Protocol of the Session on June 22, 2006

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort; Frau Altmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit den Redebeiträgen aus den anderen Fraktionen hebe ich mir für die dritte Runde auf. Dafür möchte ich noch ein wenig sammeln.

Nun komme ich erst einmal zu der angekündigten inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Entwurf, den die Staatsregierung zum Entwicklungsplan für den ländlichen Raum vorgelegt hat.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Da bin ich aber gespannt!)

Darauf können Sie auch gespannt sein. Ich weiß nicht, ob Sie ihn überhaupt schon einmal gelesen haben und in der Lage sind, dabei mitzureden.

Wir von der Linksfraktion.PDS rechnen uns an, durch parlamentarischen Druck dazu beigetragen zu haben, dass Ende Mai der Entwurf des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum im Freistaat Sachsen 2007 bis 2013 endlich den Wirtschafts- und Sozialpartnern zur Verfügung gestellt wurde.

Doch schon wieder wird den Partnern die Pistole auf die Brust gesetzt. Das Kabinett will sich bereits Mitte Juli – wie heute schon gehört – mit dem Entwicklungsprogramm befassen; und wir kennen doch das sächsische Kabinett: Nach der Befassung dort wird nichts an Änderungen am Programm zugelassen werden, es sei denn, die Europäische Kommission verlangt es. Wenn es so gehandhabt wird, hätten die Wirtschafts- und Sozialpartner in dieser Runde gerade einmal fünf Wochen Zeit, um sich mit dem 400-Seiten-Entwurf zu befassen und ihn zu beurteilen.

Dieser Entwurf weist an entscheidender Stelle erhebliche Lücken auf. Die in der ELER-Verordnung verlangte Rechtfertigung der gewählten Prioritäten im Hinblick auf die strategischen Leitlinien der Gemeinschaft und den nationalen Strategieplan und damit wesentliche – wenn nicht die wesentlichsten – Kernaussagen fehlen im Entwurf einfach. Der Kern ist also hohl. Da frage ich mich schon: Was ist das für eine Partnerschaft? Wie sollen die Gremien der einzelnen Wirtschafts- und Sozialpartner in so kurzer Zeit und ohne die wesentlichen Kernaussagen zu einer fundierten Einschätzung gelangen, welche allgemeinen und spezifischen Erfordernisse der ländlichen Entwicklung bis zum Jahr 2013 bestehen?

Also fordern wir von der Linksfraktion hier und heute von Herrn Staatsminister Tillich, dass er erklärt, dass der Vorhang nicht Mitte Juli geschlossen wird, sondern noch mehrere Monate offen bleibt für eine wahrhaft partnerschaftliche Debatte und für eine Mitsprache der Partner. Dies sage ich auch vor dem Hintergrund dessen, was Sie, Herr Heinz, vorhin gesagt haben: Zeitknappheit usw.

Darauf komme ich im dritten Redebeitrag noch zu sprechen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Es gibt tausend Gründe, die Erfahrungen und Vorstellungen für die Zukunft mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern in gemeinsamer Arbeit entstehen zu lassen. Ich möchte hier nur das Dahinvegetieren des ökologischen Landbaus ansprechen. Seine Anbaufläche soll von 2 % im Jahr 2004 auf „sagenhafte“ 3,5 % im Jahr 2013 steigen. Dies sind gerade einmal 1 111 Hektar pro Jahr. Diese Schnapszahl ist einfach nur lächerlich und die Zahl zu einer Schnapsidee.

Daneben erscheint die Vorgabe des Landesentwicklungsplanes Sachsens aus dem Jahr 2003 von 10 % Ökolandbau auf der Anbaufläche geradezu mutig. Diese gegenwärtige Vernachlässigung des Ökolandbaus stellt aus unserer Sicht ein echtes agrarstrukturelles Problem dar, über das endlich ohne vorgehaltene Hand zwischen dem Ministerium und den Wirtschafts- und Sozialpartnern gesprochen werden muss. Sachsen verschläft sonst eine Chance, mehr Wertschöpfung, Arbeit und Kaufkraft im ländlichen Raum zu generieren.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie mir keinen Glauben schenken, dann vielleicht dem Magazin „Focus“. Dort war am 12. Juni 2006 zu lesen – ich zitiere –:

(Unruhe im Saal)

Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit!

„Bio schießt ins Kraut. Noch hat die Branche nur einen Marktanteil von 2,5 %, aber sie wächst wie kaum eine andere. Allein im vergangenen Jahr stieg ihr Umsatz um gut 15 % auf 4 Milliarden Euro. Der Markt ist leer gefegt, die Händler streiten sich um die letzten Rohstoffe.“ – So berichtet Markus Reppin, Ökomarktexperte bei der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle ZMP.

Was Sie, Herr Staatsminister Tillich, bis 2013 generös mit 0,15 % pro Jahr als Wachstum der Anbaufläche des Ökolandbaus anbieten und zu fördern gedenken, ist, milde ausgedrückt, ein Unding. – Ich sehe, meine Redezeit geht zu Ende, deshalb nur noch dieser Satz zum Schluss. – Herr Staatsminister Tillich, Sie brauchen wirklich keine Angst vor den Vertreterinnen und Vertretern der Partner zu haben. Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Ämtern und in Ihrem Hause sind diesem Dialog mit den Partnern durchaus gewachsen, und vielleicht freuen sich einige sogar auf diesen Dialog.

Ich bedanke mich erst einmal wieder für die Aufmerksamkeit. Bis zur nächsten Runde!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Herr Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Altmann, ich glaube, Sie hatten gerade die falsche Tagesordnung. Über den Ökolandbau diskutieren wir doch morgen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wollen wir also zum heutigen Thema – ELERVerordnung, demokratische Mitwirkung der Vorhabenträger – zurückkehren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Verehrter Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, dass der Ökolandbau ein wesentlicher Bestandteil des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum ist oder zumindest aus unserer Sicht sein sollte? Mit dem Ist ist es so eine Sache.

Dies ist mir durchaus bekannt. Wenn wir aber morgen über dieses Thema diskutieren und heute über ein anderes Thema – Sie sprechen ja von der demokratischen Mitwirkung und nicht von inhaltlichen Dingen –, sollten wir doch morgen über das sprechen, was morgen auf der Tagesordnung steht, und heute über das, was heute auf der Tagesordnung steht.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Elke Altmann, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Nein. – Wir sprechen also heute über ELER, und der Entwurf der ELER-Verordnung, den wir nun vorliegen haben, ist auf der Basis dessen erarbeitet worden, was wir in den letzten Jahren bereits gefordert haben. Es ist in anderen Schwerpunkten zusammengefasst und in einigen Dingen etwas verändert worden, zum Beispiel in einer etwas anderen Förderzielrichtung. Man hat es sich jedoch nicht leicht gemacht, und wir haben etwa fünf Zentimeter DIN-A4-Seiten, eine tief greifende Analyse und letztendlich einen Entwurf, der uns am 29. Mai im Ausschuss zur Diskussion vorgelegt worden ist, bekommen.

Das Datum 29. Mai bedeutet natürlich nicht, dass nicht auch schon im Vorfeld Anregungen und Gedanken in die Erarbeitung des Planes eingebracht werden konnten. Der Minister ist damals im Ausschuss darauf eingegangen. Er hat auch Schwerpunkte benannt, die er setzen will. Einer dieser Schwerpunkte war, dass er Arbeit im ländlichen Raum erhalten möchte. Darin können wir ihn nur unterstützen.

Ich will nicht alles wiederholen, was von Andreas Heinz und von anderen Kollegen aus dem Landtag gesagt worden ist. Auf eines möchte ich aber noch einmal eingehen, und zwar auf die Behauptung, dass der Zeitdruck nur als Argument verwandt werde, um diese Angelegenheit schnell durch das Kabinett zu boxen. Ich sehe das etwas anders.

Es geht darum, dass wir auch im nächsten Jahr ein Förderprogramm haben. Der Entwurf wird von uns beschlossen und der EU zur Genehmigung eingereicht. Erst dann können wir die Richtlinie dazu erarbeiten. Diese Richtlinie brauchen wir, wenn wir im ländlichen Raum AgrarUmwelt-Maßnahmen, Fördermaßnahmen in Kommunen und andere Dinge umsetzen und den Menschen dazu Handlungsspielräume geben wollen. Die Richtlinie brauchen wir, um den Leuten auch im nächsten Jahr das Geld für diese Aufgaben zur Verfügung zu stellen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen von einer Begebenheit bei einem Besuch der Arbeitsgruppe „Regionale Zusammenarbeit“ in der Woiwodschaft Niederschlesien berichten. Dort ist uns gesagt worden, in Polen sei noch nie so viel Geld beispielsweise für Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung gestellt worden wie jetzt. Allerdings gebe es dabei ein Problem: Es fehlen zu einem großen Teil die Förderprogramme. Die Polen befürchten, dass sie möglicherweise erst Ende 2008 den Prozess der Genehmigung ihrer Programme für die Förderperiode 2007 bis 2013 abschließen können und dass ihnen so Milliarden für Investitionen im Lande verloren gehen.

Bei uns geht es nicht um Milliarden, sondern es geht um 805 Millionen Euro. Wir sollten uns das Ziel setzen, dieses Programm zügig und effektiv auf die Beine zu stellen, damit am Ende dieses Jahres die Richtlinien fertig sind, sodass unsere Bürger im nächsten Jahr damit arbeiten können. Das sollte unser Ziel sein. Wir sollten nicht über irgendwelche Dinge diskutieren, auch wenn manche Punkte sicherlich kritikwürdig sind. Das Ziel muss jedoch klar sein und diesem Ziel sollten wir uns stellen.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage die SPD, ob noch Redebedarf besteht. – Die NPD? – Die FDP? – Die GRÜNEN? – Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Altmann, vielleicht können Sie morgen nicht anwesend sein, aber Sie wissen ganz genau, dass meine Fraktion die Debatte zum Ökolandbau zeitig genug angemeldet hat. Natürlich ist es Ihnen unbenommen, darauf einzugehen, denn das ist Bestandteil des ELER. Aber ich empfinde es zumindest als unkollegial – ich weiß nicht, wie ich es sonst noch bezeichnen soll –, dies jetzt unter einer anderen Anmeldung zu einem Schwerpunkt der Debatte zu machen. Wir finden das nicht in Ordnung. Ich muss Ihnen das ganz klar sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Thomas Schmidt, CDU)

Das scheint ja bei Ihnen jetzt einzureißen, wenn ich an das gestrige Auftreten von Herrn Fröhlich denke.

Herr Staatsminister Tillich hat am 29. Mai dieses sehr umfangreiche Papier vorgestellt. Dafür sind wir ihm auch dankbar. Er hat allerdings einen wesentlichen Punkt, auf den ich jetzt hinweise, einfach ausgelassen. Das Ganze ist nämlich nicht finanziell untersetzt. Staatsminister Tillich hat zwar die großen Blöcke beschrieben, aber wir wissen doch alle, dass wir in der neuen Periode mit 200 Millionen Euro weniger auskommen müssen. Ich werfe ihm also vor – und es ist mir wichtig, das bei dieser Debatte im Plenum rüberzubringen –, dass er eigentlich den Menschen im ländlichen Raum keinen reinen Wein einschenkt und dass er mit ihnen nicht die Diskussion führt, an welcher Stelle die Kürzungen tatsächlich vorgenommen werden sollen.

Und da sind wir wieder bei der Partizipationsdebatte und bei dem Thema, wie Sie in der sächsischen Öffentlichkeit damit umgehen, um das tatsächlich durchzusetzen. Wir haben den Eindruck, dass Sie zwar jetzt ein umfangreiches Papier vorlegen, dabei aber hoffen, da Sie schneller gearbeitet haben als andere, dass dann etwas untergeht, dass die eigentlichen Kürzungsdebatten, die eigentlichen politischen Auseinandersetzungen und die schmerzhaften Entscheidungen noch bevorstehen.

Wir würden uns wünschen, dass Sie diese Debatte ehrlich führen, dass Sie sie offen führen, dass Sie sie jetzt führen, bevor Sie endgültig im Kabinett beschließen und bevor Sie in die Haushaltsdebatte gehen. Wir haben den Eindruck, dass Sie diese Diskussion auch halb absichtlich – der Jurist würde sagen: mit Modus Sensualis, also mit bedingtem Vorsatz – vielleicht nicht führen wollen.

Das kritisieren wir und ich denke, diese Kritik ist an dieser Stelle der Debatte zu üben. Wir fordern Sie auf, möglichst schnell, also noch vor dem Kabinettsbeschluss und vor der Haushaltsdebatte, klaren Wein einzuschenken und zu sagen, wo die Kürzungen tatsächlich angesetzt werden sollen. Wir als GRÜNE können uns nicht vorstellen, dass die zusätzlichen Aufgaben NATURA 2000, Wasserrahmenrichtlinie und Bewältigung des demografischen Wandels tatsächlich bei weniger Mitteln mit derselben Effizienz erfüllt werden können. Sie müssen dort Prioritäten setzen. Diese Prioritäten müssen Sie – das verlangen wir von Ihnen – offen und politisch ehrlich diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)