Protocol of the Session on July 21, 2006

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, Kinderpolitik ist mehr als Sozialpolitik. Sie strahlt in alle Bereiche aus, und Kinderpolitik ist wie kein anderer Bereich zukunftsorientiert. Beschlüsse der Politik

nützen oder schaden dieser Gruppe von kleinen Staatsbürgern mit enormen Auswirkungen. Eine besondere parlamentarische Institution aus dem Blickwinkel der Kinder ist daher sinnvoll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt nun an Ihnen, den Grundsatzbeschluss für eine Kinderkommission zu fassen und damit Kindern noch stärker als bisher eine Lobby im Sächsischen Landtag zu geben. Ich danke Ihnen schon jetzt für Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der CDUFraktion das Wort. Herr Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst habe ich mich bei dem Antrag ein wenig über das merkwürdige Verfahren gewundert. Es wird darüber gesprochen, dass ein Unterausschuss zum Sozialausschuss eingerichtet werden soll, und dabei wäre es doch das Normalste von der Welt gewesen, wenn man gesagt hätte: Wir bringen dieses Anliegen, welches wir haben, auch in den Sozialausschuss ein und diskutieren es dort mit den Vertretern der anderen Fraktionen. Darauf haben Sie jedoch leider verzichtet. Es ist auch schade, dass Sie darüber nicht sprechen, sondern lediglich hier im Plenum über solch ein wichtiges Thema diskutieren wollen. Wir bedauern dies sehr.

Aber es wird wieder deutlich, welche Politik die FDP, seitdem sie hier im Landtag sitzt, macht, wobei es nur darum geht, eine Schlagzeile zu produzieren, und weniger um die Sache.

Über den Sinn einer Kommission kann man sich immer streiten. Man kann auch darüber nachdenken, ob es nicht besser ist, konkret etwas zu tun, statt eine Kommission einzurichten.

Frau Schütz, Sie selbst haben gesagt, dass Kinder überall betroffen sind. Wenn Kinder überall betroffen sind, dann müssen wir das natürlich auch in die Gesetze einfließen lassen. Das passiert nun einmal in einem Landtag mit Mehrheitsentscheidungen und nicht in Gremien, die nicht demokratisch bestimmt sind.

(Zuruf des Abg. Falk Neubert, Linksfraktion.PDS)

Das wage ich zu bezweifeln. – Ich möchte anfügen, dass Kinder in unseren politischen Entscheidungen auf jeden Fall Priorität haben. Wenn es in Ihrem Antrag heißt, dass den Kindern eine Lobby gegeben werden soll, dann wird damit der Eindruck erweckt, als ob Kinder im Landtag bisher überhaupt keine Lobby gehabt hätten.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Das mag auf die FDP-Fraktion zutreffen, auf die anderen Fraktionen wohl eher nicht. Wir beschäftigen uns schon seit einigen Jahren immer wieder mit dem Thema Kinder und Kinderrechte.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Sie sind ein Beispiel dafür!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Ich rate Ihnen, einmal in die Verfassung zu schauen, wenn Sie so tun, als ob man den Kindern erst eine Lobby geben müsse. Wenn das so wäre und das Ihrer Meinung nach noch nicht der Fall ist – was Sie mit Ihrem Antrag zum Ausdruck bringen –, dann lesen Sie die Verfassung, in der es heißt: „Die Abgeordneten vertreten das ganze Volk.“ Sie vertreten also auch Kinder, in ihren Ausschüssen, in denen sie arbeiten.

(Zuruf von der FDP: Und weiter?)

Wenn Sie die Plenardebatten verfolgt haben, werden Sie wissen, dass wir das Thema, wenn es um die Kindertagesstätten und um die Bündnisse für Familien ging, immer aufgegriffen haben. Das alles sind sehr konkrete Politikfelder, in denen es darum geht, Entscheidungen zugunsten von Kindern zu treffen und nicht nur zu quatschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir bleibt nichts anderes übrig, als noch einmal auf das Demokratieverständnis bei der FDP-Fraktion einzugehen. Ich habe hin und wieder versucht, Ihnen diesbezüglich weiterzuhelfen.

(Torsten Herbst, FDP: Sie?)

Wenn man daran denkt, dass die FDP einmal eine Rechtsstaatspartei war, dann wundert man sich umso mehr.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Ja, Sie haben viel zu lernen, Herr Herbst. – Ich lese einmal vor, was Sie in der Begründung geschrieben haben – ich zitiere: „Ein Gremium, welches sich um Kinder und ihre Interessen kümmern soll, ist kein Ort parteipolitischer Auseinandersetzung.“

Die erste Schlussfolgerung aus diesem Satz lautet: Ein Gremium, das sich um Kinder kümmert, darf nicht demokratisch gewählt sein.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Sie verwechseln Partei mit Demokratie! – Torsten Herbst, FDP: Was?)

Natürlich findet im Parlament eine Auseinandersetzung über politische Konzepte statt. Deshalb ist es völlig abwegig zu sagen, es dürfe nicht mit verschiedenen Meinungen diskutiert werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Prof. Porsch, bitte.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass parteipolitische Betätigung und parteipolitische Auseinandersetzungen zum Beispiel in den Schulen nicht gestattet sind? Sind Sie ferner der Meinung, dass die Schule eine Institution ist,

die sich um die Kinder und ihre Interessen zu kümmern hätte?

Ich bin der Meinung, dass das Parlament aus verschiedenen Parteien zusammengesetzt ist und dass es unsere Aufgabe ist, uns für die Interessen von Kindern einzusetzen.

Die zweite Schlussfolgerung aus dem eben zitierten Satz lautet: Wir müssen alle einer Meinung sein, wenn es um das Thema Kinder geht. Denn in Ihrem Antrag schreiben Sie: „Ein Gremium, welches sich um Kinder und ihre Interessen kümmern soll, ist kein Ort parteipolitischer Auseinandersetzung.“

Ist es nicht erlaubt, dass man bei diesem Thema unterschiedlicher Meinung sein kann?

(Jürgen Martens, FDP: Kann man doch, das ist nicht verboten! – Torsten Herbst, FDP: Bitte den Antrag richtig lesen! – Zuruf von der NPD)

Kann es nicht sein? Warum schreiben Sie es dann nicht in Ihren Antrag?

(Torsten Herbst, FDP: Hallo, hallo, bitte lesen!)

Hier wird immer „hallo“ geschrieen. Sie müssten sich einmal zum Mikrofon begeben, wenn Sie noch etwas beizutragen haben.

Wir halten es für ganz normal, dass man über Kinderpolitik streitet. Das sollten wir in diesem Parlament und im Ausschuss tun. Wir hätten uns auch gewünscht, dass wir über Ihren Antrag im Ausschuss sprechen. Das ist leider nicht gewollt, weil Sie lieber auf der Schiene des Populismus fahren. Deswegen werden wir Ihren Antrag auch ablehnen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Linksfraktion.PDS ist an der Reihe, Frau Bonk, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist eben kein Populismus, der mit diesem Antrag gewünscht wird, sondern eine Sacharbeit in einem dafür bestimmten Gremium. Deswegen freuen wir uns über den heute vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion. Gestern haben wir noch verhältnismäßig kontrovers über einen Ihrer Anträge bezüglich der Kindertagesbetreuungszeiten diskutiert. Deswegen freue ich mich, dass wir im Unterschied zu gestern die Gelegenheit haben, im Interesse von Kindern über ein wichtiges und auch schönes Thema zu sprechen, nämlich darüber, wie wir gemeinschaftlich hier in diesem Haus im Interesse von Kindern arbeiten können.

Weil es ein wichtiges Thema ist, hat die Linkspartei bzw. damals noch die PDS in der Vergangenheit schon ähnliche Vorstöße unternommen. Deshalb greifen wir das positiv auf. Wir würden diesem Antrag aber auch dann zustim

men, wenn er von der CDU käme. Wenigstens freue ich mich darüber, dass Sie, Herr Krauß, anerkannt haben, dass es wichtig ist, die spezifischen Sichtweisen von Kindern und jungen Menschen in diesem Haus aufzunehmen und darüber zu diskutieren. Gerade weil es so wichtig ist, ist es wahrscheinlich nicht nur der Fachausschuss, sondern auch dieses Haus, weil wir uns über die gemeinsame Organisation der Arbeit unterhalten wollen. Wir wollen einen Raum schaffen, in dem konsensual diskutiert werden kann.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf von der CDU: Dann müssen Sie konkrete Politik machen!)

Es geht um konkrete Politik. Ich würde gern darauf eingehen, wenn ich die Gelegenheit habe, Ihnen zuzuhören.

Wir können in dieser Debatte schon einmal die Grundprinzipien einer Kinderkommission erproben. Das können wir in der Weise beobachten, wie wir miteinander umgehen. Das Prinzip einer Kinderkommission wäre, konsensual statt konfrontativ im Interesse von Kindern zu diskutieren und zu arbeiten und eben keine Polemik zu betreiben, sondern sich an konkreten Sachpunkten zu verständigen.

Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages arbeitet, wie wir gehört haben, seit dem Jahre 1988 recht erfolgreich partei- und fraktionsübergreifend, auch nicht nach Proporz, sondern mit Vertretern der Fraktionen, weil man ein gemeinsames Interesse hat.

Schaut man sich die Arbeitsschwerpunkte der 16. Legislaturperiode an, dann sind es genau jene Punkte, denen wir uns im Landtag immer wieder widmen und auch widmen müssen; denn ich nenne nur: Kinder und Gesundheit, Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, Kinderarmut, Vernachlässigung von Kindern und soziale Ausgrenzung. Das sind grundsätzliche Fragestellungen, aber sie setzen sich ganz konkret landespolitisch in relevanten Fragestellungen um, in denen auch wir schon immer in den einzelnen Sachbereichen Handlungsbedarf reklamiert haben.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon die Gelegenheit hatte, die Antworten auf eine Große Anfrage meiner Fraktion zu studieren. Das Grundproblem in der Auseinandersetzung mit den Interessen von Kindern besteht darin, dass wir über die Gesamtheit des Problems verhältnismäßig wenig wissen, also in welche Bereiche sich das alles erstreckt, und nur an Einzelpunkten erahnen können, wie die Situation aussieht, zum Beispiel, wenn wir erfahren, dass es Kinder gibt, die bislang noch nicht an der Mittagsversorgung teilnehmen. Hier denken wir, dass etwas passieren muss und dass gerade eine Kinderkommission etwas tun könnte.