Protocol of the Session on June 22, 2006

In der Sache habe ich von Kollegen Rohwer nur eine Begründung gehört. Es gibt eine Aufteilung durch den Hochschulvertrag: Mittelschulausbildung in Leipzig, Gymnasialausbildung in Dresden. Dazu sage ich Ihnen:

Wenn ein Vertrag einer zukunftsoffenen flexiblen Lehrerausbildung in Sachsen im Wege steht, dann muss man diesen Vertrag ändern und nicht darauf beharren. Die Hochschulen – das wissen wir alle – sind allemal bereit dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Verwundert hat mich tatsächlich, dass ich von Herrn Staatsminister Flath das noch einmal gehört habe, was wirklich schon in der schriftlichen Stellungnahme des SMK zu lesen war. Ein Lehrereinstellungsbedarf bestehe nicht in dieser Höhe. Er ist nicht abzusehen, da die Schülerzahl von einem historischen Rückgang geprägt wird. Mein Problem ist, dass ich nicht nur eine Logikausbildung hatte, sondern ich hatte auch viel mit Rechnen zu tun. Wenn man jetzt einmal die derzeit vorliegenden Zahlen hochrechnet, wissen wir, dass die ersten Absolventen der reformierten Studiengänge frühestens 2011 in ihren Beruf eintreten können. Wir wissen aber auch, dass es bereits ab 2010 durch wieder steigende Schülerzahlen einerseits und durch eine zunehmende Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern, die in die Rente gehen, andererseits einen stetig steigenden Ersatzbedarf geben wird. Ab 2014 – das lässt sich ganz einfach berechnen – wird sich dieser Einstellungsbedarf bei jährlich etwa 1 500 Lehrkräften einpegeln.

Das heißt, wenn wir ein modernes, ein zukunftsoffenes und flexibles Modell für Sachsen wollen, wenn wir auch dem zukünftig absehbaren Lehrerinnen- und Lehrerbedarf

gerecht werden wollen, dann sollten wir doch diesem Antrag zustimmen. Ich sehe hier keinen Nachklapp. Die Diskussion an den Hochschulen geht weiter. Wenn sie jetzt öffentlich verstummt ist, dann kann das auch Resignation bedeuten, und das würde ich nicht für einen Erfolg der sächsischen Politik halten.

Ich sehe auch überhaupt keinen Grund, sich auf das derzeitig existierende Schulgesetz zu berufen. Natürlich, es existiert, es hat eine demokratische Mehrheit, wir arbeiten danach. Das Sächsische Schulgesetz mit seinen Schularten ist aber ebenso wie alles andere nicht für die Ewigkeit gemacht. Alles in diesem Leben ist im Fluss, und auch die sächsische Schulstruktur gehört dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Drucksache 4/4656 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Wir gehen jetzt in eine Mittagspause bis 14:15 Uhr.

(Unterbrechung von 13:11 Uhr bis 14:17 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie nach der Mittagsunterbrechung zum

Tagesordnungspunkt 4

Bundesratsinitiative des Freistaates Sachsen gegen eine Hartz-IV-„Generalrevision“ der Bundesregierung

Drucksache 4/5525, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: NPD, danach CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Ich erteile der einreichenden Fraktion der NPD das Wort; Herr Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn es nicht einmal ein Viertel der selbst ernannten Demokraten dieses Hohen Hauses für nötig hält, sich mit der Thematik Hartz IV auseinander zu setzen,

(Widerspruch bei und Zurufe von der CDU)

möchte ich trotz alledem unseren Antrag auf Bundesratsinitiative gegen eine Hartz-IV-„Generalrevision“ einbringen. Nachdem die PDS in der Tat gestern das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende zum Thema gemacht hat, wollen wir uns mit unserem Antrag heute auf einen

anderen Aspekt der so genannten Optimierung der HartzGesetzgebung konzentrieren. Es geht um einen der größten Zankäpfel der großen Koalition der letzten Wochen, nämlich um die seit Wochen diskutierte „Generalrevision“ der Hartz-Gesetze.

Diese von der Bundesregierung betriebene und durch das Fortentwicklungsgesetz forcierte Politik gegen Arbeitslose soll nun also endgültig in ein sozialpolitisches Gruselkabinett verwandelt werden. Der Hintergrund der Debatte ist schnell zu erkennen: Die Kosten der so genannten Arbeitsmarktreform stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Zwar verschlingen die Zahlungen an Langzeitarbeitslose in Deutschland Milliarden, doch die Zahl der Arbeitslosen ist immer noch auf inakzeptable Weise hoch. Nun soll also eine Generalrevision Abhilfe schaffen, und jeder weiß, was das letztlich heißt: noch mehr Leistungskürzungen und noch mehr Druck auf die Menschen ohne Arbeit.

Der SPD-Fraktionschef im Bundesrat, Peter Struck, kündigte in der „Bild am Sonntag“ bereits an – Zitat: „Wir wollen, dass nur diejenigen Hartz IV bekommen, die auch wirklich bedürftig sind.“ Seine Kürzungsvorschläge stützt er dabei auf einen Brief aus der Feder der Städtevertreter der Spitzen des Deutschen Roten Kreuzes, der Diakonie und der Arbeiterwohlfahrt. Darin werden weitere Kürzungen bei den Hartz-IV-Leistungen verlangt; bei den Ausgaben für Langzeitarbeitslose gebe es eine Besorgnis erregende Entwicklung. Hartz-IV-Leistungen seien daher auf die angeblich tatsächlich Bedürftigen zu konzentrieren.

Abgesehen davon, dass es sich hier nur um die Überlegungen einiger, längst nicht aller Wohlfahrtsverbände handelt; bei derartigen Stellungnahmen stellt sich ernsthaft die Frage, wie abgehoben inzwischen die Bonzen der Wohlfahrtsverbände von der Arbeit ihrer Beschäftigten sein müssen, die sich tagtäglich vor allem um die Opfer Ihrer Regierungspolitik kümmern müssen.

Auch der Sprecher des für Hartz IV eingerichteten Ombudsrates, Hermann Rappe, empfahl, die Wirkungen des Optimierungsgesetzes abzuwarten. Insgesamt habe sich Hartz IV bewährt und werde sich künftig noch positiver entwickeln, so Hermann Rappe im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Hermann Rappe fordert, Hartz-IV-Missbräuche gezielter zu verfolgen. Das gelte vor allem für Bedarfsgemeinschaften und Jugendliche, die nur pro forma zu Hause auszögen. Zudem müssten die Arbeitsgemeinschaften konsequenter als bisher die Zuwendungen kürzen, wenn angebotene Arbeit nicht angeboten werde; das passiere aber zu selten.

Die jetzige Kampagne verfolgt das Ziel, Sozialleistungen wegen angeblichen Missbrauchs vorzuenthalten. Doch damit ist das Ende der Streichungen beim Arbeitslosengeld II und anderen Sozialleistungen noch lange nicht erreicht. Nach Information des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ haben sich Arbeitsminister Müntefering und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bereits darauf verständigt, bis Juli dieses Jahres weitere Vorschläge für Einsparungen und Kürzungen vorzunehmen.

Den Vogel schoss Mitte des Monats dann allerdings der CSU-Bundestagshinterbänkler Stefan Müller ab, der allen Ernstes die Einführung eines ehrenamtlichen Arbeitsdienstes für Langzeitarbeitslose forderte. Dieser Vorschlag eines CSU-Bundestagsabgeordneten zielt darauf ab, Strukturen zu schaffen, wie sie schon durch den Reichsarbeitsdienst des nationalsozialistischen Deutschlands vorgegeben wurden. Und da bezeichnen Sie uns allen Ernstes als Neonazis. Brauner als Ihr CSU-Kollege Müller geht es doch nun wirklich nicht mehr, Herr Dr. Hähle; dessen sollten Sie sich einmal bewusst werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Aber es geht hier auch gar nicht so sehr um historische Assoziationen und historische Vorbilder; es sind doch die etablierten Parteien, die geschichtsversessen sind und

selbst zum randständigsten Thema noch einen NS-Bezug herstellen.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Es geht darum, dass Teile der etablierten Politik offenbar bemüht sind, ein Bild von Langzeitarbeitslosen zu malen, das diese als Sozialschmarotzer, Drückeberger und Schwarzarbeiter darstellt. Dagegen verwahrt sich die NPD-Fraktion aufs Schärfste.

(Beifall bei der NPD)

Wenn man sich diesen gegen Langzeitarbeitslose gerichteten Horrorkatalog anschaut, der jetzt als „Generalrevision“ im Gespräch ist, dann wird einem klar, dass Hartz V schon längst in der Mache ist. Unter einer rot-schwarzen Regierung wird es wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, wann Hartz VI kommt, Hartz VII, Hartz VIII – bis eines Tages ganz offensichtlich die Arbeitslosenhilfe mit dem Sterbegeld zusammengelegt werden soll!

Das ist das Ergebnis Ihrer neoliberalen Politik. Da man zu feige ist, die Wahrheiten offenen Wortes auszusprechen, werden die weiteren Einschnitte auf dem Rücken der sozial Schwachen in der Öffentlichkeit nun als Optimierungs- oder Fortführungsgesetz kaschiert. Ganz offensichtlich will man nicht noch einmal ein solches Propagandadesaster erleben, wie es mit dem Hartz-Paket – der Name des ehemaligen VW-Personalvorstandes – zum Symbol einer asozialen Arbeitsmarktpolitik und zur Zielscheibe des sozialen Protestes wurde.

Politik muss mehr sein als die Kunst des Verkaufens, die oftmals nur die Kunst ist, die Leute hinters Licht zu führen. Es geht nicht nur um Etikettierung; es geht darum, dass die von den Herrschenden kritiklos übernommene neoliberale Philosophie zu grundfalschen gesellschaftlichen Weichenstellungen führt. Wo kämen wir hin, wenn im Rahmen einer Generalrevision zum Beispiel der Vorschlag des Präsidenten des Ifo-Institutes, Prof. HansWerner Sinn, verwirklicht würde, der dafür plädiert, dass auch die heutigen Niedriglöhne, die Sozialhilfe und das Arbeitslosengeld um ein Drittel fallen sollten. Dieses Denken folgt ganz und gar der neoliberalen Logik, dass sowohl die Arbeitskosten als auch die Sozialhilfe im internationalen Vergleich in Deutschland zu hoch seien.

Übersehen wird dabei aber, dass die Menschen in Deutschland von dem leben können müssen, was sie hierzulande verdienen und nicht etwa mit Gehältern oder einem Arbeitslosengeld abgespeist werden können, das vielleicht in Marokko oder Malaysia reichen mag.

Mit jeder Fortführung der Hartz-Gesetze wird den Menschen dieses Überleben schwerer gemacht, denn die Chancen auf einen vollwertigen Arbeitsplatz werden ihnen systematisch genommen. Sie werden ihnen genommen durch immer neue Deregulierungswellen, durch die Verdrängung sozial abgesicherter Beschäftigung, durch Minijobs, sie werden ihnen genommen durch Ich-AGs und Ein-Euro-Jobs und eventuell schon bald

durch einen von der Union angedachten ehrenamtlichen Arbeitsdienst.

Der Druck im Niedriglohnbereich erfolgt nicht zuletzt über die verschärften Zumutbarkeitsregeln, weshalb die Themen Mindestlohn und Hartz IV in einem engen Zusammenhang stehen. Die Absenkung des Leistungsniveaus für Arbeitslose drückt insgesamt auf das Lohnniveau, und bei diesem gnadenlosen Unterbietungswettbewerb entfallen am Ende alle Untergrenzen. Mit immer neuen Hartz-IV-„Generalrevisionen“, mit Optimierungs- und Fortführungsgesetzen werden die Zumutbarkeitsregeln schrittweise so verschärft, dass die Menschen zur Aufnahme jeder Beschäftigung gezwungen werden sollen. Ihre Notsituation wird skrupellos dazu missbraucht, um sie unter Tarif und außerhalb der Sozialversicherung in Arbeit zu zwingen.

Diese Spirale gegen die Arbeitslosen in unserem Land darf sich nicht ewig weiterdrehen. Deshalb bitte ich Sie herzlich um die Unterstützung dieses Antrages der NPDFraktion.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der CDUFraktion das Wort. Herr Prof. Schneider, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der gestrigen Sitzung hat sich der Sächsische Landtag bereits mit dem Thema Hartz IV befasst, und zwar mit dem PDS-Antrag, die Hartz-IV-Optimierungsgesetze abzulehnen. Wir haben im Landtag diesen Antrag mit übergroßer Mehrheit abgelehnt.

Die NPD-Fraktion will mit ihrem Antrag erreichen, dass der Freistaat eine Bundesratsinitiative gegen ein weiteres so genanntes Hartz-IV-Korrekturgesetz und – wie sie sagt – eine „Generalrevision“ von Hartz IV ergreift. Es geht praktisch den Rechtssozialisten wie den Linkssozialisten, die jetzt überwiegend nicht im Saal sind, im Grunde weithin um dasselbe Thema.

Ich will daher auf unsere gestrige Rede Bezug nehmen. Zu meinem Vorredner will ich sagen, dass jeder, der sich zum Thema Hartz IV äußert, an seinen eigenen Worten zu messen ist. Ich glaube, das wird jeder so sehen. Dazu dürfte im Hause wohl kein Dissens bestehen. Ich sage noch einmal in diesem Zusammenhang: Ich halte es ausdrücklich für notwendig hinzuzufügen, dass wir Äußerungen wie die des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Beck nicht teilen. Wenn Leistungen bestimmte Anspruchsvoraussetzungen enthalten und wenn ein Leistungsempfänger diese Voraussetzungen erfüllt, muss selbstverständlich die Leistung erbracht werden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Mit anderen Worten, meine Damen und Herren, ein Gesetzgeber muss seine Hausaufgaben besser machen.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Die Hausaufgaben, die bei der ersten Gesetzgebung gemacht worden sind, waren offensichtlich nicht die richtigen. Das sehen wir auch so. Das ist im Übrigen ein Konsens der Koalition in diesem Hause.

Meine Damen und Herren, unter weiterer Bezugnahme auf meine gestrige Rede möchte ich in aller Kürze eines ergänzen. Mir ist es außerordentlich wichtig zu sagen, dass wir uns die Potenziale der Zivilgesellschaft bislang noch viel zu wenig nutzbar gemacht haben, auch im Zusammenhang damit, dass wir es hier mit Betroffenen zu tun haben, die hilfsbedürftig und weitgehend ausgegrenzt sind. Wir müssen an dieser Stelle daran arbeiten, gesamtgesellschaftliche Verantwortung im Zusammenhang mit dem Thema Hartz IV zu übernehmen und zu tragen.