Den Wunsch vieler Lehramtsstudenten, nicht Opfer zyklischer Einstellungskrisen zu sein, kann ich gut nachvollziehen. Deshalb sollten wir uns um eine Ausbildung bemühen, die die Lehramtsstudenten mit fachwissenschaftlicher und pädagogischer Kompetenz ausstattet. Da kann es nicht das Ziel sein, dass der Lehrer schon während seiner Ausbildung ausgerüstet wurde, mit einer 1. Klasse ebenso wie mit einer 10. Klasse irgendwie zurechtzukommen. Der Lehrer soll vielmehr für einen Berufswechsel gewappnet sein, und zwar als gut ausgebildeter Fachlehrer mit einem umfassenden entwicklungspsychologischen Wissen zu der Altersgruppe, in der er unterrichtet – und das alles entsprechend dem geltenden Schulgesetz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag greift ein Problem auf, welches wir im Landtag schon mehrfach behandelt haben und welches sich auf einem grundsätzlichen Weg der Lösung befindet.
Wir konnten uns in der Anhörung zum Antrag der GRÜNEN „Stand und Perspektiven des Lehramtsstudiums in Sachsen“ vom damaligen Stand der Dinge und den Entwicklungen an den beiden Universitäten überzeugen. Im Ausschuss wurde seitens der Staatsregierung mehrfach berichtet, wie die Reform der Lehrerausbildung voranschreitet. Insofern fordert der Antrag etwas, was es längst gibt. Aus diesem Grund werden wir ihn auch ablehnen.
Aber wir wollen den Antrag, wenn er nun einmal behandelt wird, auch zum Anlass nehmen, auf mögliche Probleme und Entwicklungen einzugehen. Sicher ist, dass wir spätestens ab 2015 Schwierigkeiten bekommen werden, den dann vorhandenen Einstellungsbedarf mit eigenen Absolventen zu decken, wenn wir den Status quo fortschreiben. Da dies in den anderen Bundesländern nicht anders ist und insbesondere alte Bundesländer Vorteile bei der Anwerbung von Absolventen haben werden, müssen wir reagieren. Da darf uns auch ein jetzt vorhandener Überschuss an Absolventen nicht den Blick verstellen, denn nach allen Erfahrungen und Untersuchungen stehen die heute nicht benötigten Absolventen in zehn Jahren nicht zur Verfügung. Sie haben längst andere Jobs gefunden, ihre ursprüngliche Qualifikation ist durch die Zeit, in der sie nicht im Beruf tätig waren, zu einem Gutteil entwertet. Selbst ein gestandener Lehrer hätte nach zehn Jahren Berufspause Schwierigkeiten, wieder einzusteigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben aber nicht nur dieses rein quantitative Problem, wir haben auch ein strukturelles. Es ist in der jetzigen Schule nicht damit getan, genügend Lehrerinnen und Lehrer zu haben, sie müssen auch in ihrer fach- und schulartspezifischen Qualifikation passen. Je geringer der Spielraum, umso flexibler sollten künftige Lehrer einsetzbar sein. Aus diesem Grund begrüßen wir ausdrücklich die Öffnung der sächsischen Lehrerausbildung in Richtung schulartübergreifender Qualifikation und das klare Bekenntnis zum polyvalenten Bachelor.
Klar ist aber auch, dass wir hier noch Anpassungsbedarf aufgrund des alten Hochschulpaktes haben. Es macht eben nur eingeschränkt Sinn, eine Ausbildung zum polyvalenten Bachelor anzubieten, wenn dann nicht alle Masterstudiengänge angeboten werden können.
Auch für die berufspraktische Ausbildung und die enge Kooperation von Schule und Hochschule ist es eher ungünstig, die Ausbildung an einem Standort zu konzentrieren. Auf der anderen Seite schränkt das auch den Radius der infrage kommenden Schulen ein und damit den Radius, in welchem innovative Impulse unmittelbar zum Tragen kommen. Andererseits müssen wir auch im Hochschulbereich auf eine effiziente und hoch qualifizierte Ausbildung achten, was sicherlich nicht in jeder beliebigen Größe möglich ist.
Nach dem alten Modell der Lehrerausbildung im Rahmen mehr kameralistisch geführter Hochschulen macht die Konzentration eines Teils der Ausbildung sicherlich Sinn. Mit der begonnenen Reform der Lehrerbildung im Kontext der anstehenden Novellierung des Hochschulgesetzes werden sich neue Spielräume ergeben, die es dann auch zu nutzen gilt.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das war wieder Reden um den heißen Brei!)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fand die letzten beiden Redebeiträge sehr erstaunlich und ich habe auch ganz genau hingehört.
Ich möchte Ihnen eine Frage stellen: Können Sie mir beantworten, wie das sächsische Schulsystem in 30 oder 40 Jahren aussehen wird? Ich habe in Ihren Beiträgen darauf keine Antwort gefunden.
Sie können vielleicht hellsehen oder Sie können versuchen hellzusehen, aber vielleicht geht es den meisten Abgeordneten hier wie mir: Ich weiß es schlichtweg nicht.
Warum erwähne ich das? Weil wir heute die Weichenstellung für die Lehramtsausbildung treffen. Wenn Sie, Herr Hähle, heute mit 26 Jahren einen Abschluss machen, zu unterrichten beginnen und vielleicht bis zu 40 Jahre im Einsatz sind, dann zeigt es, welche Grundsatzentscheidung wir heute treffen und welche Tragweite das für die Zukunft hat.
Herr Hähle, wir haben die Chance, über die Reform der Lehramtsausbildung nachzudenken, weil wir auf Bachelor und Master umstellen müssen, und ich glaube, dass alle festgestellt haben, dass der Praxisbezug in der derzeitigen Ausbildung unzureichend ist. Es stellt sich die Gretchenfrage bzw. wird es von einigen so hochstilisiert: schulart
übergreifende oder schulartbezogene Ausbildung? Ich weiß, dass einige dabei sofort einen Angriff auf das Schulsystem sehen, aber, meine Damen und Herren, wir entscheiden heute über längerfristige Dinge und sollten hier nicht immer ideologische Schlachten führen.
Wir wissen, dass die Staatsregierung gerade die Universität Dresden zur schulartbezogenen Ausbildung drängt. Wir halten das nicht für notwendig und inhaltlich auch nicht für gerechtfertigt. Eine vernünftige Basisausbildung ist wichtig und kann durch Module erweitert werden. Wir wissen, dass gerade für den Lehrerberuf gilt: Ohne Weiterbildung wird man in diesem Job nicht fit bleiben, wird man den Anforderungen nicht gerecht.
Wenn es noch eines Argumentes bedarf, liebe Mitglieder der CDU und der SPD, warum wir eine gewisse Flexibilität brauchen, dann ist es die aktuelle Situation. Im Haushaltsplan, den CDU und SPD hier mit Mehrheit verabschiedet haben, sind Flexibilisierungsvermerke enthalten. 800 Lehrerstellen sind zwischen Grund-, Mittelschulen und Gymnasien verschiebbar. Es gibt weitere 400 Stellen zugunsten von Förderschulen. Der Großteil der im Einsatz befindlichen Lehrer hat gar nicht die Ausbildung für diese Schularten, wie wir sie heute haben, da sie in der DDR ausgebildet wurden. Sie als CDU-Abgeordnete loben doch immer die Ergebnisse des jetzigen Schulsystems. Diese Ergebnisse, meine Damen und Herren, verdanken Sie auch den Lehrerinnen und Lehrern, die zu DDRZeiten ausgebildet wurden. Das vergessen Sie manchmal.
Wir halten deshalb eine einseitige Festlegung für falsch. Ich glaube auch, dass die Schulen eines Tages – es wird vielleicht noch einige Zeit dauern – einen größeren Einfluss bekommen, sich ihre Lehrer auszusuchen. Dann wird es einen gewissen Wettbewerb geben, dann wird es eine Steuerung durch Nachfrage geben und dann wird sich zeigen, welches Modell sich am Ende durchsetzt. Wir werden deshalb dem Antrag der Linksfraktion.PDS und der Fraktion GRÜNE zustimmen.
Wir beginnen eine neue Runde. Für die Linksfraktion.PDS erteile ich dem Abg. Prof. Dr. Peter Porsch das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeitschrift „Die Zeit“ hat vor Kurzem wieder ein Hochschulranking für den gesamten deutschen Sprachraum veröffentlicht. So weit es dort erwähnte Lehramtsstudiengänge betrifft, kommt Sachsen – ich sage durchaus bedauerlicherweise –
Vollends beschämend für diesen Freistaat und seine einschlägigen Traditionen sind die Bewertungen für die Lehrerbildung im Fach Germanistik. Bei der Studiensituation insgesamt befinden sich die Universitäten in Dresden und in Leipzig in der Schlussgruppe, genauso einträchtig finden wir uns in der Schlussgruppe bei der Qualität der Studienorganisation wieder. In die Schlussgruppe mit absteigender Tendenz – schlimmer geht’s nimmer – werden beide Universitäten beim Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden eingeordnet. Nur bei der Bibliotheksausstattung unterscheiden sich Leipzig und Dresden. Während Leipzig auch hier der Schlussgruppe mit absteigender Tendenz angehört, steht Dresden in der Spitzengruppe mit aufsteigender Tendenz; eine Unterscheidung zwischen Leipzig und Dresden, die auch für andere Lehramtsstudiengänge gilt und nicht nur für die Germanisten.
Besser als die Fachstudiengänge kommen die Erziehungswissenschaften weg. Chemnitz ist wenigstens Spitze bei der Studiendauer, Dresden und Leipzig in der Forschung und Dresden wiederum – das hatten wir schon – in der Bibliotheksausstattung im Gegensatz zu Leipzig und Chemnitz. Leipzig ist bei der Bibliotheksausstattung für die Erziehungswissenschaften wieder in der Schlussgruppe mit absteigender Tendenz, Chemnitz in der Mittelgruppe – ebenfalls absteigend, also wohl bald in der Schlussgruppe, irgendwie vielleicht an der Stelle von Leipzig, das noch tiefer zu fallen droht.
Ich muss mein Eingangsstatement etwas verändern: Wir sind überall, möchte man sagen, aber meistens ganz unten und noch drunter. Es gibt also zu irgendwelchem Schulterklopfen, meine Damen und Herren, überhaupt keinen Grund – im Gegenteil, die Gefahr, noch schlechter zu werden, besteht sehr real. Reformen sind dringend notwendig. Der Gesamtbefund zeigt die allgemeine Wichtigkeit und Aktualität unseres Antrages und besondere Probleme werden ebenso sichtbar. Deshalb sollten Sie, Herr Dulig, diesem Antrag zustimmen und ihn nicht ablehnen.
Zum Beispiel verweist die Differenz zwischen den puren Erziehungswissenschaften und der jeweils fachlichen Ausbildung darauf, dass deren Verbindung, deren integrales Zusammenwirken kaum bewältigt zu sein scheint, dass wir weit hinter das zurückgeraten, was in der DDR einmal Norm war. Die Didaktik ist aber immer Fachdidaktik und die Methodik ist immer Fachmethodik. Die Ausbildung dazu kann nur in einem wissenschaftlich reflektierten Zusammenwirken von Fach- und Erziehungswissenschaften erfolgen.
Aber es wurde eben in der Vergangenheit mehr aufgelöst und getrennt als zusammengeführt – ich vermute aus ideologischen Gründen. Die Fachausbildung hat sich von der Praxisnähe weitgehend abgesetzt. Dies führt nicht
zuletzt dazu – jetzt komme ich zum eigentlichen Problem –, dass Lehramtsstudierende von der wissenschaftlichen Warte der Fächer her eher skeptisch betrachtet werden, man kann auch sagen, nicht ganz voll genommen werden oder einen Störfaktor darstellen. Sie werden jedenfalls in der Spezifik ihres Anspruchs zu oft nicht ausreichend beachtet. Die desolaten Ergebnisse bei den Kontakten der Lehrenden zu den Studierenden im Ranking sind so zu erklären.
Fragen Sie einmal die Fachgelehrten, ob sie immer wissen, wer in ihrem Lehramt Lehramtsstudierende sind. Überprüfen Sie einmal die Studienangebote – meinetwegen in Anglistik oder Germanistik oder in anderen Fächern – nach besonderen Angeboten für Lehramtsstudierende. Sie werden kaum etwas finden. Nunmehr, statt die Mängel zu beheben, schickt man sich offensichtlich an, noch mehr zu verschlimmbessern.
Unser Antrag verweist auf die Notwendigkeit – dazu wird hier die Debatte geführt – einer sowohl schulartbezogenen als auch schulartübergreifenden Lehramtsausbildung und fordert, diese im Freistaat auch zu realisieren. Die Antwort der Staatsregierung und der heutige Beitrag von Herrn Rohwer lassen jedoch Schlimmes vermuten. Ganz offensichtlich ist die schulartbezogene Ausbildung die Norm bzw. soll zu dieser stärker denn je werden. Eingeräumt wird nur – ich zitiere aus der Antwort der Staatsregierung auf den Antrag –: „Unabhängig davon sind auch Konzeptionen möglich, die über eine Schulart hinausgehende Zusatzqualifikationen vorsehen.“ – Zusatzqualifikationen, man höre und staune! Mehr nicht – es ist wenig genug. Die Katastrophe bahnt sich an. Ich will dazu nicht geschwiegen haben.
Natürlich arbeiten Lehrerinnen und Lehrer immer unter den Bedingungen eines konkreten Schulsystems und damit auch in konkreten Schularten. Das ist aber noch lange kein Grund, sie vornehmlich unter dieser Spezifik auszubilden, es ist darin eigentlich die Ablehnung einer solchen Grundorientierung in der Ausbildung begründet. Ich will hier gar nicht lange über die Probleme mit der Schulartenspezifik in der fachlichen Ausbildung sprechen. Es ist dort bis heute nicht klar, wie man ein Wissenschaftsgebiet in der akademischen Lehre nach Schularten portionieren soll. Reduktionistisch geht es wohl nicht, es wird nur praktiziert. Reduktionistisch? Sollen zum Beispiel Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer für die Mittelschule die Grammatik nur bis zum Dativ und zum Futur I studieren, während Gymnasialkandidatinnen und -kandidaten auch noch den Akkusativ und das Futur II bekommen? Oder gehen die Bachelor in die Mittelschule und die Master ins Gymnasium?
Das alles ist natürlich Quatsch, aber unter der Hand haben wir reale Hierarchisierungen zwischen Studierenden zu den verschiedenen Schularten, es wird in der Praxis reduktionistisch betrieben. Schauen Sie sich einmal die Prüfungsanforderungen an. Schulsysteme sind historisch. Herr Herbst hat darauf bereits hingewiesen. Sie entstehen und vergehen. Sie folgen den jeweils historischen und von
der politischen Mehrheit favorisierten Bildungszielen und Lehr- und Lernmethoden. Genauso historisch ist deshalb das sächsische Schulsystem. Es wird genauso vergehen, wie es dem Land von der CDU aufgedrückt wurde. Wenn es auch sehr wenig ist, so hat selbst die Koalition schon Veränderungen – zum Beispiel in Gestalt der Möglichkeit der Gemeinschaftsschule – gebracht.
Allgemein menschlich bedingt sind die Altersstufen. Solange es Menschen geben wird und seit es Menschen gibt, kommen kleine Kinder, die zum zweiten Mal zahnen, in die Schule, wachsen in und mit dieser heran, durchlaufen die Pubertät und beenden den Schulbesuch an der Schwelle zum Erwachsensein bzw. als junge Erwachsene. Die altersgruppenbezogene Gestaltung von Bildung steht also in jeder Schule und jeder Schulart auf der Tagesordnung. Darauf müssen Lehrerinnen und Lehrer grundsätzlich vorbereitet sein, um sich zugleich flexibel auf die Lehrpläne der jeweiligen Schulart einstellen zu können. Die Schwerpunktsetzung auf die Schulart in der Ausbildung schneidet den Absolventen von Anfang an ihren Weg in die Welt und in die Zukunft ab. Statt Pädagogen werden sie Schultypagentinnen und -agenten. Das trifft natürlich auch die Schülerinnen und Schüler.
Ich kann hinter einer solchen, alles andere als modernen Ausbildungspraxis nur einen politischen Willen erkennen, allerdings einen bösen. Mit solchen, auf den Schultyp festgelegten Lehrerinnen und Lehrern kann man natürlich versuchen, die Endlosigkeit des eigenen Schulsystems abzusichern. Man hofft – die Hoffnung hat durchaus einen realen Hintergrund –, solche Lehrerinnen und Lehrer werden sich gegen Veränderungen im Schulsystem wehren; weil sie nie gelernt haben, sich auf andere Möglichkeiten einzustellen.