Protocol of the Session on December 12, 2006

Allerdings sprach der Ministerpräsident gestern von dem vielen Geld, das die Staatsregierung bei der Kinderbetreuung in die Hand nehme – und das ist ja auch gut so, Frau Dr. Schwarz, weil Sie uns vorhin diesbezüglich angesprochen haben. Aber gerade in diesem Bereich liegen die öffentlichen Verlautbarungen von CDU- und SPD-Größen auf Bundes- und Landesebene und die reale CDU-/SPD-Regierungspolitik in Sachsen besonders weit auseinander. Das gipfelte auf dem letzten CDUBundesparteitag hier in Dresden in einem Beschluss zur Kindergartenpflicht. Das kostenlose Vorschuljahr allein reichte offensichtlich nicht mehr und es wird von prinzipieller kostenfreier Kinderbetreuung getönt.

Was passiert ganz real? Sie haben hier in Sachsen nicht einmal das notwendige Geld für das kostenlose Vorschul

jahr in die Hand genommen. Circa 30 bis 33 Millionen Euro zusätzlich wären es gewesen. Sie haben diesen Betrag auch nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Qualität der Kindertageseinrichtungen eingesetzt, wie es die CDU immer mit Vorliebe verkündet hat. Dann hätten Sie nämlich circa 30 Millionen Euro gebraucht, um Erzieherinnen und Erziehern die notwendigen zeitlichen Freiräume zur Umsetzung des Bildungsplanes zu schaffen – was bei Lehrern selbstverständlich ist. Vor- und Nachbereitungszeiten – bei Erzieherinnen und Erziehern immer noch Fehlanzeige. Der Betrag von 9 Millionen Euro, auf den der Ministerpräsident gestern so stolz verwies und der in der Debatte eine entscheidende Rolle spielt, ist natürlich nicht wenig Geld; aber gemessen am Versprochenen – Ihrem Versprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition – einerseits und am Notwendigen andererseits sind sie nicht mehr als der Tropfen auf den heißen Stein.

Frau Nicolaus, lassen Sie sich auf der Zunge zergehen, was Sie vorhin gesagt haben: eine Stunde Vor- und Nachbereitungszeit pro Erzieherin pro Woche für die Umsetzung des Bildungsplanes, für die Sicherstellung der Familienbildung, für die Einführung des Frühwarnsystems. Das ist in der einen Stunde nicht zu schaffen.

Immerhin ist das Problem des fast systematischen Ausschlusses bestimmter Kinder aus dem Kinderbetreuungssystem in Sachsen nunmehr auch bei der Koalition angekommen. Noch vor Jahresfrist allerdings bei der Novellierung des Kita-Gesetzes haben Sie versucht, dieses Problem als ganz unbegründete Angstpropaganda meiner Fraktion abzutun. Der Freistaat wird auch mit diesem Doppelhaushalt in Sachen Kindertagesbetreuung an der Spitze der Bundesländer bleiben, aber Sachsen verliert sowohl gegenüber den Nachfolgenden, beispielsweise gegenüber den westdeutschen Bundesländern, die jetzt das kostenlose Vorschuljahr einführen, und gleichzeitig fallen wir gegenüber den europäischen Maßstäben, wo eine kostenlose vorschulische Bildung selbstverständlich ist, wie etwa in Frankreich oder Skandinavien, zurück.

(Kopfschütteln der Staatsministerin Helma Orosz)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition! Das Reden von einer besseren Kinder- und Familienpolitik und von einer modernen Gleichstellungspolitik reicht nicht mehr aus. Die Dinge müssen auch finanziell untersetzt werden. Unsere heutigen Änderungsanträge geben Ihnen dazu Gelegenheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die SPD-Fraktion erhält in der zweiten Runde das Wort. Herr Abg. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Neubert, Sie machen eine Zahlenschieberei – nicht im Sinne von Verschieben, sondern von Hin- und Herschieben –, indem Sie aus Ihrer Sicht ganz unterschiedliche Dinge zusam

menfassen. Wo die Zahl nicht groß genug ist, vergleichen Sie mit dem Zeitraum vor zehn Jahren. Das kann man alles machen, aber später beziehen Sie sich wieder auf den Vorjahreshaushalt.

(Verwunderung des Abg. Falk Neubert, Linksfraktion.PDS)

Ich spreche von Ihrer Rede, die Sie gerade gehalten haben.

Wenn das noch nicht reicht, kommen Sie damit, dass wir irgendwann versprochen hätten, das und jenes zu machen, und weil das nicht erreicht ist, sagen Sie, liegen wir weit unter dem, was Sie erwarten. Sie werfen uns vor, wir hätten kein Konzept und keine klare Linie.

(Falk Neubert, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Sie können Ihre Frage dann gleich stellen.

Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, den Schwerpunkt im Sozialhaushalt mehr beim Kinder- und Jugendbereich zu sehen. Dann wird uns vorgeworfen, da und dort etwas weggenommen zu haben. Aus meiner Sicht ist das ein sehr gutes Konzept, das man dennoch an der einen oder anderen Stelle kritisieren kann, aber man kann es nicht einfach wegbügeln.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Herr Gerlach, Sie haben mir vorgeworfen, dass ich in meiner Rede Äpfel mit Birnen verglichen habe. Jugendhilfe und Jugendarbeit haben eine bestimmte Funktion. Stimmen Sie mir zu, dass dieses Geld in jedem Jahr weniger geworden ist? Irgendwann ist die Grenze erreicht, wo man bestimmte qualitative Arbeit in dem Bereich nicht mehr leisten kann.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das stimmt so nicht, Herr Neubert. In Ihrer Rede sind Sie zehn Jahre zurückgegangen, um zu vergleichen, aber ich weiß nicht mehr genau, welche Zahl Sie genannt haben. Was Sie zur Richtlinie gesagt haben, war richtig, aber hier ist etwas zusammengefasst worden. Wir haben festgestellt, dass wir eine zurückgehende Anzahl junger Menschen haben. Das wollten wir ausgleichen, weil wir nicht automatisch weniger Jugendeinrichtungen brauchen, wenn weniger junge Leute da sind. Sie und Ihre Vorredner haben aber nicht genannt, dass bei nicht wenigen Kommunen Mittel zu anderen Zwecken benutzt wurden, als ursprünglich haushaltsmäßig vorgesehen waren.

Wir haben uns auf 14 Euro verständigt, die Opposition hat 14,50 Euro gefordert – man kann sich lange darüber streiten, ob dieser Fünfziger etwas ausmacht –, aber so

pauschal, wie Sie es genannt haben, kann und will ich es nicht stehen lassen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Rita Henke, CDU)

Jetzt will ich noch etwas zum Ehrenamt sagen, wozu ich eigentlich sprechen wollte. Vor anderthalb Wochen war dieser Saal mit Leuten bevölkert, die für ihren besonderen Einsatz, den sie in der Regel über zehn Jahre, manche über 30 Jahre geleistet haben, gewürdigt wurden. Die Frau Ministerin war mit hier und hat die Preise überreicht. Sie wurden ausgezeichnet, weil sie ehrenamtlich in dieser Gesellschaft tätig sind. Diese Menschen leisten einen großen Beitrag dafür, dass das soziale Gefüge zusammenhält und an der einen oder anderen Stelle nicht weiter auseinandergeht. Nun kann man sagen, das ist nicht genug und man könne das präventiv machen.

Unsere Idee war es, all denen, die sich im Ehrenamt im Freistaat engagieren, eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Mehr ist es nicht. Es ist eine etwas mehr als symbolische Anerkennung dafür, dass die Ehrenamtlichen Stunden, Tage und Jahre aus innerer Überzeugung für die Gesellschaft investiert haben. Es gab ganz unterschiedliche Gründe, warum die Ehrenamtlichen das machen, zum Beispiel religiöse Gründe oder aus einer Idee heraus. Das war uns so viel wert, dass wir immerhin in den letzten drei Jahren 3 bis 4 Millionen Euro aufgesattelt haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Verehrter Herr Gerlach! Ich kann mich gut daran erinnern, was damals beschlossen wurde, aber ich gehe nicht zehn Jahre zurück. Sie haben die Steigerung genannt, deshalb frage ich Sie, ob Sie sich erinnern können, dass wir im Haushalt 2001/2002 allein für die „Aktion 55“ 15 Millionen DM hatten? Deshalb fällt es schwer, von einer Steigerung in einem überschaubaren Zeitraum zu sprechen. Trotzdem erkenne ich durchaus an, dass es zu dieser Steigerung gekommen ist.

Herr Dr. Pellmann, ich gehe von dem Zeitraum aus, wo ich im Landtag war. In dem von Ihnen genannten Zeitraum war ich nicht Mitglied des Landtages. Ich kann diese Dinge nur aus den Unterlagen erlesen.

Wir haben als letzten Oppositionsantrag 2004 einen Antrag zur „Aktion 55“ eingebracht, der einstimmig angenommen wurde. Darin haben wir die damalige Alleinregierung der CDU aufgefordert, erstens das bisher Erreichte zu halten und zweitens auszubauen. Die genaue Formulierung habe ich nicht mehr im Kopf. Ab diesem Zeitpunkt, Herr Dr. Pellmann, bedingt durch die Verschiebungen, die sich aufgrund des Wahlergebnisses ergeben haben, gab es eine kontinuierliche Steigerung.

Zu Ihrer anderen Aussage kann ich Ihnen nicht widersprechen, da ich die Zahlen nicht im Kopf habe. Ich gehe von dem Zeitraum aus, wo ich sozialpolitischer Sprecher war und Verantwortung hatte. Nun werde ich etwas persönlich. Ich denke, dass ich mich an dieser Stelle sehr ins Zeug gelegt habe und ein bisschen was erreicht habe. Darauf kann die SPD-Fraktion ein bisschen stolz sein.

(Beifall bei der SPD)

Herr Pellmann möchte noch eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Lieber Herr Gerlach, ich kann mich an Zeiten erinnern, da wir uns gemeinsam für diese Sache eingesetzt haben, aber dazu will ich nichts fragen.

Können Sie mir recht geben oder vielleicht auch nachschauen, dass die Steigerung, auf die Sie eben reflektiert haben, nur eine sehr relative Steigerung sein konnte, weil es vor dem von mir genannten Zeitraum eine Absenkung gegeben hatte und wir bis heute noch nicht das Niveau von 2001/2002 erreicht haben?

Herr Dr. Pellmann, ich bin Physiker. Wenn Sie die Zahl so nennen – es sind rund 7,5 Millionen Euro –, kann ich diese am Rednerpult jetzt nicht nachvollziehen. Natürlich muss es zwischendurch erst einmal eine Absenkung gegeben haben, damit es wieder nach oben gehen kann. Dem werde ich nicht widersprechen. Das würde jeder mathematischen Betrachtung widersprechen.

Aber, Herr Dr. Pellmann, ich bitte Sie, einfach zu akzeptieren, dass auch durch die Arbeit der SPD-Fraktion in dieser Koalition an dieser Stelle etwas bewegt wurde. Ich darf auch ehrlich sagen, es war nicht besonders schwer, unseren Koalitionspartner davon zu überzeugen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Gibt es von den anderen Fraktionen noch Redewünsche? – Frau Nicolaus noch einmal für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man sollte sich darüber freuen, dass wir überhaupt diese Ehrenamtsförderung haben, weil wir die Einzigen in Deutschland sind, dass wir als Freistaat Sachsen einen Aufwendungsersatz für diejenigen geben, die sich einem Ehrenamt stellen. Wir dürfen sehr dankbar dafür sein, dass es Menschen gibt, die sich dieser Aufgabe stellen, weil die Gesellschaft nicht ohne ein Ehrenamt existieren kann. Hier daran herumzumeckern, dass es damals ganz anders war und „Aktion 55“ hieß, das ist eine ganz andere Geschichte. Aber wir sind unserer Verantwortung gerecht geworden, haben dieses Ehrenamt weitergeführt und auf neue Füße gestellt

und in trockene Tücher gebracht. Dafür bin ich sehr dankbar und ich hoffe, dass Sie dann auch der Beschlussempfehlung gerade in diesem Bereich zustimmen.

(Johannes Gerlach, SPD: Deutlich erweitert! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir freuen uns des Lebens!)

Wenn Sie sich freuen, Herr Prof. Porsch, freue ich mich auch.

Ich möchte aber noch einmal auf ein paar Sachen von Ihnen reagieren, Herr Dr. Pellmann, was die Krankenhausförderung betrifft. Sie wissen doch ganz genau, wie es langgeht. Dann aber hier dem Hohen Haus zu offerieren, dass keine Planung vorhanden sei und alles planlos geschehe, das finde ich einfach unredlich. Sie wissen genau, dass es einen Krankenhausplanungsausschuss gibt, in dem 17 Leute mitarbeiten. Diese sind nicht nur aus dem Ministerium, sondern es sitzen auch die Kassen und Spitzenverbände mit am Tisch. Es gibt eine Krankenhausplanung und eine Bettenplanung. Es gibt ein Konzept. Es ist einfach nicht in Ordnung, wenn man den Besuchern hier im Hohen Haus und der Öffentlichkeit ein solches Bild vermittelt.

(Beifall bei der CDU und der SPD)