Protocol of the Session on October 12, 2006

Ich finde es sehr vernünftig und ich finde es, ausgehend von der Sächsischen Verfassung, auch richtig, dass die Grundschulen erhalten bleiben, wohl wissend, dass damit das Schulsystem überhaupt nicht mehr vergleichbar mit einer deutschen Schule gestaltet werden kann. Sie müssen mal nachschauen: Eine Grundschule braucht doch einen Chor, braucht vielleicht auch eine Tanzgruppe oder braucht schulische Angebote in der Freizeit. Eine Grundschule mit 150 Kindern kann viel mehr Angebote machen als eine Grundschule, die vielleicht 60 oder 65 Kinder hat. Das bitte ich aus praktischen Überlegungen mit zu überdenken.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist, glaube ich, sehr wichtig.

Ich möchte aber dennoch, egal ob hier Kritik geäußert worden ist oder nicht, sagen: Die Staatsregierung hat gehandelt. Ich glaube, auch in der Debatte ist noch einmal deutlich gemacht worden, dass wir als Landtag die Bitte auf Unterstützung bei der Ausbildung von Fachkräften äußern.

Das trifft bei der Lehrerausbildung in Leipzig zu und natürlich auch bei der Ausbildung von Kindergärtnerinnen, die der Sprache mächtig sind, damit sie das Fundament weiter stärken können.

Ich danke – das möchte ich deutlich hervorheben – auch den sorbischen Vertretern, die sich seit 1990 – ich habe bewusst die Sorbische Volksversammlung angesprochen – engagiert haben über den Sorbischen Schulverein, später über die Domowina und das Witaj-Zentrum und den Rat für Sorbische Angelegenheiten, die sich den Anliegen der Sorben gewidmet haben. Danke auch den Einzelpersonen, die dazu beigetragen haben.

Eines ist klar: Hausaufgaben zu machen wird weder dieser Landtag noch eine Staatsregierung den Sorben selbst abnehmen können. Jedes Volk muss Eigenpotenziale und Eigenenergie entwickeln. Ich denke, so viel Kraft haben auch die Sorben, diese Eigenenergie weiterzuentwickeln, die auch zum weiteren Überleben beitragen kann.

Ich danke den Vertretern des Hohen Hauses, die diese Entwicklung fair und offen begleitet haben, natürlich besonders den Schulpolitikern. Dort ist das Spannungsfeld am ehesten vorhanden gewesen. Es war nicht immer einfach, über die sorbischen Themen zu sprechen.

Ich danke der Staatsregierung, auch wenn man im Einzelfall durchaus unterschiedliche Auffassungen vertreten muss. Es gibt Beamte, die bis an den Rand ihrer Arbeitsfähigkeit auch für sorbische Angelegenheiten im Kultusministerium und im Regionalschulamt tätig gewesen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dennoch möchte ich eine Bitte äußern: Die Sorben werden nicht nur durch die Kraft ihrer Sprache und Kultur erhalten. Sie brauchen die Toleranz und das Verständnis des Nachbarn. Sie brauchen das sächsische Verständnis für Kultur, Sprache und Heimat. Geben Sie mit der jahrhundertealten Kraft und Größe des Sachsenlandes diesem kleinen Volk im Freistaat Sachsen die nötige Unterstützung! Helfen Sie mit Ihrer Unterstützung, dass im europäischen Garten der Völker und Volksgruppen weiterhin die sorbische Blume erblühen kann! Ich bitte Sie um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Das war das Schlusswort der Koalitionsfraktionen. Die Linksfraktion.PDS hat noch ein Schlusswort; Herr Abg. Kosel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der vorgestern in Dresden erfolgten Verleihung des Europäischen Kulturpreises an die Organisatoren des Petersburger Dialoges hat Altbundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Laudatio die Frage aufgeworfen, wie sich Politik einen Kulturpreis verdienen kann. Die heutige Debatte der demokratischen Fraktionen käme eventuell dafür in weiten Teilen in Betracht.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die NPD allerdings soll sich in ihrer Demagogie einmal daran erinnern, was einer der führenden westdeutschen

Rechtsradikalen, Herr Worch, seinen ostdeutschen Straßenschlägern Anfang der Neunzigerjahre empfahl, um die Verhältnisse im Osten Deutschlands weiter zu destabilisieren. Er empfahl neben Anschlägen auf jüdische Friedhöfe und ausländische Vertragsarbeiter Attacken und Aktionen gegen die sorbische Minderheit.

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Die NPD solle sich weiter daran erinnern, welche Aktionen es im zeitlichen Zusammenhang mit dem letzten Landtagswahlkampf auch in der Lausitz gegeben hat, die unter anderem hießen: „Die Lausitz bleibt deutsch“. Schließlich, Herr Gansel: Ihre Sprache des Dritten Reiches ist ins Sorbische nicht übertragbar!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Herr Kosel, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Christian Worch zu keinem Zeitpunkt, keinen einzigen Tag seines Lebens, Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands gewesen ist?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Aber rechts ist er! – Jürgen Gansel, NPD: Und Sie sind links und sonst was! – Gegenruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Herr Gansel, wenn Sie sich beruhigt haben, bin ich gern bereit, Ihre Frage zu beantworten. Natürlich ist mir die formale Nichtmitgliedschaft des Herrn Worch in Ihrer Partei bekannt. Aber er zählt dem Geiste nach zu Ihrem Kreis und deshalb habe ich ihn – ich denke, zu Recht –

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

angeführt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gestatten Sie weitere Zwischenfragen?

Ja, natürlich.

Frau GüntherSchmidt, bitte.

Herr Kosel, ist Ihnen bekannt, dass auch in jüngster Zeit im Kreis Bautzen rechtsextremistische Übergriffe mit sorbenfeindlichem Hintergrund angezeigt wurden?

Frau Kollegin, das ist mir leider nur zu gut bekannt. Mehr und mehr wird es durch die Öffentlichkeit wahrgenommen. Es gibt allerdings eine Fraktion, die das natürlich gern wegdiskutieren würde – und sei es mit Demagogie hier im Hohen Hause.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Frau Präsidentin, wenn wir die Gedanken des Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker nach einem Kulturpreis für die Politik aufgreifen wollen, dann scheint es, das zumindest der Politikstil, wie er sich bisher im Agieren des Kultusministeriums gegenüber dem kleinen sorbischen Schulnetz gezeigt hat, für einen solchen Kulturpreis nicht infrage kommt. Denn Schulwesen ist seit jeher, seitdem es um sprachliche und kulturelle Belange für Minderheiten geht, ein Prüfstein. Er ist wohl der wichtigste von allen, weil er am stärksten Zukunft entscheidet.

Herr Flath, machen Sie einfach eine andere, bessere Schulpolitik, dann bekommen Sie weniger Kritik! Auch auf internationaler Ebene.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion.PDS ist von diesem komplexen Ansatz einer anderen, besseren Schulpolitik geprägt. Nicht weil wir in der Opposition sind, machen wir einen der bisherigen Schulpolitik des Freistaates gegenüber den Sorben widersprechenden Vorstoß. Wir tun dies, weil die Lage es erfordert und weil wir die Hoffnung nicht aufgeben möchten, dass sich doch noch alles anders richten lässt.

Mit dem heute zur Behandlung stehenden Antrag ist die Chance gegeben, die Richtungsänderung einzuleiten, auf dass der Freistaat nicht minderheitenpolitisch in der Sackgasse endet. An einigen Gedanken, wie sie in der Antwort der Staatsregierung vorgegeben und hier in der Debatte aufgegriffen wurden, stimmt so manches nicht. Es kommt, wie immer im Leben, auf den Beweis an. Gerade die zur Schließung vorgesehenen sorbischen Mittelschulen haben in Erfüllung ihres Auftrages als Bildungs-, Kultur- und Identifikationsstandort bewiesen, dass sie eine weit über die Grenzen der Lausitz beachtete, pädagogisch sinnvolle Arbeit leisten. Was anderenorts im Freistaat mit viel Mühe durch Beschluss des Europäischen Parlaments zur Förderung der Mehrsprachigkeit und des Sprachenlernens – Stichwort: Europäischer Indikator für Sprachenkompetenz – in Gang gesetzt werden soll, das wird an allen sorbischen Schulen bereits seit Jahren gelebt. Auch das trug zum großen Unverständnis, ja zum Protest hinsichtlich der Schulschließungen bei.

Tun Sie das bitte nicht leichtfertig ab! Der Protest war wahrlich international. Politiker, Schriftsteller, Journalisten und Wissenschaftler von europäischem Rang meldeten sich für die sorbischen Mittelschulen zu Wort. Stellvertretend für sie nenne ich den tschechischen Schriftsteller Ludvík Vaculík, der dem einen oder anderen aus der Zeit des Prager Frühlings als Verfasser des bekannten Aufrufs „2 000 Worte“ sicherlich noch in Erinnerung ist. Er startete einen Aufruf an seine im PEN-Club vereinten Schriftstellerkollegen, das sorbische Schulnetz zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Darum besteht akuter Handlungsbedarf und darum sollten wir handeln, wie es die prekäre Lage gebietet. Wir würden Schaden vom sorbischen Volk abwenden und gleichzeitig einen weiteren Imageverlust des Freistaates Sachsen verhindern.

Die Debatte hat uns gezeigt, dass – erstens – Handlungsbedarf besteht. Nur geht es dabei letztlich um konsequentes Handeln.

Zweitens: dass ein auf lange Sicht und gemeinsam mit den sorbischen Interessenvertretungen erarbeitetes Konzept der weiteren Entwicklung des sorbischen Schulwesens notwendig ist, ein Konzept, das den wirklichen Anforderungen der Minderheitenpolitik gerecht werden sollte.

Drittens: dass Fragen des Minderheitenschulwesens spätestens seit den sogenannten Kopenhagener Kriterien der EU eine europäische Angelegenheit sind, der Maßstab also ein europäischer sein muss.

Viertens: dass weitere Beschädigungen des sorbischen Schulnetzes zu vermeiden sind, denn sie sind irreparabel.

Aus all diesen Gründen werbe ich für die Annahme des Antrages der Linksfraktion.PDS zum sorbischen Schulwesen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es gibt noch eine Wortmeldung am Mikrofon 2.

Ich möchte gern eine persönliche Erklärung bzw. eine sachliche Richtigstellung abgeben, weil mir von Frau Astrid Günther-Schmidt unterstellt wurde, ich hätte gemeint, dass die Rechte der Sorben nur im Konsens mit den Deutschen zu ermöglichen sind. Richtigerweise habe ich auf das Problem hingewiesen, dass es kein geschlossenes sorbisches Siedlungsgebiet gibt und deshalb die Probleme in Kooperation mit den in diesem Gebiet lebenden Deutschen gelöst werden müssen. Auf diese Richtigstellung möchte ich noch einmal hinweisen.

(Zustimmendes Klopfen bei der CDU)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen ab über die Drucksache 4/5514, Antrag der Fraktionen CDU und SPD. Dazu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN mit der Drucksache 4/6691. Frau GüntherSchmidt, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorausschicken, dass wir GRÜNEN sehr wohl das ehrliche Anliegen des Koalitionsantrages erkennen. Es geht Ihnen gewiss darum, die sorbische Schullandschaft zu stabilisieren.