Protocol of the Session on December 14, 2006

Ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Jürgen Gansel, NPD: 15,3 Millionen mit Migrationshintergrund! – Karl Nolle, SPD: In die Sicherungsverwahrung!)

Wenn man einmal diese 2,5 % aller in Deutschland lebenden Ausländer an der Gesamtbevölkerung misst, dann sind das gerade mal 0,2 %, meine Damen und Herren.

Nun wird es eine punktuelle Bleiberechtsregelung für Altfälle geben, von der wiederum nur ein geringer Teil dieser 0,2 % der Bevölkerung in Deutschland profitieren soll.

Nicht zu vergessen, das sollten wir auch wissen: Ein Großteil dieser Menschen sind Kinder, die hier aufgewachsen sind, deren Heimat Deutschland ist. Die haben keine andere Heimat, meine Damen und Herren.

Das sind die objektiven Fakten. Ich komme nicht umhin festzustellen, Herr Apfel, dass das im krassen Widerspruch zu dem steht, was Sie eben hier vorgetragen haben. Sie haben nichts anderes getan, als das, was Sie immer tun: Sie verbreiten Ihre abstrusen und neurotischen Fantasien von der angeblichen Überfremdung, vom Untergang des Abendlandes. Ich glaube, Sie können es einfach nicht ertragen, dass in deutschen Haushalten neben Schnitzel und Eisbein zunehmend auch Gyros oder Sushi auf dem Speiseplan stehen.

(Holger Apfel, NPD: Billig!)

Ich akzeptiere, dass Sie das nicht ertragen können, aber das ist noch lange kein Grund, dass Sie hier den Märchenerzähler spielen.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen eines: Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wollen keine Politiker, die in ihrer eigenen Traumwelt leben und aus ihr heraus wirre Fantasien verbreiten. Die Bürgerinnen und Bürger, die uns in diesen Landtag gewählt haben, wollen Politiker, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stehen, die gewillt sind, objektive Fakten zur Kenntnis zu nehmen, und aufgrund dessen eine Entscheidung treffen.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN – Holger Apfel, NPD: Schauen Sie sich die Studien an!)

Genau diese Fähigkeit, nämlich die Fakten zur Kenntnis zu nehmen, ist weiten Teilen Ihrer Fraktion von Anfang an abhanden gekommen.

Nun haben Sie argumentiert, die Bleiberechtsregelung würde zu einem Ansturm von Migrationswilligen führen, nach Deutschland zu kommen, um hier acht oder zehn Jahre in einem Asylbewerberheim darauf zu warten, dass wieder eine Bleiberechtsregelung kommen möge. Das ist eine interessante Theorie. Ich stelle mir das in der Praxis vor. Nehmen wir an, ich bin ein Reisebürobetreiber in einer mittelgroßen chinesischen Stadt und neben dem operativen Geschäft biete ich natürlich auch Schleusungen an, was ein guter Nebenverdienst ist. Ich werbe mit der frohen Kunde, dass in Deutschland eine Bleiberechtsregelung verabschiedet wurde, von der meine Kunden zwar aktuell nicht profitieren, aber möglicherweise könnte in acht oder zehn Jahren die nächste Bleiberechtsregelung kommen.

(Jürgen Gansel, NPD: Die werden inzwischen gut alimentiert!)

Die 15 000 US-Dollar pro Person, die als Schleuserlohn sofort fällig sind, nicht erst in acht oder zehn Jahren, wären doch aufgrund dieser Aussichten hervorragend angelegtes Geld. – Ich glaube nicht, dass das ein Verkaufsschlager wird, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit bei der FDP – Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Natürlich war die Bundesrepublik Deutschland in den letzten 20 Jahren im Vergleich der Industriestaaten das Asylland schlechthin, wobei man bedenken muss, dass die Neunzigerjahre von Konflikten geprägt waren. Deswegen lesen sich die Asylbewerberstatistiken von damals wie eine Auflistung der Konfliktzentren dieser Welt. Ich habe mir die Zahlen vom Kosovo-Konflikt herausgesucht.

Ich habe gar nicht mehr viel Redezeit. Deswegen sage ich dazu in der zweiten Runde noch etwas.

(Holger Apfel, NPD: Das ist auch besser so!)

Ich würde Ihnen gern anhand der Zahlen sagen, dass Sie nicht in der Lage sind, die objektiven Fakten zur Kenntnis zu nehmen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Wird von der FDP-Fraktion das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die GRÜNEN. – Herr Lichdi, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche von hier aus, mehr ist dazu nicht beizutragen.

Im Zwischenruf wurde darauf hingewiesen, dass Sie nicht, wie Kollege Bräunig völlig zu Recht ausgeführt hat, von 7,2 Millionen Ausländern in Deutschland ausgehen,

sondern von 15 Millionen. Diesen Blödsinn verbreitet die NPD-Fraktion, seit sie uns hier mit ihrer Anwesenheit belästigt. Wie kommt sie auf diese Zahl von 15 Millionen? Sie rechnet die mittlerweile eingebürgerten Deutschen mit hinein und damit zeigt sie ihr völkischrassistisches Weltbild.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS, der SPD und der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Das Statistische Bundesamt rechnet so!)

Sie akzeptiert die deutsche Staatsgewalt nicht, die diese Einbürgerung vorgenommen hat.

Meine Damen und Herren, wenn ich einmal persönlich werden darf. Manch einer wundert sich über meinen komischen Nachnamen Lichdi. Meine Familie ist vor über 300 Jahren aus der Schweiz nach Deutschland eingewandert, weil Deutschland damals übrigens mehr Freiheit geboten hat als die Schweiz. Darauf bin ich stolz. Ich frage mich allen Ernstes, ob ich zu diesen 15 Millionen gehöre. Bin ich Deutscher? Ab wann bin ich Deutscher? Oder betrachten Sie die Schweiz in Ihrem völkischrassistischen Weltbild ohnehin noch als Bestandteil des Deutschen Reiches? Nein, meine Damen und Herren, was Sie hier bieten, ist wirklich schäbig.

Ich möchte auch daran erinnern, was ein Redner der NPD-Fraktion gestern über die Strukturfonds gesagt hat. Sie wollen allen Ernstes, dass wir aus der EU austreten, ohne zu erkennen, dass wir finanziell maßgeblich vom Bund und von der EU leben.

(Holger Apfel, NPD: Das ist doch absurd! – Dr. Johannes Müller, NPD: Rechnen ist auch nicht Ihre Stärke!)

Wir sind stolz darauf und froh, dass wir diese Verbindungen zu Europa haben. Wir bekennen uns dazu und bauen sie gern aus. Im Gegensatz zu Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und der FDP)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Gansel.

(Unruhe im Saal)

Jetzt kommt die volle Dosis, oder?

(Heiterkeit bei der NPD – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lichdi, vielleicht darf ich Sie darüber aufklären, wie das Statistische Bundesamt – und nicht die NPD-Parteizentrale – zu dieser Zahl von 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund kommt. Das Statistische Bundesamt hat alle aus dem Ausland seit 1950 in die BRD eingewanderten Menschen erfasst, also keine eingewanderten Hugenotten und auch keine braven Schweizer wie Ihre Vorfahren vor 300 Jahren. Diese Zahl von 15,3 Millionen bezieht sich laut Statistischem Bundesamt auf die Zuwanderer seit dem Jahr 1950. – So weit zur Faktenlage.

(Unruhe im Saal)

Aber zu unserem eigentlichen Thema. Das weltweit einmalige deutsche Asylrecht hat zu einem exzessiven Asylbetrug geführt, der nun durch ein neues Bleiberecht auch noch legalisiert werden soll. Mehr noch: Dieses völlig unzeitgemäße, ja, absurde deutsche Asylrecht – die niedrige Anerkennungsquote von unter 1 % spricht Bände – leistet sehenden Auges der Kriminalität Vorschub. Dies sehen nicht nur wir Nationaldemokraten so, sondern es sehen auch diejenigen so, die es wissen müssen.

(Interner Wortwechsel zwischen den Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE und Dr. Jürgen Martens, FDP)

Im Juli dieses Jahres stellte Innenstaatssekretär August Hanning das „Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum“ zur Ermittlung von Zuwanderungskriminalität vor.

Herr Lichdi, darf ich bitten, dass Sie aufmerksamer sind.

Innenstaatssekretär Hanning sagte dabei, die illegale Zuwanderung mit ihren Auswirkungen auf die Kriminalitätslage, den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme sei eine der gegenwärtig größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Hört, hört – wie PDS-Porsch immer zu rufen pflegt. Recht hat er, der Staatssekretär, aber leider nur in der Analyse, denn in der praktischen Politik wird mit der neuen Bleiberechtsregelung der Kampf gegen die Schleusungskriminalität ad absurdum geführt.

In einer Schrift der Kriminologischen Zentralstelle mit dem Titel „Illegale Migration und Schleusungskriminalität“ aus dem Jahr 2002 heißt es: „Längst ist die Schleusungskriminalität in den Händen der organisierten Kriminalität, handele es sich um chinesische Triaden, die italienische Mafia, Kosovo-Albaner oder andere. Allen ist gemeinsam, dass sie über gewerbliche und mehrstufige Organisationsstrukturen verfügen und sich durch ein hohes Maß an Abschottung auszeichnen, das ein Eindringen der Strafverfolger in das Innere der Vereinigungen mit herkömmlichen strafprozessualen Mitteln fast unmöglich macht.“

In der Broschüre „Zuwanderung gestalten“ der Zuwanderungskommission der Bundesregierung wird der Zusammenhang zwischen einer großzügigen Bleiberechtsregelung und der Zunahme der Schleusungskriminalität sogar ganz offen eingeräumt. Dort heißt es: „Schleuser und die hinter ihnen stehenden weltweit operierenden Organisationen haben ein großes Interesse daran, dass die von ihnen eingeschleusten Personen möglichst lange im Zielland bleiben. Baldige oder erzwungene Rückführungen sind geschäftsschädigend und machen es den Ausländern unmöglich, weiter Geld zu erwirtschaften, das häufig auch zur Abzahlung gestundeter Schleuserschulden benötigt wird.“

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Haben Sie nichts Eigenes zu sagen?)

Ich zitiere weiter die entsprechende Schrift der Bundesregierung: „Schöpft der Rechtsstaat nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel aus, eine Ausreisepflicht notfalls mit Zwang durchzusetzen, kapituliert er vor dieser Form organisierter Kriminalität.“

Mit immer neuen Bleiberechtsregelungen für illegale Ausländer machen die Überfremdungsparteien unser Land zum Zielgebiet von Schlepperbanden und zum Drehkreuz der global agierenden organisierten Kriminalität. Auch diese Einschätzung ist faktenbelegt. Laut dem Lagebericht des Bundeskriminalamtes sind Ausländer im Bereich der organisierten Kriminalität die Hauptakteure. Im Jahr 2004 etwa hatten lediglich 37,1 % aller Tatverdächtigen der organisierten Kriminalität die deutsche Staatsbürgerschaft und der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen lag bei satten 62,9 %. Der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Jörg Jaeger, vermutet sogar, dass der Zusammenhang zwischen Kriminalität und sogenanntem Migrationshintergrund in Wahrheit noch viel dramatischer ist. Die Tageszeitung „Die Welt“, bekanntlich keine NPD-Postille, zitiert Jaeger am 18. Juli 2006 mit der Aussage: „Eigentlich kriminalisiert die Statistik die Deutschen.“

So ist es, wenn man die Tatverdächtigen nicht mehr danach unterscheidet, woher sie kommen. Unter den sogenannten deutschen Tatverdächtigen befinden sich auch zahlreiche eingebürgerte Ausländer. Rolf Jaeger, stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, sagte: „Letztlich werden eingedeutschte Russen kriminalstatistisch genauso als deutsche Straftäter erfasst wie auch eingedeutschte Türken, Afrikaner, Asiaten oder Europäer, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben.“

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert deshalb eine Statistik, in der die Straftäter nach ihren Herkunftsländern aufgeschlüsselt sind, um eine vernünftige kriminologische Forschung zu ermöglichen. Dieser Forderung schließt sich die NPD selbstverständlich entschieden an.