Protocol of the Session on June 22, 2006

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Frau Altmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt zu den vielen

Vorwürfen, Unterstellungen usw., die es bisher in der Debatte gehagelt hat, Stellung nehmen.

Zunächst zu Herrn Lichdi und auch zum Kollegen Schmidt, was das angebliche Vorbeidiskutieren an unserem eigenen Thema betrifft: Ich weiß nicht, ob Sie beide schon einmal gehört haben, dass Inhalt und Form immer eine Einheit bilden. Für uns gehört zur Form, wie mit den entsprechenden Partnern bei der Erarbeitung des Entwicklungsprogramms umgegangen wurde. Dass dann keine andere Form herausgekommen ist als die, die ganz speziell bezüglich der Inhalte zum ökologischen Landbau gefunden wurde, ist für uns überhaupt nicht erstaunlich. Der ökologische Landbau war für mich einfach nur ein Beispiel, an dem deutlich wird, was herauskommt, wenn man die Menschen, die vor Ort Ahnung von etwas haben, nicht in die Ausarbeitung einbezieht.

Die von allen Seiten erhobenen Vorwürfe, dass das, was in § 6 der EU-ELER-Verordnung verlangt wird, nämlich partnerschaftliche Einbeziehung, ein weitgesteckter Dialog mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern, nichts mit Demokratie zu tun haben soll, wie es im Titel dieser Debatte steht, zeigt ein zumindest eingeschränktes, ein schmalspuriges Demokratieverständnis. Demokratie endet für mich nicht hier im Parlament –

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Nein!)

also bei der Einbeziehung von uns als Abgeordnete –, sondern Demokratie ist für mich viel mehr. Demokratie ist für mich auch Partizipation außerhalb dieses Parlaments. Wenn Menschen vor Ort in Entscheidungen einbezogen werden, dann ist das für mich eine Form von Demokratie.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Lachen bei der FDP)

Wie in diesem konkreten Fall die Einbeziehung, die Partnerschaft auszusehen hat, Herr Minister Tillich – ich sage Ihnen das noch einmal, ich könnte es Ihnen auch geben –, können Sie in § 6 der ELER-Verordnung nachlesen. Dort ist sehr wohl genau festgeschrieben, Kollege Heinz, in welcher Art und Weise diese Einbeziehung erfolgen soll. Man muss die Worte, die dort geschrieben stehen, nur richtig deuten können. Natürlich wird kein zeitlicher Ablauf angegeben; dieser aber ist an anderer Stelle festgelegt. In § 18 der Verordnung ist genau beschrieben, was sich die EU-Kommission vorbehält, wenn sie vor Erteilung der Genehmigung die Entwicklungspläne für den ländlichen Raum prüft.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Altmann?

Aber bitte.

(Zurufe von der CDU: Nein, nein, nein!)

Doch nicht! Okay, dann rede ich weiter. – Wenn das, was in § 18 der EU-Verordnung steht, seitens des Freistaates Sachsen nicht eingehalten wird, dann laufen wir schon Gefahr, dass unser Entwicklungsplan nicht geneh

migt wird. Damit ist die Gefahr, dass unser Programm sehr viel später genehmigt wird, um ein Vielfaches größer, als wenn wir uns in Sachsen jetzt noch zwei, drei Monate Zeit nehmen würden, mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern diesen Entwurf der Staatsregierung wirklich partnerschaftlich und mitbestimmend zu diskutieren.

Ja, meine Damen und Herren, ich habe mich über die lebhafte Debatte sehr gefreut. Ich denke, diese Debatte ist notwendig gewesen, auch wenn Sie alle dies abgestritten haben. Ich bin sehr gespannt auf die Äußerungen von Herrn Minister Tillich.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Herr Heinz, bitte.

Ich möchte doch noch einmal kurz reagieren. Liebe Kollegen, nicht der Inhalt bedingt die Form, sondern wenn, dann bedingt höchstens die Funktion die Form. Wir jedenfalls konnten vom Titel der Debatte, der sich auf Verfahrensfragen bezieht, nicht auf eine inhaltliche Diskussion schließen. Deshalb haben wir diese auch vermieden.

Ich möchte trotzdem noch zwei Worte zum Inhalt sagen. Für uns geht der Entwurf vollkommen in die richtige Richtung, nämlich dahin, Arbeit und Wertschöpfung im ländlichen Raum zu schaffen, zu erhalten und weiter zu verbessern. Dass es noch Möglichkeiten für einen gewissen Feinschliff an der einen oder anderen Stelle geben wird und dass dieser vielleicht auch notwendig ist, möchte ich nicht bestreiten. Das werden wir tun.

Lieber Kollege Lichdi! – Wo ist er? –

(Volker Bandmann, CDU: Weg ist er!)

In diesem Fall hat sich das Thema für ihn schon erledigt. – Ich möchte nur sagen: Ich habe mich nicht beklagt, dass es keine zeitlichen Vorgaben gibt, sondern ich habe nur festgestellt, dass es diese nicht gibt und dass man, wenn es diese nicht gibt, auch nicht dagegen verstoßen kann.

Ansonsten haben wir in dem Entwurf reinen Wein eingeschenkt, wo die 200 Millionen Euro, die nun nicht mehr zur Verfügung stehen, eingespart werden sollen. Das wird bei flächendeckenden Umweltmaßnahmen passieren, die zum Teil auch durch Cross Compliance ersetzt werden, welche jetzt gesetzliche Anforderung und demzufolge nicht mehr förderfähig sind, und das wird im Bereich Dorfentwicklung bei der Fassadengestaltung, die nicht mehr förderfähig ist, passieren.

Ansonsten wünsche ich weiterhin viel Vergnügen beim Studium des umfangreichen Werkes und darf mich nochmals bei der Staatsregierung für die Erarbeitung bedanken.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Wird von der Linksfraktion.PDS noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte die Staatsregierung, Herr Minister Tillich.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau Altmann, Sie haben mich heute amüsiert. Zum Ersten möchte ich mich bei Ihnen für das Kompliment für mein Haus bedanken. Sie haben es als elitär bezeichnet. Das ist eine Anerkennung für unsere Arbeit.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Na ja! Na ja!)

Zum Zweiten haben Sie mir gesagt, dass ich in Brüssel aufgefallen bin. Für dieses Kompliment bin ich auch dankbar. Immerhin war ich neun Jahre in Brüssel und wenn das nicht so gewesen wäre, wäre es schlimm.

Aber in einem Punkt haben Sie nicht Recht: Ich hatte noch nie ein blaues Auge, deswegen kann ich mir nicht wieder ein blaues Auge holen. Darauf wollte ich Sie nur hinweisen.

Frau Hermenau, dazu, dass Sie enttäuscht sind, dass die Linksfraktion.PDS Ihnen das Recht der ersten Pressemitteilung mit der Debatte zu Öko wegnehmen wollte: Das ist halt so,

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

daran muss man sich gewöhnen.

Ich habe mir gedacht: Die Debatte, die die Linksfraktion.PDS heute hier geführt hat und die Frau Altmann initiiert hat, passt ein bisschen in die Zeit der FußballWM: Das ist ein klassisches Eigentor.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben 44 Verbände und Partner, die mehrere tausend Bürger im Freistaat Sachsen repräsentieren, aus dem Bereich der Landwirtschaft, des Gartenbaus, der Fischereiverbände, des ökologischen Landbaus, der Natur- und Umweltschutzverbände, der Forstverbände eingELERden. Ich könnte sie alle aufzählen, ich erspare es Ihnen. Selbstverständlich haben wir auch die kommunalen Spitzenverbände sowie die Vereine und Verbände für soziale und Gleichstellung betreffende Bereiche eingELERden.

Wir haben darüber hinaus Workshops durchgeführt und ich nenne Ihnen gern die Daten dafür:

Wir haben am 8. November 2004, wenige Tage nach Veröffentlichung der Verordnung, mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern zu den inhaltlichen Aspekten eine erste Debatte gehabt.

Wir haben darüber hinaus am 19. Juli 2005 in einer weiteren Veranstaltung neben den inhaltlichen Fragen die Möglichkeiten und die gewünschte Einbeziehung mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern diskutiert und uns darüber verständigt, wie diese erfolgen soll. Wir haben vereinbart, dass wir auch dazu Workshops durchführen wollen. Diesem Wunsch ist mein Haus drei Monate

später, am 10.10.2005, nachgekommen. Wir haben einen ganztägigen Workshop durchgeführt und ich bin meinen Mitarbeitern ausdrücklich dankbar. Sie hatten keine Scheu vor diesen Leuten, sondern sie haben sich große Mühe gegeben. Sowohl die Vorbereitung als auch die Durchführung hat viel Zeit beansprucht.

Alle Ergebnisse dieser Gespräche und Beratungen sind in den Entwurf des Entwicklungsprogramms eingeflossen. Ich will aber gleich, wenn jemand die Frage stellt, was demokratisch oder undemokratisch ist – darauf haben sowohl Herr Lichdi als auch Herr Günther hingewiesen –, deutlich sagen: Wenn es weniger Geld gibt, kann die Wunschliste nicht länger werden, sondern sie muss kürzer werden. Wenn Sie es für undemokratisch halten, dass Ihr Wunsch oder Ihre Vorstellung nicht berücksichtigt worden ist, dann haben wir, denke ich, eine völlig unterschiedliche Auffassung von Demokratie. Ich kann der Linksfraktion.PDS nur sagen, sie sollte, bevor sie mich und uns zur Demokratie belehrt, an einige ihrer Mitglieder in ihren eigenen Reihen denken. Ich denke da zum Beispiel an Frau Bonk.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in einer vierten Veranstaltung am 03.03.2006 den Wirtschafts- und Sozialpartnern sowohl die Gliederung des Programms als auch die SWOT-Analyse, das heißt, die Stärken-Schwächen-Analyse, vorgestellt und wir haben seinerzeit schon im Vorfeld vereinbart, dass wir ihnen den Programmentwurf kapitelweise zukommen lassen, sobald wir ihn erarbeitet haben. Wir haben sie gebeten, im März dieses Jahres Stellung zu der so genannten sozioökonomischen Analyse zu nehmen. Meine Damen und Herren, die Sie dieses Programm in den Händen halten! Das ist die Hälfte des Papiers. Aber halten Sie sich fest! Wenn wir wiederum von Demokratie reden: Ein einziger der Wirtschafts- und Sozialpartner hat zu dieser sozioökonomischen Analyse Stellung genommen. Wenn Sie diese gelesen haben, finden Sie darin, was sich in der Vergangenheit bewährt hat, was sich nicht bewährt hat und was künftige Schwerpunkte sind. Ich möchte darauf nur hinweisen, wenn es uns gegenüber den Vorwurf gibt, dass wir angeblich die Wirtschafts- und Sozialpartner nicht richtig einbezogen hätten.

Wir werden eine nächste Veranstaltung Anfang Juli haben – ich glaube am 4. oder 6. Juli, legen Sie mich bitte nicht auf das Datum fest –, auf der wir mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern über den allen vorliegenden Entwurf sprechen. – Herr Lichdi, Sie sind nicht zu spät, aber ein bisschen zu spät gekommen, bevor ich zum Ende komme. – Wir werden erst anschließend im Kabinett den Beschluss über diesen Programmentwurf fassen, sodass ich glaube, dass das, was uns vonseiten der Europäischen Kommission aufgetragen worden ist, die Wirtschafts- und Sozialpartner einzubinden, von uns wohl umgesetzt worden ist. Wir haben auch Interesse daran, dies zukünftig weiter zu tun.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zu einer Bemerkung von Herrn Lichdi kommen. Herr Lichdi, ich möchte nur

darauf hinweisen – Sie waren gerade noch draußen –, dass in unserer sozioökonomischen Studie schon dargestellt ist, welches die Schwerpunkte sind.

Mein Demokratieverständnis ist aber: Dass ich dem Kabinett anschließend die Zeitungsartikel vorlege, in denen ich die Zahlen letztlich schon der staunenden Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt habe, das wird wahrscheinlich auch in Zukunft nicht funktionieren. Das legitime Recht des sächsischen Kabinetts ist es, sowohl über den Haushalt zu beschließen und anschließend dem Gesetzgeber diesen Entwurf zur Verfügung zu stellen als auch in diesem Verfahren letztendlich die Entscheidung über die Beträge zu treffen und darüber die Öffentlichkeit zu informieren. So ist das Partizipationsverfahren in dieser Vorschrift seitens der Europäischen Union geregelt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.