Protocol of the Session on September 15, 2006

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig!)

Wir sind der Meinung, das kann nicht der richtige Weg sein. Man kann die demografische Entwicklung nicht in Jahresscheiben in die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe spiegeln. Dabei muss man längerfristig denken.

Meine Damen und Herren von der Staatsregierung! Wir werden Ihnen diese Kürzungsvorschläge nicht durchgehen lassen, sondern im Rahmen der Haushaltsdiskussion entsprechend agieren, auch mit den Zahlen, die hier nicht genannt werden sollen, und dann mit großem Nachdruck auf Veränderung hinwirken.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Wird von der SPD noch das Wort gewünscht? – FDP? – Ebenfalls nicht. Dann frage ich, ob andere Fraktionen das Wort wünschen. CDU? – Linksfraktion.PDS? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte Frau Staatsministerin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Debatte spiegelt in der Tat das Interesse aber auch die Unsicherheiten und Sorgen wider, die mit dem künftigen Jugendhilfeetat verknüpft werden. Dafür, meine Damen und Herren, habe ich volles Verständnis.

Mit dem derzeitigen Haushaltsplanentwurf wird die Jugendhilfe in Sachsen entgegen Ihren Verlautbarungen nicht gefährdet. Ich werde in meinem Redebeitrag darauf eingehen. In der eben geführten Debatte haben die Antragstellerin und die Vertreter der Opposition ein Bild von der aktiven Jugendhilfelandschaft in Sachsen gezeichnet, das ich sehr bedauerlich finde und nur populistisch

nennen kann. Was Sie hier gemacht haben, Frau Herrmann, ist – auch wenn Sie jetzt den Kopf schütteln – einseitig. Ich werde versuchen, in der mir zur Verfügung stehenden Redezeit darauf einzugehen.

Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass Sie mit mir die grundsätzliche Auffassung teilen, dass sich Jugendhilfe nicht nur in dem jetzt diskutierten Titelbereich abspielt, sondern dass Jugendhilfe eine Querschnittsaufgabe ist. Deswegen ist es aus meiner Sicht legitim, das in diesen Kontext zu stellen, wenn wir über die Finanzierung der Jugendhilfe in Sachsen debattieren. Daher greift es zu kurz, das Engagement der Kinder- und Jugendhilfe der Sächsischen Staatsregierung und der Koalitionsparteien allein an diesem Titel festzumachen.

Frau Schütz, ich darf an dieser Stelle auf Ihre Aussage reagieren. Frau Klinger ist auch darauf eingegangen. Sie glauben doch nicht wirklich, dass Jugendliche, so bedauerlich das auch ist, den Freistaat verlassen, weil es Einschränkungen oder Veränderungen in der Struktur des Vor-Ort-Angebotes gibt? Das können Sie doch nicht wirklich glauben. Es ist allgemein bekannt – und wir bedauern das alle in unterschiedlicher Weise –, dass die Ausbildungsplätze und der Arbeitsmarkt der Kernpunkt dieses Problems sind. Man kann es doch nicht so darstellen, dass die fehlenden 400 000 Euro, um die es letztendlich geht, dazu führen, dass Jugendliche unser Land verlassen. Das ist doch populistisch.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich möchte an dieser Stelle auf den Gesetzestext hinweisen, der vielleicht nicht jedem so genau bekannt ist. Sie finden in § 2 Abs. 1 des SGB VIII folgende Formulierung: „Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien.“ Das ist der Grundsatz der Jugendhilfe, und wenn Sie näher eintauchen und sich tiefer mit dem SGB VIII beschäftigen, wird auch eindeutig formuliert, wer welche Aufgaben zu verantworten hat. Es wird ein Unterschied gemacht zwischen kommunaler Zuständigkeit und Zuständigkeit des Landes. Dann können wir natürlich alle bedauern und es in vielfältiger Weise versuchen zu unterstützen, dass die Kommunen teilweise Schwierigkeiten in ihren Haushalten haben und eigene Prioritäten setzen. Aber das kann doch nicht in die Argumentation bzw. in die jetzige Darstellung des Haushaltsentwurfes zurückfließen.

Vorbehaltlich der Zustimmung dieses Hohen Hauses – auch das möchte ich noch einmal erwähnen, obwohl es von Ihnen schon interpretiert worden ist –stehen im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe allein im nächsten Jahr 28,6 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Das ist ein erhebliches Mehr in diesem Bereich, und natürlich ist es richtig, Frau Klinger, dass der größte Teil dieser Mittel in den Kita-Bereich fließt. Das ist doch gerade das, was Sie fordern, Frau Herrmann: dass wir der Bildung einen Vorrang geben, dass wir den Fokus auch auf frühkindliche Bildung legen. Wie sollen wir das denn

machen, wenn wir nicht die Einrichtungen finanziell stabilisieren und dankenswerterweise mehr Kinder in den Einrichtungen haben? Das widerspricht sich doch nicht.

Ich darf auch darauf verweisen, dass es eben keine Kürzung in den Bildungsangeboten gibt, so wie von Ihnen, Frau Herrmann, vorgetragen. Da muss ich mich auf den Redebeitrag von Herrn Dulig beziehen: Eine solche ausführliche Debatte ist eben heute und hier nicht zu führen, weil man sich unterschiedliche Finanzierungen und natürlich auch Haushaltsstellen anschauen muss, wenn man wirklich ehrlich über die Jugendhilfe debattieren und feststellen will, wo die Kürzungen denn so eklatant sind, wie Sie es heute darstellen.

Allein die Zahl – knapp 30 Millionen Euro – im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe ist eher eine eindrucksvolle Demonstration dessen, wo die Sächsische Staatsregierung ihre Prioritäten setzt: nämlich in Bildung, Erziehung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und natürlich auch bei der Förderung der Familien.

Es geht bei dieser Arbeit nicht nur um Mittel in meinem Ressort, sondern auch in den anderen Ressorts wird erheblich zugelegt. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Bei meinem Kollegen Steffen Flath gibt es eine erhebliche Verstärkung der Mittel im Bereich der Sportvereine,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: So ein Zufall!)

darüber hinaus in den Ganztagsschulen. Wir haben im Ressort des SMUL und des SMWK überall Förderprogramme, die zu einem Konglomerat zusammengefasst werden. Darüber haben Sie heute überhaupt nicht gesprochen. Deswegen war es nach meiner Meinung eine einseitige, bewusst populistische Darstellung zu diesem Thema.

Auf der anderen Seite: Selbstverständlich werden auch im kommenden Doppelhaushalt für die örtliche und überörtliche Jugendhilfe entsprechende Landesmittel zur Verfügung stehen. Betrachtet man die derzeit geplanten Mittelansätze der von Ihnen zitierten relevanten Zielgruppe, so liegen diese mit circa 22,2 Millionen Euro rund 600 000 Euro über der vom Landtag beschlossenen mittelfristigen Finanzplanung.

Frau Klinger, Ihre Argumentation, was den Überblick der Mittel der letzten zehn Jahre betrifft – ich glaube, darauf muss ich nicht antworten, denn wir könnten hier Hunderte Haushaltsstellen anführen, in denen wir in 1994 und 1996 aus unterschiedlichen Gründen Millionen mehr an Mitteln zur Verfügung hatten als heute, wenn ich nur den Aufbau Ost nenne und anderes mehr. Das ist eine nicht ganz legitime Diskussion.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Zum anderen hatten wir aber von 2003 bis 2006 – das ist ein realistischer Vergleich – im Haushalt eine relativ konstante Summe zur Verfügung, die die Richtlinien betrifft, nämlich zwischen 21,4 und 20,1 Millionen Euro.

Das sind keine gravierenden Veränderungen, so wie Sie es dargestellt haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Minister?

Bitte.

Frau Orosz, stimmen Sie mir darin zu, dass die Bereiche, die für die Förderung in den Richtlinien festgelegt wurden, immer mehr erweitert worden sind; dass also selbst eine Mitteleinstellung in der gleichen Höhe wie in den Vorjahren einer indirekten Kürzung gleichzusetzen ist?

Darin stimme ich Ihnen so nicht zu. Sie sind nicht erweitert worden, sondern es sind immer wieder neue Schwerpunkte gesetzt worden, und ich glaube, dass das richtig ist.

Meine Damen und Herren! Unabhängig davon ist mir natürlich bewusst – so realitätsnah sehe ich das, was den Haushalt betrifft –, dass die Jugendhilfe im kommenden Doppelhaushalt mit Einsparungen rechnen muss; dazu stehe ich auch. Dazu gibt es aus meiner Sicht klare Begründungen. Bedingt durch den demografischen Wandel werden im Rahmen der Ausreichung der Jugendpauschale weniger Mittel als 2006 beansprucht. Wiederum zur Stärkung der örtlichen Jugendhilfe ist jedoch vorgesehen – auch das haben Herr Dulig und Herr Krauß heute schon gesagt –, die Jugendpauschale zu erhöhen.

Auch hier darf ich nochmals an Sie appellieren. Wie soll es denn funktionieren, wenn wir für jeden einzelnen nicht mehr vorhandenen sächsischen Bürger weniger Geld bekommen, aber stets und ständig Bereiche haben, die erhöht werden sollen? Hier muss es doch eine Prioritätensetzung geben, und auf diese ist der Haushaltsentwurf ausgerichtet.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Straßenbau!)

Ich darf darauf hinweisen, weil es vielleicht nicht allen bekannt ist, dass die Berechnungsgrundlage dieser sogenannten Kopfpauschale für die Jugendlichen die Kinder und Jugendlichen von null bis 27 Jahren einbezieht. Hier geht es nicht nur um einen begrenzten Bereich, sondern alle jungen Menschen im Alter von null bis 27 werden im Bereich der Zuständigkeit des örtlichen Jugendhilfeträgers mit dieser Richtlinienfinanzierung erreicht. Wenn wir ehrlich sind, ist das in gewisser Weise eine Doppelförderung mit anderen Bereichen. Aber es ist gerechtfertigt und wir stehen dazu.

Darüber hinaus sind im vorliegenden Haushaltsentwurf Investitionen an und in Jugendhilfeeinrichtungen in Höhe von 2 Millionen Euro pro Haushaltsjahr geplant. Hierzu muss ich feststellen: Im Vergleich zum derzeitigen Haushalt sind das 1,7 Millionen Euro mehr als bisher.

Meine Damen und Herren! Ab 2007 werden bei den überörtlichen Jugendverbänden im Bereich der Personal

förderung – das ist ja das Corpus Delicti der Debatte – insgesamt 400 000 Euro weniger zur Verfügung stehen. Dies ist nicht nur – wie in der letzten Zeit häufig dargestellt – mit dem allgemeinen Sparzwang begründet; es gibt dafür vor allem strukturelle und inhaltliche Gründe.

Die Staatsregierung wird die Verbände selbstverständlich bei der Umsetzung dieser Änderung unterstützen. Gemeinsam muss es uns darum gehen, nach Möglichkeiten tragfähiger Kooperationen und Vernetzungen sowohl innerhalb der überörtlichen Verbandslandschaft als auch zwischen der örtlichen und überörtlichen Jugendhilfe zu suchen. Ich weiß nicht, ob alle, die heute ihre Redebeiträge hier abgegeben haben, mit den Vertretern gesprochen haben. Dann ist Ihnen sicherlich auch von der kommunalen Ebene, von den Jugendverantwortungsträgern vor Ort, aber auch von den Verbänden gesagt worden, dass es eben nicht so ohne Weiteres die Akzeptanz einiger überörtlicher Verbände gibt und dass dort erheblicher Verbesserungs- und Veränderungsbedarf gesehen und als notwendig erachtet wird. Auf diesen haben wir uns ebenfalls zurückgezogen.

Wir alle stehen angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der demografischen Entwicklung vor neuen Herausforderungen und Handlungserfordernissen. Diesem Prozess darf sich auch die Jugendhilfe nicht entziehen. Die Jugendhilfe in Sachsen ist stärker denn je gefragt, die Effizienz und Wirksamkeit ihrer Arbeit zu hinterfragen. Das ist zunächst einmal eine Sache, über die die Träger selbst entscheiden müssen. Ich weiß auch, dass einige Verbände seit Längerem darüber nachdenken, ob es nicht nutzbringender ist, sich zusammenzuschließen, sich inhaltlich anzupassen und zu verändern.

Aber, meine Damen und Herren, dieses Nachdenken muss auch irgendwann einmal zum Ziel geführt werden und man muss diesen Überlegungen endlich Taten folgen lassen. Das ist nicht passiert – auch mit der Jugendhilfeplanung, die Sie angesprochen haben, Frau Herrmann, die in den letzten Monaten auf wiederholtes Drängen besprochen und verabschiedet worden ist. Sie ist im Ergebnis in keinerlei Veränderung zielführend gewesen. Der Öffentlichkeit zu suggerieren, alles habe so zu bleiben, wie es ist, kann nicht sein. Damit würde mein Haus seiner Verantwortung im Rahmen der Fachaufsicht nicht gerecht werden.

Wir haben in den vergangenen Jahren bereits in vielen Bereichen – der freien Wohlfahrtspflege, der Familienhilfe, der Behindertenförderung und im Seniorenbereich – neue, veränderte Strukturen, angepasst an die gesellschaftlichen Veränderungen, geschaffen, auch um angesichts der angespannten Finanzlage die zur Verfügung stehenden Mittel so sparsam und effizient wie möglich einzusetzen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Ministerin?

Ja, bitte.

Frau Staatsministerin Orosz, haben Sie wahrgenommen, dass ich nicht gesagt habe, alles solle so bleiben, wie es ist?

Das ist mir bei Ihrem Redebeitrag nicht aufgefallen; aber ich werde es im Protokoll nachlesen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das kann ja auch am Zuhören liegen!)

Meine Damen und Herren! In dem von mir genannten Prozess hat sich die kommunale Jugendhilfe bereits erheblichen und umfangreichen Veränderungen unterziehen müssen – verbunden mit Schmerzen und Kritik. Aber es hat funktioniert.

Ich glaube, es ist berechtigt, die Forderung beizubehalten, Gleiches von der überörtlichen Jugendhilfe zu erwarten. Insbesondere die verbandlichen Strukturen sind von diesem Prozess bislang kaum betroffen. Das hat in der Binnen-, aber auch in der Außenwirkung einiger Jugendverbände in der Tat zu einer Stagnation geführt, die wir uns sowohl inhaltlich als auch angesichts der finanziellen und personellen Ressourcen nicht leisten können.

Wir brauchen in der Jugendhilfe heute nicht mehr hauptsächlich Denkfabriken, sondern die stärkere Ausrichtung auf die eigentliche Tätigkeit, das sogenannte Kümmern um die Jugend. Insoweit ist es bestimmt nicht von Schaden, wenn auch hier die Verbände um das bessere Konzept konkurrieren, so wie es vor Ort bei der kommunalen Jugendarbeit längst Alltag ist. Die Notwendigkeit von Veränderungen gerade in der Jugendhilfe ist allen Beteiligten seit Langem bekannt und wird seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Diskussionsrunden angesprochen.

Auch in unserer Koalitionsvereinbarung wird dies deutlich angemahnt. Dazu heißt es: „Die überregionale Ju

gendverbandsarbeit werden wir als wesentliche Form der Selbstorganisation junger Menschen weiter fördern.“