Noch ein Wort zu Ihrem letzten Teil, in dem Sie verlangen, dass das „bis Ende des Jahres 2006“ gemacht wird. Ich würde mich freuen, wenn es bis dahin machbar
wäre. Aber ich möchte der Staatsregierung diesen engen Gürtel nicht umschnallen. In dem Sinne kann ich für die Koalition sagen, dass wir dem Änderungsantrag nicht zustimmen werden.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich rufe auf die Drucksache 4/5257, Antrag der CDU- und der SPDFraktion. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen ist dem Antrag mehrheitlich zugestimmt worden.
Ich rufe jetzt die Drucksache 4/4270 auf. Mir liegt hier ein Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/5686 vor. Wird noch einmal Einbringung gewünscht? – Ich frage nur, ob das noch einmal gewünscht wird. – Das sieht auch so aus. Bitte, Herr Dr. Hahn.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich will es in aller Kürze tun. Herr Gerlach hat ja das Wesentliche dargestellt. Natürlich setzt man sich nicht nur für etwas ein, wenn man einem Änderungsantrag zustimmt. Das ist richtig.
Aber in der Sache enthält der Antrag zwei Punkte. Als Erstes haben Sie dargestellt, es soll nicht nur irgendein Bestandteil sein, der neben vielen anderen ist – das ist die klare Änderung in unserem Punkt 1 –, sondern er soll zur verbindlichen Grundlage werden. Das ist ein qualitativer Unterschied. Darauf legen wir Wert. Sie haben selbst gesagt, es wäre wünschenswert.
Was den Termin angeht, da haben Sie auch gesagt, Sie wünschen das, Herr Gerlach. Ob es machbar ist, wird man sehen.
Deshalb möchte ich gern beantragen, dass wir punktweise abstimmen, weil der erste Punkt eigentlich etwas ist, auf das sich alle verständigen könnten.
Wenn es zum Termin Schwierigkeiten gibt und die Staatsregierung oder die Koalition glaubt, es sei nicht leistbar, dann kann man den Punkt 2 möglicherweise ablehnen. Aber wenigstens dem Punkt 1 sollte man hier im Plenum fraktionsübergreifend zustimmen. Ich denke, dass das machbar ist, und bitte einfach um Ihre Unterstützung.
Gibt es noch Diskussionsbedarf zum Änderungsantrag? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Es ist punktweise Abstimmung beantragt worden. Drucksache 4/5686, Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS, Punkt 1. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist der Punkt 1 dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Wer möchte Punkt 2 die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Weniger Stimmen dafür; Punkt 2 ist mit größerer Mehrheit abgelehnt worden.
Ich komme nun zum Ursprungsantrag Drucksache 4/4270, Antrag der Fraktionen von CDU und SPD. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich sehe hierin Einstimmigkeit. Damit ist der Antrag beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.
Drucksache 4/4656, Antrag der Linksfraktion.PDS und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Stellungnahme der Staatsregierung
Die Reihenfolge in der ersten Runde: Linksfraktion.PDS, GRÜNE, CDU, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der Linksfraktion.PDS das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte etwas voranstellen: Ich bin sehr froh, heute zum Thema LehrerInnenbildung sprechen zu können, ohne dass mich die CDU dazu drängen kann, an einem Tag nur über das zu reden, was im Hochschulausschuss von Belang sein könnte, und
am anderen Tag nur darüber, was im Schulausschuss wichtig sein könnte. Ich kann diese Fachidiotie bis heute nicht verstehen, da ich doch Inhalte, Struktur und Personalbedarf an der Hochschule nicht ohne die Inhalte, die Struktur und den Personalbedarf an den Schulen diskutieren und entscheiden kann. Ich empfand dies die ganze Zeit als sehr schizophren. Aber Ihr Unvermögen bzw. Ihr Unwille, integrativ zu denken und entsprechend zu entscheiden, erklärt wiederum die Entscheidungen, die Sie bisher trafen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich den gemeinsamen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS etwas ausführlicher erläutern, damit alle das Anliegen wirklich verstehen können. Im Bereich der Hochschulen ereignen sich große Umstrukturierungen, also die Umstellung der Studiengänge auf modularisierte, zweistufige Studiengänge. Ich werde es im Folgenden die Umstellung auf Bachelor und Master nennen. Dies birgt große Chancen, aber natürlich auch Risiken.
Im Bereich der Lehramtsausbildung gab es in den letzten Jahren immer sehr große Kritiken: eine zu hohe fachwissenschaftliche Orientierung, zu wenig Bildungswissenschaften, zu wenige Phasen in der Praxis. Außerdem gibt es eine große Anzahl von Studierenden, die zwar das Studium des Lehramts gewählt haben, jedoch erst zu spät feststellen konnten, ob sie überhaupt für dieses Studium geeignet waren. In dieser Kritik sind wir uns sicher einig.
Aber in einer Studie der OECD wurde noch ein weiteres Problem im deutschen Lehrerbildungssystem benannt. Es wurde herausgestellt, dass als Schwachpunkt im deutschen Bildungssystem die Erwartungen der Kultusministerien an Inhalt und Form der Ausbildung sehr streng dadurch bestimmt sind, wie die Schule derzeit organisiert ist, und dass diese starke Orientierung an Schulart und fachbezogenen Lehrämtern die Tendenz zum fragmentierten Charakter der Lehramtsausbildung nach sich zieht. Es wird auch gesagt, dass die Schuladministration nicht unbedingt innovationsoffen und anpassungsfähig ist. Dies ist nicht einmal eine Kritik, sondern liegt einfach in der Natur der Sache. Die Universitäten wiederum bergen diesen Schatz: über den Tellerrand der Verwaltung hinaus weiter zu denken. Hier hätten wir in Sachsen die Chance, diese hoch motivierten Universitäten tatsächlich zu nutzen und ihre Vorschläge aufzugreifen.
Man muss sagen, es gab in allen Institutionen und Gremien in den Universitäten Diskussionen, Arbeitsgruppen und Foren. Studierende und Lehrende haben gemeinsam an den neuen Konzeptionen gearbeitet. Es ging sogar so weit, dass Studierendenräte Weiterbildungsveranstaltungen angeboten haben, um wiederum ihre Leute fit zu machen. All dies ging über die eigentliche Arbeit hinaus. Es gab also kein zusätzliches Personal oder Freiräume, weder für die Erarbeitung der Konzeptionen, noch für die Umstellung an den Hochschulen, die einen erheblichen Mehraufwand an Lehrkräften zur Folge haben wird. Dafür zunächst unseren Dank!
In beiden Universitäten entstanden Modelle, die viel versprechend sind und die oben genannten Probleme teilweise aufgreifen. Ich möchte hierbei vor allem den größeren Bereich der Bildungswissenschaften und die Ausdehnung der Studiendauer für die Grundschullehrer erwähnen. Wichtig bleibt, dass die Bildungswissenschaft nicht in den Fachdidaktiken verschwinden darf und ausreichend Platz für die so genannten Schlüsselqualifikationen bleibt. Dabei verweise ich auf die von der Kultusministerkonferenz verabschiedeten Bildungsstandards.
Ob tatsächlich genügend Zeit bleibt, diese Fähigkeiten zu erwerben, wird unterschiedlich eingeschätzt. Hier muss unbedingt nach einiger Zeit evaluiert und gegebenenfalls verändert werden. Dies gilt auch für die so genannte Polyvalenz in der ersten Stufe der Bachelorphase. Zur Erklärung: Ich habe bereits angesprochen, dass sich Abiturienten erst nach der 12. Klasse entscheiden, Lehrer oder Lehrerin zu werden. Bisher war das Studium so angelegt, dass man sich erst sehr spät in der „Höhle des Löwen“ ausprobieren und sowohl die Eignung zum Beruf als auch das, was man eigentlich gern unterrichten möchte, erst spät – im Prinzip zu spät – überdacht werden konnte.
Die Polyvalenz am Ende der ersten Stufe des Studiums bedeutet nun eine Art Drehscheibe. Das heißt also, nach der Bachelorphase haben die Studenten zumindest theoretisch die Möglichkeit, entweder einen Lehramtsmaster zu wählen, oder, sollten sie vielleicht doch feststellen, dass sie – ich zitiere – „eine Kinderphobie“ haben – oder vielleicht auch eine Lehrerphobie, man weiß es nicht –, können sie sich auch für das Studium der Fachwissenschaft entscheiden.
Hierbei gibt es natürlich auch Schwierigkeiten. Ich möchte zunächst auf den zweiten Fall eingehen. Wenn wir im Studium des Bachelors bereits wollen, dass Bildungswissenschaften unterrichtet werden, ist natürlich klar, dass es bei der Fachwissenschaft Abstriche geben muss. Dies wiederum muss, wenn man sich für ein Masterstudium in der Fachwissenschaft entscheidet, nachgeholt werden. Auch hier gilt, dass man schauen muss, ob dies tatsächlich möglich, also studierfähig ist.
Erst einmal müssen wir natürlich zu der Entscheidung kommen, ob Lehramt oder Fachwissenschaft. Wir waren uns auch darin einig, dass dies nur mit einem erhöhten Praxisanteil in der ersten Phase, am allerbesten natürlich mit einer Art Vorpraktikum am Anfang oder vor dem Studium, möglich ist. Der Schulausschuss wird sich erinnern: Wir waren in Finnland. Dort wurde uns erzählt, dass alle Lehrerstudentinnen und -studenten vorher – ich glaube, acht Wochen – in Schulen sind, sich ausprobieren und dort umschauen können und das Studium ganz anders beginnen.
Hier beginnen bei uns wiederum die Probleme. Die Hochschulen – sowohl die TU Dresden als auch die Universität Leipzig – hätten gern ein solches Vorpraktikum angeboten. Wir wurden auf eine sehr spannende Wechselwirkung hingewiesen. Wenn nämlich die Studierenden aus der Praxis wieder zurück an die Hochschule kommen, schreien sie nach mehr theoretischem Wissen in der Didaktik, in den Schlüsselqualifikationen und in der Psychologie, da sie dort erleben, welches Rüstzeug sie benötigen, um an den Schulen klarzukommen. Dadurch entsteht eine ganz neue Motivation, eine Eigenmotivation, sich mit solchen Themen mehr zu beschäftigen. Jedoch scheitert das Vorpraktikum am Kultusministerium. Auch der höhere Anteil an Praxis im Grundstudium muss zeitlich möglich sein. Es bedarf der entsprechenden
Abordnungen von gut motivierten Lehrerinnen und Lehrern an die Hochschulen, und auch dabei kommt – zumindest meines Wissens – das Kultusministerium seiner Verantwortung nicht nach.
Unsere Fraktionen fordern deshalb, um ein praxisnäheres Studium und eine tatsächliche Polyvalenz herzustellen, dringend Nachbesserung in diesen Bereichen. Aber wir fordern auch in einem anderen Punkt mehr Größe. Ich habe es vorhin schon erwähnt: Es wurde bereits als Schwachpunkt herausgestellt, dass die Erwartungen der Kultusministerien an Inhalt und Form der Ausbildung sehr streng dadurch bestimmt sind, wie die Schule derzeit organisiert ist. Die Universität Leipzig hat sich ganz eng an den staatlichen Vorgaben orientiert. Dies hat seine Gründe. Ich möchte es hervorheben. Man hat dort sehr rangeklotzt und wollte möglichst schnell – fast zeitgleich in allen Fachbereichen – die Studiengänge auf Bachelor und Master umstellen. Dieser Mehraufwand ist wirklich erheblich und anders wahrscheinlich kaum zu tragen.
Die TU Dresden hat sich für einen anderen Weg entschieden. Sie hat sich auf ein neues Leitbild geeinigt: Integration. Ich möchte kurz aus dem Konzept der Bildungswissenschaft an der TU Dresden zitieren: „Ziel der Reform ist die Integration bislang hermetisch getrennter Ausbildungsphasen von Forschung und Lehre, Theorie und Praxis, verschiedener Lehrämter für spezielle Schulformen, aber auch im Sinne einer professionellen Ausbildung zum Zwecke der Integration von Schülern verschiedener Herkunft, Leistungsfähigkeit, Nationalität und unterschiedlichen Geschlechts an der Schule.“
Sie schlagen also zwei Lehrämter vor. Lehramt I umfasst die Primarstufe und die Sekundarstufe I und Lehramt II umfasst die Sek I und die Sek II. Diesen wirklich innovativen Ansatz hat nun die Staatsregierung der TU Dresden untersagt – zumindest zunächst.
Es geht hier im Übrigen nicht vordergründig um eine Gemeinschaftsschule, sondern um eine zukunftsträchtige LehrerInnenausbildung,
die den Bedingungen an jeder konkreten Schule gerecht wird; denn wir haben an den Schulen höchst unterschiedliche Schülerinnen und Schüler. Die Lerngruppen sind und werden immer heterogener, an den Mittelschulen genauso wie an den Gymnasien und Grundschulen.
Es gibt unterschiedliche Entwicklungstempi der Schülerinnen und Schüler und die Anforderungen an Bildung sind auch andere geworden. Denn nicht nur das Leben ist komplexer geworden, auch Ausbildung, Studium, lebenslanges Lernen verlangen anderes, komplexeres, integratives Denken. Wir brauchen deshalb an den Schulen viel mehr fächer- und schulartenübergreifenden Unterricht. Wir brauchen ihn im Studium und auch in der Schule.
Schauen Sie auf die Bedingungen in Sachsen. Wir haben in verschiedenen Bereichen LehrerInnenmangel. Momentan sind wir noch in der Lage, diesen LehrerInnenmangel auszugleichen. Ich erinnere Sie an den erst kürzlich abgeschlossenen Bezirkstarifvertrag. Zukünftig werden Mittelschullehrerinnen und -lehrer an Gymnasien unterrichten. Das geht wiederum nur deshalb, weil in Sachsen noch auf Lehrerinnen und Lehrer mit einer DDRAusbildung zurückgegriffen werden kann. Denn diese Lehrerinnen und Lehrer hatten sowohl die Befähigung für die 10-jährige POS als auch für die 12- oder 13jährige EOS. Die MittelschullehrerInnen nach neuem BRD-Recht können dies nicht leisten, weil sie die erforderliche Ausbildung nicht haben. Sie haben eben nur eine Mittelschulausbildung.
Wir wissen auch nicht, wohin die Entwicklung im gymnasialen Bereich noch gehen wird. Wir haben schon jetzt veränderte Zulassungsbedingungen. Wir haben die Forderungen nach mehr Abiturienten. Auch die Schülerzahlen werden sich verändern. Damit werden sich auch die Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer ändern. Irgendwann aber haben wir die POS-Lehrer, die dies an den Gymnasien vielleicht noch abdecken könnten, nicht mehr.
Neuerdings finden wir vereinzelt auch Mittelschullehrer an Grundschulen. Diese Lehrer verfügen überhaupt nicht über das didaktische Grundgerüst, um den Anforderungen dort gerecht zu werden. Meiner Meinung nach ist das katastrophal.
Mit der Begrenzung der Lehramtsausbildung auf ein schulformbezogenes Modell werden Sie der Situation in Sachsen auf lange Zeit nicht gerecht und Sie behindern ebenso Lebens- und Bildungswege für sächsische Studierende und AbsolventInnen.
Was wissen wir denn, wie die Schule in fünf oder zehn Jahren aussehen wird? Was wissen wir über Bedarf? Was wissen wir über Mobilität oder über zukünftige Bildungssysteme?