Protocol of the Session on September 13, 2006

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Besser als die anderen muss ja noch nicht gut genug bedeuten. Rechnet man zu den Schulden der öffentlichen Hand die Schulden in öffentlich bestimmten Fonds, in Unternehmen und Zweckverbänden der Kreise, Städte und Gemeinden hinzu, so erhöht sich die Summe noch einmal um 11,5 Milliarden Euro. Also auch wir haben in den letzten 16 Jahren schon über zwei Jahre auf Pump gelebt und mehr als die Hälfte des Restes mit Geld von außerhalb bestritten.

Fakt ist außerdem, dass die Haushaltskonsolidierung im Bund wie in den Ländern nicht zuletzt einem direkten Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger zu verdanken sein wird. Auch wenn nicht unmittelbar vom Land zu verantworten, ist doch die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 2007 eine wesentliche Quelle der Konsolidierung, und da haben Sie die Einnahmen den Ausgaben angepasst, nicht umgekehrt. Dass dies viel schlimmere persönliche Konsequenzen für die Schwachen haben wird als für die Starken, sei nicht nur am Rande erwähnt; denn es entspricht einer Konsolidierungsstrategie, die CDU und SPD teilen und so landauf, landab miteinander koalitionsfähig macht.

Ein ganz besonderer Makel des Entwurfs ist übrigens die wiederum große Zahl von Ermächtigungen. Wir haben beim letzten Doppelhaushalt gewarnt. Seien Sie sicher, diesmal wird es ernst. Übersteigen die Ermächtigungen das erträgliche Maß, werden wir deren Verfassungskonformität überprüfen lassen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ein Haushaltsentwurf zeichnet Politik vor und reflektiert damit den politischen Willen seiner Verfasser, ihren Blick auf das Land, ihre Prioritätensetzungen. Er bilanziert Gewinne und Verluste der früheren Jahre, baut darauf auf und sagt uns, wie es mit Gewinn und Verlust im Lande weitergeht. Deshalb spricht ein solcher Entwurf auch ganz deutlich über Gewinner und Verlierer, wenn man die Zahlen ins Leben transponiert. Genau das will ich jetzt machen und mehr denn je wird sich zeigen, dass die Beachtung technischer Regeln allein noch kein Kunstwerk macht, ja sogar Kälte ausstrahlt und das Werk vom Leben trennt. Das gilt für die Kunst und das gilt für Haushalte als in Zahlen gegossene Politik und das fällt dann auch auf den jeweiligen Urheber zurück, sei er ein Künstler oder ein Finanzpolitiker.

Auf welcher Bilanz baut der vorliegende Haushaltsentwurf auf und welche Entwicklungen schreibt er weiter? Dieser Frage nachzugehen heißt doch für unser Land, an der Schwelle seiner Volljährigkeit zuallererst zu fragen: Wie sind die frommen Wünsche zu seiner Entwicklung in den letzten 16 Jahren aufgegangen und was eröffnet uns der vorliegende Haushaltsentwurf dazu?

An der Wiege des Freistaates standen keine guten Feen und keine bösen. Es waren wir selbst, es waren die Parlamentarier des 1. Landtages und die dort geschmiedeten Mehrheitsbündnisse, die die Wünsche für die Zukunft formulierten. Sie sind in die Form von Grundrechten und von Staatszielen, insbesondere in den Artikeln 7 bis 13 der sächsischen Landesverfassung, gegossen worden. Unmissverständlich sagt Artikel 13 unserer Landesverfassung – ich zitiere –: „Das Land hat die Pflicht, nach seinen Kräften die in dieser Verfassung niedergelegten Staatsziele anzustreben und sein Handeln danach auszurichten.“

Also fragen wir und werden bis zum Schluss in der Haushaltsdebatte und darüber hinaus immer wieder fragen:

Wie steht es denn nun mit dem Recht auf menschenwürdiges Dasein, dem Recht auf Arbeit, auf angemessenen Wohnraum, auf angemessenen Lebensunterhalt, auf soziale Sicherung und auf Bildung? Wie weit ist es und wie geht es weiter mit der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen alter und behinderter Menschen, mit der rechtlichen und tatsächlichen – ich wiederhole: mit der tatsächlichen – Gleichstellung von Frauen und Männern? Wie realisiert sich das Recht eines jeden Kindes auf eine gesunde seelische, geistige und körperliche Entwicklung? Was tun wir für den Schutz vor sittlicher, geistiger und körperlicher Gefährdung der Jugend? Was machen wir für den Schutz der Umwelt oder die Förderung des künstlerischen und wissenschaftlichen Schaffens und der sportlichen Betätigung? Wie entwickelt sich schließlich die Verpflichtung zu grenzüberschreitender regionaler Zusammenarbeit?

Ich werde wegen der schnöde beschnittenen Redezeit nur auf weniges, uns besonders Wichtiges eingehen können. Machen Sie sich aber, meine Damen und Herren von der Koalition, auf harte Debatten in den Ausschüssen gefasst.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Beginnen wir dort, wo Zukunft am offensichtlichsten angesiedelt ist, am offenkundigsten berührt wird: bei den Kindern und Jugendlichen. In schlechter und für die Zukunft Sachsens fast schon tragischer Tradition soll auch in diesem Doppelhaushalt wieder deutlich an den Kindern und Jugendlichen gespart werden. Auf nichts anderes ist bei uns im Haushalt so sicher Verlass wie auf die Kürzung bei den Mitteln für die Jugend. Die Verschiebung von Haushaltsmitteln in den Investitionsbereich ist dabei ein Etikettenschwindel, weil die Kosten in der Jugendhilfe nun einmal in der Hauptsache Personalkosten sind. Diese können nicht durch Investitionen ersetzt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Jugendhilfezuschüsse an die freien Träger der Jugendhilfe sind die Kürzungsposition schlechthin. Insgesamt werden bei der Kinder- und Jugendhilfe zwar „nur“ 6 % eingespart, jedoch verbergen sich dahinter höchst unterschiedliche Kürzungen und Erhöhungen. So werden die Zuschüsse an freie Träger um 32 % gekappt. Dies hat

vor Ort zum Teil Einbrüche in der Förderung zur Folge, die auch durch Steigerungen an anderen Stellen innerhalb des gesamten Kinder- und Jugendhilfebereichs nicht mehr kompensiert werden können.

Fast niemandem sonst werden im Haushaltsansatz solche Einschnitte zugemutet. Dieses Mal sollen wohl noch Nägel mit Köpfen gemacht werden. Durch massive Streichungen bei den Dachverbänden werden nämlich diejenigen geschlagen, die sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die Kürzungen zur Wehr gesetzt haben.

Positiv werten will ich gern die Steigerung der Aufwendungen für die Kindertagesbetreuung. Freilich erweist sich bei näherem Hinsehen die ganze Sache nur als die Sicherung des bestehenden Rechtsanspruchs bei einer wieder wachsenden Kinderzahl.

Ich freue mich – das kann ich hier auch sagen –, dass ich vor 14 Tagen zum vierten Mal Großvater geworden bin.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Von dem zwischenzeitlich von Koalitionsvertretern vollmundig angekündigten kostenfreien Vorschuljahr ist keine Rede mehr; im Haushalt findet sich jedenfalls nichts.

Erheblich gestrichen wird auch wieder bei der Familienförderung und den Beratungsstellen, wobei versucht wird, diese Streichungen durch Umgruppierungen im Haushalt zu verschleiern.

Das sächsische Bildungswesen ist in jüngster Zeit als das reformfreudigste und in Deutschland jedenfalls als das erfolgreichste gelobt worden. Nun, die Erfolge sind international gesehen immer noch Erfolge günstigstenfalls in der Regionalliga und die Reformen sind im Sande sächsischen Alltags stecken geblieben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gemeinschaftsschulen gibt es – im Plural gesprochen – noch immer nicht. Gerade eine einzige hat nämlich bisher das Licht der Welt erblickt. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass es um das Prestigevorhaben der SPD geht.

Zwei Stunden Ethikunterricht pro Woche – beschlossen ja – sind nach wie vor eine große Seltenheit in Sachsen. Es fehlen einfach die Lehrkräfte dafür. Diese fehlen auch anderswo und an allen Ecken und Enden. Dennoch betreibt die Staatsregierung einen weiteren Stellenabbau im Schulbereich, was schließlich und endlich auch die Umsetzung der speziellen Schuleingangsphase – ein von uns ausdrücklich begrüßter Schritt der Reform – massiv gefährdet.

(Zuruf des Staatsministers Steffen Flath)

Den haben wir begrüßt, Herr Flath, natürlich. Wenn nicht, dann mache ich es jetzt für Sie noch einmal. Sie müssen es nicht mitbekommen haben.

Dazu kommt, dass weit über 2 000 Lehrerstellen wegen Abordnungen, Altersteilzeit und Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden für den Unterricht nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Schulpolitik der Staatsregierung ist im Grundsatz von Mangelwirtschaft und zentralisierender Gängelung geprägt, was sich auch in dem die Haushaltsdiskussion begleitenden Thema Oberstufenreform ausdrückt. Es sollen Lehrerkapazitäten mit der Bündelung im Klassenverband und der eingeschränkten Kurswahl gespart werden und es wird den Schulen die Möglichkeit der eigenen Profilbildung verwehrt.

Schaut man auf die Gesamtrechnung, scheint es, als hätte sich im Bereich der Hochschulen bezüglich der Zuweisungen nur wenig verändert oder sogar zum Guten. Die Staatsregierung lobt sich ständig – wir haben es gerade wieder erlebt – mit dem hohen Anteil, den Wissenschaft und Hochschulen im Gesamthaushalt angeblich einnehmen. Doch der Schein trügt.

Steigende Studierendenzahlen, Personalabbau, zum Teil schmerzliche und auf Dauer schädliche Reduktion in Lehre und Forschung sowie steigende laufende Kosten bestimmen heute den Hochschulalltag in Sachsen. Erpresst ist dieser Alltag durch die sogenannte Hochschulvereinbarung.

Auf dem Rücken der Studierenden und der Lehrenden, auf Kosten der Forschung und zum Nachteil des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie durch ständige Einschränkungen bei den Studentenwerken erschleicht sich die Staatsregierung unter anderem ihre Haushaltskonsolidierung; auf Kosten unserer Zukunft also, kann man kurz zusammenfassen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dass ein Haushalt auf Kosten unserer Zukunft, weil auf Kosten unserer Jugendlichen, konsolidiert werden soll, das zeigen auch die Entwicklungen bei den Lehrstellen. Statt ausreichender Förderung setzt man auf dubiose Vereinbarungen mit der Wirtschaft, die nichts bringen. Das Handwerk allein, das hier vorbildlich ist, kann es nicht schaffen.

Fast 50 000 von Arbeitslosigkeit betroffene Jugendliche unter 25 Jahren sind eine in keiner Weise zu akzeptierende jugendpolitische und arbeitsmarktpolitische Bilanz im Freistaat Sachsen.

Ich würde jetzt gern den Ministerpräsidenten ansprechen oder wenigstens sein Sprachrohr, Herrn Metz. Sie sind nicht da.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Kein Anstand!)

Das zeugt natürlich auch von ihrem Demokratieverständnis. Aber warum sollen sie sich die halbe Stunde an das Bein binden? Die ganze haben sie schon verhindert. Doch wenn er da wäre,

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

würde ich ihm sagen, dass er und seine Fraktion immer erklären – Herr Metz hat es ja heute auch wieder gesagt –: Schulden machen hieße, auf Kosten künftiger Generationen zu leben. Das ist sicher nicht falsch. Aber die gesamte Kinder-, Jugend-, Bildungs- und Ausbildungspolitik der Staatsregierung liefert Beispiele, wie man auf Kosten künftiger Generationen auch sparen kann; ein jämmerlicher Zustand,

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

und ein verlogener dazu. Jugendliche sollen Schulden machen, um studieren zu können. Der Staat hält sich aber heraus und erklärt noch, dies wäre im Interesse der Jugendlichen.

Die Frage nach dem Umgang mit Zukunft ist eine wichtige Frage für die Qualität eines Haushaltes. Eine andere, ebenfalls für Qualität aufschlussreiche ist, wie man mit den Schwächsten in der Gesellschaft umgeht.

Sieht man sich im Haushaltsplanentwurf die sozialpolitische Gesamtkomponente genauer an, so ist man über das Ergebnis der Prüfung keineswegs überrascht. Die Staatsregierung setzt ihren Kurs der Absenkung sozialer Standards fort. Dies begründet sie unter anderem damit, dass ja die Zahl der Einwohner in Sachsen zurückgehe, worauf auch sozialpolitisch zu reagieren sei. Diese These, Herr Ministerpräsident, wird nicht dadurch wahrer, dass sie immer wieder bemüht wird. Denn wer wandert nach wie vor ab? Es sind vor allem junge Menschen, denen hier die Perspektive fehlt, und solche mit vergleichsweise hoher Qualifikation.

Sachsen ist doch bereits heute das Bundesland mit dem höchsten Altersdurchschnitt der Bevölkerung. Notwendig wäre deshalb ein sozialpolitisches Gesamtkonzept, das diesen Namen auch verdient. Stattdessen geht es nach der Devise „Weiter wie bisher, aber noch mehr Einschnitte für Jugend, ältere Menschen und Behinderte!“.

Wir bräuchten eine Politik, die wenigstens die schlimmsten Belastungen für Hartz-IV-Betroffene und Menschen ganz ohne Einkommen lindert.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Aber was erleben wir? Nicht nur, dass die alte Staatsregierung Hartz IV mit auf den Weg gebracht und zu seiner Verschärfung beigetragen hat, es wurden zu allem Überfluss Langzeitarbeitslose durch manche Interviewaussagen, auch des Ministerpräsidenten, in den letzten Monaten noch regelrecht beleidigt, und zwar immer dann, wenn vom angeblichen Missbrauch die Rede war. Aber das ist ja in Deutschland derzeit Mode geworden.

Zugleich scheint die Staatsregierung sehnsüchtig auf eine weitere Verschärfung der Bestimmungen der HartzGesetze, wie sie für den Herbst durch die Bundesregierung angekündigt ist, zu warten. Anstatt endlich die Ungerechtigkeiten bei der Weiterleitung von Bundeszuschüssen und Wohngeldeinsparungen an die Kommunen zu beseitigen, wird im vorliegenden Planentwurf an der bisherigen Praxis stur festgehalten.

Für die Belange behinderter Menschen muss deutlich mehr getan werden. Wir nehmen die Kürzungen in diesem Bereich, die nicht nur investive Maßnahmen betreffen, sondern auch in den Bereich der Förderung von Vereinen und Selbsthilfegruppen eingreifen, nicht hin.

Bei behinderten Menschen kann das sogenannte Argument, dass man ja einsparen könne, weil die Bevölkerung zurückgehe, gleich gar nicht gelten. Denn die Zahl von Behinderten ist in Sachsen relativ und absolut nach wie vor steigend.