Protocol of the Session on October 12, 2006

Und wenn Frau Cornelia Pieper von der FDP anregt, die Gebührenfreistellung des Kindergartens durch Kürzung der Renten zu finanzieren, weil die Großeltern sicherlich gern bereit seien, für ihre Enkel Opfer zu bringen, dann ist so etwas in meinen Augen Ausdruck eines nicht mehr zu überbietenden Egoismus,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS und der NPD)

Ausdruck des Egoismus einer Generation im Westen, die im Wohlstand geboren wurde und noch immer im Wohlstand lebt. Die heutigen Rentner haben große Opfer für ihre Kinder gebracht und dürfen erwarten, dass ihre Kinder ebenfalls Opfer für die nächste Generation bringen.

Wir sollten auch nicht vergessen, meine Damen und Herren, dass die heutigen Rentner mindestens über zwei Jahrzehnte in Lebensumständen gelebt haben, die man heute nur als erbärmlich bezeichnen kann, und zwar im Osten und im Westen. Diese Generation hat trotzdem den sogenannten Generationenvertrag erfüllt.

Deshalb: In allen sozialen Sicherungssystemen, die wie die Rentenversicherung auf der Umlagefinanzierung beruhen, sind Veränderungen wegen des demografischen Wandels dringend notwendig. In einer älter werdenden Gesellschaft wird es künftig weniger junge Beitragszahler geben, die in die Systeme einzahlen können.

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir auch in diesem Hohen Hause jetzt die Weichen stellen, um neben der Renten- auch die Gesundheits- und Pflegeversicherung zukunftssicher und damit zugleich generationengerechter zu gestalten. Für Sachsen heißt das konkret, dafür zu sorgen, dass erstens künftigen Generationen nicht noch Staatsschulden aufgebürdet werden und dass zweitens für Beamtenpensionen ein Rücklagefonds angespart wird. Achten Sie, meine Damen und Herren, darauf auch bei den kommenden Haushaltsverhandlungen! Für die junge Generation heißt das, selbst Vorsorge für das Alter zu treffen. Die beste Vorsorge ist in meinen Augen eine intakte Familie.

(Beifall bei der CDU)

So gesehen, ist das Beschlussdokument zur Familienpolitik des CDU-Landesparteitages aus der vorigen Woche auch ein Stück Zukunftsvorsorge.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das steht hier aber nicht zur Debatte!)

Ich danke für Ihr Interesse.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Matthias Paul, NPD)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Herr Kollege Jähnichen, es ist in der Tat ein wichtiges Thema, das Sie mit Ihrer Großen Anfrage auf die Tagesordnung gerufen haben. Ich will einleitend auch durchaus anerkennen, dass Sie eine Reihe von Positionen dargestellt haben, denen ich beim allerbesten Willen, wenn ich ihn aufbringen wollte, nicht widersprechen kann.

Dennoch will ich zum Beginn kritisch anmerken, dass Ihre Große Anfrage einer gewissen Einseitigkeit nicht entbehrt. Dabei geht es mir noch nicht um die Antworten der Staatsregierung; denn die Staatsregierung kann natürlich nur das beantworten, was gefragt wird. Insofern hätte ich mir schon gewünscht – das hat auch etwas mit der Perspektive, mit Zukunft zu tun –, in der Fragestellung die Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern zu thematisieren. Damit meine ich erstens die Frage: Wie lange soll es noch diese Unterschiede geben? Was wird politisch angestrebt, um sie zu überwinden?

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge und Dr. Volker Külow, Linksfraktion.PDS)

Das Zweite hat eng damit zu tun. Wann, frage ich die Koalitionsfraktionen in diesem Hause, werden Sie einem Antrag, den wir stellen – oder stellen Sie ihn bitte selbst, wenn Ihnen das leichter fällt –, zustimmen, damit es zu einer Annäherung des aktuellen Rentenwertes Ost an den aktuellen Rentenwert West kommt?

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Nach 16 Jahren staatlicher Einheit muss die Übergangsphase irgendwann beendet sein. Diese Forderung stelle ich hier nicht zum ersten Mal, Sie haben sie bisher immer abgelehnt. Aber auch das setzt sich bekanntlich in die Zukunft fort und trifft dann auch jene, die noch in das Rentenalter kommen werden.

Das Dritte: Ja, ich hätte auch gewünscht, Sie hätten nach weiteren Formen der Altersvorsorge gefragt – auch das wäre interessant gewesen –, etwa nach dem gesamten Problem Immobilienbesitz oder Immobilienerwerb. Sie wissen, dass es da – das ist historisch bedingt – nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland gibt. Aber das hat sehr wohl etwas mit Altersvorsorge zu tun. Gleiches gilt für das Problem des Vermögens.

Viertens. Ja, auch das wäre nötig gewesen zu fragen: Welche Alternativen gibt es zu dem, das, wie Sie meinen,

unumstößlich als Entwicklung eintreten wird? Gibt es Alternativen? – Selbstverständlich! Ich werde dann auch einige noch nennen.

Zu den Antworten der Staatsregierung. Wir sollten schon fragen – und da bin ich in erster Linie Partei für jene, die eben keine Altersvorsorge leisten können und möglicherweise, wenn es auf dem Arbeitsmarkt so weitergeht, auch künftig nicht werden leisten können –: Wie entwickelt sich das Existenzminimum?

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wie entwickelt es sich, wer wird dem künftig unterliegen? Wie hoch ist etwa die Zahl der in Altersarmut Fallenden? – Da hat die Staatsregierung geantwortet, das könne sie nicht sagen, da gebe es keine Daten. Okay. Aber ich muss dann schon die Frage stellen: Wie viele werden denn künftig auf Grundsicherung im Alter angewiesen sein? Auch das hat etwas mit Perspektive der Altersvorsorge zu tun.

Deshalb, meine ich, ist eine vertiefende Analyse sowohl des Bundes als auch des Freistaates Sachsen durch die Staatsregierung nötig, um wissenschaftlich untersetzte Studien vorzulegen, die Antwort auf genau diese Fragen geben. Insofern ist die Analyse, die jetzt vorgelegt wird – Herr Jähnichen, darin widerspreche ich Ihnen –, für mich nicht ausreichend, sondern wir brauchen – das gehört auch noch dazu – die notwendigen politischen Schlussfolgerungen und Hilfen zur Entscheidungsvorbereitung, die auch durch eine solche Große Anfrage angeregt werden müssen. Aber dazu bedarf es zunächst einmal des Blicks der einreichenden Fraktionen darauf, die das in Fragestellungen hätten kleiden können.

Weil ich vorhin nach Alternativen gefragt habe, möchte ich Ihnen abschließend noch einmal unsere Alternativen deutlich machen und deutlich sagen: Es gibt nicht nur einen Weg in die Richtung, dass sich auch künftig alle Menschen in diesem Land wohlfühlen und eine gute und absolut ausreichende Altersversorgung haben. Es gibt andere Wege und das, meine ich, sollten wir deutlich machen, selbst wenn Sie sagen: Ihr bringt immer wieder Eure Vorstellungen, die ohnehin nicht realistisch sind! – Dazu sage ich: Wissen Sie, wenn Minderheiten in der Weltgeschichte immer nur auf Mehrheiten gehört hätten, dann wären wir möglicherweise über die Steinzeit nicht hinausgekommen.

Lassen Sie mich das noch einmal sagen: Wir können und brauchen – langfristig und mit Übergangsformen – eine solidarische Bürgerversicherung auch bei der Rente.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dann sieht nämlich auch die Rentenkasse ganz anders aus.

Das Zweite: Wir brauchen – und das ist meine klare Position – eine bedarfsorientierte Grundsicherung, und diese muss höher sein als das, was gegenwärtig als Grundsicherung im Alter gezahlt wird.

Wir brauchen – drittens – eine andere Veranlagung von Unternehmen. Wir haben Ihnen hier nicht zum ersten Mal deutlich gemacht: Die Rentenkassen und die Sozialkassen überhaupt könnten besser dastehen, würden wir anstelle der Veranlagung der Bruttolohnsumme endlich zur Wertschöpfungsabgabe übergehen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Viertens. Wir haben Sie zwar danach gefragt, aber hier hätten wir uns schon Schlussfolgerungen gewünscht. Wir brauchen eine noch bessere Absicherung von Frauen, die in Rente gehen, aufgrund der Erziehung und Geburt ihrer Kinder.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das sage ich ausdrücklich. Wir können doch nicht so tun und

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

das reicht nicht aus, Herr Hähle – nur fordern, dass wir mehr Kinder brauchen. Das fordere ich auch. Aber dann sollten wir – und das gehört auch zur Familienpolitik – auch denen, die Kinder großziehen und die zunächst einmal als Hauptbeteiligte dafür sorgen, dass Kinder überhaupt auf die Welt kommen, im Alter eine bessere Absicherung garantieren.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Gitta Schüßler, NPD: Kinderrente! Haben wir doch schon eingebracht!)

Das Fünfte – ich wiederhole es, bis es Sie so weit stört, dass Sie sich der Forderung anschließen –: Wir brauchen endlich die Angleichung des Rentenniveaus in Ost und West, aber nicht eine Angleichung auf Ostniveau, sondern auf Westniveau.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir brauchen – sechstens – eine Kostenbeteiligung durch jene Unternehmen, die Arbeitnehmer ab dem 50. Lebensjahr, manchmal noch eher, sozusagen auf Kosten des Staates, der das mit Sozialleistungen ausgleichen muss, entlassen. Solche Unternehmen – es sind meist nicht sehr kleine, es sind meist Großkonzerne; wir kennen ja die Zahlen – sollten sich dann an diesen Kosten entsprechend beteiligen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Ich will abschließend auf Folgendes aufmerksam machen: Wenn Sie sagen: „All das, was Sie hier vortragen, lässt sich aus diesen oder aus jenen Gründen gar nicht umsetzen“, dann sage ich Ihnen: Natürlich muss es für diese Forderungen, die ich gestellt habe, Übergangsfristen geben – Übergangsfristen, mit denen auch der Bestandsschutz der jetzt Veranlagten gewährleistet ist. Ich rede niemandem das Wort, der sagt, es müsse nun alles von einem Tag auf den anderen geklärt werden. Wenn ein Beamter beispielsweise seine Lebensplanung soundso ausgerichtet hat, dann werden wir dort nicht eingreifen wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Aber wir müssen uns schon überlegen, wie viele Beamte wir berufen oder ob wir überhaupt Beamte neu berufen.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Die PDS!)

Ja, ja. – Insofern, meine ich, sollten wir das Problem Altersvorsorge, das ich für sehr wichtig halte, wesentlich alternativer diskutieren, als es die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen dargetan hat und als es zum Teil auch Herr Dr. Jähnichen vortrug.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Frau Schüßler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann darüber spekulieren, was der wahre Hintergrund Ihrer Großen Anfrage gewesen sein mag, jedoch ist die Formulierung des Titels „Zukunft der Altersvorsorge im Freistaat Sachsen“ für die meisten Bürgerinnen und Bürger ein Schlag ins Gesicht.

Mit den Antworten blamieren Sie sich jedenfalls wieder einmal selbst. In den eigenen Statistiken ist es Ihnen nicht einmal möglich, den forcierten Sozialabbau zu verbergen.