Protocol of the Session on October 11, 2006

Aus diesem Grunde werden wir den Antrag auf Verkürzung der Einreichungsfrist heute zurückziehen. Damit bleibt der Antrag ein Dringlicher Antrag, der am Freitag regulär auf die Tagesordnung kommt. Am Freitag hat der Ministerpräsident dann keine Ausrede mehr und muss sich erklären. Wir werden ihm die Gelegenheit dazu geben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Weitere Anträge zur Tagesordnung liegen mir nicht vor. Damit ist der Tagesordnung für den heutigen Plenartag zugestimmt. Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Wahl eines stellvertretenden Mitgliedes des 1. UA (gemäß § 5 Abs. 3 Untersuchungsausschussgesetz)

Drucksache 4/6609, Wahlvorschlag der Fraktion der NPD

In der 17. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages wurde entsprechend Artikel 54 der Verfassung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes die Wahl der Mitglieder und deren Stellvertreter des 1. Untersuchungsausschusses durchgeführt. Durch den Tod des Abg. Leichsenring, NPDFraktion, ist eine Nachwahl des Stellvertreters für die NPD-Fraktion erforderlich. Ihnen liegt dazu ein Wahlvorschlag der NPD-Fraktion in der Drucksache 4/6609 vor.

Wir kommen zur Wahl. Diese Wahl findet nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung geheim statt. Es kann stattdessen durch Handzeichen abgestimmt werden, wenn kein Abgeordneter widerspricht. Ich frage deshalb,

ob ein Abgeordneter widerspricht. – Es wird widersprochen.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur geheimen Wahl selbst. Ich berufe aus den Reihen der Schriftführer eine Wahlkommission mit folgenden Mitgliedern: Frau Roth, Linksfraktion.PDS, als Leiterin; Herrn Colditz, CDU; Frau Dr. Raatz, SPD; Herrn Schmidt, NPD;

(Jürgen Gansel, NPD: Einen Schmidt gibt es nicht mehr bei uns! – Holger Apfel, NPD: Dann bitte fraktionslos!)

Ich bitte um Nachsicht. – Frau Schüßler, NPD, Herrn Dr. Martens, FDP; und Herrn Weichert, GRÜNE.

Ich schlage Ihnen vor, damit es zu keiner längeren Pause kommt, dass wir dann in der Tagesordnung fortsetzen und das Ergebnis später bekannt geben.

Ich übergebe das Wort an Frau Roth, Linksfraktion.PDS.

Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten werden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten einen Stimmschein, auf dem entsprechend der angegebenen Drucksache der Kandidat – als stellvertretendes Mitglied des 1. Untersuchungsausschusses aufgeführt ist. Sie können sich zu dem Kandidaten durch Ankreuzen in dem entsprechenden

Feld mit Ja, Nein oder Stimmenthaltung entscheiden. Der Kandidat ist gewählt, wenn er mehr Ja- als Neinstimmen erhält. Wir beginnen mit der Wahl.

(Namensaufruf – Wahlhandlung)

Ist jemand im Raum, den ich vergessen habe aufzurufen? – Das ist nicht der Fall.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir fahren mit der Tagesordnung unserer heutigen Sitzung fort.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Stand und Perspektiven der Abwasserbeseitigung im Freistaat Sachsen – Erfüllung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Die Haltung der Sächsischen Staatsregierung in der Debatte um eine neue Gesundheitsreform

Antrag der Linksfraktion.PDS

Die Verteilung der Gesamtredezeiten hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 39 Minuten, Linksfraktion.PDS 31 Minuten, SPD 14 Minuten, NPD, FDP und

GRÜNE jeweils 12 Minuten, die Staatsregierung 20 Minuten.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Stand und Perspektiven der Abwasserbeseitigung im Freistaat Sachsen – Erfüllung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen von CDU und SPD das Wort. Die weitere Reihenfolge: Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Fraktion der CDU das Wort nimmt. Herr Prof. Dr. Mannsfeld, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Zentrum unserer erfolgreichen Umweltpolitik stand seit 1990 das Bestreben, eine ordnungsgemäße Abwasserentsorgung zu organisieren. Veränderte Rahmenbedingungen, wie die Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die demografische Entwicklung in Sachsen oder die zur Verfügung stehenden Finanzmittel, erfordern darüber hinaus einen bestimmten Fixpunkt in der Entwicklung, eine Bilanzbetrachtung zum erreichten Stand vorzunehmen und zugleich einen strategischen Blick auf die kommende Zeit zu richten.

Dieser Zukunftsblick, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann jedoch nur gelingen, wenn wir mit einem Blick zurück beginnen und in diesem Kontext die gewal

tigen Anstrengungen des Freistaates, der Aufgabenträger und letztlich der Bürgerinnen und Bürger hervorheben, die erst zu dem jetzt zu verzeichnenden Sachstand geführt haben.

Erinnern wir uns: Es war ein trauriges Erbe, das uns der DDR-Staat hinsichtlich einer umweltgerechten Abwasserentsorgung hinterlassen hatte. In Zahlen ausgedrückt hieß das: 75 % der Bevölkerung waren zwar an eine öffentliche Kanalisation angeschlossen, aber nur 57 % an eine Kläranlage. Von diesen verfügte wiederum weniger als ein Viertel über eine mechanisch-biologische Reinigung; an weitergehende Reinigungsstufen war überhaupt nicht zu denken.

Die aus dem Wasserhaushaltsgesetz des Bundes und dem neuen sächsischen Wasserrecht erwachsende Notwendigkeit einer großflächig umweltgerechten Abwasserreinigung, um die Gewässerbelastung – insbesondere mit Phosphor- und Stickstoffverbindungen – zu mindern, kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn auch eine effektive Form der Abwassererfassung und -reinigung gewählt wird. Trotz der damit verbundenen Orientierung der Aufgabenträger auf komplexe und damit vorrangig

zentrale Lösungen war es die Haltung der Staatsregierung, diesen Aufholprozess zur Schaffung einer funktionierenden Abwasserinfrastruktur stufenweise vorzunehmen. Von dieser Position der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit aus und unter finanziellen Zuwendungen an die Aufgabenträger zur Erfüllung ihrer Investitionsvorhaben von rund 3,2 Milliarden Euro – lassen Sie sich diese Summe durchaus einmal auf der Zunge zergehen, wie man so schön sagt – kann Sachsen auf einen äußerst erfolgreichen Weg in eine zukunftssichere, wirtschaftsnahe Infrastruktur verweisen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Dieser Weg erfuhr Mitte der Neunzigerjahre noch eine Kurskorrektur durch eine EU-Richtlinie, welche Nord- und Ostsee zu sensiblen Gebieten erklärte, sodass die Räume der Hauptzuflüsse besondere Auflagen zu erfüllen hatten, und in drei Kategorien sogenannter Verdichtungsgebiete – über 10 000 Einwohnerwerte, 2 000 bis 10 000 und unter 2 000 – waren bis Ende 2005 vorgeschriebene Reinigungsstufen im Sinne von Nährstoffeliminierung, biologischer Reinigung und für die kleinere Einheit, also jene mit unter 2 000 Einwohnerwerten, zumindest nach Stand der Technik zu garantieren. Heute, im Jahr 2006, ist der Anschlussgrad an Abwasserbehandlungsanlagen auf 83 % der Einwohner gestiegen, und wir werden zum Abschluss der auslaufenden Förderperiode diesen Wirkungsgrad auf 86 % steigern, wobei dann 98 % aller Kläranlagen das Abwasser biologisch reinigen und bei 20 % aller Anlagen auch Phosphor- und Nitrateliminierung stattfindet, was wiederum 87 % der angeschlossenen Bevölkerung umfasst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der genannten Bilanz, in circa zwei Jahren für rund 3,7 Millionen Einwohner in Sachsen eine Abwasserentsorgung entsprechend den EU-Forderungen realisiert zu haben, ist auch der Zeitpunkt herangereift, zielgenau zu überlegen, wie mit den dann verbleibenden rund 600 000 Einwohnern umzugehen ist, die noch über keinen Kanal- und Kläranlagenanschluss verfügen. All jenen, die sich jetzt hier hinstellen werden – und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das geschieht – und behaupten, es sei eine späte Erkenntnis, die Fördermodalitäten zu modifizieren, halte ich bereits jetzt entgegen: Wer so argumentiert, zeigt nur, dass er die Realitäten und in Sonderheit die europäische Rechtslage verkennt. Schon immer hat die CDU-Fraktion in diesem Parlament das differenzierte Grundkonzept – ich habe es kurz beschrieben – und die darauf abgestellte Fördermittelvergabe anerkannt und offensiv vertreten. Beispielhaft erinnere ich daran, dass quasi in allen Broschüren des Staatsministeriums und den entsprechenden Plenardebatten dieses stufenweise Herangehen und die Nutzung dezentraler Lösungen beschrieben worden ist.

Insofern sollten alle politischen Kräfte, die sich einer objektiven Diskussion um eine umweltgerechte, aber gleichzeitig bezahlbare Abwasserreinigung verpflichtet sehen, anerkennen, dass die Anstrengungen der Betroffe

nen im Grunde genommen darauf gerichtet waren, in angemessenen Fristen Mindestanforderungen zu erfüllen, sodass ich eigentlich hoffnungsvoll bin, dass die zukünftigen Vorstellungen – speziell für Teile des ländlichen Raumes – und die dazu erforderlichen Förderstrategien, zu denen meine Kollegin Windisch näher sprechen wird, in diesem Parlament mit großem Einvernehmen unterstützt und begleitet werden.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau Dr. Deicke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aufbau einer funktionierenden, den rechtlichen und technischen Vorgaben entsprechenden Abwasserbeseitigung ist eine wesentliche Voraussetzung zur Erhaltung einer intakten Umwelt in Sachsen. Deshalb ist es auch gut, dass die Abwasserentsorgung eine kommunale Pflichtaufgabe ist. Die EUKommunalabwasserrichtlinie gibt hierfür den Rahmen vor. Damit jeder weiß, wovon ich spreche, wenn es um die Erfüllung dieser Richtlinie geht, möchte ich die Anforderungen noch einmal kurz – vereinfacht – skizzieren.

Die erste Stufe, bis 31.12.1998 umzusetzen, war die abwassertechnische Ausstattung in Verdichtungsgebieten größer als 10 000 Einwohner. Sie beinhaltet die Forderungen zur Errichtung einer Kanalisation, mit der das Abwasser einer kommunalen Kläranlage zugeleitet werden kann, sowie die Abwasserbehandlung in einer Anlage mit biologischer und weitergehender Reinigung. Die zweite Stufe, bis zum 31.12.2005 umzusetzen, war die abwassertechnische Ausstattung in Verdichtungsgebieten mit 2 000 bis 10 000 Einwohnern. Die Forderungen sind analog der ersten Stufe, mit der Einschränkung, dass hier nur eine biologische Reinigung gefordert wird.

Ab Jahresbeginn 2006 müssen die Anforderungen in gemeindlichen Gebieten unter 2 000 Einwohnern erfüllt werden, das heißt Sicherstellung einer geeigneten Abwasserbehandlung, mit der gewährleistet wird, dass die aufnehmenden Gewässer den maßgeblichen Qualitätszielen sowie den Bestimmungen aller einschlägigen EURichtlinien entsprechen.