Protocol of the Session on September 15, 2006

Ob das zu diesem Zeitpunkt richtig ist, ist die Frage. die Jugendhilfe wie einen Wirtschaftszweig zu betiteln. Insofern sind zwar bestimmte Investitionen, zum Beispiel zur Erhaltung von Jugendhäusern, sicher notwendig, sie können jedoch die Arbeit von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen niemals ersetzen. Natürlich ist eine bauliche Infrastruktur notwendig, aber sie wird vollkommen sinnlos, wenn die gelebte Infrastruktur nicht vorhanden ist,

Wir haben vor längerer Zeit hier in Sachsen eine Umstellung der Förderung vorgenommen. Da ging es darum, dass wir auf die Jugendpauschale umgestellt haben. Das war ein interessantes Instrument, womit man auch – ich sage es mal in Anführungszeichen – Kommunen „gezwungen“ hat, ihre Aufgabe, ihren Anteil zu leisten, weil sie eben für die Mark damals – oder den Euro jetzt – nur eine Förderung erhalten haben, wenn sie denselben Betrag draufgelegt haben. (Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

vor allem im ländlichen Raum, im dem die sozialpädagogische Arbeit oftmals nur noch durch mobile Jugendarbeit realisiert werden kann, da es Jugendklubs und ähnliche Einrichtungen überhaupt nicht mehr gibt, weil sie einfach nicht mehr existieren, da beispielsweise Mittel der Jugendpauschale nicht abgerufen werden.

Der Nachteil der Pauschale ist – das wird sicherlich den Finanzminister freuen –, dass sie auch ein fantastisches Instrument ist, Geld zu sparen.

(Zuruf der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Denn wenn immer weniger Jugendliche da sind, wird auch immer weniger Geld hineingegeben. Dann kommt man irgendwann natürlich an den Punkt, an dem man auch über die Qualität der Angebote reden muss, darüber, ob man diese dann noch halten kann. Deshalb steht für mich außer Frage, dass es auch jetzt darum geht, in den Haushaltsverhandlungen über die Höhe der Pauschale zu sprechen. Da lasse ich mich jetzt auf keine Zahl ein; denn genau das ist Sinn und Zweck der Haushaltsverhandlun

Es ist also blanker Schwindel, wenn Sie, Frau Staatsministerin, auf bestimmte Investitionsmittel, deren Zweckbestimmung wir überhaupt noch nicht kennen – ich nenne dazu die gesonderte Infrastrukturmaßnahme im Wert von 2 Millionen Euro; wir wissen nicht, welchen Verwendungszweck es dafür gibt –, verweisen und diese mit den Kürzungen beim Personal aufrechnen.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Ich erlebe zurzeit vor Ort, dass in einem gewissen vorauseilenden Gehorsam schon Förderrichtlinien und Haushaltspläne bei den Kommunen angepasst werden, obwohl noch gar nicht klar ist, wie die Förderrichtlinie eigentlich ausgestattet sein wird.

gen, weil wir vor dem Hintergrund der veränderten Richtlinien in der Jugendhilfe überlegen müssen, was das richtige Signal an die Kommunen ist.

Mein Signal wäre zum Beispiel: Stärkt gerade in den ländlichen Bereichen die mobile Jugendarbeit! Denn wir müssen dort investieren. Da meine ich „investieren“ nicht als Investition in die Hülle, sondern wir müssen die Jugendhilfe in den Bereichen stärken, in denen es am notwendigsten ist. Wir werden auch mit dem Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ in dem Bereich nicht alle Aufgaben erledigen. Die Basisarbeit findet vor allem in der Jugendhilfe statt. Wir müssen aber aufpassen, dass wir die örtliche Jugendarbeit nicht gegen die überörtliche ausspielen.

(Zuruf der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Damit wird vor Ort künstlich der Bedarf kleingerechnet. Das darf nicht passieren. Wir müssen die Kommunen weiterhin darin stärken, dass sie ihren eigenen Anteil leisten.

Wenn eine Kommune sagt: „Wir deckeln die Personalkosten bei 30 000 Euro und fördern pro Träger nur noch eine Stelle“, dann wird man irgendwann zusammenrechnen können und auf eine Summe X kommen. Diese Summe wird unter dem liegen, was sie eigentlich an Fördermitteln hätten abrufen können. Wenn das die Tendenz ist, dann können wir im Freistaat zwar die Haushaltspläne hochfahren, aber die Hausaufgaben müssen dann auch vor Ort gemacht werden.

Aber wir können uns auch nicht dem Fakt verschließen, dass durch die Jugendpauschale in den letzten Jahren immer weniger Geld in die örtliche Ebene geflossen ist und dass man, was die überregionale Ebene betrifft, zwar in den Haushaltsplanentwürfen stets Kürzungen hatte, es dann aber doch immer wieder gelungen ist, den Ansatz auf die gleiche Höhe hochzufahren. Irgendwann – und das müsste auch jedem Träger bewusst sein – wird das nicht mehr ausreichen. Da muss man dann auch sagen, dass Träger ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Das ist nicht der Pauschalvorwurf an die Träger, sondern eher an spezielle Träger. Sie waren dann anscheinend zufrieden, dass, wenn es wieder einmal gelungen war, den Haushaltsansatz wieder hochzufahren, alles so weiterging.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Diese Tendenz sehe ich als sehr gefährlich an: dass die Kommunen uns dort einen Bärendienst erweisen, wenn es um die Stärkung der Jugendhilfe geht.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

(Staatsminister Helma Orosz: Genau so ist es!) Vielen Dank. Alexander Krauß hat schon darauf hingewiesen, dass eben auch bei den Trägern bestimmte Hausaufgaben dann nicht gemacht worden sind. (Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Frau Schütz, bitte. Trotzdem: Wir wollen die Träger nicht gegeneinander ausspielen und wir werden in den Haushaltsverhandlungen sehr wohl darauf achten, wie wir die Jugendhilfe insgesamt stärken. Das hat mein Fraktionsvorsitzender in der Haushaltsdebatte schon deutlich gemacht. Das ist für uns ein Schwerpunkt. Aber wir müssen überlegen, wie wir ihn gestalten. Da geht es nicht immer nur darum, den Status quo, sondern darum, auch Ziele zu beschreiben: Was wollen wir mit Jugendhilfe? Was ist unser Ziel damit, sowohl vor Ort als auch überregional? Das ist die Aufgabe, die wir haben.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dulig, die kommunalen Haushalte müssen bis zum 31.12. für das nächste Jahr beschlossen sein.

(Martin Dulig, SPD: Aber nicht die Förderrichtlinien!)

Sie müssen aber die Mittel für den kommunalen Haushalt bereitstellen. So weit dazu.

Ich möchte auch klarmachen, dass ich über die Höhe der Kürzungspläne von 3,2 Millionen Euro überrascht war. Aber dafür sind Haushaltsverhandlungen da, liebe GRÜNE, und nicht eine Aktuelle Debatte.

Die heutige Debatte ist eine vorweggenommene Haushaltsdebatte zum Einzelplan 08. Dieser Kritik schließe ich mich an. Die angesprochenen Kürzungen im Bereich der Jugendhilfe sind bereits im Entwurf des Haushaltsplans nachzulesen und werden in den Ausschüssen sicherlich noch zu heftigen Diskussionen führen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Aber die auch! – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE) Warum die GRÜNEN heute – vor einer fachlichen Diskussion im Ausschuss – schon eine politische Bewertung in dieser Aktuellen Debatte vornehmen, erschließt sich mir jedoch nicht. (Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wehret den Anfängen!)

Ich möchte auf ein großes Problem hinweisen, weil wir auch den Fokus nicht verschieben dürfen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Da bin ich aber gespannt!)

Ich möchte, auch wenn dies in einer Aktuellen Debatte unüblich und aufgrund der beschränkten Redezeit auch kaum möglich ist, die Kürzungspläne trotzdem so weit wie möglich fachlich und ausgewogen bewerten.

Wir alle sind uns einig, dass die Jugendarbeit vor allem vor Ort, sei es im Sportverein, im offenen Jugendtreff oder im selbstverwalteten Jugendhaus, für die Zukunft jedes einzelnen Jugendlichen wichtig ist. Jeder haupt- und ehrenamtlich in der Jugendarbeit Engagierte leistet einen wichtigen Beitrag, damit junge Menschen ihr Recht auf Förderung, ihre Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit wahrnehmen können. Von dieser Stelle aus an sie meine Anerkennung und mein Dank.

Wir sind uns einig, dass Jugendarbeit zukünftige Problemen wie Kriminalität und Gewaltbereitschaft, wenn auch nicht hundertprozentig verhindern, so doch ihnen vorbeugen kann. Wir sind uns auch fast alle einig, dass eine öffentlich geförderte Jugendarbeit unsere Jugendlichen vor rechtem Gedankengut bewahren kann und als ihre Aufgabe auch bewahren muss. Jugendarbeit muss daher Geld wert sein. Wer pauschal – und das betone ich: pauschal – bei Kindern und Jugendlichen kürzt, verringert die Zukunftschancen unserer jungen sächsischen Bürgerinnen und Bürger.

Wenn ich jedoch erkannt habe, dass ich bisher ineffektive Strukturen aufgebaut und finanziert habe, dann muss ich den Mut haben, dies zu benennen und muss umsteuern. Ein reflexartiger Aufschrei dagegen und die grundsätzliche Ablehnung von Stellenstreichungen in der Jugendarbeit, wie von SPD- und PDS-Nachwuchs getan, sind für mich und meine Fraktion nicht nachvollziehbar. Sozialpolitik erschöpft sich nun einmal nicht darin, bestehende Hilfestrukturen einfach nur zu bewahren und Kürzungen abzulehnen. Unsere politische Verantwortung besteht darin, den jungen Menschen hier in Sachsen möglichst effizient zu helfen, Angebote zu unterbreiten und das Geld für konkrete Leistungen auszugeben.

Unsere Jugendlichen haben ein Recht darauf, dass das Geld bei ihnen vor Ort auch ankommt und hilft. Dass die Hilfe vor Ort ankommt, ist mir als ostsächsischer Abgeordneten besonders wichtig. Im ländlichen Raum gibt es nicht die umfassenden Angebote wie in den Großstädten. Die Distanzen sind zudem größer, die Probleme aber keinesfalls kleiner. Gerade Lehrstellenmangel, mangelnde Bewerberqualifikation, aber auch sichtbarer Rechtsextremismus sind die Probleme, die nach einer professionellen Jugendarbeit verlangen. Jede Lücke, die hinterlassen wird, egal ob durch wegsterbende Vereine oder den geschlossenen städtischen Jugendclub, kann – und wird zum Teil auch – durch die NPD und deren Anhänger geschlossen werden.

Die Situation in den dünn besiedelten Gebieten verlangt nach einem völlig neuen Konzept öffentlicher Kinder- und Jugendarbeit in der Jugendhilfe. Doch statt eines Konzeptes präsentiert man als Staatsregierung lediglich pauschale Kürzungsvorschläge. Man hofft, durch weniger

Geld würden effektivere Strukturen entstehen, die dann zugleich auch noch besser seien. Doch ob diese Strukturen den betroffenen Jugendlichen auch helfen, steht in den Sternen.

Ich gebe Ihnen recht, Frau Herrmann, bei der Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen und junge Frauen zu kürzen halte ich ebenso für den falschen Ansatz, wenn wir doch allerorts beklagen, dass gerade junge Frauen aufgrund fehlender Angebote und Perspektiven unseren Freistaat in überproportionaler Anzahl verlassen.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Das Ministerium räumte laut Pressemitteilung sogar ein, dass hinter den Kürzungen kein fachliches Konzept steht. Auch die Argumentation der Staatsregierung, aufgrund des demografischen Wandels brauche man weniger Geld für die Jugendhilfe, gilt zumindest für den ländlichen Raum nicht. Denn wenn vor Ort das letzte Angebot eingestellt wird, lässt man die verbleibenden Jugendlichen im Regen stehen. Dort kann man keine Leistungen mehr einschränken.

Auch wenn die Richtlinie 1 aufgestockt wird – mir ist der Aufteilungsmodus allerdings noch nicht bekannt –, so haben Sie, Frau Orosz, sich offenbar schon von der Zielstellung des Landes, eines gleichmäßigen und bedarfsgerechten Aufbaus von Einrichtungen und Angeboten nicht nur im überörtlichen Bereich, sondern auch im örtlichen Bereich, verabschiedet. Diese Worte tauchen jedenfalls in keinem Förderinstrument mehr auf.

Eine Geldaufteilung nur auf die Zahl der jugendlichen Köpfe widerspiegelt nicht die vor uns liegenden notwendig zu lösenden Aufgaben im ländlichen Raum. Als FDP fordern wir daher von der Staatsregierung ein Konzept, wie der Freistaat zukünftig seine Verantwortung für die Jugendlichen in ganz Sachsen wahrnehmen will und wie die Struktur zukunftsfähig gemacht werden soll. Bloße Kürzungen ersetzen jedenfalls kein Konzept.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Zuruf von der CDU: Porsch hat nicht zugehört!)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN das Wort. Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da werden im Vorfeld Kürzungspläne bekannt und die Koalition verlangt von uns, dass wir so lange still sind, bis wir dann in der Haushaltsdebatte auf Startschuss kritisieren dürfen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Es müsste Ihnen doch aufgefallen sein, dass es mir keinesfalls darum ging, Zahlen aus dem Haushalt zu bewerten, sondern die Art und Weise, wie diese Kürzun

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

gen vorgenommen wurden, zu kritisieren. Wenn Sie die Jugendpauschale – erstens – nicht in dem Maße anheben wollen, in dem sie anderswo kürzen, dann ist das – zweitens – noch lange kein Ausgleich. Wenn dahinter der Gedanke steckt, liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr Verantwortung auf die Kommunen zu übertragen, funktioniert das so jedenfalls nicht.

Was für eine unsägliche Situation ist das, wenn die Bewirtschaftung von Jugendhäusern nur mit Alkoholausschank möglich erscheint?!

Schauen wir uns die betroffenen Kürzungen an, fällt auf, dass es die präventiven Ansätze trifft. Die Erhöhung der Jugendpauschale stärkt dabei gleichzeitig den eher defizitorientierten Ansatz, aber Prävention ist besser und auch billiger. Das gilt nicht nur im Gesundheitswesen. Es braucht mehr Mut, sich darauf einzulassen und den Kindern und Jugendlichen etwas zuzutrauen.

Mit den Kürzungen treffen Sie direkt die Kommunen. Diese profitieren nämlich in großem Maße von den Angeboten der überörtlichen Jugendhilfe. Kommunale und überörtliche Jugendarbeit ergänzen sich. Es macht keinen Sinn, sie gegeneinander auszuspielen. Sie wissen auch, dass es in der Vergangenheit bereits Kommunen gab, die die Jugendpauschale nicht vollständig abrufen konnten – nicht, weil ihnen nicht eingefallen wäre, was sie mit dem Geld anstellen könnten, sondern weil ihnen schlicht und einfach die Eigenmittel fehlten.