Protocol of the Session on June 22, 2006

(Heiterkeit im Saal)

Okay, mir wurde gesagt, es steht 1 : 0.

(Heiterkeit im Saal)

Zurück zur Energie. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Lichdi, es ist etliche Jahre her, als ich in der Schule wie viele andere vor der Klasse stand und gefragt wurde: Erstens. Bist du für den Frieden? – Natürlich war ich für den Frieden und habe Ja gesagt. Zweitens wurde ich gefragt, ob ich für die Erhaltung der Grundrechte bin oder so ähnlich.

(Volker Bandmann, CDU: Die Frage war: Bist du für den Sozialismus?)

Moment, das kommt gleich noch. – Nein, es war so eine Frage, auf die jeder Ja sagt, und auch ich habe mit Ja geantwortet. In der dritten Frage, vergleichbar mit Punkt 3 eines Antrages, wurde ich dann gefragt, ob ich Offizier der Nationalen Volksarmee werden wolle, weil ich bei erstens und zweitens mit Ja geantwortet hatte. Dazu habe ich dann Nein gesagt.

Ich habe ein ungutes Gefühl, dass dieser Antrag eine gewisse Mischung davon ist. In Punkt 1 wird eine Selbstverständlichkeit abgefragt im Sinne eines Bekenntnisses – „bekennen“ steht hier. In Punkt 2 kann man sich möglicherweise noch darüber streiten, ob bis zum Jahre 2100 diese zwei Grad wirklich die von uns noch klimamäßig beherrschbare Zahl ist oder ob es vielleicht 1,6, 2,7 oder 3,2 Grad sind. Ich weiß es nicht, Sie wissen es auch nicht; es kann heute noch niemand genau vorhersagen. Von daher kann man sich über Punkt 2 streiten. Ich könnte dem Punkt zustimmen.

In Punkt 3 treffen Sie Ihre Schlussfolgerungen, aufbauend auf den Punkten 1 und 2. Dort ist dann irgendwo die Bremse drin. Punkt 3 hieße aus unserer Sicht – auch aus meiner Sicht –, einen bereits zugesagten Vorgang aushebeln zu wollen. Das Vorhaben ist den Betreibern bereits mehrfach durch die alte Regierung zugesagt worden und die Mehrheit in der Koalition hält es auch für richtig. Ein Hinweis auf den Umweltartikel in § 20a des Grundgesetzes ist aus meiner Sicht nicht zielführend.

Wenn wir das machen würden, was Sie von uns in Punkt 3 fordern, unverzüglich mit Vattenfall Gespräche aufzunehmen usw. usf., dann würden wir uns „verkämpfen“ und am Ende nur verlieren. Diese Kraft möchte ich gern in eine sächsische Technologieinitiative im Bereich Erneuerbare Energien einsetzen.

Liebe Freunde von den GRÜNEN, lieber Herr Lichdi, wir werden noch mehr Braunkohlestrom brauchen, um relativ kurzfristig die beschlossene Abschaltung der Kernkraftwerke zu kompensieren. Dieser Kampf wird immer wieder angefacht werden, obwohl hier – Gott sei Dank – juristisch alles klar ist: Wir haben unterschriebene Verträge zum Ausstieg.

Diese Gesellschaft – so sehe ich das persönlich – ist noch nicht so weit, dass alle Menschen plötzlich zu tollen Energiesparern oder zu glühenden Windstromanhängern werden. Ich hätte das zwar sehr gern, aber ich sehe es nicht – ich sehe es noch nicht. Wäre ich in der letzten Legislaturperiode Wirtschaftsminister gewesen, ich hätte diese Genehmigung bzw. diese Anfragen nicht unterschrieben. Der Großteil von Ihnen wird sicherlich dankbar sein, dass ich es nicht war, denn sonst wäre sicherlich alles anders gekommen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Die Firma Vattenfall wird in den nächsten Jahren – meine Vorrednerin hat es angedeutet – in Schweden einer der größten Investoren im Windbereich, vornehmlich im Offshore-Bereich, werden. Das macht die Firma Vattenfall nicht freiwillig – noch nicht. Das macht das Unternehmen, weil es die schwedische Regierung so beschlossen hat. Bis zum Jahre 2016 soll in Schweden die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien auf 17 Milliarden Kilowattstunden steigen. Vattenfall als staatlicher Energieversorger in Schweden soll nach Regierungsbeschluss dabei die eigene Ökostromproduktion mehr als verdoppeln – um 10 Milliarden Kilowattstunden. Das ist nach eigenen Konzernberichten im Bereich der Erneuerbaren Energien eine Gesamtinvestition von 4,3 Milliarden Euro.

Bis zum Jahre 2007 werden vor der Küste Malmös 48 neue Windkraftanlagen – das sind 2,3-MegawattTurbinen – mit Siemensanlagen errichtet. Zwei weitere Offshore-Windparks sind in Planung, einer mit 640 Megawatt und einer mit 150 Megawatt. Vattenfall wird durch die Übernahme von dänischen Windkraftanlagen, und zwar von Elsam, ab Juli 2006 – wobei zirka 400 Windkraftanlagen übernommen werden müssen, das muss man fairerweise dazusagen – europaweit 523 Windkraftanlagen betreiben. Davon existiert keine einzige in Deutschland. Das muss man wissen. Bei uns verdient Vattenfall einen Großteil seiner Gewinne mit Braunkohle und versucht sich zurzeit an einer Technologie, deren Ansatz ich persönlich für vollkommen daneben halte.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Anstelle in die Vermeidung von Energie zu investieren – Vattenfall hätte zig Jahre ein tolles Betätigungsfeld und könnte ebenfalls viel Geld verdienen –, versucht man, sich mit der Braunkohle noch etwas über Wasser zu halten, indem man CO2 abtrennen will. Meiner Meinung nach ist das schade ums Geld. Wir kofinanzieren das auch

noch mit öffentlichen Mitteln. Dieses Geld würde ich woanders einsetzen, wenn es nach mir ginge: in die Forschung elektrischer Netzstabilität eines Pools von Kleineinspeisern. Das halte ich für die Zukunft. Aber so weit sind wir noch nicht. Da muss die Natur möglicherweise noch heftiger an unsere Türen klopfen.

Das ist die Richtung. Dass die Richtung Erneuerbare Energien heißt, setzt sich mehr und mehr durch und wird durch die Preisentwicklung auf dem Rohölmarkt noch weiter beschleunigt werden, auch wenn wir im Moment eine kleine Delle haben. Wir liegen bei knapp 70 Dollar pro Barrel.

Lassen Sie uns auf diesem Gebiet unsere Kräfte messen und nicht mehr gegen ein Kraftwerk anlaufen, dessen Bau bereits vor unserer Einflussnahme so gut wie beschlossene Sache war.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Paul spricht für die NPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einen Antrag zur Verhinderung eines Kraftwerkneubaus in Sachsen zu stellen halte ich für wenig Erfolg versprechend, wenn er in einem Landtag gestellt wird, in dem bekanntlich die CDU dominiert, und erst recht nicht, wenn man sich im Antragstext auf das Grundgesetz beruft und die Hoffnung hegt, ein Unternehmen wie Vattenfall durch entsprechende Gespräche überzeugen zu können. Letztendlich wissen wir, dass gerade im Bereich der Energiekonzerne weniger Gespräche zählen, sondern in erster Linie die Rendite und die Gewinne.

Wir wissen sehr wohl um die Probleme der Braunkohle. Es gibt viele Argumente. Wir haben innerhalb unserer Fraktion sehr ausgiebig darüber diskutiert.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Es gibt viele Für-Argumente, es gibt viele Gegenargumente. Viele Argumente sind bereits ausgetauscht worden. Wir sind uns dessen sehr wohl bewusst, dass der Braunkohlentagebau zulasten einer über Jahrtausende gewachsenen Kulturlandschaft betrieben wird. Der Braunkohlentagebau zerstört nicht nur die Umwelt, sondern vielmehr auch die Heimat der Menschen vor Ort. Für uns von der NPD-Fraktion ist Heimat ein sehr wichtiges Argument in der Abwägung der verschiedenen Argumente.

Der wichtigste Vorteil, den die Braunkohle allerdings mit sich bringt, ist tatsächlich die Unabhängigkeit von Importen, welche zunehmend immer teurer werden, wenn wir uns die aktuelle Preisentwicklung auf dem Weltmarkt betrachten. Wir wissen auch, wie wertvoll jeder neue Arbeitsplatz in einer Region wie der Lausitz ist. Bei diesem Argument muss man aber auch die Frage stellen,

zu welchem Preis wir diese Arbeitsplätze letztendlich erkaufen; denn die Braunkohle ist mitnichten ein subventionsfreier Energieträger.

Von dem in Sachsen erzeugten Strom wird jetzt schon ein großer Teil außerhalb Sachsens geliefert. Das ist zusätzlich mit Leistungsverlusten verbunden. Wenn es im Freistaat Sachsen wirklich politisch gewollt ist, mehr Strom aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen und dezentrale Strukturen zu schaffen, wird sich die Menge des zu exportierenden Braunkohlenstroms in Zukunft wohl noch weiter erhöhen.

Das Hauptproblem liegt aber darin, dass die gesamte Ausrichtung einer Energieerzeugung allein nicht regional bzw. auf Landesebene zu lösen ist. Hinzu kommt: Gerade der Unternehmenslandschaft im Energiesektor vorschreiben zu wollen, auf welchen Geschäftsfeldern sie ihre Milliardengewinne einstreichen soll, halte ich aufgrund der derzeitigen politischen Gegebenheiten für völlig unmöglich.

Unsere Fraktion hat sich schon immer dafür ausgesprochen, den Energiesektor voll und ganz unter die staatliche Kontrolle zu stellen. Dann wäre es möglich, eine tatsächliche Umstrukturierung hin zu erneuerbaren, umweltverträglichen Energiequellen zu vollziehen und parallel dazu ein nationales Energieeffizienz- und -einsparprogramm zu realisieren. Das kann aber nicht von heute auf morgen geschehen, sondern dies muss langfristig und wohlüberlegt passieren, weil die Versorgungssicherheit ein äußerst wichtiger Faktor ist. Eine komplette Wende in der Energieerzeugung wäre möglich. Genau das ist im Moment leider nicht gewollt.

Gewollt sind meiner Auffassung nach Gewinne für Unternehmen, weil sich die deutsche Politik der Wirtschaft unterworfen hat, anstatt ihr auf gleicher Augenhöhe und als Partner gegenüberzustehen. Es müsste vielmehr gefordert werden, die versteckte milliardenschwere Subventionierung der Braunkohle zu beenden.

Die Staatsregierung ist zudem gefordert, gerade in der Lausitz ein Programm aufzulegen, mit dem Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden. Dies könnte zum Beispiel verstärkt im Bereich der Erneuerbaren Energien vollzogen werden. Gerade die Menschen in der Oberlausitz klammern sich an jeden Arbeitsplatz, den es dort noch gibt, wie an einen Strohhalm. Auch die Arbeitsplätze, die Vattenfall schafft, sind solche Strohhalme. Es sind zwar im Falle des bevorstehenden Kraftwerkneubaus nicht sehr viele Arbeitsplätze, aber es sind immerhin dringend benötigte Arbeitsplätze.

Aufgrund der derzeitigen Situation und der Abwägung der verschiedenen Argumente im Zusammenhang mit dem Antrag der GRÜNEN habe ich meiner Fraktion empfohlen, den ersten beiden Punkten des Antrages zuzustimmen. Das können wir bedenkenlos tun. Ich habe weiterhin empfohlen, uns beim Punkt 3 des Antrages zu enthalten, weil er aufgrund der derzeitigen Gegebenheiten einfach nicht realisierbar ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der NPD)

Herr Günther als Großverbraucher, sprechen Sie jetzt!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Klimaschutz und Ressourcenschonung sind zentrale Aufgaben einer generationsgerechten, auch liberalen Umweltpolitik. Heutiges Handeln ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass nachfolgende Generationen akzeptable Lebensbedingungen und ausreichende Rohstoffpotenziale vorfinden werden. Klimaschutzanstrengungen sind zugleich eine wirtschaftspolitisch sinnvolle Investition, die für eine aktive Klimaschutzpolitik ökonomische Anreize zu einem vernünftigen Umgang mit fossilen Energierohstoffen setzen kann. Deren verschwenderische Nutzung sollte mit Blick auf die absehbaren Bedürfnisse einer wachsenden Weltbevölkerung nicht fortgesetzt werden. Zur Generationsgerechtigkeit gehört die Schaffung von technologischen Optionen.

Die sächsische FDP setzt deswegen neben mehr Energieeffizienz auf einen umweltverträglich breiten und technologieoffenen Energiemix. Ziel muss es sein, die fossilen Energieträger nach und nach zu ersetzen. Vision der FDP ist eine Energieproduktion, die den natürlichen Treibhauseffekt nicht verstärkt. Wir wollen, dass Deutschland als Hightech-Standort seine Kräfte darauf konzentriert, eine energiewirtschaftliche Technologieführerschaft zu entwickeln und auszubauen.

(Beifall bei der FDP)

Auch hierbei geht es vordringlich um die Steigerung der Energieeffizienz, unter anderem durch verlustärmere Stromübertragung, und um Techniken klimaneutraler Energiegewinnung. Vor allem müssen wir Geld ausgeben für die Forschung – und nicht für die Betreibung –, für Biomasse, Geothermie, Fotovoltaik, Kernforschung und Windenergie auf See. Ich hätte nichts gegen sächsische Windkrafträder auf See. Es geht um modernste Abscheide- und Einleitungstechniken für Treibhausgase, alternative Antriebe sowie eine Versorgungsinfrastruktur für Wasserstoff als Speichermedium.

Priorität hat auch die Energiespeicherforschung, um jene Erneuerbaren Energien, die eben nicht ständig verfügbar sind, in einfache, transportierbare und lagerfähige Formen mit hoher Energiedichte zu bringen und sie somit zeitlich unabhängig verfügbar zu machen. Die Energieversorgung der Zukunft muss deshalb unter Wahrung eines breiten, technologieoffenen Energiemix stärker als bisher auf Erneuerbare Energien und auf CO2-reduzierte Energieproduktion aus Kohle setzen, sofern die dauerhafte Lagerung des CO2 sichergestellt werden kann. Dabei ist es nicht Aufgabe der Politik, heute zu entscheiden, welcher Energiemix in 20, 30 oder 50 Jahren realisiert werden soll oder kann. Vielmehr muss die Politik heute Optionen öffnen, mit denen alle potenziell wirtschaftlich

und ökologisch vertretbaren Energieerzeugungstechnologien eine Chance bekommen.

(Beifall bei der FDP)

Mit dem Bau des neuen effizienten Grundlastkraftwerksblocks in Boxberg werden ältere Kraftwerke mit deutlich geringerem Wirkungsgrad und einer deutlich höheren Kohlendioxidemission vom Energiemarkt verdrängt. Deshalb geht der vorliegende Antrag der GRÜNEN in die falsche Richtung, und wir werden ihn ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Das war der Sprecher der FDP-Fraktion. Der Abg. Schmidt, fraktionslos, möchte noch sprechen.

Sehr geehrte Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal geht es um das Thema Energiewirtschaft, zu dem ich mich bereits bei den vergangenen Anträgen geäußert hatte. Wo wir derzeit mit den Preisen für Energie in Deutschland stehen, weiß jeder. Wir wissen auch, dass wir zum Großteil von Importen abhängig sind und daher nicht Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen können.

Ich machte bereits darauf aufmerksam, dass nur eine Abkoppelung vom ausländischen Energiemarkt, und sei diese nur eine teilweise, dazu führen könnte, dass Energie in Deutschland wieder bezahlbar werden würde. Über Braunkohle verfügt nun einmal unser Land. Weshalb sollten wir diese einheimische Energieressource nicht nutzen? Wir wissen doch, dass sich Erneuerbare Energien nur bescheiden auf dem Strommarkt ausnehmen. Außerdem sollte man, wenn man das Wort Boxberg hört, nicht unbedingt mehr an die qualmenden Schlote der DDREnergiewirtschaft denken. Filtersysteme ermöglichen heutzutage eine nahezu optimale Sicherung für unsere Umwelt, was Nachrüstungen in unserem Nachbarland Tschechien bewiesen haben. Denkt man vielleicht, dass das Unternehmen Vattenfall die Norm für Schadstoffausstoß nicht kennt? Arbeitsplätze, meine Damen und Herren, bringt dieses Unternehmen allemal.

Sie können mir glauben, dass ich sofort für eine Alternative wäre. Aber die haben wir noch nicht, und daher bin ich schon dafür, dass man im Zeitraum bis zur Einführung einer wirklich effizienten und vor allem bezahlbaren Energiealternative erst einmal an dem Projekt Boxberg festhält und an dieses herangeht. Daher lehne ich diesen Antrag der Fraktion GRÜNE ab.