Ich hätte mir auch von Ihnen, Frau Schütz, gewünscht, dass Sie angeführt hätten, warum die AOK in Sachsen so gut dasteht und einen solch niedrigen Beitragssatz hat.
Dies ist der Politik hier in Sachsen geschuldet – der Sozialpolitik und der Gesundheitspolitik –, da von vornherein sehr niedrige Bettenkapazitäten geplant wurden. Ein Krankenhausbettenplan ist beschlossen und umgesetzt worden,
Ich möchte hier nicht explizit darauf eingehen, dass an diesem Gesundheitssystem jeder eine Teilhabe hat. Das wissen wir alle. Aber, ich denke, für die Zuhörer ist es wichtig zu erfahren, dass es nicht überall in Europa so ist.
Herr Leichsenring, Sie hatten es bereits angesprochen: Ja, es ist so, bei uns muss niemand jahrelang auf eine medizinische Behandlung oder Operation, was zum Beispiel die Gelenke betrifft, warten. Das soll auch so bleiben. Dafür bedarf es bestimmter Maßnahmen, um dies auch weiterhin zu ermöglichen.
Für mich ist es auch wichtig, bestimmte Aspekte noch einmal herauszukehren, die in diesem Eckpunktepapier sehr positiv niedergeschrieben und auf Bundesebene umgesetzt werden. Ich betone, dass das auf Bundesebene umgesetzt wird, denn wir sind Landespolitiker und haben nur mittelbaren Einfluss auf diese bundespolitischen Reformen.
Nehmen wir die Kassenärztliche Vereinigung, die Vergütung im ambulanten Bereich. Sie wird entbürokratisiert. Es wird ein gerechtes Honorarsystem geben, weit weg von Budgetierungen und den jeweiligen Punktwerten, bei denen sowieso niemand so richtig dahintergestiegen ist. Die Ärzte können selbst darüber entscheiden, wer wie viel wofür bekommt.
Wir haben in diesem Hohen Haus schon oft über die Unter- und Überversorgung des ambulanten Bereiches diskutiert. Auch hier gibt es Ansatzpunkte, um dies in Zukunft zu entschärfen. Es wird eine weitaus bessere Vernetzung von stationärem und ambulantem Bereich geben. Das wird so weit reichen, dass die Daten, wenn die Patienten aus stationären Einrichtungen bzw. Krankenhäusern entlassen werden und danach eine Anschlussbehandlung im ambulanten Bereich, im Reha-Bereich oder in bestimmten Pflegeeinrichtungen erhalten, an die nächste Einrichtungen übermittelt werden. Das ist meiner Meinung nach eine ganz tolle Geschichte.
Vieles mehr ließe sich hierbei anführen. Wir werden in der Debatte noch einiges dazu hören. Wir stehen mit allem Für und Wider zu diesem Eckpunktepapier. Vielleicht hätten wir uns mehr erhofft, aber wir haben aus
meiner Sicht erst einmal eine Reform, die zielführend ist und die die Sicherheit des Systems gewährleistet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich der FDP-Fraktion dafür danken, dass sie diese Debatte beantragt hat. Sie ist in der Tat aktuell, aber, verehrte Frau Schütz, damit dürften unsere Dankesworte bereits beendet sein.
Sie können sich sicherlich vorstellen, dass unsere Fraktion völlig andere Vorstellungen als die FDP-Fraktion hat, was eine in der Tat notwendige Gesundheitsreform beinhalten müsste.
Ich werde versuchen, einige Aspekte vorzutragen und zu erläutern, weshalb eine Gesundheitsreform jetzt notwendig ist. Meine Kollegin Lauterbach wird dann das so genannte Eckpunktepapier beleuchten, und damit Sie in Spannung gehalten werden, wird Ihnen Herr Wehner unsere alternativen Vorstellungen in Erinnerung rufen.
Zunächst sei festgestellt, dass wir erneut eine so genannte Gesundheitsreform auf den Weg zu bringen haben. Das ist doch Ausdruck dessen, dass genau das, was im Jahre 2004 großspurig mit dem GMG ins Werk gesetzt wurde, gescheitert ist. Das ist der Grund. Ansonsten müsste man doch gar nicht über eine Gesundheitsreform nachdenken.
Ich will Ihnen sagen, warum dies – was wir im Übrigen vorausgesagt haben – gescheitert ist und weshalb wir heute wieder vor der Situation stehen, dass neu darüber nachgedacht werden muss. Es sind sechs Punkte.
Erstens. Die gesetzliche Krankenversicherung wurde durch das GMG entschuldet – weitgehend. Das erkenne ich an. Aber, meine Damen und Herren, zu welchem Preis: zum Preis einer erheblichen Mehrbelastung der gesetzlich Versicherten, denn sie haben seit Anfang des Jahres 2004 zusätzlich etwa 25 Milliarden Euro bezahlen müssen. Das ist die Wahrheit. Das muss deutlich gesagt werden.
Zweitens. Wir hatten die Ankündigung von Frau Schmidt, die damals gesagt hat, dass die Patienten der gesetzlichen Krankenversicherungen mehr zahlen müssen, aber dass dafür die Beiträge gesenkt würden. Was ist passiert? Ankündigungen, Versprechungen – nichts ist passiert. Nun – welch Wunder – sollen die Beiträge im nächsten Jahr noch einmal erhöht werden; also nichts mit Beitrags
senkung, sondern Beitragserhöhung, ohne dass die Qualität im Gesundheitswesen hätte verbessert werden können.
Drittens. Die Praxisgebühr hat in der Tat – dass wir diese nach wie vor abschaffen wollen, wissen Sie – dazu geführt, dass weniger Ärztekonsultationen stattgefunden haben. Aber betrachten wir die mittel- bzw. langfristige Auswirkung, über die sich Wissenschaftler streiten. Ist es nicht so, dass viele Bürger nicht mehr zum Arzt gegangen sind, obwohl sie es hätten müssen? Ist es nicht so, dass daher die Praxisgebühr im Einzelfall, aber nicht nur im Einzelfall von großem Schaden ist, und daher nach wie vor abgeschafft gehört?
Viertens. Es wird immer wieder über den Leistungskatalog gesprochen. Es wird gesagt, es solle keine weiteren Einschränkungen geben. Aber es wird vergessen, dass der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen in den letzten Jahren bereits erheblich zusammengestrichen worden ist. Vieles, was notwendig wäre, wird einfach nicht mehr gewährt und geht über das nicht einmal statistisch Erfasste an Zuzahlungen, insbesondere für Hilfsmittel, für Medikamente, für Heilmittel usw. usf., drauf. Das trägt dazu bei, dass man von einem Scheitern der Gesundheitsreform, insbesondere aus der Sicht der gesetzlich Krankenversicherten, sprechen muss.
Fünftens. Die Ausgaben für Medikamente sind beträchtlich gestiegen. Warum? Weil die CDU – das muss man hier ganz deutlich sagen – einschließlich der Vertreter der Staatsregierung eine Positivliste, die wir seit Langem fordern, verhindert hat
(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: So ist es! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)
und weil sich die Regierung, gleich welchen Vorzeichens, nicht an die Pharmazielobby herangetraut hat. Dort wurden jährlich weiterhin zweistellige Profite gescheffelt.
Ich möchte nur noch den letzten Punkt nennen. – Wir haben erste Ansätze im GMG für Strukturveränderungen gehabt. Sie fanden bestenfalls zögerlich statt. Das muss sich ändern, denn eine wirkliche Reform muss auch an die Pfründe der Lobbyisten gehen.
Absicht, meinen Redebeitrag zu splitten. Ich möchte beginnen mit einer neuen Studie der Siemens Financial Services mit dem Titel „Finanzierung des Gesundheitswesens – eine globale Herausforderung“. Sie zeigt, dass das deutsche Gesundheitswesen – gemessen an der Basisversorgung, der Lebenserwartung und dem prozentualen Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und den USA durchaus gute Werte erzielt.
Deutschland ist hinter den USA Weltmarktführer im Bereich Medizintechnik. Deren Investitionen in Forschung und Entwicklung liegen immerhin mit 8 % doppelt so hoch wie die in vergleichbaren Industrieländern.
Einiges zur Qualität der medizinischen Leistungen im internationalen Vergleich aus dieser Studie. Die niedrigen Wartezeiten wurden bereits zweimal genannt. Eine sehr gut organisierte medizinische Versorgung außerhalb der üblichen Sprechzeiten nachts und am Wochenende wird besonders hervorgehoben. Immerhin bezeichnen rund vier Fünftel aller deutschen Patientinnen und Patienten die Qualität ihrer individuellen Gesundheitsversorgung als gut bis exzellent. Das ist zumindest erstaunlich.
Eine kritische Bewertung der WHO zum Thema „Gesundheitssysteme im Wandel“ attestiert Deutschland in der Länderstudie von 2005 Folgendes:
Erstens ein patientenfreundliches System. Das deutsche Gesundheitssystem setzt einen großen Schwerpunkt auf freie Wahl, auf unverzügliche Zugängigkeit und auf ein hohes Niveau von Leistungserbringern und technischer Ausstattung.
Zweitens. Die Gesundheitsausgaben, gemessen am BIP, sind nahezu konstant geblieben. Das hing mit einer Vielzahl von Reformen in den letzten Jahren zusammen – Herr Dr. Pellmann hat ja einiges dazu gesagt –, die verhindern sollten, dass die Ausgaben von Krankenkassen schneller zunahmen als ihre Einnahmen.
Drittens sagt die Studie: Die neuen Länder haben aufgeschlossen. Die Defizite des Gesundheitssystems der DDR wurden mit Hilfe erheblicher staatlicher Transfers schnell ausgeglichen.
Über die Vorteile können wir uns dann gern mal unterhalten. Unterhalten wir uns darüber, welche Kompetenzen die Kreisärzte, die Bezirksärzte bei der Vergabe von Medikamenten usw. hatten. Das alles können wir hier gern machen.
In den letzten fünf Jahren haben sich im Osten die Lebenserwartung wie auch die meisten Gesundheitsindikatoren deutlich verbessert. Dieser Trend aus allen EULändern war jedoch besonders stark in den Ländern hier im Osten mit einem im weltweiten Vergleich bemerkenswerten Anstieg der Lebenserwartung. Leider wird innerhalb Deutschlands dieser Anstieg der Lebenserwartung weiterhin kaum wahrgenommen.
Der WHO-Bericht macht jedoch auch auf die Herausforderungen aufmerksam, denen sich das Gesundheitssystem stellen soll. Dazu sind eine ganze Menge Dinge genannt worden. Ich werde später noch etwas dazu sagen.
Bisher waren alle Verbesserungen und Bemühungen im Gesundheitswesen nur von einer kurzen Halbwertzeit. Das liegt an unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft des Gesundheitswesens. Die Grundfragen sind: Erstens. Wie viel Solidarität verträgt unser Gesundheitssystem? Zweitens. Wie viel private Vorsorge und Eigenverantwortung muss jeder leisten? Da sind wir zum Beispiel sehr weit weg von den Vorstellungen, die die FDP hat.