser Ministerpräsident steht nun einmal unter Zugzwang, in diesem Jahr eine Neuregelung des Staatsvertrages zu verabschieden. Dass die Staatsregierung hier rechtzeitig tätig wird, ist ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit.

Viertens. Die Staatsregierung ist außerdem verpflichtet, uns als Parlament ausführlich darzulegen, warum dieser Staatsvertrag notwendig ist. Aus diesem Grund ist die Anhörung im März, unabhängig von der Unterschrift des

Ministerpräsidenten, nach wie vor so wichtig. Hier erarbeiten wir uns die Grundlage dafür, unter Berücksichtigung aller Faktoren die richtige Entscheidung zu treffen. So ist es hier in Sachsen und in allen anderen Bundesländern, deren Ministerpräsidenten bereits den Füller gezückt haben.

Schließlich fünftens. Es ist bei aller Bedeutung des Parlamentes verfassungsrechtlich problematisch, das Handeln eines Ministerpräsidenten von einer Ausschussanhörung abhängig zu machen. Genau das fordern Sie ja in Ihrem Antrag. Auf ein solches abenteuerliches Glücksspiel lassen wir uns als Koalition nicht ein. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab.

Doch nun noch zum Antrag der Linksfraktion.PDS.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Der ist richtig!)

Auch den werden wir aus den genannten Gründen ablehnen, vor allem, nachdem Herr Dr. Hahn gerade eben wunderbare Pirouetten gedreht und gesagt hat, dass er der FDP inhaltlich nicht zustimmt. Aber trotzdem stimmen Sie dem Antrag der FDP zu. Das war spannend.

Überhaupt, werte Kollegen von der Linksfraktion.PDS, warum treten Sie ausgerechnet jetzt so auf die Bremse? Bislang stimmten Sie, Herr Dr. Hahn – das haben Sie gerade noch einmal wiederholt –, doch dem Staatsmonopol zu,