Protocol of the Session on July 20, 2006

Frau Schütz, Sie hatten angeführt, dass es 43 Einrichtungen gibt, die bereits die flexiblen Öffnungszeiten haben, aber das ist in größeren Städten. Wir brauchen das Modellprojekt nicht – Sie haben es selbst gesagt –, denn wenn es 43 Einrichtungen gibt, kann man diese als Modell nehmen und das weitertragen.

Aber – nun wiederhole ich Dinge aus meinem ersten Redebeitrag – die kleineren Gemeinden können dies nicht leisten. Das muss man so sagen. Es muss noch andere Möglichkeiten geben, zum Beispiel solche wie in meiner Gemeinde, wo die Tagesmutter kommt und die Kinder abholt. Das ist auch eine vernünftige Lösung,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

die dazu beiträgt, dass die Eltern arbeiten und Beruf und Familie miteinander vereinbaren können. Wir sollen trotzdem immer wieder den Fokus darauf richten, und ich denke, da sind wir einer Meinung, dass die Kinder eine gewisse Zeit – das haben Sie, Frau Schütz und auch Frau Herrmann, bestätigt – zu Hause in ihren Familien mit Mutter und Vater verbringen können müssen, sonst gibt es eine Entfremdung. Wenn jeder auf Arbeit ist und das Kind in einer Einrichtung, dann haben wir alle nichts gekonnt. Zu DDR-Zeiten gab es die Wochenkrippen. Das kann nicht das Bild sein, das wir forcieren wollen.

Deswegen noch einmal abschließend: Modellprojekte brauchen wir momentan nicht oder nicht mehr, weil es diese Projekte bereits gibt. Wir sollten dazu beitragen, dass diese Dinge weitergetragen werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage nach weiterem Aussprachebedarf. – Den kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte in diesem Punkt meine Kollegin Orosz vertreten und führe Folgendes dazu aus:

Kindertageseinrichtungen erfüllen ihren Auftrag im Hinblick auf zwei Zielgruppen: auf die Kinder und auf deren Eltern.

In den vergangenen Jahren wurde vor allem in den westlichen Bundesländern der Fokus stark auf die Eltern und ihre Erwerbsmöglichkeiten gelenkt, also der Betreuungsaspekt hervorgehoben. Inzwischen hat sich bundesweit die Erkenntnis durchgesetzt, dass Krippe, Kindergarten und Hort erste zentrale Bildungsinstitutionen sind.

Dem Bildungsaspekt wird im neuen Sächsischen Kindertagesstättengesetz formal und inhaltlich Vorrang eingeräumt. Das Land hat, wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, Initiativen zur Stärkung der Qualität der Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen ergriffen. Sie kennen diese Initiativen. Der Sächsische Bildungsplan wurde eingeführt, das Schulvorbereitungsjahr als Aufgabe formuliert, und eine breite Fortbildungsoffensive hat begonnen. Die Kindertagesstätten stellen sich umfassenden Qualitätssicherungsanforderungen. Dazu zählt auch die Flexibilität der Öffnungszeiten.

Wenn die Staatsregierung im Bereich der Gestaltung von Modellprojekten derzeit bildungsorientierten Projekten den Vorrang gibt, heißt das nicht, dass das im Antrag angesprochene Thema nachrangig wäre. Es ist aber ein ausgesprochen kommunales Thema. Ich zitiere aus § 5 des Sächsischen Gesetzes über Kindertageseinrichtungen: „Kindertageseinrichtungen sind unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Kinder und der Erziehungsberechtigten sowie der örtlichen Gegebenheiten offen zu halten. Die Öffnungszeiten werden vom Träger der Kindertageseinrichtungen in Abstimmung mit dem Elternbeirat, der Gemeinde und dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt.“

Es gibt also eine klare Bestimmung eines Auftrages mit hoher Verbindlichkeit. Bei der Verabschiedung des Gesetzes waren wir uns einig, dass den Kommunen Spielräume eingeräumt werden müssen, damit sie ihre originäre Aufgabe auch eigenständig gestalten. Dazu gehören die Öffnungszeiten. Natürlich können für die Flexibilisierung der Öffnungszeiten Modelle entwickelt werden. So läuft bereits in der Stadt Leipzig ein Modellprojekt des Deutschen Kinderschutzbundes zu dieser Thematik. Darüber hinaus bemühen sich der Freistaat und die Kommunen, mehr Flexibilität in den Angebotsstrukturen zu entwickeln. Hier ist zunächst die deutliche Erweiterung der Tagespflege als flexible Betreuungsform seit 2001 zu nennen.

Weiterhin werden im Freistaat Sachsen seit 2001 Einrichtungen gefördert, die außerhalb des Bedarfsplanes Angebote machen, die über die ortsüblichen Öffnungszeiten hinausgehen. Bei alledem gilt, dass Planen und Vorhalten eines bedarfsgerechten Betreuungsangebotes nach § 3 Sächsisches Kindertagesstättengesetz Aufgaben des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe sind, die er mit den Städten und Gemeinden erfüllt. Dazu fließt eine staatliche Förderung, die weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Eine zusätzliche direkte Unterstützung der Träger ist deshalb von der Staatsregierung nicht geplant.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ergibt sich noch einmal Aussprachebedarf? – Das stelle ich nicht fest. Dann kommen wir zum Schlusswort. Frau Schütz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Längere und flexiblere Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen können wirksam dazu beitragen, dass Frauen und Männer mit Kindern ganz normal arbeiten gehen können, ohne ständig von starren Kindertagesstättenöffnungszeiten bei der Berufsausübung eingeschränkt zu sein. Damit kann die Berufstätigkeit von Frauen und Männern stärker als bisher unterstützt werden und zur Verbesserung des Zuganges zur Beschäftigung erfolgen. Dafür lohnt es sich, sich mittels Modellprojekten und Mitteln des Europäischen Sozialfonds einzusetzen.

Wenn von bestehenden Modellen gesprochen und gleichzeitig aber auch dargestellt wird, dass die Kommunen allein gelassen sind und Einzellösungen finden müssen, so zeigt das doch ganz deutlich, wo wir uns im Freistaat befinden.

Kommunen sind in dieser Situation der längeren Betreuungszeiten finanziell allein gelassen. Eine längere Betreuung mit einer Erzieherin und vielleicht fünf Kindern ist finanziell weder allein von den Eltern noch von den Kommunen zu tragen. Ich frage noch einmal an dieser Stelle: Bestimmt nun der Bedarf die Öffnungszeit oder die Öffnungszeit den Bedarf?

Mit dem Einsatz von Mitteln in diesem Bereich investieren wir in die berufliche Zukunft besonders junger Frauen und Männer mit Kindern und damit letztlich in die Ressource Familie. Dies muss für den Freistaat Sachsen ein wichtiges Ziel sein. Ich bitte Sie daher um Unterstützung für unseren Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das war das Schlusswort. Wir nähern uns nun der Abstimmung.

Es gibt einen Änderungsantrag seitens der Linksfraktion.PDS, einen Satz zu ändern. Gibt es zu diesem Änderungsbegehren noch Aussprachebedarf? – Frau Schütz.

Mit dem Änderungsantrag beantragt die Linksfraktion.PDS, die Schaffung individuell vereinbarter Betreuungszeiten zu streichen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass der bisher monatlich zu zahlende Elternbeitrag nach Betreuungsstunden und -tagen gestaffelt und homogen auf die 5-Tage-Woche übertragen ist, unabhängig davon, ob das Kind drei, vier oder fünf Tage in der Woche die Einrichtung besucht. Dass dies an weniger Tagen der Fall sein kann, nämlich dann, wenn Mütter oder Väter in Teilzeit arbeiten, ist außer Frage. Immerhin gibt es in Sachsen 211 000 Teilzeitbeschäftigte, darunter 180 000 Frauen. Eine Berechnung des Elternbeitrages nach tatsächlich geleisteten Stunden – also drei Tage bezahlen, wenn nur drei Tage in die Kindertageseinrichtung gegangen wird – würde gerade Teilzeitbeschäftigten, insbesondere auch teilzeitbeschäftigten Alleinerziehenden, eine passende und bezahl

bare Kinderbetreuung ermöglichen, ohne dies vom sozialen Bereich finanziert zu bekommen.

Die Entscheidung, ihr Kind in die Kindertageseinrichtung zu bringen, liegt dabei immer noch bei den Eltern. Wenn Eltern ihr Kind zwei Tage zu Hause betreuen wollen und können, dann kann dieses Kind nicht an den Bildungsangeboten während dieser Zeit in den Kitas teilnehmen. Dafür bieten ihnen dann aber Mutter oder Vater etwas anderes: Liebe, ihre Kompetenz, ihre Zeit und ihre Aufmerksamkeit. Ich möchte daher, dass genau dieser Punkt im Antrag bestehen bleibt, denn niemand will die Kindertageseinrichtungen in Einrichtungen zur zeitflexiblen individuellen Kinderunterbringung wandeln, so wie es im Antrag vielleicht geschrieben steht, aber die Möglichkeit, den Eltern die Entscheidung zu überlassen, wann sie ihr Kind in die Kita bringen und den Aufenthalt dann auch entsprechend bezahlen. Das Nicht-Dasein sollte dann eben auch der Fairness halber so gewertet werden. Ich werde daher dem Änderungsantrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Neubert.

Herr Präsident! Damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Was man unterstellen könnte, ist die Frage der stundenweisen Betreuung. Sie haben gesagt, das ist nicht Ihr Anliegen. Deshalb will ich mich nicht darauf beziehen.

Die Motivation, diesen Änderungsantrag in der Form einzubringen, ist einfach eine Abwägung zwischen den Interessenlagen der Eltern auf der einen Seite und der Einrichtungen auf der anderen Seite. Wir hatten in der vergangenen Legislatur die Diskussion auch schon, nämlich die Interessen der Eltern, möglicherweise das Kind nur drei Tage in die Einrichtung zu bringen, und das Interesse der Einrichtung für eine Planungssicherheit für Personal, Zeit und Abläufe in der Einrichtung, sodass man nicht damit konfrontiert ist, wenn das Kind nur drei Stunden in der Einrichtung ist. Bei der Interessenabwägung haben wir uns auf die Seite der Einrichtungen gestellt.

Gibt es daraufhin weiteren Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall, meine Damen und Herren. Damit kommen wir zur ersten Abstimmung, nämlich zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/5973. Wer dieser Änderung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Und die Gegenprobe! – Und die Enthaltungen? – Bei keiner Enthaltung und einer größeren Anzahl Ja-Stimmen ist der Antrag dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zum Originalantrag, meine Damen und Herren. Ich stelle jetzt den Antrag der FDP-Fraktion mit der Drucksache 4/5858 zur Abstimmung. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Und die Gegenprobe! – Und die Enthaltungen? – Bei keiner Enthaltung und mehreren Jastimmen ist der Antrag mit übergroßer Mehr

heit ebenfalls abgelehnt worden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgearbeitet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

EU-Strukturfonds in Sachsen

Drucksache 4/5847, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dazu spricht die einreichende Fraktion zuerst; Frau Hermenau, bitte. Dann folgen wie gewohnt die übrigen Fraktionen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Da hier von der Staatsregierung beschieden wurde, dass wir im Parlament nicht ausführlich über die Strukturfonds der Europäischen Union sprechen werden, haben wir unsere Auffassungen in einem Antrag detailliert niedergelegt, damit sie zumindest, zwar nicht im Gespräch, aber doch mitteilungswirksam, einmal bei der Staatsregierung ankommen können.

Wir haben darauf entlang der Halbzeitbewertung der EU für die laufende Förderperiode orientiert. Das sind also nicht irgendwelche Sachen, die im Hinterzimmer entstanden sind, sondern das hat schon sehr ernsthafte Hintergründe.

Wir sehen drei Zukunftsfelder und sächsische Spezifika, die wir in der zukünftigen Förderperiode gern genauer behandelt wüssten. Dem, was wir bisher erfahren haben, können wir nicht entnehmen, dass Sie das berücksichtigen.

Das betrifft zum einen die demografische Entwicklung, zum Zweiten die wachsende Disparität zwischen den Regionen innerhalb des Freistaates Sachsen und auch die Frage der Beschäftigungs-, Einkommens- und Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen in diesem Land.

Was heißt das eigentlich, wenn wir sagen, wir wollen gern, dass die Gelder der EU vor allem auch dafür verwendet werden, dass wir Sachsen ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig weiterentwickeln? Für uns würde das zum Beispiel sehr konkret heißen, dass mindestens 50 % der EFRE-Mittel als Schwerpunkt in die Innovationsförderung gesteckt würden. Das wird es aber nicht. Der indikative Finanzplan ist inzwischen da.

Wenn man einmal überlegt, was zum Beispiel Herr Huhn von Sachsen Metall gesagt hat, dass nur 20 % Industrieforschung da sind und dass das zu wenig ist, dann ist die Frage: Wo liegt die Zukunft Sachsens auch in der wirtschaftlichen Entwicklung? Es hat unheimlich viel mit der wirtschaftsnahen Forschung zu tun, ganz wesentlich. Wenn Sie sich die Realitäten der Wirtschaft in Sachsen ansehen, dann sind es im Prinzip zwei Entwicklungsebenen. Die eine hat Exportchancen, die andere nicht. Die Unternehmen und Firmen, die keine Exportchancen

haben, sind hier auf einen Markt angewiesen, auf dem ihre Dienstleistungen oder Güter nachgefragt werden, der wahrscheinlich im Großen und Ganzen mit stagnierenden Einkommensentwicklungen zu rechnen hat, wenn nicht sogar mit rückläufigen. Vor diesem Hintergrund sind da keine großen Sprünge zu erwarten.

Deswegen ist die Exportorientierung für viele Firmen durchaus vernünftig. Jene, die noch nicht weit genug sind, sollten überlegen, dass sie in eine stärkere Exportorientierung hineinkommen können; denn da wird das Geld verdient. Dieses Geld werden wir brauchen. Die Zuschüsse von der EU und vom Bund sind rückläufig, das wird noch weiter zunehmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir unser eigenes Geld auch gut verdienen.

Das macht das die Innovationsförderung automatisch eigentlich zum wichtigsten Förderschwerpunkt in den EFRE-Mitteln für die nächste Förderperiode. Ihren Zahlen ist das nicht zu entnehmen. Sie haben eine kleine Steigerung hinbekommen, das will ich nicht verhehlen. Aber das ist unserer Meinung nach bei Weitem nicht auskömmlich.

Ich habe nicht umsonst gesagt, Sie müssen mehr für Frauen tun. Wir hatten hier bereits familien- und frauenpolitische Debatten en masse. Aber eines ist doch ganz klar: Wer Sachsen zu einem guten Ort für Familien machen will, der muss es erst einmal zu einem guten Ort für Frauen machen. Die Debatte steht. Da kneifen Sie und verstehen es einfach nicht.